Urteil vom Arbeitsgericht Reutlingen - 7 Ca 251/19

Tenor

1. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der E GmbH werden zur laufenden Nr. 0 über den bereits vom Beklagten festgestellten Betrag von 297.667,99 EUR hinaus weitere 3.833,00 EUR zur Insolvenztabelle festgestellt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 766,60 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten darüber, welcher Rechnungszinsfuß bei der Kapitalisierung von auf den Kläger übergegangenen Rentenansprüchen zum Insolvenzstichtag in Ansatz zu bringen ist.
Der Kläger ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung nach § 14 Abs. 1 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG).
Der Beklagte ist gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der E GmbH. Über deren Vermögen wurde durch Beschluss vom 0.0.2017 des Amtsgerichts (Az.: 0 IN 0/17) das Insolvenzverfahren eröffnet. Die E GmbH hatte ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen erteilt. Dabei handelte es sich um unmittelbare Versorgungszusagen. Betroffen sind nur Rentner. Unverfallbare Anwartschaften wurden vom Beklagten nicht gesichert.
Mit Schreiben vom 11.10.2017 meldete der Kläger im Insolvenzverfahren erstmals eine Forderung auf vorläufiger Basis in Höhe von 323.628,00 EUR an, berichtigte diese jedoch mit Schreiben vom 10.01.2018 auf einen Betrag in Höhe von 301.500,99 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Forderungsbetrag i.H.v. 287.886,00 EUR, aus einem Betrag i.H.v. 11.304,66 EUR (geleistete Rentenrückstände aus der Zeit vor der Insolvenz), aus einem Betrag i.H.v. 485,89 EUR (rückständige Insolvenzsicherungsbeiträge der Insolvenzschuldnerin) und aus einem Betrag i.H.v. 1.824,44 EUR (bereits entstandene, aber noch nicht fällige Ratenzahlungen gemäß § 30 i BetrAVG). Der Forderungsbetrag von 287.886,00 EUR ergibt sich aus einem versicherungsmathematischen Gutachten des Klägers vom 10.1.2018 über den Umfang der zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden insolvenzgesicherten Versorgungsverpflichtungen. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Gutachtens wird auf Anl. K3, Blatt 11-16 der Akte, vollinhaltlich Bezug genommen. Im Rahmen dieses Gutachtens wurde im Rahmen der Bewertung der Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersvorsorge die Heubeck-Richttafeln verwendet und ein Abzinsungssatz von 3,74 % zu Grunde gelegt. Bei dem Zinssatz von 3,74 % handelt es sich um den Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 HGB, Stand Oktober 2017. Zwischen den Parteien besteht einzig Streit darüber, ob bei der Bewertung der auf den Kläger übergegangenen Forderungen dieser Zinssatz oder der gesetzliche Zinssatz nach § 41 InsO i.H.v. 4 % zugrunde zu legen ist. Bei Zugrundelegung eines Zinssatzes i.H.v. 4 % würde sich einen Barwert der übernommenen Renten von 284.053,00 EUR und dementsprechend unter Berücksichtigung der oben genannten, dem Kläger unstreitig zustehenden weiteren Forderungen eine dem Kläger zustehende Gesamtforderung i.H.v. 297.667,99 EUR ergeben. In dieser Höhe hat der Beklagte die angemeldete Forderung anerkannt, den Restbetrag i.H.v. 3.833,00 EUR jedoch aufgrund des vom Beklagten zugrunde gelegten Zinssatzes bestritten.
Mit seiner am 27.11. 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 2.12.2019 zugestellten Klageschrift vom 22.11.2019 begehrt der Kläger über den vom Beklagten bereits festgestellten Betrag von 297.667,99 EUR hinaus weitere 3.833,00 EUR zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin festzustellen.
