Urteil vom Arbeitsgericht Essen - 4 Ca 2629/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Streitwert: 18.000,00 €.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Befristungen ihres Arbeitsverhältnisses.
3Der Kläger (49 Jahre alt) war bei dem beklagten Universitätsklinikum, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, seit dem 03.11.2008 als medizinisch-technischer Laborassistent beschäftigt. Zuletzt war er zunächst befristet beschäftigt bis zum 08.09.2015. Die Beklagte wollte dem Kläger die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um ein weiteres Jahr bis 08.09.2016 anbieten, der bei ihr gebildete für den Kläger zuständige Personalrat stimmte dem jedoch nicht zu (Bl. 50 d. A.). Die Beklagte bot daraufhin dem Kläger mit Zustimmung des Personalrats eine Verlängerung der Befristung bis zum 31.12.2015 an, die der Kläger annahm.
4Der Kläger war damit über den Zeitraum 03.11.2008 bis 31.12.2015 infolge von insgesamt 7 befristeten Arbeitsverhältnissen bei der Beklagten durchgehend mit derselben Tätigkeit beschäftigt. Die sieben befristeten Arbeitsverträge (Bl. 35 ff. d. A.) wurden jeweils an den angegebenen Daten, für die angegebene Dauer und mit dem unstreitig jeweils gegebenen Befristungsgrund wie folgt vereinbart:
5VertragsschlussVertragsdauerBefristungsgrund
6131.10.200803.11.2008 - 30.04.2011Altersteilzeit X.
7228.04.201101.05.2011 - 17.03.2012Teilzeit C. u. M.
8316.02.201218.03.2012 - 31.12.2012Beurlaubung O.
9411.10.201201.01.2013 - 30.06.2013Beurlaubung O.
10510.05.201301.07.2013 - 30.06.2014Beurlaubung O.
11602.05.201401.07.2014 - 08.09.2015Beurlaubung O.
12702.09.201509.09.2015 - 31.12.2015Beurlaubung O.
13Ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG für jede der ersten sechs Befristungen lag unstreitig jeweils vor.
14Der Kläger ist der Ansicht, die Befristungsgründe hielten den verschärften Anforderungen bei Kettenbefristungen nicht stand. Zudem führe eine Missbrauchskontrolle dazu, dass die Beklagte sich des Instruments der Befristung hier zu Unrecht bedient habe. Dieser Missbrauch ergebe sich unter anderem daraus, dass erst nach dem Kläger eingestellte vergleichbare Mitarbeiter bereits vor ihm ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erhalten hätten. Schließlich litten die beiden letzten Befristungen darunter, dass die Schriftform jeweils nicht eingehalten sei, da die Unterzeichnung für die Beklagte jeweils nur "im Auftrag" erfolgt sei. Hinsichtlich der letzten Befristung fehle es offenkundig zudem an einem Sachgrund, da dem Kläger zuvor eine Verlängerung bis September 2016 angeboten worden sei.
15Der Kläger beantragt, zu erkennen:
161.Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 02.05.2014 mit dem 08.09.2015 beendet worden ist.
172.Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 02.09.2014 mit dem 31.12.2015 beendet worden ist.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte behauptet, die Entfristung des anderen Arbeitnehmers, der erst nach dem Kläger bei der Beklagten eingestellt worden sei, sei aufgrund überragender Leistungen dieses Arbeitnehmers erfolgt. Eine weitere Arbeitnehmerin sei versehentlich entfristet worden, indem der Arbeitsvertrag unterzeichnet worden sei, bevor der Personalrat der Befristung zugestimmt habe.
21Die Arbeitnehmerin O. habe Sonderurlaub zum Zwecke der Kindererziehung nach § 28 TV-L bis zum 08.09.2014 auf ihren Antrag gewährt erhalten. Diesen Sonderurlaub habe sie sodann am 03.02.2014 bis zum 08.09.2015 verlängert (Bl. 80 d. A.). Daraufhin sei am 02.05.2014 der Vertrag mit dem Kläger bis zum 08.09.2015 verlängert worden. Nachdem die Arbeitnehmerin O. ihr Recht auf weiteren Sonderurlaub bis zum 08.09.2016 im Februar 2015 in Anspruch genommen habe (Bl. 81 d. A.), sei der Vertrag des Klägers mit Zustimmung des Personalrats (Bl. 82 d. A.) nochmals bis 31.12.2015 verlängert worden. Das jüngste Kind der Arbeitnehmerin O. vollende am 08.09.2017 das 18. Lebensjahr, so dass diese spätestens nach Ablauf dieses Datums ihre Arbeit bei der Beklagten wieder aufnehmen werde.
22Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger könne sich gegen die vorletzte Befristung schon deshalb nicht mehr gerichtlich zur Wehr setzen, weil er den Folgevertrag vor Klageerhebung vorbehaltlos unterschrieben habe. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass die zu den befristeten Arbeitsverträgen führender Erklärung jeweils im Namen der Beklagten abgegeben worden sei. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu, insbesondere folge ein solcher Anspruch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs seien nicht erfüllt.
23Der Kläger erwidert, er dürfe auch den vorletzten Arbeitsvertrag als unselbstständigen Annex zu dem vorherigen gerichtlich angreifen. Es sei anerkannt, dass die Unterzeichnung im Auftrag ein Indiz für die Botenstellung sei. Die letzte Befristung stelle zudem einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot dar. Erstmalig sei eine Verlängerung nicht angeboten worden, obwohl unstreitig Vertretungsbedarf bestanden habe. Grund hierfür sei nur, dass der Personalrat versucht habe, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu erreichen.
24Ergänzend wird auf die wechselseitigen vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie auf die Sitzungsprotokolle.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
26Die zulässige Klage ist unbegründet.
27I.
28Beide Befristungen gelten nicht bereits gem. §17, S. 2 TzBfG iVm. § 7, 1. HS KSchG als wirksam. Der Kläger hat sich mit seiner Klage vom 24.09.2015, am Folgetag beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 02.10.2015 zugestellt (Bl. 54 d. A.), aber rechtzeitig iSd. § 17, Satz 1 TzBfG gegen die Befristungen zum 08.09.2015 sowie 31.12.2015 gewehrt.
29II.
301.Die Klage gegen die vorletzte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 08.09.2015 ist bereits unbegründet, weil der Kläger den Folgevertrag über eine erneute Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses um mehr als 3,5 Monate vorbehaltlos unterschrieben hat.
31a)Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie der Instanzgerichte, dass die Arbeitsvertragsparteien ihr Arbeitsverhältnis durch den vorbehaltlosen Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags regelmäßig auf eine neue rechtliche Grundlage stellen wollen und damit zugleich ihr etwa unwirksam befristetes früheres Arbeitsverhältnis aufheben (BAG vom 06.10.2010 - 7 AZR 397/09 - zit. nach juris, Rn. 2.; vom 25.03.2009 - 7 AZR 4./08 - zit. nach juris, Rn. 9). Anders verhält es sich nur dann, wenn der letzte Arbeitsvertrag ein unselbständiger Annex zu dem vorherigen Arbeitsvertrag war, mit dem 1. lediglich die in dem vorangegangenen Vertrag vereinbarte Vertragslaufzeit verhältnismäßig geringfügig verlängert wird, 2. sich die Korrektur am Sachgrund für die Befristung des vorangegangenen Vertrags orientiert und 3. allein in der Anpassung der Vertragslaufzeit an später eintretende, im Zeitpunkt des Abschlusses des vorangegangenen Vertrags nicht absehbare Umstände besteht (BAG 25.03.2009, a. a. O.). Alles in allem darf es den Parteien nur darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrags mit dem Sachgrund der Befristung in Einklang zu bringen (BAG vom 07.11.2007 - 7 AZR 484/06 - zit. nach juris, Rn. 2.).
32b)Dies war hier nicht der Fall. Der Vertrag vom 02.09.2015, den der Kläger vorbehaltlos unterschrieb, stellt keinen unselbständigen Annex zu dem vorherigen Vertrag vom 02.05.2014 dar.
33aa)Die Vertragslaufzeit ist mit dem letzten Vertrag nicht an den Sachgrund angepasst worden. Es mag noch vertretbar sein, dass die erneute Beantragung eines Sonderurlaubes durch die schon bisher vertretene Arbeitnehmerin als Korrektur am Sachgrund zu verstehen sein könnte. Ein Annex scheidet aber nach Auffassung der Kammer bereits deshalb aus, weil die Veränderung des Befristungsgrundes die Dauer von einem Jahr beinhaltete, die erneute Befristung selbst aber nur etwas über 3,5 Monat. Bei einer Gesamtbetrachtung ist damit die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gerade nicht mehr an den veränderten Sachgrund angepasst worden, sondern die Beklagte hat lediglich einen Teil des verlängerten Sachgrundes durch die Befristung des Klägers abgedeckt.
