Urteil vom Arbeitsgericht Stuttgart - 26 Ca 866/16

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juni 2016 nicht mit Ablauf des 30. Juni 2017 beendet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 30. Juni 2017 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als Produktionsmitarbeiter weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 17.493,16 Euro festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten über eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni 2017.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie und entwickelt und vertreibt Filtersysteme bzw. Filteranlagen, insb. auch für die Automobilindustrie. Am Standort L beschäftigt die Beklagte mehr als 1.000 Arbeitnehmer. In ihren Arbeitsverträgen nimmt die Beklagte die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden in Bezug. Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (künftig: MTV) bestimmt ua.:
„…
§ 4 Kündigung und Aufhebungsvertrag
4.1. …

4. Einem Beschäftigten, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.
…“
Der am ...19... geborene, verheiratete und zwei Kindern grds. zum Unterhalt verpflichtete Kläger trat zum 26. März 1990 in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Punktschweißer ein. Zuletzt wurde der Kläger als Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt. Das Bruttoarbeitsentgelt betrug zuletzt durchschnittlich monatlich 4.373,29 Euro.
Unter dem Datum 20. August 2015 schlossen die Beklagte und der am Standort L gebildete Betriebsrat einen „Interessenausgleich zugleich Betriebsvereinbarung 11/2015 gültig für L“ (künftig: Interessenausgleich). Dieser Interessenausgleich bestimmt ua. das Folgende:
I. Präambel
Die Parteien haben seit dem Dezember 2014 intensiv und ausführlich über die Notwendigkeit und Neuausrichtung des Werks L beraten. Als Werk L gelten alle dem Leiter des Werkes L zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung disziplinarisch zugeordneten Bereiche. Diese Bereiche sind im Organigramm aufgeführt, welches als Anlage 1 beigefügt ist.
Grundlage für die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen und die zugrundeliegende Personalplanung sind die unternehmerische Entscheidung zur Neuausrichtung des Werkes mit dem Schwerpunkt auf der Herstellung von Flüssigkeitsfiltern und ein erwarteter Serienumsatzrückgang von 172 Mio. EUR (Istumsatz 2014) auf 121 Mio. EUR Serienumsatz (Plan) zwischen 2015 und 2018 für das Werk L.
Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass das Werk L zukünftig als Produktionsstandort über das Jahr 2018 hinaus erhalten werden kann.
10 
Für die Ausrichtung des Werkes ist das in der Anlage 2 beigefügte Zielbild maßgebend.
11 
II. Regelungen
12 
1.
2. Die Umsetzung der nachfolgend beschriebenen betriebsorganisatorischen Änderungen im Werk L (einschl. Werkzeugbau) umfasst bis 31.12.2018 den Abbau von 275 Stellen/Funktionen (FTE).
13 
Die am Werk L zum 31.01.2015 bestehenden Stellen/Funktionen, deren geplante Änderungen entsprechend der in Ziffer 2 bis 8 dieses Interessenausgleichs beschriebenen betriebsorganisatorischen Änderungen sowie die geplante Verteilung der verbleibenden Stellen/Funktionen zum 31.12.2018 sind in der Anlage 3 dieses Interessenausgleichs beschrieben.
14 
Die einzelnen Maßnahmen werden so wie in der Anlage 3 beschrieben durchgeführt. Eine Verschiebung des Zeitpunktes der Durchführung einzelner Teile der Maßnahmen oder der Maßnahmen insgesamt auf einen späteren Zeitpunkt wird vorab mit dem Betriebsrat beraten, stellt aber keine erhebliche Abweichung von diesen Interessenausgleich dar und sind von ihm gedeckt.
15 
3. Der Teilbetrieb Blechluftfilterfertigung am Standort Werk 2 L wird spätestens zum 31.12.2016 geschlossen und verbleibende Lieferverpflichtungen durch Zukauf von fremden Dritten bzw. durch Verkauf von Teilen des Geschäfts an Dritte (Outsourcing), Endbevorratungsregelungen, Umstellungen auf Nichtblechprodukte oder durch Änderungs- und oder Beendigungsvereinbarungen mit Kunden erfüllt.
16 
Eine zeitliche Verschiebung der Schließung des Blechluftfilterbereichs und ein dementsprechend späterer Abbau von Stellen/Funktionen in diesem Bereich ist nach vorheriger Beratung mit dem Betriebsrat möglich. Eine hieraus resultierende Belastung des Werks-G-M bleibt bei einer Bewertung der Erreichung der in der Regelungsabrede vom 20.08.2015 beschriebenen Ziel-G-M außer Betracht.
17 
4. Aus dem Produktionsbereich Kleinserie (LB-PN-SS), bestehend aus dem Produktgruppen OEM, NLG und OES werden die Aufträge der Produktgruppe NLG bis 31.12.2015 dauerhaft an den Standort Sp vergeben und dieser Produktbereich entsprechend kapazitativ angepasst.
18 
5. Der Bereich Luftfilter Pkw und „sonstige Kunststoffteile“ wird bis 31.12.2018 kapazitativ an die dauerhaft sinkende Auftragslage angepasst.
19 
6. Der Teilbetrieb Saugrohrfertigung (LB-PN-AI) wird bis 31.12.2018 kapazitativ an die dauerhaft sinkende Auftragslage angepasst.
