Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 7 Ga 11/22
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die vertragsgemäße Beschäftigung des Verfügungsklägers.
3Die Verfügungsbeklagte betreibt die Profiabteilung des Fußballclubs .... Der Verfügungskläger ist dort seit dem 15.02.2019 auf Basis des Arbeitsvertrages vom 15.02.2019 (Bl. 16 ff. der Akte) als Teambetreuer/Teammanager der 1. Herrenmannschaft zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 6.250,00 EUR beschäftigt.
4§ 1 des Arbeitsvertrages der Parteien lautet auszugsweise wie folgt:
5„§ 1 Inhalt des Arbeitsverhältnisses, Mitteilungspflichten
6(1) Der Arbeitnehmer wird als Teambetreuer/Teammanager im Bereich der 1. Herrenmannschaft beim angestellt. Sein Aufgabengebiet umfasst dabei insbesondere die folgenden Tätigkeiten:
7a) Organisation des Spielbetriebs und die Verwaltung der Spielberechtigungen der Spieler der Lizenzspielermannschaft;
8b) Organisation und Umsetzung von Testspielen, Trainingslagern und Auswärtsfahrten;
9c) Unterstützung des Trainingsbetriebes, insbesondere die Unterstützung des Cheftrainers; Schnittstelle zu den am Spiel- und Trainingsbetrieb beteiligten Abteilungen und Dienstleistern
10d) Schnittstelle zu Marketing- und Fanbetreuungsabteilung, Abstimmung, Organisation und Umsetzung von Aktivitäten der Lizenzspielermannschaft in diesen Bereichen
11e) Schnittstelle zum Sicherheitsbeauftragten des Clubs in allen relevanten Themen, die Lizenzspielermannschaft betreffend;
12f) Erledigung vereinsinterner Angelegenheiten sowie des gesamten Relocationprozesses für und mit den Spielern;
13g) Schnittstelle zu externen Dienstleistern im Bereich des Lizenzspielbetriebs, insbesondere Reiseagenturen, Flughafen, Makler, Sportstättenverwaltung, Koch bzw. Ernährungsberater etc.
14h) Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten zur Betreuung der Familienangehörigen der Lizenzspieler und des Stabes der Lizenzspielermannschaft;
15i) Erarbeitung und Umsetzung von Bildungs- und Weiterbildungskonzepten für Lizenzspieler und Anschlusskader des NLZ
16j) Organisation und Durchführung von Teambesprechungen, Informationsveranstaltungen des Clubs und von DFL bzw. DFB
17k) Einhaltung der notwendigen Melde-, Durchführungs- und Abgabepflichten gemäß Lizenzierungsverfahren der DFL
18l) Ständige Weiterentwicklung des Stellenprofiles und des Arbeitsplatzes.
19(2) Der Arbeitnehmer ist dem jeweiligen Cheftrainer der Lizenzspielermannschaft und dem Geschäftsführer Sport direkt unterstellt. Er hat diesen regelmäßig über seine Tätigkeiten zu berichten und ist an deren Weisungen gebunden.
20(3) Der ist dazu berechtigt, dem Arbeitnehmer unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung andere zumutbare Tätigkeiten entsprechend seiner Qualifikation und seinen Fähigkeiten zuzuweisen, sofern betriebliche Umstände dies erforderlich machen.
21[…]““
22Im Arbeitsverhältnis der Parteien entsprach es zunächst praktischer Handhabung, dass der Verfügungskläger während der Fußballspiele auf der Mannschaftbank saß, um die Mannschaft zu betreuen.
23Mit Schreiben vom 03.12.2021 (Bl. 15 der Akte) stellte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung bis auf weiteres widerruflich von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Nachdem der Verfügungskläger außergerichtlich seinen Anspruch auf Beschäftigung geltend gemacht hatte, widerrief die Verfügungsbeklagte mit E-Mail vom 15.02.2022 die Freistellung.