34bb)Die vereinbarte Vertragslaufzeit des letzten Vertrages stellt keine verhältnismäßig geringfügige Verlängerung des Arbeitsverhältnisses dar. Bei einem zuvor befristeten Arbeitsvertrag über die Dauer von gut 14 Monaten und in den letzten Jahren erfolgten Verlängerungen zwischen 6 und gut 14 Monaten ist aber die erneute Verlängerung um mehr als 3 Monate nicht verhältnismäßig geringfügig. Denn die Verlängerungsdauer beträgt etwa ¼ des unmittelbar zuvor geschlossenen befristeten Vertrages, der gleichzeitig auch die längste Verlängerung darstellt.
352.Die zwischen den Parteien als vorletzte Befristung vereinbarte Vertragsabrede ist unabhängig davon, dass der Kläger diese nicht mehr wirksam angreifen kann, auch nicht unwirksam nach § 14 Abs. 4 oder § 14 Abs. 1 TzBfG. Insoweit kann auf die entsprechend geltenden Ausführungen unten zu der letzten Befristung verwiesen werden.
36Der Antrag zu 1) war entsprechend abzuweisen.
37III.
38Die Klage ist auch im Hinblick auf die zuletzt vereinbarte Befristung unbegründet, weil diese Befristung wirksam vereinbart wurde.
391.Die vereinbarte Befristung verstößt nicht gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG.
40a)Die Klägerin beruft sich darauf, der Arbeitsvertrag vom 02.09.2015 (Bl. 47 f. d. A.) sei für die Beklagte lediglich "im Auftrage" des kaufmännischen Direktors unterschrieben worden. Der kaufmännische Direktor habe dabei ausweislich der Unterschriftszeile für den Vorstand gehandelt. Daraus ergebe sich, dass die Vertragserklärung für die Beklagte lediglich durch einen Boten abgegeben worden sei.
41b)Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer sich anschließt, kann die Unterzeichnung einer Erklärung mit dem Zusatz "im Auftrag" im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Erklärung übernehmen will (BAG vom 09.09.2015 - 7 AZR 190/14 - zit. nach juris, Rn. 30; vom 04.05.2011 - 7 AZR 252/10 - zit. nach juris, Rn. 33; vom 25.03.2009 - 7 AZR 59/08 - zit. nach juris, Rn. 30; vom 2..12.2007 - 6 AZR 145/07 - zit. nach juris, Rn. 14). Der Zusatz "in Vertretung" deute demgegenüber darauf hin, dass der Erklärende selbst für den Vertretenen handelt (BAG vom 09.09.2015, a.a.O.). In jedem Fall sei nach §§ 133, 157 BGB eine Auslegung der Erklärung geboten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im allgemeinen, unjuristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen "Auftrag" und "Vertretung" unterschieden wird (vgl. Klein NZA 2004, 1198, 1200). Die Zusätze "in Vertretung" und "im Auftrag" würden häufig nur verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken. Deswegen folgte allein aus dem Zusatz "im Auftrag" nicht, dass der Erklärende lediglich als Bote und nicht als Vertreter gehandelt hat. Maßgeblich seien vielmehr die Gesamtumstände. Ergebe sich daraus, dass der Unterzeichner die Erklärung ersichtlich im Namen eines anderen abgegeben hat, ist von einem Handeln als Vertreter auszugehen. Danach gibt es nicht die vom Kläger behauptete Indizwirkung, die Unterzeichnung im Auftrag spreche regelmäßig für eine Boteneigenschaft.
42c)Der befristete Arbeitsvertrag vom 02.09.2015 wurde von dem Kläger und seitens der Beklagten, vertreten durch den Vorstand und den kaufmännischen Direktor durch Frau W. eigenhändig unterzeichnet. Nach Überzeugung der Kammer ist davon auszugehen, dass Frau W. den Vertrag als Vertreterin und nicht als Erklärungsbotin unterzeichnet hat. Der Wille der Frau W., für den kaufmännischen Direktor und den Vorstand der Beklagten zu handeln, ergibt sich bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags. Er ist - wie auch schon alle vorherigen Arbeitsverträge - zwischen dem Kläger und der Beklagten, vertreten durch den Vorstand und den kaufmännischen Direktor geschlossen. Der Vorstand und der kaufmännische Direktor wurden ihrerseits durch Frau W. vertreten. Zwar enthält der Unterschriftszusatz die Formulierung "im Auftrage". Dies spricht jedoch allein nicht gegen eine Vertretung (vgl. BAG vom 09.09.2015 - 7 AZR 190/14 - a.a.O., Rn. 33). Aus dem weiteren Inhalt des Zusatzes "Für den Vorstand" ist ersichtlich, dass Frau W. die Erklärung im Namen einer anderen Person abgegeben hat. Wird eine Erklärung als Bote überbracht, wird nicht "für" eine andere Person unterzeichnet (vgl. BAG vom 04.05.2011 - 7 AZR 252/10 - zit. nach juris, Rn. 37).
