Urteil vom Arbeitsgericht Solingen - 1 Ca 701/15
Tenor
1)Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe w. 71,72 Euro brutto zu zahlen.
2)Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3)Der Streitwert beträgt 71,72 Euro.
4)Die Berufung wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin begehrt die Leistung w. Entgeltfortzahlung für zwei Feiertage.
3Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 2010 als Reinigungskraft in einer Hauptschule in T. gegen einen Bruttolohn w. € 9,55 pro Stunde und einer Beschäftigungszeit w. 18,75 Stunden pro Woche tätig. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt 3,75 Stunden. Die Klägerin erhielt für die Feiertage Karfreitag, 03. April 2015, sowie Ostermontag, 06. April 2015, keine Entgeltfortzahlung. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen waren im Zeitraum 30. März 2015 bis 11. April 2015 Osterferien.
4In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien (Blatt 12 ff. der Akte) ist auszugsweise Folgendes geregelt:
5"§ 1 Inhalt und Beginn des Arbeitsverhältnisses:
6Für das Arbeitsverhältnis gilt der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk und die gesetzlichen Regelungen, soweit im Folgenden und in der Betriebsordnung nichts anderes vereinbart ist. Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit.
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§ 2 Arbeitszeit und Arbeitsstätte
9Die wöchentliche Arbeitszeit ist ? geringfügig entlohnte
10Variabel Beschäftigung
11und richtet sich nach den ? X sozialversicherungspflichtige
12Bestimmungen für eine: Beschäftigung.
13Die genaue Dauer und die zeitliche Lage der Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen, insbesondere den Verhältnissen der Arbeitsstätte, und bleiben dem Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes vorbehalten.
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§ 6 Urlaub
16Der Zeitpunkt des Urlaubs wird vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Wünsche des Arbeitnehmers nach den Bedürfnissen des Betriebes bestimmt. Nähere Einzelheiten regelt die Betriebsordnung. ...
17§ 11 Schlussbestimmungen
18.
19Beide Parteien sind sich einig darüber, dass die Anlage 1 (Anstellungsfragebogen) wesentlicher Bestandteil und für den Arbeitgeber Geschäftsgrundlage dieses Arbeitsvertrages ist.
20Beide Vertragsparteien bestätigen, eine schriftliche Ausfertigung dieses Vertrages sowie der verbindlichen Betriebsordnung erhalten zu haben. Der Arbeitnehmer erklärt, dass er die Regelungen des Arbeitsvertrages und der Betriebsordnung gelesen, verstanden und voll inhaltlich anerkennt."
21Im Anstellungsfragebogen (Blatt 14 der Akte) ist geregelt, dass die tägliche Arbeitszeit 3.45 Stunden beträgt und montags bis freitags zu arbeiten ist.
22In der Betriebsordnung, die sich auf der Rückseite des Arbeitsvertrags befindet, ist in Nummer 17 (w. insgesamt 20 Punkten) Folgendes geregelt:
23"17. Werden in dem Reinigungsobjekt aufgrund einer betrieblichen Regelung des Auftraggebers oder aufgrund von staatlichen Vorschriften Betriebs- oder Schulferien durchgeführt, so kann der Arbeitgeber dem dort zur Reinigung beschäftigten Arbeitnehmer den Urlaub für diese Ferienzeiten zuweisen. Soweit die Ferienzeit durch den Urlaub nicht ausgefüllt wird, ruhen während der Ferienzeit das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Arbeits- und Lohnzahlungspflichten. Nimmt der Arbeitnehmer ungenehmigten Urlaub oder wird genehmigter Urlaub überschritten, muss er mit der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und mit einer Vertragsstrafe rechnen. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Übernahmen von Urlaubstagen in das nächste Kalenderjahr bedürfen der schriftlichen Bestätigung des Arbeitgebers. Liegt eine Bestätigung nicht vor, verfällt der Urlaub am 31.12. des Jahres."
24Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe auch für die beiden Feiertage ein Entgeltfortzahlungsanspruch zu.
25Die Klägerin beantragt,
26die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von € 71,62 brutto zu zahlen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie ist der Ansicht, sie sei aufgrund der Nr. 17 der Betriebsordnung zu einer Lohnzahlung für die beiden Feiertage nicht verpflichtet. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch sei nicht gegeben. Es bestehe keine Kausalität zwischen Arbeitsausfall und Feiertage. Das Arbeitsverhältnis habe an den entsprechenden Tagen geruht.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
32Die zulässige Klage ist begründet.
33A.
34Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von € 71,62 brutto für die beiden Feiertage Karfreitag und Ostermontag 2015 gemäß § 2 Abs. 1 EFZG.
35I. Gemäß § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Entgelt zu zahlen für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt.
36II. Die Voraussetzungen liegen vor. Karfreitag und Ostermontag sind gesetzliche Feiertage im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der Berechnung ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
37III. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch die erforderliche Kausalität zwischen dem Ausfall der Arbeitszeit und dem gesetzlichen Feiertag. Das Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der Regelung in Nummer 17 der Betriebsordnung in den Osterferien 2015 geruht.
381. Dabei kann zunächst zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Regelung Nr. 17 in der Betriebsordnung wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden ist. Nach dieser Regelung ruhen während der Ferienzeit die sich daraus ergebenden Arbeits- und Lohnfortzahlungspflichten, soweit die Ferienzeit durch den Urlaub nicht ausgefüllt wird.