20 
7. Der im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen dem Werk L zugeordnete Teilbetrieb Werkzeugbau wird spätestens bis zum 31.12.2018 entsprechend der unternehmerischen Entscheidung zur Neuausrichtung der Aufgaben des Werkzeugbaus und der damit verbundenen Restrukturierung neu aufgestellt und entsprechend kapazitativ angepasst.
21 
8. Infolge der in den vorstehenden Ziffer 3.-7. beschriebenen Strukturveränderungen entfallen in den indirekten Bereichen des Werks L einschließlich des Werk-Overhead (OHD) und der Werk-Logistik bis 30.12.2018 weitere in Anlage 3 aufgeführte Stellen/Funktionen.
22 
III. Umsetzung
23 
1. In Folge der zur Umsetzung der unter Ziffer II. dieses Interessenausgleichs beschriebenen Betriebsänderungen und dem damit verbundenen Abbau von 275 Stellen/Funktionen werden im entsprechend die Arbeitsverhältnisse und 275 Arbeitnehmern spätestens mit Wirkung zum 31.12.2018 beendet bzw. in die Passivphase der Altersteilzeit überführt.
24 
Der infolge der in Ziffer II. 2.- II.8. beschriebenen betriebsorganisatorischen Änderungen erforderliche Abbau von Personalkapazitäten soll möglichst sozialverträglich erfolgen.
25 
Konkret wird dies wie folgt umgesetzt:
26 
In einem ersten Schritt werden zwischen dem 01.10.2015 und dem 31.03.2016 folgende Maßnahmen umgesetzt:
27 
- beiderseits freiwillige Angebote auf Aufhebungsverträge für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1959 und junger oder Arbeitnehmer der Jahrgänge 1954, 1955 oder 1956 (rentennahe Jahrgänge)
28 
- beiderseits freiwillige Angebote auf Abschluss von Altersteilzeitverträgen für Arbeitnehmer der Jahrgänge 1957/1958
29 
- beiderseits freiwillige Angebote auf Weiterbeschäftigung auf freien Stellen am Standort L bzw. an anderen Standorten der MHDE unter der Voraussetzung des Vorliegens der erforderlichen Qualifikation und Eignung zum Zeitpunkt der Versetzung mit einer maximalen Einarbeitungs- bzw. Qualifizierungszeit und 3 Monaten
30 
- durch Teilzeitangebote, ggf. mit befristeten finanziellen Leistungen
31 
- Beendigungsvereinbarungen mit Wiedereinstellungszusage nach frühestens 24 Monaten nach Austritt gemäß § 5 TV zur Qualifizierung
32 
- durch Beendigung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern und Abbau von befristeten Arbeitsverhältnissen im Werk
33 
- beiderseits freiwilliger Ringtausch auf andere Stellen am Standort L mit dem Effekt des Wegfalls von Stellen im Werk L unter der Voraussetzung der persönlichen und fachlichen Eignung.
34 
Zu Ziffer 2 zweiter bis sechster Unterpunkt haben sich die Betriebsparteien auf ein Vorruhestands- und Freiwilligenprogramm geeinigt. Diesbezüglich wird auf die entsprechenden Regelungen des Sozialplans vom 20.08.2015 verwiesen.
35 
Soweit nicht bis zum 31.03.2016 Aufhebungs- und Altersteilzeitverträge im Rahmen des zuvor genannten Vorruhestands- und Freiwilligenprogramms abgeschlossen wurden, die den vorgesehenen Abbau von 275 Arbeitnehmern bis spätestens zum 31.12.2018 ermöglichen, ist der Arbeitgeber berechtigt, betriebsbedingte Beendigungskündigungen auszusprechen und entsprechend den Regelungen des Sozialplans vom 20.08.2015 gleichzeitig den Abschluss eines dreiseitigen Vertrages zum Übertritt in eine Transfergesellschaft anzubieten. Voraussetzung für das Angebot auf Abschluss eines derartigen dreiseitigen Vertrages ist, dass Transferkurzarbeitergeld gewährt wird.
36 
Zwischen den Betriebsparteien besteht Einverständnis, dass auf diese durch betriebsbedingte Beendigungskündigungen möglichen Personalreduzierungen eine Anrechnung von solchen Arbeitnehmern erfolgt, deren Arbeitsverhältnis spätestens mit Wirkung zum 31.12.2018 auf Grund von bis zum 31.03.2016
37 
- abgeschlossenen Aufhebungsverträgen,
38 
- Beendigungsvereinbarungen mit Wiedereinstellungszusage frühestens 24 Monate nach Austritt gemäß § 5 TV zur Qualifizierung
39 
- oder durch Ablauf befristeter Arbeitsverträge, Eigenkündigungen von Arbeitsverträgen oder Tod, soweit diese Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung auf einem Arbeitsplatz im Werk L beschäftigt wurden,
40 
beendet wird oder die bis zum 31.03.2016
41 
- einen Altersteilzeitvertrag (verblockt) mit Beendigung der Arbeitsphase spätestens zum 31.12.2018 oder einen
42 
- unbefristeten Teilzeitvertrag
43 
- oder eine Vereinbarung für eine unbefristete Tätigkeit an einem anderen Standort der MH GMBH
44 
abgeschlossen haben.
45 
Arbeitszeitreduzierungen durch abgeschlossene Teilzeitverträge (nicht Altersteilzeitarbeitsverträge) werden bei der Anrechnung im prozentualen Verhältnis zu einer Vollzeitstelle (35h/Woche) berücksichtigt.