Der Kläger ist der Ansicht, bei der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung sei der Zinssatz nach § 253 Abs. 2 HGB zugrunde zu legen. In der Vergangenheit habe er zwar den Rechnungszins von 5,5 % zugrunde gelegt, was vom BAG als rechtmäßig erachtet worden sei (BAG 11.10.1988, 3 AZR 295/87, ZIP 1989, 319). Infolge der Veränderung des Marktumfeldes habe er den Rechnungszins nunmehr aber angepasst und orientiere sich nun am Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 HGB. Dieser Zinssatz sei zur Schätzung der Forderung geeignet und angemessen. Auch in anderen Bewertungskontexten werde auf den Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 HGB zurückgegriffen, z. B. bei der Übertragung von betrieblicher Altersversorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs. Auch der BGH führe in seinem Beschluss vom 09.03.2016 (XII ZB 540/14) aus, dass andere Zinssätze weniger geeignet seien. Zudem spreche gegen die vom Beklagten favorisierte Verzinsung in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes mehrere Gründe. Der wichtigste Grund liege hierbei im Willen des Gesetzgebers, der in § 46 InsO zwischen wiederkehrenden Leistungen mit bestimmtem Betrag und bestimmter Dauer einerseits und solchen mit unbestimmter Dauer andererseits differenziere. Während bei den bestimmten Leistungen § 41 InsO, der auf den gesetzlichen Zinssatz verweist, maßgeblich sei, verweise § 46 Satz 2 InsO bei den unbestimmten Leistungen auf § 45 InsO. Daraus sei zu folgern, dass bei den unbestimmten Leistungen, wie bei Betriebsrenten, der gesetzliche Zinssatz keine Anwendung finden solle. Auch inhaltlich sei die Nutzung des starren gesetzlichen Zinssatzes nicht zielführend, da der gemeine Wert eines Anspruchs zu schätzen sei. Der gemeine Wert ergebe sich daraus, welchen Vorteil der Gläubiger durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhalte. Dieser wiederum sei von seinen Kapitalanlagemöglichkeiten abhängig. Der HGB-Zinssatz sei für jeden nachvollziehbar, da er von der Bundesbank zum Monatsultimo ermittelt werde, weshalb die Wahl des HGB-Zinssatzes im Rahmen der nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG i. V. m. § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung angemessen und sachgerecht sei.
Der Kläger beantragt:
über den bereits vom Beklagten festgestellten Betrag von 297.667,99 EUR hinaus weitere 3.833,00 EUR zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der E GmbH zur laufenden Nr. 0 der Insolvenztabelle festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Der Beklagte ist der Ansicht, dass bei der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung der gesetzliche Zinssatz nach § 41 InsO anzuwenden sei.
12 
Im Gütetermin am 08.01.2020 beantragten beide Parteien eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende, weshalb nach Scheitern der Güteverhandlung in die weitere Verhandlung eingetreten wurde.
13 
Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Klageschrift vom 22.11.2019 nebst Anlagen (Bl. 1-34 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 0.0.2020 (Bl. 48 und 49 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
15 
Die Klage ist zulässig.
16 
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 185 S. 1 InsO, §§ 3, 2 Nr. 3 ArbGG eröffnet.
17 
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen ergibt sich aus § 180 Abs. 1 S. 2 InsO.
18 
Der Klagantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG.
19 
Das für die Erhebung der Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor nachdem die Beklagte die angemeldete Forderung i.H.v. 3.833,00 EUR bestritten hat.
20 
Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht.
B.
21 
Die Klage ist begründet.
22 
Das Gericht teilt die vom Kläger vertretene Rechtsansicht, dass bei der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung der durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte bestehende Vorteil mit dem sich aus § 253 Abs. 2 S. 1, 2 HGB ergebenden Zinssatz auszugleichen ist.
23 
I. Die vom Kläger gesicherten Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gingen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 BetrAVG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen über. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 3 BetrVG, § 45 S. 1 InsO ist der Wert der übergegangenen Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schätzen. Maßgeblich für die Schätzung ist der Barwert des Anspruchs im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Die auf den Kläger übergegangenen Rentenansprüche sind hierbei mit dem Schätzwert der ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zukünftig fällig werdenden Bezüge anzusetzen, deren Höhe unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu schätzen ist, was hier mit dem versicherungsmathematischen Gutachten geschehen ist und worüber hier kein Streit besteht.
24 
II. Streitig ist lediglich mit welchem Zinssatz der sich aus der Vorfälligkeit der Betriebsrentenansprüche ergebende Vorteil bei der Schätzung des Barwertes der übergegangenen Betriebsrentenansprüche auszugleichen ist.
