|
|
| Die zulässige Klage ist begründet. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Das für die Erhebung der Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor nachdem die Beklagte die angemeldete Forderung i.H.v. 3.833,00 EUR bestritten hat. |
|
| Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht. |
|
|
|
| Das Gericht teilt die vom Kläger vertretene Rechtsansicht, dass bei der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung der durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte bestehende Vorteil mit dem sich aus § 253 Abs. 2 S. 1, 2 HGB ergebenden Zinssatz auszugleichen ist. |
|
| I. Die vom Kläger gesicherten Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gingen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 BetrAVG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen über. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 3 BetrVG, § 45 S. 1 InsO ist der Wert der übergegangenen Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schätzen. Maßgeblich für die Schätzung ist der Barwert des Anspruchs im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Die auf den Kläger übergegangenen Rentenansprüche sind hierbei mit dem Schätzwert der ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zukünftig fällig werdenden Bezüge anzusetzen, deren Höhe unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu schätzen ist, was hier mit dem versicherungsmathematischen Gutachten geschehen ist und worüber hier kein Streit besteht. |
|
| II. Streitig ist lediglich mit welchem Zinssatz der sich aus der Vorfälligkeit der Betriebsrentenansprüche ergebende Vorteil bei der Schätzung des Barwertes der übergegangenen Betriebsrentenansprüche auszugleichen ist. |
|
| 1. Bei den hier streitigen Ansprüchen handelt es sich um bereits entstandene, aber noch nicht fällige Ansprüche auf Zahlung einer Rente, nachdem lediglich Rentner betroffen sind. Diese künftig geschuldeten Versorgungsleistungen stellen wiederkehrende Leistungen dar, deren Dauer unbestimmt ist, da sie lebenslänglich in monatlich feststehender Höhe gezahlt werden müssen. Mithin handelt es sich um Leistungen im Sinne von § 46 S. 2 InsO. |
|
| 2. Entgegen der vom Beklagten und in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung ist das Gericht vorliegend nicht der Ansicht, dass die Abzinsung nach § 41 Abs. 2 S. 1 InsO mit dem gesetzlichen Zinssatz zu erfolgen hat. Dies ergibt sich gerade nicht aus dem Gesetz: |
|
| § 46 InsO unterscheidet zwischen wiederkehrenden Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind und zwischen wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist. Lediglich bezüglich ersteren verweist § 46 S. 1 InsO auf § 41 InsO und den dort genannten Zinssatz. Bezüglich der wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist, verweist § 46 S. 2 InsO ausdrücklich auf § 45 S. 1 InsO und deshalb gerade nicht auf § 41 InsO. Daraus lässt sich auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass der gesetzliche Zinssatz bei wiederkehrenden Leistungen mit unbestimmter Dauer keine Anwendung finden soll. Soweit zum Teil die Auffassung vertreten wird, dass im Fall von § 46 S. 2 InsO es zu einer Kombination beider Vorschriften (§ 45 InsO und § 46 InsO) dergestalt kommt, dass auch im Fall der Anwendung von § 46 S. 2 InsO der gesetzliche Zinssatz gemäß § 41 Abs. 2 InsO maßgebend ist (vgl. hierzu u. a. MüKo InsO/Bitter, 4. Aufl. 2019, InsO § 45 Rn. 26 und § 46 Rn. 4, 5), vermag das Gericht dieser Auffassung nicht zu folgen. Dem steht aus Sicht des Gerichts bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. § 46 S. 2 InsO verweist lediglich auf § 45 InsO und nicht wie § 46 S. 1 InsO auch auf § 41 InsO. § 45 InsO wiederum enthält keinen Verweis auf den gesetzlichen Zinssatz nach § 41 Abs. 2 InsO. Vielmehr ist nach § 45 InsO der Wert der Forderung zu schätzen. Damit ist auch der Vorteil, den der Gläubiger durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhält, zu schätzen und nicht per se der gesetzliche Zinssatz zugrunde zu legen (siehe hierzu u. a. Brambach/Siebert, Zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus betrieblicher Altersversorgung, ZIns0 2019, 1570 ff.; K. Schmidt InsO/Thonfeld, 19. Aufl. 2016, InsO § 45 Rn. 12 m. w. N.). |
|