43Damit war die erforderliche Schriftform bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages gewahrt.
442.Der zuletzt vereinbarten Befristung lag ein Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG zu Grunde.
45a)Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG und § 21 Abs. 1, 3. Alt. BEEG ist die Befristung durch einen sachlichen Grund gefertigt, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird der aufgrund eines Tarifvertrages zur Betreuung eines Kindes von der Arbeit freigestellt ist.
46b)Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor. Die Arbeitnehmerin O. ist gemäß dem TV-L zuletzt für den Zeitraum 09.09.2015 bis 08.09.2016 wegen Betreuung ihres noch minderjährigen Kindes beurlaubt. Der Kläger hat weder in Abrede gestellt, dass diese Beurlaubung tatsächlich vorliegt, noch dass sie der Arbeitnehmerin O. vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages bewilligt wurde, noch dass er konkret diese Arbeitnehmerin zuletzt vertreten hat.
47Damit ist ein die Befristung rechtfertigender Grund hier gegeben.
483.Die Beklagte kann sich auf diesen tatsächlich vorliegenden Sachgrund hier auch berufen. Die vereinbarte Befristung stellt unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Rechtsmissbrauch durch die Beklagte dar.
49a)Das erkennende Gericht darf sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken (ständige Rechtsprechung, zuletzt für den Sachgrund der Vertretung BAG vom 12.11.2014 - 7 AZR 891/12 - zit. nach juris, Rn. 27). Aus unionsrechtlichen ebenso wie nationalrechtlichen Gründen ist es verpflichtet, durch Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift (EuGH vom 26.01.2012 - C-586/10 [Kücük] - zit. nach juris, Rn. 40; grundlegend BAG vom 18.07.2012 - 7 AZR 443/09 - zit. nach juris, Rn. 38 und - 7 AZR 783/10 - zit. nach juris, Rn. 33).
50Von besonderer Bedeutung für die Annahme eines Missbrauchs sind dabei die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen (BAG vom 19.02.2014 - 7 AZR 260/12 - zit. nach juris, Rn. 36; vom 10.07.2013 - 7 AZR 761/11 - zit. nach juris, Rn. 27). Ferner ist zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer durchgehend auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl befristeter Verträge und Dauer der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit vorliegen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG vom 19.02.2014 - 7 AZR 260/12 - zit. nach juris, Rn. 36 m. w. N.). Zu berücksichtigen ist außerdem, ob die Laufzeit der Verträge zeitlich hinter dem prognostizierten Vertretungsbedarf zurückbleibt (BAG vom 18.07.2012 - 7 AZR 443/09 - a. a. O., Rn. 46). Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen (BAG vom 19.02.2014, a. a. O.; vom 10.07.2013, a. a. O.).
51Zur Bestimmung der Schwelle des Rechtsmissbrauchs von Sachgrundbefristungen kann an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG angeknüpft werden, weil die Vorschrift eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung macht und damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit ermöglicht. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind (BAG vom 19.02.2014, a. a. O.; vom 10.07.2013, a. a. O.).
52Hinsichtlich der Darlegungslast im Prozess gilt Folgendes: Werden diese Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es zunächst Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber indes regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften (vgl. BAG vom 19.02.2014 - 7 AZR 260/12 - a. a. O., Rn. 38; 10.07.2013 - 7 AZR 761/11 - a. a. O., Rn. 29). Wann die mehrfache Überschreitung ein gravierendes Ausmaß erreicht, hat das BAG bisher nicht konkret entschieden.
53b)Im hier zur Entscheidung stehenden Fall geht die Kammer davon aus, dass zwar eine mehrfache Überschreitung der Grenzen des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG gegeben ist, allerdings noch keine gravierende Überschreitung. Gleichzeitig hat der Kläger keine weiteren Umstände in das Verfahren eingeführt, die für einen Missbrauch durch die Beklagte sprechen würden.