46 
Der Ausspruch dieser betriebsbedingten Beendigungskündigungen darf nicht vor dem 31.05.2016 erfolgen.
47 
Die Betriebspartner gehen derzeit davon aus, dass zur Durchführung dieser Betriebsänderung Änderungskündigungen nicht erforderlich sein werden. Sollten trotzdem Änderungskündigungen erforderlich werden, besteht Einigkeit darüber, dass dies nicht zu einer Erhöhung des oben beschriebenen Personalabbaus führen darf.
48 
2. Der Arbeitgeber wird vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen dem Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß anhören. Bei Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz wird der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigungen erforderlichenfalls die Zustimmung der zuständigen Behörden vorab einholen.
49 
IV. Sozialplan
50 
Zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Maßnahmen entstehen, wird ein Sozialplan abgeschlossen.
51 
V. Mitbestimmungsrechte/ Schlussbestimmungen
52 
1. Personalanpassungen, soweit diese nicht in diesem Interessenausgleich geregelt worden, sind während der Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung zugleich Interessenausgleich nicht ausgeschlossen. Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bleiben unberührt.
53 
2. Eine betriebsbedingte arbeitgeberseitige Beendigungskündigung, die
54 
- vor dem 31.12.2018 ausgesprochen werden soll und
55 
- die durch den dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit im Werk bedingt ist und
56 
- nicht zur Umsetzung der in diesem Interessenausgleich vereinbarten Maßnahmen erfolgt
57 
bedarf der Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG. …
58 
3.
59 
4. Die Parteien sind sich einig, dass der Betriebsrat über alle Einzelheiten der Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG umfassend unterrichtet worden ist. Damit ist das Verfahren zum Abschluss eines Interessenausgleichs abgeschlossen.
60 
5. Der Betriebsrat wurde noch im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen umfassend gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet und beteiligt. Ihm sind insbesondere die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, der Zeitraum in dem die Entlassungen die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien vorgenommen werden sollen sowie die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, mitgeteilt worden. Die Parteien haben insbesondere auch die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder zumindest einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Die Parteien sehen das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG damit als abgeschlossen an.
61 
Die Parteien sind sich einig, dass durch Abschluss dieses Interessenausgleichs der Betriebsrat hierzu seine Stellungnahmen abgegeben hat. Der Arbeitgeber wird - falls erforderlich - diese Vereinbarung in Anzeigen nach § 17 Abs. 2, 3 KSchG, 85 ff. SGB IX, 18 BEEG, 9 MuSchG, die zugleich die Stellungnahme des Betriebsrats darstellt, beifügen.
62 
6.
…“
63 
Die „Anlage 3 zur BV 11/2015“ (Interessenausgleich) enthält folgende Aufstellung:
64 
        
MA Jan 15
MA 2018
Abbau 
Beispielhafte Funktionsaufzählung
Produktions-MA (inkl. Hilfseinsteller)
364
204
160
Produktions-MA, Hilfseinsteller, Interner Service
Indirekte Funktionen in der Fertigung
85
56
29
PBV, Schichtführer, Einsteller, Transporteure, Assistenten/Bürohilfen
Werkzeugbau + Instandhaltung
62
35
27
Koordinatoren, Elektroniker, Mechaniker, Maschinenbediener, Vorrichtungsbauer,
Werkzeugmacher, CAD/CAM, Werkzeugmacher i.d. Produktion
Technischer Service
41
26
15
…       
Logistik
83
55
28
Q-Koordinator, SAP-IT, Inventur, Dispo, Projekte, Auftragsabwicklung, Versand, Lager,
Transporteure, Assistenten/Bürohilfen
Qualität
39
28
11
…       
Sonstiger Werks-OHD
15
10
5
…       
        
689 
414
275
        
65 
Am 12. Mai 2016 schlossen die Betriebsparteien eine „Standortbetriebsvereinbarung 07/2016 über die Auswahlrichtlinie gemäß §§ 95 BetrVG und 1 Abs. 4 KSchG“ die ua. bestimmt:
66 
„…
2. Sozialauswahlkriterien
67 
Die nachfolgend aufgeführten sozialen Gesichtspunkte werden bei der Auswahl von Arbeitnehmern zu den beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen wie folgt gewichtet:
68 
1    
Lebensalter
Für jedes vollendete Lebensjahr
1 Punkt
max. 55 Punkte
2    
Betriebszugehörigkeit
Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit
Für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit ab dem 11. Beschäftigungsjahr
1 Punkt
2 Punkte

max. 70 Punkte
3    
Unterhaltspflichten
Verheiratet
10 Punkte
        
Je Kind
7 Punkte
        
4    
Schwerbehinderung
Schwerbehinderung im Sinne der §§ 85 ff SGB IX bis zu einem Grad der Behinderung
von GdB 50 oder Gleichstellung
8 Punkte
        
Je ein weiterer Punkt pro 10 GdB mehr
69 
…“
70 
Nach Abschluss des im Interessenausgleich beschriebenen Freiwilligenprogramms leitete die Beklagte nochmals ein „Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ mit Schreiben vom 4. Mai 2016 ein, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Mit Schreiben vom 13. Mai 2016 gab der Betriebsrat hierzu eine „Abschließende Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG“ ab, auf deren Inhalt ebenso Bezug genommen wird.
71 
Unter dem Datum des 8. Juni 2016 zeigte die Beklagte gegenüber der Agentur für Arbeit L die beabsichtigte Entlassung von 122 Arbeitnehmern im Zeitraum 14. Juni bis 13. Juli 2016 an. Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Anzeige.