25 
1. Bei den hier streitigen Ansprüchen handelt es sich um bereits entstandene, aber noch nicht fällige Ansprüche auf Zahlung einer Rente, nachdem lediglich Rentner betroffen sind. Diese künftig geschuldeten Versorgungsleistungen stellen wiederkehrende Leistungen dar, deren Dauer unbestimmt ist, da sie lebenslänglich in monatlich feststehender Höhe gezahlt werden müssen. Mithin handelt es sich um Leistungen im Sinne von § 46 S. 2 InsO.
26 
2. Entgegen der vom Beklagten und in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung ist das Gericht vorliegend nicht der Ansicht, dass die Abzinsung nach § 41 Abs. 2 S. 1 InsO mit dem gesetzlichen Zinssatz zu erfolgen hat. Dies ergibt sich gerade nicht aus dem Gesetz:
27 
§ 46 InsO unterscheidet zwischen wiederkehrenden Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind und zwischen wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist. Lediglich bezüglich ersteren verweist § 46 S. 1 InsO auf § 41 InsO und den dort genannten Zinssatz. Bezüglich der wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist, verweist § 46 S. 2 InsO ausdrücklich auf § 45 S. 1 InsO und deshalb gerade nicht auf § 41 InsO. Daraus lässt sich auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass der gesetzliche Zinssatz bei wiederkehrenden Leistungen mit unbestimmter Dauer keine Anwendung finden soll. Soweit zum Teil die Auffassung vertreten wird, dass im Fall von § 46 S. 2 InsO es zu einer Kombination beider Vorschriften (§ 45 InsO und § 46 InsO) dergestalt kommt, dass auch im Fall der Anwendung von § 46 S. 2 InsO der gesetzliche Zinssatz gemäß § 41 Abs. 2 InsO maßgebend ist (vgl. hierzu u. a. MüKo InsO/Bitter, 4. Aufl. 2019, InsO § 45 Rn. 26 und § 46 Rn. 4, 5), vermag das Gericht dieser Auffassung nicht zu folgen. Dem steht aus Sicht des Gerichts bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. § 46 S. 2 InsO verweist lediglich auf § 45 InsO und nicht wie § 46 S. 1 InsO auch auf § 41 InsO. § 45 InsO wiederum enthält keinen Verweis auf den gesetzlichen Zinssatz nach § 41 Abs. 2 InsO. Vielmehr ist nach § 45 InsO der Wert der Forderung zu schätzen. Damit ist auch der Vorteil, den der Gläubiger durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhält, zu schätzen und nicht per se der gesetzliche Zinssatz zugrunde zu legen (siehe hierzu u. a. Brambach/Siebert, Zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus betrieblicher Altersversorgung, ZIns0 2019, 1570 ff.; K. Schmidt InsO/Thonfeld, 19. Aufl. 2016, InsO § 45 Rn. 12 m. w. N.).
28 
3. Auch die Nutzung eines anderen starren Zinssatzes (z. B. steuerlicher Zinssatz von 6 % nach § 6 Buchst. a Abs. 3 S. 3 EStG (insoweit bereits BAG v. 11.10.1988, 3 AZR 295/87) sowie ein fester Zinssatz von 5,5 %) scheidet im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nach Ansicht des Gerichts aus. Denn der nach § 45 InsO zu schätzende Vorteil der Vorfälligkeit ist von den Anlagemöglichkeiten des Gläubigers abhängig. Bei der Zugrundelegung eines starren Zinssatzes würden die sich ändernden Anlagemöglichkeiten nicht hinreichend berücksichtigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.10.1988 (3 AZR 295/87) einen Abzinsungssatz von 5,5 % nicht beanstandet hat. Auch das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung den dort ausgeurteilten Zinssatz von 5,5 % in Abhängigkeit zu den Kapitalanlagemöglichkeiten des Gläubigers als angemessen erachtet und damit bewertet.
29 
4. Nach Auffassung des Gerichts erweist sich der bilanzielle Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 2 HGB als am geeignetsten und angemessen zur Schätzung der Forderung (so auch Blomeyer/Rolfs/Otto - Rolfs, Betriebsrentengesetz, 7. Auflage, vor § 7 Rn. 26), wonach der durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren zugrunde zu legen ist. Hierfür spricht, dass der Vorteil des Gläubigers, welchen er durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhält, - wie bereits ausgeführt wurde - von seinen Anlagemöglichkeiten abhängig ist und sich der handelsbilanzielle Zinssatz des § 253 Abs. 2 S. 2 HGB gerade an der Marktrendite orientiert und zudem von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich bekannt gegeben wird, weshalb er auch von Dritten nachvollzogen werden kann.