24Seit dem 17.02.2022 wird der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten wieder beschäftigt. Mit E-Mail vom 18.02.2022 (Bl. 10 der Akte) wurde dem Verfügungskläger mitgeteilt, dass ein Arbeitseinsatz des Verfügungsklägers beim kommenden Erstliga-Spiel nicht angedacht sei und dass seine aktuellen Aufgaben keinen Zugang zum Lizenzspielerbereich voraussetzten. Am 18.02.2022 und 21.02.2022 erteilte die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger unter anderem die Arbeitsaufträge, eine Benchmark-Analyse der Trainingslager im Ligavergleich 1. Bundesliga und 2. Bundesliga zu erstellen und eine entsprechende PowerPoint-Präsentation anzufertigen sowie Optionsübersichten für Trainingslagerstandorte in Japan und den USA im Form einer PowerPoint-Präsentation zu erstellen.
25Am 18.02.2022 berichtete die Boulevardzeitung B darüber, dass der Verfügungskläger ab sofort einen „Büro-Job“ verrichte.
26Der Verfügungskläger beruft sich auf seinen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung aus § 611 BGB in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 GG. Er ist der Auffassung, dass die zugewiesenen Tätigkeiten nicht seiner Stellung als Teambetreuer/Teammanager entsprächen. Zur Organisation des Spielbetriebs gehöre es zwingend, die Mannschaft während des Spielbetriebs aktiv zu begleiten und zu betreuen. Es sei insbesondere erforderlich, dass er als Teambetreuer während der Fußballspiele auf der Mannschaftsbank sitze. Dem Verfügungskläger sei der direkte Kontakt sowohl zum Cheftrainer als auch zum Geschäftsführer Sport abgeschnitten worden. Stattdessen erhalte der Verfügungskläger seine Arbeitsaufträge nunmehr über den Leiter Administration Lizenzspielerabteilung sowie den Leiter Lizenzspielerabteilung. Der Verfügungskläger werde mit der Zuweisung der geringwertigen Tätigkeiten vor den Augen der Öffentlichkeit degradiert.
27Die vorläufige Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im Wege einstweiligen Rechtsschutzes erfordere weder ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers noch eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien. Die Eilbedürftigkeit sei aber vorliegend auch deshalb gegeben, weil die Verweigerung der Teilnahme an Bundesligaspielen für den Verfügungskläger rufschädigend sei und ihn in seinem weiteren beruflichen Werdegang erheblich beeinträchtige. Beide Parteien stünden aufgrund der Teilnahme der Herrenmannschaft des an der 1. Fußballbundesliga in der Öffentlichkeit. Da die Bundesligaspiele live im Fernsehen übertragen würden und die Presse fortlaufend hierüber berichte, werfe es ein negatives Licht auf den Verfügungskläger, wenn er bei den Spielen nicht anwesend sei.
28Der Verfügungskläger beantragt,
29die Antragsgegnerin zu verurteilen, den Antragsteller nach Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 15.02.2019 bis auf weiteres als Teambetreuer/Teammanager im Bereich der 1. Herrenmannschaft zu beschäftigen und ihm insbesondere folgende Kerntätigkeiten weiterhin zuzuweisen:
30- 31
Betreuung der Lizenzspieler während der Ligaspiele
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
33die Verfügungsklage abzuweisen.
34Der Verfügungskläger werde vertragsgemäß als Teammanager/Teambetreuer im Bereich der 1. Herrenmannschaft des beschäftigt. Die ihm am 18.02.2022 und 21.02.2022 zugewiesenen Tätigkeiten dienten der Organisation von Trainingslagern und entsprächen demzufolge den lit. b) und g) der arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbeschreibung.
35Der Verfügungskläger habe keinen Anspruch auf die Zuweisung der Betreuungstätigkeiten während der Ligaspiele. Die Verfügungsbeklagte habe sich entschieden, diese Tätigkeit dem neu eingestellten Teamleiter Teammanagement und Spielerbetreuung, Herrn L , zu übertragen. Die Rolle des Teamleiters sei geschaffen worden, um eine klare Hierarchie herzustellen und die Funktionen der Zeugwarte, des Busfahrers und des Teammanagers in eine Teamstruktur zu überführen.