72 
Für die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer bildete die Beklagte Vergleichsgruppen, insb. die Gruppe „Montierer“. Dieser Gruppe ordnete die Beklagte die bei ihr beschäftigten angelernten Mitarbeiter, Montierer, Lagermitarbeiter, Mitarbeiter im Transport und Hilfseinsteller zu. Mit Stand zum 1. April 2016 beschäftigte die Beklagte unter Berücksichtigung bereits erfolgter Austritte noch 368 der Vergleichsgruppe „Montierer“ zuzuordnende Arbeitnehmer. Zur Sozialauswahl innerhalb der Gruppe der „Montierer“ bildete die Beklagte Altersgruppen wie folgt:
73 
Altersgr.
Alter in Jahren
Anzahl der Beschäftigten
(Stand 1. April 2016)
Verteilung insgesamt
Verteilung bezogen auf die ordentlich Kündbaren
Gruppe 1
18 - 35
47    
12,77 %
21,65 %
Gruppe 2
36 - 45
53    
14,40 %
24,4 %
Gruppe 3
46 - 52
117     
31,79 %
53,9 %
Gruppe 0
ab 53 
151     
41,03 %
        
74 
Die Beklagte erklärte, nach Anhörung des Betriebsrats, allein gegenüber „Montierern“ 91 Kündigungen, wobei sie die Kündigungen auf die Gruppe 1 bis 3 entsprechend ihrem Anteil an den ordentlich kündbaren Arbeitsverhältnissen der „Montierer“ verteilte, dh. 20 Kündigungen (21,97 %) entfielen auf die Gruppe 1, 22 Kündigungen (24,17 %) auf die Gruppe 2 und 49 Kündigungen (53,85 %) auf die Gruppe 3. Die Gruppe der Arbeitnehmer mit einem Lebensalter ab 53 Jahren (Gruppe 0) wurde zu Kündigungen nicht herangezogen.
75 
Der Kläger wurde im Rahmen der Altersgruppenbildung der Gruppe 3 zugeordnet und erreichte nach der Berechnung der Beklagten, wie sie der Sozialauswahl zugrunde lag, insgesamt 103 Sozialpunkte. Um in der Gruppe 3 nicht zu dem zu kündigenden Personenkreis zu gehören waren 114 Sozialpunkte nötig. Mit Schreiben vom 14. Juni 2016 kündigte die Beklagte auch das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 2017.
76 
Aus der Gesamtliste der Gruppe der „Montierer“ (Anlage B4) ergibt sich auszugsweise, dass ua. die folgenden Arbeitnehmer nicht gekündigt wurden:
77 
Nachn.
Vorname
Betriebszugehörigkeit
Geb.-Datum
Altersgruppe
Familienstand
Kinder lt. LSt-Karte
Punkte
Y
R
2
73
T
M
2
73
C
M
2
73
A
M
2
73
Ü
C
2
75
T
K
1
51
K
M
1
51
F
C
1
51
A
T
1
51
Ak
T
1
51
D
A
0
63
M
R
0
69
S
V
0
85
K
J
0
85
P
Z
0
89
M
D
0
94
E
O
0
94
R
J
0
95
P
S
0
96
B
H
0
97
T
H
0
98
                                                              
78 
Mit der am 29. Juni 2016 beim Arbeitsgericht Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses.
79 
Der Kläger macht im Wesentlichen das Fehlen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses und eine mangelhafte Sozialauswahl geltend. Insbesondere rügt der Kläger das Fehlen einer plausiblen Altersgruppenbildung und das Überschreiten der Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV.
80 
Der Kläger beantragt zuletzt:
81 
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juni 2016 nicht aufgelöst worden ist.
82 
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu den im Arbeitsvertrag vom 1. März 1990 geregelten Arbeitsbedingungen als Produktionsmitarbeiter bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
83 
Die Beklagte beantragt,
84 
die Klage abzuweisen.