30 
Weiter spricht für die Zugrundelegung des Zinssatzes nach § 253 Abs. 2 HGB, dass auch z.B. bei der Übertragung von betrieblicher Altersversorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf diesen Zinssatz zurückgegriffen wird. Zwar wird im Gesetz über den Versorgungsausgleich selbst kein Zinssatz vorgegeben. Jedoch hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, dass das „neue handelsrechtliche Bewertungsrecht so zu realistischen Stichtagswerten“ führe, „die auch für Zwecke des Versorgungsausgleichs nutzbar gemacht werden können“ und dass damit „künftig auch im Versorgungsausgleich zum maßgeblichen Stichtag (Ende der Elternzeit) ein klar definierter Rechnungszins zur Verfügung“ stehe (Brambach/Siebert, Zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus betrieblicher Altersversorgung, ZIns0 2019, 1570 ff. m. w. N.; BGH v. 09.03.2016, XII ZB 540/14 m.w. N.; BT-Drs. 16/11903).
31 
Zusammenfassend erscheint es daher sachgerecht, wenn im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung bei der Bewertung des Vorteils, der durch die Vorfälligkeit der Forderungen entsteht, auf den nach § 253 Abs. 2 HGB durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt, abzustellen und mit diesem Zinssatz abzuzinsen ist.
32 
Stichtag ist hierbei der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. hier der 1.10.2017. Zu diesem Zeitpunkt betrug der nach § 253 Abs. 2 HGB maßgebliche Rechnungszins 3,74 %. Nachdem die vom Kläger vorgenommene Berechnung unter Zugrundelegung eines Rechnungszinses von 3,74 % unstreitig ist, steht dem Kläger gegen den Beklagten über den anerkannten und bereits festgestellten Betrag von 297.667,99 EUR hinaus eine weitere Forderung in Höhe von 3.833,00 EUR zu, welche zur Insolvenztabelle festzustellen ist.
C.
33 
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG. Aufgrund seines Unterliegens im Rechtsstreit hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
34 
II. Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG, der Höhe nach auf § 182 InsO und entspricht 20 % der bestrittenen Forderung, nachdem mit einer Verteilungsquote von 20 % zu rechnen ist.
35 
III. Gemäß § 64 Abs. 3 a) ArbGG ist die Entscheidung, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Die Berufung ist aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
D.
36 
Die Entscheidung konnte gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG durch die Vorsitzende allein ergehen, da sich die weitere Verhandlung an die Güteverhandlung unmittelbar angeschlossen hat, eine das Verfahren beendende Entscheidung ergehen konnte und die Parteien in der Güteverhandlung übereinstimmend eine Entscheidung durch die Vorsitzende beantragt haben. Die Anberaumung des Verkündungstermins steht der Anwendung von § 55 Abs. 3 ArbGG nicht entgegen (Natter/Gross-Rieker, ArbGG, 2. Aufl., § 55 Rn. 14 ff.).

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
15 
Die Klage ist zulässig.
16 
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 185 S. 1 InsO, §§ 3, 2 Nr. 3 ArbGG eröffnet.
17 
Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Reutlingen ergibt sich aus § 180 Abs. 1 S. 2 InsO.
18 
Der Klagantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG.
19 
Das für die Erhebung der Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor nachdem die Beklagte die angemeldete Forderung i.H.v. 3.833,00 EUR bestritten hat.
20 
Weitere Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht.
B.
21 
Die Klage ist begründet.
22 
Das Gericht teilt die vom Kläger vertretene Rechtsansicht, dass bei der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung der durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte bestehende Vorteil mit dem sich aus § 253 Abs. 2 S. 1, 2 HGB ergebenden Zinssatz auszugleichen ist.