| 3. Auch die Nutzung eines anderen starren Zinssatzes (z. B. steuerlicher Zinssatz von 6 % nach § 6 Buchst. a Abs. 3 S. 3 EStG (insoweit bereits BAG v. 11.10.1988, 3 AZR 295/87) sowie ein fester Zinssatz von 5,5 %) scheidet im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nach Ansicht des Gerichts aus. Denn der nach § 45 InsO zu schätzende Vorteil der Vorfälligkeit ist von den Anlagemöglichkeiten des Gläubigers abhängig. Bei der Zugrundelegung eines starren Zinssatzes würden die sich ändernden Anlagemöglichkeiten nicht hinreichend berücksichtigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.10.1988 (3 AZR 295/87) einen Abzinsungssatz von 5,5 % nicht beanstandet hat. Auch das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung den dort ausgeurteilten Zinssatz von 5,5 % in Abhängigkeit zu den Kapitalanlagemöglichkeiten des Gläubigers als angemessen erachtet und damit bewertet. |
|
| 4. Nach Auffassung des Gerichts erweist sich der bilanzielle Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 2 HGB als am geeignetsten und angemessen zur Schätzung der Forderung (so auch Blomeyer/Rolfs/Otto - Rolfs, Betriebsrentengesetz, 7. Auflage, vor § 7 Rn. 26), wonach der durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren zugrunde zu legen ist. Hierfür spricht, dass der Vorteil des Gläubigers, welchen er durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhält, - wie bereits ausgeführt wurde - von seinen Anlagemöglichkeiten abhängig ist und sich der handelsbilanzielle Zinssatz des § 253 Abs. 2 S. 2 HGB gerade an der Marktrendite orientiert und zudem von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich bekannt gegeben wird, weshalb er auch von Dritten nachvollzogen werden kann. |
|
| Weiter spricht für die Zugrundelegung des Zinssatzes nach § 253 Abs. 2 HGB, dass auch z.B. bei der Übertragung von betrieblicher Altersversorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf diesen Zinssatz zurückgegriffen wird. Zwar wird im Gesetz über den Versorgungsausgleich selbst kein Zinssatz vorgegeben. Jedoch hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, dass das „neue handelsrechtliche Bewertungsrecht so zu realistischen Stichtagswerten“ führe, „die auch für Zwecke des Versorgungsausgleichs nutzbar gemacht werden können“ und dass damit „künftig auch im Versorgungsausgleich zum maßgeblichen Stichtag (Ende der Elternzeit) ein klar definierter Rechnungszins zur Verfügung“ stehe (Brambach/Siebert, Zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus betrieblicher Altersversorgung, ZIns0 2019, 1570 ff. m. w. N.; BGH v. 09.03.2016, XII ZB 540/14 m.w. N.; BT-Drs. 16/11903). |
|
| Zusammenfassend erscheint es daher sachgerecht, wenn im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung bei der Bewertung des Vorteils, der durch die Vorfälligkeit der Forderungen entsteht, auf den nach § 253 Abs. 2 HGB durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt, abzustellen und mit diesem Zinssatz abzuzinsen ist. |
|
| Stichtag ist hierbei der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. hier der 1.10.2017. Zu diesem Zeitpunkt betrug der nach § 253 Abs. 2 HGB maßgebliche Rechnungszins 3,74 %. Nachdem die vom Kläger vorgenommene Berechnung unter Zugrundelegung eines Rechnungszinses von 3,74 % unstreitig ist, steht dem Kläger gegen den Beklagten über den anerkannten und bereits festgestellten Betrag von 297.667,99 EUR hinaus eine weitere Forderung in Höhe von 3.833,00 EUR zu, welche zur Insolvenztabelle festzustellen ist. |
|
|
|
| II. Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG, der Höhe nach auf § 182 InsO und entspricht 20 % der bestrittenen Forderung, nachdem mit einer Verteilungsquote von 20 % zu rechnen ist. |
|
| III. Gemäß § 64 Abs. 3 a) ArbGG ist die Entscheidung, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Die Berufung ist aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. |
|
| Die Entscheidung konnte gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG durch die Vorsitzende allein ergehen, da sich die weitere Verhandlung an die Güteverhandlung unmittelbar angeschlossen hat, eine das Verfahren beendende Entscheidung ergehen konnte und die Parteien in der Güteverhandlung übereinstimmend eine Entscheidung durch die Vorsitzende beantragt haben. Die Anberaumung des Verkündungstermins steht der Anwendung von § 55 Abs. 3 ArbGG nicht entgegen (Natter/Gross-Rieker, ArbGG, 2. Aufl., § 55 Rn. 14 ff.). |
|