85 
Die Beklagte behauptet im Wesentlichen, am 26. August 2014 habe die Geschäftsführung der Beklagten eine unternehmerische Entscheidung zur Neuausrichtung des Werks mit dem Schwerpunkt auf der Herstellung von Flüssigkeitsfiltern und unter Berücksichtigung eines zu erwartenden Serienumsatzrückgangs von 172 Mio. Euro (Ist-Umsatz 2014) auf 121 Mio. Euro (Plan-Umsatz) zwischen 2015 und 2018 getroffen. Teil dieser Entscheidung sei insb. die Neuausrichtung des Werks mit einer Konzentration auf die Kernkompetenz der Herstellung komplexer Flüssigkeitsfilter, die Schließung der Blechluftfilterfertigung in L, die Verlagerung der NLG-Montage nach Sp, die Auslauffertigung Saugrohre in Lost Core Technologie, die Auslauffertigung bestehender Projekte der Luftfilterfertigung Pkw und sonstige Kunststoffteile und die Anpassung der Personalkapazität und der damit verbundenen Personalkosten an die veränderten Umsatz- und Absatzzahlen. Darüber hinaus sei am 23. September 2014 die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, ein globales technisches Mold Management Team in China zu etablieren, um künftig Engpässe bei der Beschaffung von Spritzgusswerkzeugen zu vermeiden. Als Folge hiervon sei die Entscheidung getroffen worden, den Werkzeugbau zu reduzieren und den Teil des Werkzeugbaus, der sich mit Innovationsprojekten beschäftigt, organisatorisch mit 6 Mitarbeitern in den Bereich Global Lead Team zu integrieren und die verbleibenden 24 Mitarbeiter aus dem Werkzeugbau organisatorisch in das Werk L zu integrieren. Der Werkzeugbau sei zum 1. Juli 2015 dem Werk L organisatorisch zugeordnet worden. Im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen sei sodann der Abbau von 275 Stellen vereinbart worden, wobei im Rahmen des Freiwilligenprogramms 153 Stellen bereits erbracht worden seien. Folglich seien noch 122 Kündigungen auszusprechen gewesen. Zum Januar 2015 seien insgesamt 419 angelernte Mitarbeiter, Montierer, Lagermitarbeiter, Mitarbeiter im Transport und Hilfseinsteller (Gruppe der „Montierer“) in den Abteilungen LB-PN-PP, LB-PN-FF, LB-PN-AI, LB-PN-AF, LB-PN-SS, LB-PN-IS, LB-PN-SM, LB-PN-ST, LB-PN-SP, LB-LG-DP, LB-LG-MT, LB-LG-SM, LB-LG-WF, LB-LG-WH, LB-LG-WP, LB-TS-AS und LB-TS-MA-AS beschäftigt worden. Die Beklagte habe am 17. Februar 2015 durch das Management Board Committe die Entscheidung getroffen, spätestens ab dem 4. Quartal 2016 die bislang im Betrieb hergestellten Blechluftfilter nicht mehr selbst zu fertigen, sondern zuzukaufen, die Abteilungen LB-PN-SM, LB-PN-SP und LB-PN-ST würden spätestens zum 31. Dezember 2016 geschlossen und verbleibende Lieferverpflichtungen durch den Zukauf von Dritten abgedeckt (Interessenausgleich Ziffer II 3), damit entfalle der Beschäftigungsbedarf für 37 Arbeitnehmer. Am 26. August 2014 sei beschlossen worden, die Produktion der Filterbaureihe NLG (Abteilung LB-PN-SS) an den Standort Sp zu verlagern (Interessenausgleich Ziffer II 4), was zum 31. Dezember 2015 durchgeführt worden sei. Damit seien 5 Arbeitsplätze entfallen. Ebenfalls am 26. August 2014 sei die Entscheidung getroffen worden, die Saugrohrfertigung an die dauerhaft sinkende Auftragslage anzupassen. Im Januar 2015 seien für die Fertigung von drei Saugrohrvarianten 8.942,13 Arbeitsstunden (netto) erforderlich gewesen, was bei 112,08 Arbeitsstunden pro Mitarbeiter 26,59 Mitarbeiter zzgl. zweier Transporteure, dh. 28,59 Mitarbeiter erforderlich machte. Diese Zahl mit 1,4 multipliziert (zur Berücksichtigung von Abwesenheiten) und um eine Ineffizienz von 25 % erhöht habe im Januar 2015 einen Bedarf von 53,4 Mitarbeitern ergeben. Tatsächlich seien 60 Mitarbeiter beschäftigt worden. Aufgrund der Planungen würden im Juni 2017 lediglich noch 2.170,85 Arbeitsstunden erforderlich sein, was 6,46 Mitarbeitern zzgl. eines Transporteurs entspreche. Dies mit einem Faktor von 1,3 und einer geringeren Ineffizienz um 20% erhöht, ergebe noch einen Mitarbeiterbedarf von 12,1; zum Zeitpunkt des Interessenausgleichs seien noch 43 „Montierer“ in der Saugrohrfertigung beschäftigt gewesen. Am 24. August 2014 sei die Entscheidung getroffen worden (Interessenausgleich Ziffer II 5), bis spätestens zum 31. Dezember 2018 Luftfilter Pkw und sonstige Kunststoffteile nicht mehr in L zu fertigen und die Mitarbeiterzahl an die dauerhaft sinkende Auftragslage anzupassen. Während im Jahr 2013 ein Umsatz von ca. 50 Mio. Euro bei 3,6 Mio. Stück erreicht worden sei, werde dem Umsatz in 2018 bei ca. 25 Mio. Euro bei ca. 3 Mio. Stück liegen. Bis zum 31. Dezember 2016 entfielen damit 29 Arbeitsplätze; aufgrund des Produktionsauslaufs zum 30. Juni 2017 entfielen weitere 6 Arbeitsplätze. Des Weiteren sei infolge der beschlossenen Änderungen auch die Anpassung im Bereich der Lager-, Transport und Service-Tätigkeiten beschlossen worden (Ziffer II 8 des Interessenausgleichs). Transport- und Lagertätigkeiten fielen weg. Von 47 in den einzelnen Abteilungen angesiedelten Arbeitsplätzen entfielen 21 bis zum 31. Dezember 2016 und weitere 8 bis zum 30. Juni 2017. Insgesamt fielen von 419 Arbeitsplätzen 191 vollständig und dauerhaft weg, es verblieben 228 „Montierer“. Berücksichtige man den freiwilligen Austritt von Mitarbeitern bis 31. März 2016 sowie das Auslaufen von Befristungen und andere Beendigungstatbestände (bspw. Renteneintritt), so verblieben 319 „Montierer“, von denen 91 zu kündigen seien, um die Zielgröße von 228 Arbeitnehmern zu erreichen. In die Sozialauswahl seien die vergleichbaren Arbeitnehmer, dh. alle „Montierer“ (angelernte Mitarbeiter, Montierer, Lagermitarbeiter, Mitarbeiter im Transport und Hilfseinsteller) einbezogen worden. Für die Vergleichsgruppe der „Montierer“ seien Altersgruppen gebildet worden. Dies sei notwendig gewesen, um eine erhebliche Verschlechterung der Altersstruktur zu vermeiden. Ohne eine Altersgruppenbildung wäre das Durchschnittsalter der Montierer von 49,7 Jahren auf 54,3 Jahre angestiegen. Infolge der Regelung des § 4.4 MTV sei eine Altersgruppe (Gruppe 0) der unkündbaren „Montierer“ ab 53 Jahren zu bilden gewesen, die keine Berücksichtigung bei den Kündigungen habe finden können. Die 91 ausgesprochenen Kündigungen seien daher auf die Gruppen 1 bis 3 entsprechend ihrem Anteil der kündbaren Arbeitsverhältnisse verteilt worden. Hierbei sei das vereinbarte Punkteschema zur Anwendung gelangt. Schließlich seien aus der Sozialauswahl die Mitarbeiter F C und W M ausgenommen worden, weil deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse der Beklagten liege. Hinsichtlich aller der Vergleichsgruppe „Montierer“ zugeordneten Mitarbeiter nimmt die Beklagte auf die Anlage B4 Bezug.