23 
I. Die vom Kläger gesicherten Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin gingen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 BetrAVG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf diesen über. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 3 BetrVG, § 45 S. 1 InsO ist der Wert der übergegangenen Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu schätzen. Maßgeblich für die Schätzung ist der Barwert des Anspruchs im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Die auf den Kläger übergegangenen Rentenansprüche sind hierbei mit dem Schätzwert der ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zukünftig fällig werdenden Bezüge anzusetzen, deren Höhe unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu schätzen ist, was hier mit dem versicherungsmathematischen Gutachten geschehen ist und worüber hier kein Streit besteht.
24 
II. Streitig ist lediglich mit welchem Zinssatz der sich aus der Vorfälligkeit der Betriebsrentenansprüche ergebende Vorteil bei der Schätzung des Barwertes der übergegangenen Betriebsrentenansprüche auszugleichen ist.
25 
1. Bei den hier streitigen Ansprüchen handelt es sich um bereits entstandene, aber noch nicht fällige Ansprüche auf Zahlung einer Rente, nachdem lediglich Rentner betroffen sind. Diese künftig geschuldeten Versorgungsleistungen stellen wiederkehrende Leistungen dar, deren Dauer unbestimmt ist, da sie lebenslänglich in monatlich feststehender Höhe gezahlt werden müssen. Mithin handelt es sich um Leistungen im Sinne von § 46 S. 2 InsO.
26 
2. Entgegen der vom Beklagten und in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung ist das Gericht vorliegend nicht der Ansicht, dass die Abzinsung nach § 41 Abs. 2 S. 1 InsO mit dem gesetzlichen Zinssatz zu erfolgen hat. Dies ergibt sich gerade nicht aus dem Gesetz:
27 
§ 46 InsO unterscheidet zwischen wiederkehrenden Leistungen, deren Betrag und Dauer bestimmt sind und zwischen wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist. Lediglich bezüglich ersteren verweist § 46 S. 1 InsO auf § 41 InsO und den dort genannten Zinssatz. Bezüglich der wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist, verweist § 46 S. 2 InsO ausdrücklich auf § 45 S. 1 InsO und deshalb gerade nicht auf § 41 InsO. Daraus lässt sich auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass der gesetzliche Zinssatz bei wiederkehrenden Leistungen mit unbestimmter Dauer keine Anwendung finden soll. Soweit zum Teil die Auffassung vertreten wird, dass im Fall von § 46 S. 2 InsO es zu einer Kombination beider Vorschriften (§ 45 InsO und § 46 InsO) dergestalt kommt, dass auch im Fall der Anwendung von § 46 S. 2 InsO der gesetzliche Zinssatz gemäß § 41 Abs. 2 InsO maßgebend ist (vgl. hierzu u. a. MüKo InsO/Bitter, 4. Aufl. 2019, InsO § 45 Rn. 26 und § 46 Rn. 4, 5), vermag das Gericht dieser Auffassung nicht zu folgen. Dem steht aus Sicht des Gerichts bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen. § 46 S. 2 InsO verweist lediglich auf § 45 InsO und nicht wie § 46 S. 1 InsO auch auf § 41 InsO. § 45 InsO wiederum enthält keinen Verweis auf den gesetzlichen Zinssatz nach § 41 Abs. 2 InsO. Vielmehr ist nach § 45 InsO der Wert der Forderung zu schätzen. Damit ist auch der Vorteil, den der Gläubiger durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhält, zu schätzen und nicht per se der gesetzliche Zinssatz zugrunde zu legen (siehe hierzu u. a. Brambach/Siebert, Zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus betrieblicher Altersversorgung, ZIns0 2019, 1570 ff.; K. Schmidt InsO/Thonfeld, 19. Aufl. 2016, InsO § 45 Rn. 12 m. w. N.).
28 
3. Auch die Nutzung eines anderen starren Zinssatzes (z. B. steuerlicher Zinssatz von 6 % nach § 6 Buchst. a Abs. 3 S. 3 EStG (insoweit bereits BAG v. 11.10.1988, 3 AZR 295/87) sowie ein fester Zinssatz von 5,5 %) scheidet im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nach Ansicht des Gerichts aus. Denn der nach § 45 InsO zu schätzende Vorteil der Vorfälligkeit ist von den Anlagemöglichkeiten des Gläubigers abhängig. Bei der Zugrundelegung eines starren Zinssatzes würden die sich ändernden Anlagemöglichkeiten nicht hinreichend berücksichtigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.10.1988 (3 AZR 295/87) einen Abzinsungssatz von 5,5 % nicht beanstandet hat. Auch das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung den dort ausgeurteilten Zinssatz von 5,5 % in Abhängigkeit zu den Kapitalanlagemöglichkeiten des Gläubigers als angemessen erachtet und damit bewertet.