54aa)Das BAG hat z.B. entschieden, dass eine Dauer von 7 Jahren und 9 Monaten sowie eine Anzahl von drei Verlängerungen keine gravierende Überschreitung darstellt (BAG vom 18.07.2012 - 7 AZR 783/10 - zit. nach juris, Rn. 44). Bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 12 Verlängerungen hat es eine gravierende Überschreitung angenommen (BAG vom 18.07.2012 - 7 AZR 443/09 - zit. nach juris, Rn. 49). Eine Dauer von knapp mehr als fünfeinhalb Jahren und 12 Verlängerungen hat das BAG noch nicht als gravierende Überschreitung angesehen (BAG vom 2..02.2013 - 7 AZR 225/11 - zit. nach juris, Rn. 40).
55bb)Hier ist der Kläger insgesamt 7 Jahre und knapp 2 Monate durchgehend bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Die vom BAG als unproblematisch angesehenen Dauer von 2 Jahren wird damit um das gut 3,5 fache überschritten. Gleichzeitig hat die Beklagte mit dem Kläger 6 Verlängerungen vereinbart, so dass lediglich doppelt so viele Verlängerungen vorliegen wie die als unproblematisch angesehenen Anzahl. Damit ist hinsichtlich der Anzahl an Verlängerungen bereits keine mehrfache Überschreitung gegeben, sondern lediglich im Hinblick auf die Dauer. Weiter ist nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten unter den TV-L fallen, der eine vergleichsweise ausgiebige Beurlaubungsmöglichkeit zum Zwecke der Erziehung vorsieht. Jedenfalls die letzten befristeten Verlängerungen beruhten jeweils auf gerade diesem Befristungsgrund. Hinzu kommt, dass die Zulässigkeit dieser Befristung nicht nur in der allgemeinen Vorschrift des TzBfG verankert ist, sondern sogar spezialgesetzlich im BEEG. Die Auffassung der Kammer wird gestützt durch eine Entscheidung des BAG, das eine Dauer von 7 Jahren und 3 Monaten bei 7 befristeten Arbeitsverträgen noch nicht als gravierende Überschreitung eingestuft hat (BAG vom 14.01.2015 - 7 AZR 2/14 - zit. nach juris, Rn. 47).
56cc)Es wäre danach Sache des Klägers gewesen, weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Solche Umstände hat der Kläger in das Verfahren nicht eingeführt. Die Tatsache, dass die Beklagte andere Arbeitnehmer, die ebenso wie der Kläger zunächst befristet beschäftigt gewesen sind, entfristet hat, den Kläger hingegen nicht, kann nach Auffassung der Kammer kein solcher Umstand sein. Denn es besteht kein gesetzlicher oder tariflicher Anspruch des Klägers auf Entfristung. Ebenso wenig steht dem Kläger ein Anspruch auf Gleichbehandlung insoweit zu. Das BAG hat Letzteres zwar bisher nur für die sachgrundlose Befristung entschieden (BAG vom 21.06.2012 - 8 AZR 364/11 - zit. nach juris, Rn. 51; vom 2..08.2008 - 7 AZR 513/07 - zit. nach juris, Rn. 22). Begründet wird diese Ansicht aber immer damit, der Grundsatz der Vertragsfreiheit gehe dem Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Dieses Argument muss ebenso für die Sachgrundbefristung Anwendung finden (vgl. auch APS-Backhaus, 4. Aufl. 2012, § 15 TzBfG, Rn. 112).
57Danach ist ein Rechtsmissbrauch durch die Beklagte hier nicht feststellbar. Die Beklagte kann sich zu Recht auf die mit dem Kläger vereinbarte Befristung berufen.
584.Weitere Unwirksamkeitsgründe sind hinsichtlich dieser letzten Befristung nicht ersichtlich. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete damit gemäß dieser Vereinbarung mit dem 31.12.2015. Der Antrag zu 2) war entsprechend ebenso abzuweisen.
59IV.
60Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Nachdem der Kläger das Verfahren verloren hat, hat er auch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Streitwertfestsetzung ergeht nach §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Dabei hat die Kammer für jeden der beiden Entfristungsanträge jeweils drei Bruttomonatsgehälter des Klägers angesetzt, wobei die Kammer das Bruttomonatsgehalt mangels Angabe beider Parteien im Verfahren auf 3.000,00 € geschätzt hat.
61RECHTSMITTELBELEHRUNG
62Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
63Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
64Landesarbeitsgericht Düsseldorf
65Ludwig-Erhard-Allee 21
6640227 Düsseldorf
67Fax: 0211 7770-2199
68eingegangen sein.
69Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
70Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
71Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
721.Rechtsanwälte,
732.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
743.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
75Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
76* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
77Dr. Klein
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