86 
Hinsichtlich des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
87 
Die Klage hat Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. Juni 2017.
I.
88 
Die Kündigung vom 14. Juni 2016 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Die Kündigung, die nach den Bestimmungen der §§ 23 Abs. 1, 1 Abs. 1 KSchG am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen ist, ist nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2, 3 KSchG und daher rechtsunwirksam.
89 
1. Die Kündigung gilt zunächst nicht schon nach § 7 KSchG als von Anfang an als rechtswirksam. Der Kläger hat die Kündigung rechtzeitig innerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen.
90 
2. Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, welcher der Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30. Juni 2016 hinaus entgegenstehen würden, bedingt.
91 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Aus innerbetrieblichen Gründen ist eine Kündigung gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 489/01 - Rn. 17, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119; 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 = NZA 1999, 1098 ff.). Ein dringendes "betriebliches" Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiter zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Auf die "Dringlichkeit" der unternehmerischen Entscheidung selbst kommt es dabei nicht an (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181).
92 
aa) Die unternehmerische Entscheidung unterliegt gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur einer Missbrauchskontrolle (vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung und der an ihr vorgenommenen Kritik: Krause RdA 2016, 49 ff.). Sie ist lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie tatsächlich ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Beschäftigungswegfall ist. Die gerichtliche Kontrolle einer unternehmerischen Entscheidung zielt nicht darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen. Sie dient nicht dazu, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Konzept bewogen haben. Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 20, BAGE 145, 265). Es kommt bei einer zulässigen Fremdvergabe von Aufgaben nicht darauf an, ob der Arbeitgeber tatsächlich durch die Beauftragung des Drittunternehmens Kosten spart (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 207 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182). Es geht allein um die Verhinderung von Missbrauch. Ein solcher kann vorliegen, wenn das Konzept des Arbeitgebers alleine darauf abzielt, den Arbeitnehmer „loszuwerden“ und dies mit einer unternehmerischen Entscheidung zu begründen (vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 34 mwN). Grundsätzlich trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine offensichtlich unvernünftige oder willkürliche Entscheidung (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 18, BAGE 146, 37), wobei allerdings der Grundrechtsschutz auch verfahrensrechtlich umzusetzen ist, so dass der Arbeitgeber in einem ersten Schritt zumindest einen irgendwie einleuchtenden Grund als Motiv vorbringe muss (vgl. Krause RdA 2016, 49, 55). Zum nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe im Betrieb - zukünftig - erledigt werden soll; der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordneten Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen (vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 37, BAGE 120, 115 mwN). Daher kann er auch bestimmen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 27, aaO; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17, AP BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 18).
93 
bb) In vollem Umfang gerichtlich überprüfbar ist die Frage, ob die vom Arbeitgeber getroffene Unternehmerentscheidung tatsächlich vorliegt und sich im betrieblichen Bereich dahin auswirkt, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223; KR-Griebeling/Rachor 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 534; vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 KSchG Rn. 729 ff.). Die unternehmerische Entscheidung, die keinem Formzwang unterliegt, muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tatsächlich bereits getroffen worden sein (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 34 f., aaO). Läuft die unternehmerische Entscheidung darauf hinaus, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer oder den betroffenen Arbeitnehmern bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs "Dauer", um dem Gericht im Hinblick auf die gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegte Darlegungslast (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG) eine Überprüfung zu ermöglichen (BAG vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 -;10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 -). Je näher dabei die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1098 ff.); die hohe Kontrolldichte ist dabei verfassungsrechtlich geboten (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 23, aaO).
94 
(1) Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen - soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat - zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - auf den es dafür unverzichtbar ankommt - nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 207 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).
95 
(2) Sind Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, greift die ansonsten berechtigte Vermutung, die Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Möglichkeit eines Einsatzes des Arbeitnehmers auswirkt (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Dabei darf sich der Arbeitgeber nicht auf eine schlagwortartige Umschreibung beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber also darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den oder die gekündigten Arbeitnehmer auswirken, dh. in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen (BAG vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - aaO; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).