29 
4. Nach Auffassung des Gerichts erweist sich der bilanzielle Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 2 HGB als am geeignetsten und angemessen zur Schätzung der Forderung (so auch Blomeyer/Rolfs/Otto - Rolfs, Betriebsrentengesetz, 7. Auflage, vor § 7 Rn. 26), wonach der durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren zugrunde zu legen ist. Hierfür spricht, dass der Vorteil des Gläubigers, welchen er durch die Vorfälligkeit der Versorgungsrechte erhält, - wie bereits ausgeführt wurde - von seinen Anlagemöglichkeiten abhängig ist und sich der handelsbilanzielle Zinssatz des § 253 Abs. 2 S. 2 HGB gerade an der Marktrendite orientiert und zudem von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe einer Rechtsverordnung ermittelt und monatlich bekannt gegeben wird, weshalb er auch von Dritten nachvollzogen werden kann.
30 
Weiter spricht für die Zugrundelegung des Zinssatzes nach § 253 Abs. 2 HGB, dass auch z.B. bei der Übertragung von betrieblicher Altersversorgung im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf diesen Zinssatz zurückgegriffen wird. Zwar wird im Gesetz über den Versorgungsausgleich selbst kein Zinssatz vorgegeben. Jedoch hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ausgeführt, dass das „neue handelsrechtliche Bewertungsrecht so zu realistischen Stichtagswerten“ führe, „die auch für Zwecke des Versorgungsausgleichs nutzbar gemacht werden können“ und dass damit „künftig auch im Versorgungsausgleich zum maßgeblichen Stichtag (Ende der Elternzeit) ein klar definierter Rechnungszins zur Verfügung“ stehe (Brambach/Siebert, Zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus betrieblicher Altersversorgung, ZIns0 2019, 1570 ff. m. w. N.; BGH v. 09.03.2016, XII ZB 540/14 m.w. N.; BT-Drs. 16/11903).
31 
Zusammenfassend erscheint es daher sachgerecht, wenn im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung bei der Bewertung des Vorteils, der durch die Vorfälligkeit der Forderungen entsteht, auf den nach § 253 Abs. 2 HGB durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt, abzustellen und mit diesem Zinssatz abzuzinsen ist.
32 
Stichtag ist hierbei der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, d.h. hier der 1.10.2017. Zu diesem Zeitpunkt betrug der nach § 253 Abs. 2 HGB maßgebliche Rechnungszins 3,74 %. Nachdem die vom Kläger vorgenommene Berechnung unter Zugrundelegung eines Rechnungszinses von 3,74 % unstreitig ist, steht dem Kläger gegen den Beklagten über den anerkannten und bereits festgestellten Betrag von 297.667,99 EUR hinaus eine weitere Forderung in Höhe von 3.833,00 EUR zu, welche zur Insolvenztabelle festzustellen ist.
C.
33 
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG. Aufgrund seines Unterliegens im Rechtsstreit hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
34 
II. Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG, der Höhe nach auf § 182 InsO und entspricht 20 % der bestrittenen Forderung, nachdem mit einer Verteilungsquote von 20 % zu rechnen ist.
35 
III. Gemäß § 64 Abs. 3 a) ArbGG ist die Entscheidung, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, in den Urteilstenor aufzunehmen. Die Berufung ist aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
D.
36 
Die Entscheidung konnte gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG durch die Vorsitzende allein ergehen, da sich die weitere Verhandlung an die Güteverhandlung unmittelbar angeschlossen hat, eine das Verfahren beendende Entscheidung ergehen konnte und die Parteien in der Güteverhandlung übereinstimmend eine Entscheidung durch die Vorsitzende beantragt haben. Die Anberaumung des Verkündungstermins steht der Anwendung von § 55 Abs. 3 ArbGG nicht entgegen (Natter/Gross-Rieker, ArbGG, 2. Aufl., § 55 Rn. 14 ff.).

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