36Hintergrund sei, dass es im Laufe der Zusammenarbeit zwischen der sportlichen Führung und dem Verfügungskläger wiederholt zu Pflichtverletzungen des Verfügungsklägers und Störungen des Vertrauensverhältnisses gekommen sei. So habe der Verfügungskläger es bei der Rückreise vom D -Pokal-Spiel in S am .2021 versäumt, rechtszeitig eine Passagierliste zu erstellen, die Mannschaft beim Check-In zu begleiten und diesen zu koordinieren. Dadurch sei es zu einer Verspätung bei der Rückreise gekommen. Am 26.11.2021 habe der Verfügungskläger sich geweigert, für eine Besprechung mit dem Berater der Verfügungsbeklagten, , in den Betrieb zu kommen. Im Hochleistungs-Mannschaftssport spiele das harmonische Miteinander für die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Spielers und des Kollektivs eine entscheidende Rolle. Die Entscheidung, welche Beschäftigten an Spieltagen in diesen „Kosmos“ Einlass erhielten, müsse der Verfügungsbeklagten im Rahmen ihres Direktionsrechts überlassen bleiben.
37Die Verfügungsbeklagte sei des Weiteren bemüht, die Lizenzspielermannschaft bestmöglich vor COVID-Infektionen zu schützen, da der krankheits- oder quarantänebedingte Ausfall von Lizenzspielern die sportlichen Erfolgsaussichten erheblich beeinflusse. Der Verfügungskläger habe mitgeteilt, dass er nicht geimpft sei. Die Verfügungsbeklagte habe daher entschieden, den Verfügungskläger zunächst nicht im unmittelbaren physischen Umfeld der Lizenzspielermannschaft einzusetzen, um Infektionsrisiken zu minimieren.
38Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitig getauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie der Terminsprotokolle verwiesen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
40I.
411.
42Der Verfügungsantrag war als unzulässig zurückzuweisen, soweit der Kläger allgemein die Beschäftigung als Teambetreuer/Teammanager im Bereich der 1. Herrenmannschaft nach Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 15.02.2019 begehrt.
431)
44Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob eine festgelegte Verpflichtung erfüllt wurde, nicht aber worin diese besteht (vgl. BAG, Urteil vom 03.12.2019 – 9 AZR 78/19 –, juris, Rn. 10).
45Bei einem auf Beschäftigung gerichteten Klageantrag muss einerseits für die gegnerische Partei aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen sie bei Nichterfüllung der ausgeurteilten Verpflichtung mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat. Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv durchgesetzt werden können. Um beiden Gesichtspunkten gerecht zu werden, muss zumindest die Art der begehrten Beschäftigung durch Auslegung des Antrags ggf. unter Heranziehung der Klageschrift und des sonstigen Vorbringens der klagenden Partei feststellbar sein. Erforderlich und ausreichend ist die Bezeichnung des Berufsbilds, mit dem die klagende Partei beschäftigt werden soll, wenn sich damit hinreichend bestimmt feststellen lässt, worin die ihr zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Antrag nicht enthalten (vgl. BAG, Urteil vom 03.12.2019 – 9 AZR 78/19 –, juris, Rn. 11; Urteil vom 15.06.2021 – 9 AZR 217/20 –, juris, Rn. 24 m.w.N.).
46Höhere Anforderungen an die Konkretisierung der Einzelheiten der begehrten Beschäftigung sind allerdings dann erforderlich, wenn die konkreten Inhalte einer auf den ersten Blick eindeutigen Bezeichnung zwischen den Parteien streitig sind. So ist der Verweis auf eine Berufsbezeichnung dann nicht eindeutig und bestimmt genug, wenn die Parteien kontroverse Ansichten äußern, ob die gegenwärtige Beschäftigung des bereits dem Berufsbild entspricht (vgl. LAG München, Beschluss vom 14.02.2006 – 10 Ta 493/05 –, juris LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.02.2005 – 2 Ta 23/05 –, juris, Rn. 11; Korinth in: Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 4. Aufl. 2019, Die einstweilige Verfügung im Individualarbeitsrecht, Rn. 98; Ehler, BB 1996, 376, 377). Streiten die Parteien auch über einzelne Beschäftigungsbedingungen, sind in den Antrag die Bedingungen im Einzelnen aufzunehmen, zu denen die Beschäftigung erfolgen soll (vgl. Scholz in: Ostrowicz/Künzl/Scholz, Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl. 2020, Kapitel 9: Einstweiliger Rechtsschutz, Rn. 872).