96 
(3) Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 23, aaO; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - Rn. 44, aaO; 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - EzA KSchG § 14 Nr. 6), was auch dann gilt, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Arbeiten, hinausläuft (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 23, aaO; 16. Dezember 2007 - 2 AZR 770/09 -). Nur anhand einer solchen Darlegung kann seitens des Gerichts geprüft werden, dass die Kündigung nicht zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führt oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, aaO; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166). Begründet der Arbeitgeber den Wegfall von Beschäftigungsbedarf bspw. mit einer Anpassung an das Auftragsvolumen, muss er die Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, insb. warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Die Möglichkeit einer „normalen“, im Rahmen des Üblichen liegenden Auftragsschwankung muss prognostisch ausgeschlossen sein. Dem müssen der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags des Arbeitgebers gerecht werden. Dieser hat den nachhaltigen Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (vgl. BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 14 mwN, BAGE 147, 237 zu einer Kündigung gestützt auf die außerbetriebliche Entwicklung).
97 
b) Nach diesen Maßstäben kann die Kammer anhand des Vortrags der Beklagten nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Umstände das Bedürfnis zur Beschäftigung von weiteren 91 „Montierern“ mit Ablauf des 30. Juni 2017 enden soll. Zwar hat die Beklagte angegeben, aufgrund welcher Teilentscheidungen in welchen Bereichen künftig mit weniger Personal gearbeitet werden soll. Insbesondere ist der Beklagtenvortrag nachvollziehbar, soweit er bereits zum 31. Dezember 2015 umgesetzte Teilentscheidungen betrifft (Schließung der Blechluftfilterfertigung und Verlagerung der Filterbaureihe NLG nach Sp). Auch hat die Beklagte das künftig prognostiziert notwendige Arbeitsvolumen im Bereich der Saugrohrfertigung näher angegeben. Dies genügt jedoch nicht, um es für die Kammer nachvollziehbar zu machen, dass mit Ablauf des 30. Juni 2017 auf insgesamt (weitere) 91 „Montierer“ verzichtet werden kann. Insbesondere bezüglich der Kapazitätsanpassung im Bereich der „Luftfilterfertigung Pkw und sonstige Kunststoffteile“ ist nicht nachvollziehbar, weshalb bis 31. Dezember 2016 ein Überhang von 29 Arbeitsplätzen und zum 30. Juni 2017 von weiteren 6 Arbeitsplätzen entstanden bzw. entstehen soll. Auch über den 30. Juni 2017 hinaus wird die Beklagte Luftfilter für Pkw und sonstige Kunststoffteile fertigen. Jedenfalls gibt die Beklagte selbst einen noch zu erwartenden Umsatz für das Jahr 2018 an. Von welchem notwendigen Beschäftigungsvolumen die Beklagte hierbei in Arbeitsstunden prognostisch zu welchem Zeitpunkt ausgeht bzw. ausgegangen ist, ist unklar. Auch für den Bereich „Lager-, Transport und Service-Tätigkeiten“ kann die Kammer anhand des Vortrags der Beklagten nicht nachvollziehen, weshalb zum 31. Dezember 2016 ein Überhang von 21 Arbeitsplätzen entstanden sein und zum 30. Juni 2017 ein weiterer Arbeitsplatzüberhang von 8 hinzukommen soll. Auch aus dem Interessenausgleich selbst bzw. dessen Anlagen ergibt sich nicht, welches notwendige Beschäftigungsvolumen prognostisch in Arbeitsstunden zu welchem Zeitpunkt vorliegen soll. Insb. ergeben sich aus der Anlage 3 des Interessenausgleichs nur der Umfang des Abbaus und die Zielgröße der künftigen Arbeitsplätze. Insgesamt ist deshalb für die Kammer nicht nachzuvollziehen, weshalb 91 Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein sollen.
98 
3. Die streitgegenständliche Kündigung ist zudem auch nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhaltsverpflichtungen und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte beschäftigt eine Vielzahl von weniger schutzwürdigeren Arbeitnehmer weiter, bspw. K T (51 Punkte), M K (51 Punkte), C F (51 Punkte), T A (51 Punkte), T Ak (51 Punkte) aus der Altersgruppe 1 oder R Y (73 Punkte), M T (73 Punkte) und M C (73 Punkte) aus der Altersgruppe 2. Der Kläger erreichte demgegenüber 103 Punkte. Die vorgenommene soziale Auswahl ist nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG im Ergebnis nicht ausreichend. Auf das Privileg, die Sozialauswahl nur in Altersgruppen durchführen zu können (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG), kann sich die Beklagte nicht berufen (vgl. zu den Konsequenzen einer fehlerhaften Altersgruppenbildung: BAG 26. März 2015 - 2 AZR 478/13 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 88; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 33, BAGE 142, 339).
99 
a) Die von der Beklagten getroffene Auswahl zur Kündigung des Klägers genügte nicht den Anforderungen an eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG.
100 
aa) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gestattet in Abweichung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Vornahme der Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, wenn dies zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das setzt voraus, dass die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung und die daraus abgeleiteten Kündigungsentscheidungen zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet sind (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 478/13 - Rn. 13, aaO; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 49, BAGE 146, 234; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26, BAGE 142, 339). Daran fehlt es vorliegend, auch wenn hier vom berechtigten betrieblichen Interesse an einer Abweichung von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auszugehen ist, weil eine die Schwellenwerte des § 17 KSchG (innerhalb der Auswahlgruppe im Verhältnis aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer) überschreitende Massenkündigung gegeben ist (vgl. dazu: BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 54, aaO).