39Unstreitig war der Klägerin in den Osterferien 2015 nicht der gesamte Urlaub für das Jahr 2015 gewährt worden, obwohl die Beklagte nach Nr. 17 der Betriebsordnung Satz 1 den Urlaub für die Ferienzeit hätte zuweisen können. Voraussetzung für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ist aber nach Nr. 17 Satz 2 der Betriebsordnung, dass die Ferienzeit durch den Urlaub nicht ausgefüllt wird. Die Beklagte wäre also verpflichtet gewesen, der Klägerin zunächst in Ferienzeiten den Urlaub zuzuweisen. Nur für den Fall, dass die gesamte Ferienzeit durch den gesamten Urlaubsanspruch nicht ausgefüllt werden kann, ruht das Arbeitsverhältnis.
402. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass die Regelung in Nr. 17 der Betriebsordnung nicht wirksamer Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist. In aller Kürze sollen nur die wesentlichen Punkte dargestellt werden.
41a) Die Kammer ist zunächst der Auffassung, dass die Regelungen in Nr. 17 Satz 2 der Betriebsordnung als überraschende Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
42aa) Bei der Betriebsordnung handelt es sich um von der Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingungen. Dieser Einschätzung ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
43bb) Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte. Überraschende Klauseln muss ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrages. Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können eine Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Das Überraschungsmoment ist desto eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfall muss der Verwender auf eine solche Klausel besonders hinweisen oder diese drucktechnisch hervorheben (vergl. dazu BAG, 19.08.2010 - 8 AZR 645/09).
44Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Regelung in Nr. 17 Satz 2 der Betriebsordnung überraschend. Die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass an dieser Stelle der bloß in Bezug genommenen Betriebsordnung Hauptpflichten des Arbeitsvertrages geregelt werden. In § 1 und 2 des Arbeitsvertrages ist die wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit, das heißt der Umfang der Arbeitszeit nicht geregelt. Der Umfang der Arbeitszeit ergibt sich vielmehr aus dem Anstellungsfragebogen, der als Anlage 1 zum Arbeitsvertrag hinzugenommen worden ist. Die Betriebsordnung umfasst insgesamt 20 Nummern. Diese sind drucktechnisch nicht besonders hervorgehoben. Eine Überschrift fehlt ebenfalls. In Nr. 17 werden vorrangig Regelungen zum Urlaub aufgeführt. § 6 des Arbeitsvertrages bezieht sich wegen des Urlaubs ausdrücklich auf die Betriebsordnung.
45Vor diesem Hintergrund ist es für die Arbeitnehmerin völlig überraschend, dass in diesem Absatz, der anscheinend über Urlaubsregelungen handelt, das Ruhen der Hauptleistungspflichten unter bestimmten Umständen angeordnet wird. Damit musste die Klägerin an dieser Stelle nicht ohne einen besonderen Hinweis bzw. ohne drucktechnische Hervorhebung rechnen. Dieser Regelung wohnt jedenfalls an dieser Stelle ein Überrumpelungseffekt inne.
46cc) Die Regelung in Nr. 17 Satz 2 der Betriebsordnung ist aber auch unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Demnach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Auch diese Voraussetzungen liegen vor.
47Die Beklagte beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Januar 2007 (5 AZR 480/06). Demnach sei eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis und die sich daraus ergebenden Arbeits- und Lohnzahlungspflichten während der Schulferienzeiten ruhen sollen, soweit diese Zeiten nicht durch Urlaub ausgefüllt werden, wirksam.
48Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann allerdings nicht überzeugen. Insbesondere das Argument, der Arbeitnehmer erhalte zwar zeitweise kein Entgelt, müsse aber auch nicht arbeiten, ist nicht nur ungeeignet, sondern geradezu abwegig. Die Ruhensvereinbarung stellt vielmehr eine unangemessene Benachteiligung dar. Gerade in einer Branche, wie im Reinigungshandwerk, werden die überwiegenden Arbeitnehmer vorrangig wegen der Verdienstmöglichkeit arbeiten gehen wollen. Es ist auch kein anderer Zweck der Klausel erkennbar, als die Aufrechterhaltung von Vergütungsansprüchen ohne Arbeitsleistung zu vermeiden (vgl. bereits Arbeitsgericht Düsseldorf, 06.10.2009 - 7 Ca 1724/09). Der Arbeitgeber kann einseitig durch Zuweisung von Urlaub den Zeitraum beeinflussen, in denen die Hauptleistungspflichten beider Parteien ruhen sollen. Vor diesem Hintergrund bestehen bereits Bedenken gegen die Wirksamkeit mit Blick auf § 308 Nr. 4 BGB.
49Auch unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragspartner (BAG, 10.01.2007 - 5 AZR 480/06) besteht kein berechtigtes Interesse an einer solchen Vertragsregelung. Um finanzielle Nachteile zu vermeiden, da in Ferienzeiten in Schulgebäuden keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht, kann der Arbeitgeber andere, transparente Regelungen treffen. Theoretisch ist es möglich, von vornherein die Hauptleistungspflichten in Ferienzeiten ruhen zu lassen. Eine solche Regelung dürfte lediglich deswegen nicht gewollt sein, da es im Interesse des Arbeitgebers ist, die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter in den Ferienzeiten zu erfüllen. Daneben bestünde etwa auch die Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibler über ein Jahresarbeitszeitkonto zu regeln. Auch in diesem Fall wäre es für den betroffenen Arbeitnehmer im vornhinein ersichtlich, mit welchen Beschäftigungszeiten und welchem Gesamtverdienst er im Jahr rechnen kann.
50b) Ob die Vertragsklausel zudem gegen tarifvertragliche Regelungen verstößt (so LAG Mecklenburg-Vorpommern, 28.06.2005, 5 Sa 376/04), kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben.
51B.
52Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.
53C.
54Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG und entspricht der Klageforderung.
55D.
56Die Berufung war nicht zuzulassen, da es im vorliegenden Fall nicht auf die wirksame Inbezugnahme der Betriebsordnung ankommt.
57Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.
58Dr. Hamacher
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Referenzen
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