472)
48Nach diesen Maßstäben war der Antrag vorliegend nicht hinreichend bestimmt formuliert, soweit er sich allgemein auf die Beschäftigung als Teambetreuer/Teammanager nach Maßgabe der arbeitsvertraglichen Bedingungen bezieht. Denn der Arbeitsvertrag enthält zwar eine Tätigkeitsbeschreibung, aus der sich im Einzelnen ergibt, mit welchen Aufgaben der Kläger zu beschäftigen ist. Zwischen den Parteien stand aber nicht der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung entsprechend der arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbeschreibung in Streit. Insoweit hat der Beklagtenvertreter im Rahmen des Kammertermins am 25.02.2022 ausdrücklich erklärt, dass ein Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Teammanager/Teambetreuer bestehe und dieser nach Auffassung der Beklagten derzeit ordnungsgemäß erfüllt werde. Dem hat der Kläger entgegengesetzt, dass die derzeit zugewiesenen Tätigkeiten unterwertig seien. Die Parteien sind also uneins darüber, wie im Einzelnen eine Beschäftigung als Teammanager/Teambetreuer auszusehen hat und insbesondere ob die am 18.02.2022 und 21.02.2022 zugewiesenen Aufgaben darunter fallen. Der streitige Inhalt des Weiterbeschäftigungsanspruchs kann aber nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden (vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 17.03.1993 – 7 Ta 170/92 –, juris).
492.
50Soweit der Antrag sich konkret auf die Zuweisung der Kerntätigkeit der Betreuung der Lizenzspieler während der Ligaspiele bezieht, ist er hinreichend bestimmt und zulässig. Der Antrag ist insoweit jedoch unbegründet. Es fehlt an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind, aus denen sich herleiten lässt, dass eine Entscheidung im Eilverfahren zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist (§§ 935, 940 ZPO).
511)
52Ein Verfügungsgrund kann nur dann angenommen werden, wenn die begehrte Regelung eines einstweiligen Zustandes notwendig ist, um ansonsten drohende wesentliche Nachteile der klagenden Partei abzuwenden. Es muss eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben sein, welche es erforderlich macht, bereits vor einer Klärung strittiger Rechtsfragen im regulären arbeitsgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorab im Wege einer summarischen Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Regelung zu treffen. Soll eine so genannte Leistungsverfügung getroffen werden, dürfen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes jedenfalls keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Wesentliche Nachteile sind bei der summarischen Überprüfung von arbeitgeberseitigen Direktionsrechtsausübungen nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Allein der Umstand, dass eine möglicherweise vertragswidrige Beschäftigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr erfordert die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine einstweilige Verfügung gegen Weisungen der arbeitgebenden Partei zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung, ein deutlich gesteigertes Abwehrinteresse der anderen Partei, wie es allenfalls bei erheblichen Gesundheitsgefahren, einer drohenden irreparablen Schädigung des beruflichen Ansehens oder bei schweren Gewissenskonflikten bestehen kann. Mithin ist es in der Regel zumutbar, einer Versetzungsanordnung oder arbeitsvertraglichen Weisung zunächst Folge zu leisten und sodann den Umfang des Direktionsrechts in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. Neben einem gesteigerten Abwehrinteresse erkennt die Rechtsprechung lediglich in Fällen einer offenkundigen Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Maßnahme das Bestehen eines Verfügungsgrundes an (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 27.04.2020 – 11 Ta 51/20 –, juris, Rn. 25; LAG Köln, Urteil vom 10.02.2017 – 4 SaGa 3/17 –, juris, Rn. 38 ff.; LAG Hessen, Urteil vom 23.10.2020, 10 SaGa 863/20, juris, Rn. 32 f.; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.11.2011 – 5 SaGa 12/11 –, juris , Rn. 25; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.03.2014 – 5 SaGa 13/13 –, juris, Rn. 26). Denn bei der Überprüfung von arbeitgeberseitigen Direktionsrechtsausübungen wird nicht das Recht beeinträchtigt, überhaupt beschäftigt zu werden. Es wird eine Beschäftigung zu geänderten Bedingungen angeboten. Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 Abs. 1 GG) folgende ideelle Interesse an einer Beschäftigung ist weniger beeinträchtigt als in den Fällen, in denen eine Beschäftigung gänzlich abgelehnt wird. Es besteht kein Zwang zur Untätigkeit, sondern die Möglichkeit, sich durch die Annahme der angebotenen Arbeit im Arbeitsleben zu verwirklichen und die soziale Stellung nach außen zu halten (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 08.10.2010 – 3 SaGa 496/10 –, juris, Rn. 37; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.03.2011, 4 SaGa 2600/11, juris, Rn. 34).
532)
54Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze fehlt es vorliegend an der erforderlichen Eilbedürftigkeit.
55a)
56Ein deutlich gesteigertes, berechtigtes Abwehrinteresse des Verfügungsklägers gegen die Weisung der Verfügungsbeklagten, an den Ligaspielen nicht teilzunehmen, ist nicht gegeben.
57Erhebliche Gesundheitsgefahren oder Gewissenskonflikte sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
58Auch der vom Verfügungskläger geltend gemachte Aspekt des drohenden Reputationsverlustes stellt keinen hinreichenden Verfügungsgrund dar. Der Verfügungskläger hat behauptet, dass seine zukünftigen beruflichen Perspektiven davon abhingen, dass er durchgängig bei den Ligaspielen anwesend sei. Er hat aber nicht näher dargelegt, woraus sich dieser Verlust an beruflichen Chancen ergeben sollte. Denn anders als bei aktiven Fußballspielern droht bei dem Verfügungskläger als Manager und Betreuer durch fehlende Spielpraxis kein Verlust des sportlichen Niveaus (vgl. zu Fußballtrainern LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 05.04.2016, 2 SaGa 1/16, juris, Rn. 38). Zu berücksichtigen ist auch, dass der Verfügungskläger bereits seit dem 03.12.2021, also seit mehr als zwei Monaten, nicht mehr als Betreuer an Ligaspielen teilgenommen hat. Der Verfügungskläger trägt vor, dass die Medien fortlaufend über die Vorgänge berichteten und die Öffentlichkeit durch die Liveübertragung im Fernsehen mitbekomme, dass er nicht auf der Mannschaftsbank sitze. Insoweit habe eine Boulevardzeitung auch bereits über die Tatsache berichtet, dass der Verfügungskläger nunmehr eine Bürotätigkeit ausübe. Im Rahmen des Kammertermins am 25.02.2022 hat der Klägervertreter eindrücklich geschildert, dass die regionale und überregionale Presse über den „Rausschmiss“ des Klägers bzw. dessen „Entlassung wegen Impfverweigerung“ berichtet habe. Die Situation des Verfügungsklägers ist also der breiten Öffentlichkeit bereits bekannt geworden. Es ist vor diesem Hintergrund weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass die weitere Nichtteilnahme an den Ligaspielen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache das Eintreten eines darüber hinausgehenden unzumutbaren weiteren Reputationsschadens befürchten lässt.
59b)
60Schließlich ist die Weisung der Verfügungsbeklagten auch nicht offensichtlich rechtswidrig.
61aa)
62Die Weisung, nicht mehr an Ligaspielen teilzunehmen verstößt nicht gegen die Regelungen des Arbeitsvertrages.
63(a)
64Ein Anspruch des Verfügungsklägers auf die Teilnahme an den Ligaspielen ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 15.02.2019.
65(b)
66Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht implizit aus der arbeitsvertraglichen Bezeichnung der Tätigkeit als Teammanager/Teambetreuer oder dem Unterpunkt „Organisation des Spielbetriebs“ in der arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbeschreibung. Der Verfügungskläger hat zwar behauptet, dass die Tätigkeit als Teambetreuer es zwingend erfordere, bei den Ligaspielen anwesend zu sein. Er hat aber nicht konkret dargelegt, woraus sich diese zwingende Notwendigkeit ergibt. Insbesondere hat er nicht dargelegt, welche Aufgaben des Teambetreuers ausschließlich am Spielfeldrand wahrgenommen werden können. Aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergibt sich, dass die Aufgaben des Verfügungsklägers vorwiegend organisatorisch und konzeptionell geprägt sind. Zwar mag eine Teilnahme an Ligaspielen in der Vergangenheit üblich gewesen sein. Für die erkennende Kammer war aber insgesamt nicht ersichtlich, dass dieser - zeitlich untergeordnete - Teilaspekt die Tätigkeit als Teammanager/Teambetreuer derart entscheidend prägt, dass ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die Teilnahme an Ligaspielen sich ohne eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung allein aus dem Berufsbild des Teammanagers/Teambetreuers ergibt.
67(c)
68Auch eine Konkretisierung auf die Tätigkeit in der bis zum 03.12.2021 ausgeübten Form hat nicht stattgefunden. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt nicht zu einer Konkretisierung des Beschäftigungsanspruchs. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass ein Einsatz in anderer Weise nicht erfolgen soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. BAG, Urteil vom 13.06.2012 – 10 AZR 296/11 –, juris, Rn. 24). Solche Umstände sind vorliegend nicht dargetan.
69bb)
70Der Entzug der Teiltätigkeit der Teilnahme an Ligaspielen verstößt auch nicht offensichtlich gegen die Grundsätze billigen Ermessens im Sinne des § 106 Satz 1 GewO.
71(a)
72Nach § 106 Satz 1 GewO kann die arbeitgebende Partei Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Es verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können der bestimmungsberechtigten Partei mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob die arbeitgebende Partei die Grenzen ihres Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die von der bestimmungsberechtigten Partei angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2018 – 6 AZR 116/17 –, juris, Rn. 39).
73(b)
74Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe überwiegt das Interesse des Verfügungsklägers an seiner Anwesenheit bei Ligaspielen nicht offensichtlich das Interesse der Arbeitgeberin, im Rahmen ihres Direktionsrechts entscheiden zu können, welche Beschäftigte an Spieltagen eingesetzt werden. Es ist nicht offensichtlich unvernünftig oder willkürlich, dass die Verfügungsbeklagte sich entschieden hat, zur Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen im Rahmen der COVID-Pandemie sowie aufgrund der in der Vergangenheit aufgetretenen Konflikte mit dem Verfügungskläger vorerst einen anderen Arbeitnehmer für die Spielerbetreuung an Spieltagen einzusetzen. Zwar ist das Interesse des Verfügungsklägers anzuerkennen, durch Auftritte am Spielfeldrand in Kontakt mit den Spielern zu treten und seine Reputation zu steigern. Dem haben sich jedoch die vorstehend benannten Interessen der Verfügungsbeklagten nicht unterzuordnen. Dem Verfügungskläger wurde mit der Betreuung während den Ligaspielen kein quantitativ erheblicher Teil seiner vorherigen Tätigkeit entzogen. Er hat keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen, dass ihm durch die Weisung sonstige Nachteile entstünden, die die Verfügungsbeklagte bei der Ausübung ihres billigen Ermessens beachten müsse.
75II.
76Die Kosten des Verfahrens waren gem. § 91 Abs. 1 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen.
77III.
78Der Streitwert war entsprechend dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einem Bruttomonatsgehalt des Verfügungsklägers zu bemessen.
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