101 
bb) Nicht zu beanstanden ist im Grundsatz zunächst, dass ein Arbeitgeber die Altersgruppenbildung in der Weise vornimmt, dass die Gruppe der (tariflich) ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nicht zur (proportionalen) Verteilung der anstehenden Kündigungen herangezogen wird. Bei der Altersgruppenbildung müssen innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises nach sachlichen Kriterien Altersgruppen gebildet (Schritt 1), dann die prozentuale Verteilung der Belegschaft auf die Altersgruppen festgestellt (Schritt 2) und anschließend (Schritt 3) die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt werden (vgl. BAG 26. März 2015 - 2 AZR 478/13 - Rn. 15, aaO; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60, BAGE 140, 169). Die tariflich sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmer gehören im Grundsatz nicht zum in die Sozialauswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung nicht beendet werden kann, sind grundsätzlich nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Fehlt dem Arbeitgeber die rechtliche Möglichkeit gegenüber einem Arbeitnehmer wirksam eine betriebsbedingte Kündigung zu erklären, so kann ein gekündigter Arbeitnehmer nicht mit Erfolg geltend machen, nicht sein Arbeitsverhältnis, sondern das einem besonderen Kündigungsschutz unterliegende Arbeitsverhältnis eines ansonsten vergleichbaren Arbeitnehmers hätte gekündigt werden müssen. Gesetzliche Kündigungsverbote gehen dem allgemeinen Kündigungsschutz als spezialgesetzliche Regelungen vor (vgl. BAG 17. November 2005 - 6 AZR 118/05 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 64; 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - Rn. 18, BAGE 114, 258). Die Beklagte hat dementsprechend - bezogen auf alle „Montierer“, dh. einschließlich des nach § 4.4 MTV geschützten Personenkreises - versucht, die noch gestaltbare Altersstruktur zu sichern, was im Grundsatz keinen Bedenken begegnet. Eine altersgruppenbezogene Sozialauswahl ist auch dann zulässig, wenn der Betrieb bereits einen (unausgewogenen) hohen Anteil älterer (ggf. altersgeschützter) Arbeitnehmer aufweist, dessen Steigerung verhindert werden soll (vgl. SPV/Preis 11. Aufl. Rn. 1128).
102 
cc) Richtig ist auch, dass dem Arbeitgeber (ggf. im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat) hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, aaO). Die Altersgruppenbildung muss im Einzelfall aber angemessen und erforderlich sein, insb. darf die Altersgruppenbildung nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Zu beanstanden ist hier, dass die Beklagte die Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV nicht beachtet und auch solche von § 4.4 MTV erfasste Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausgenommen hat, deren Nichtberücksichtigung zu einer im Ergebnis grob fehlerhaften Sozialauswahl führt.
103 
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die in § 4.4 MTV getroffene Regelung wirksam. Sie führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung der von ihr nicht erfassten Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1, § 1 AGG wegen des Merkmals des Alters, ist jedoch bei gesetzes- und verfassungskonformen und einer an Sinn und Zweck der Norm orientierten Auslegung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 41 ff., BAGE 145, 296). Eine gesetzes- und verfassungskonforme Auslegung erfordert es dabei, zu gewährleisten, das zumindest grobe Auswahlfehler vermieden werden (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 50, aaO), weil der Tarifnorm nicht die Bedeutung zugemessen werden kann, den durch sie vermittelten Schutz auch gegenüber evident schutzwürdigeren Arbeitnehmer, die nicht unter die Tarifnorm fallen, beanspruchen zu wollen. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien den besonderen Kündigungsschutz auch in solchen Fällen zur Geltung gebracht wissen wollten, in denen die höhere Schutzbedürftigkeit anderer, von § 4.4 MTV nicht erfasster Arbeitnehmer offenkundig ist (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 52, aaO).
104 
(2) Die Beklagte hat - unterschiedslos - alle Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnis § 4.4 MTV Anwendung findet, von der Sozialauswahl ausgenommen (Gruppe 0), ohne zu beachten, dass in diese Gruppe evident weniger schutzwürdigere Arbeitnehmer fallen, verglichen mit solchen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis ordentlich (noch) kündbar ist (Gruppe 3). In der Gruppe 3 wurden selbst solche Arbeitnehmer gekündigt, die nach Anwendung des kollektiv-rechtlich vereinbarten Punkteschemas (Auswahlrichtlinie, § 95 BetrVG) 113 Punkte erreicht haben. Erst eine Punktzahl von 114 Punkten führte in der Gruppe 3 dazu, dass der jeweilige Arbeitnehmer nicht zu dem zu kündigenden Personenkreis gehörte. Demgegenüber sind Arbeitnehmer (Gruppe 0) von der Sozialauswahl ausgenommen worden, die in Anwendung der Auswahlrichtlinie unter 100 Punkte erreicht haben (63, 69, 75, 85, 89, 94, 95, 96, 97, 98, 99 Punkte). Dies ist grob fehlerhaft. Grobe Fehlerhaftigkeit bedeutet, dass ganz tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen worden sind und die Bewertung damit evident unzulänglich ist und jede Ausgewogenheit vermissen lässt (vgl. zur groben Fehlerhaftigkeit iSv. § 1 Abs. 5 KSchG: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 45, BAGE 143, 177; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15; zu § 1 Abs. 4 KSchG: ErfK/Oetker § 1 Rn. 358). Demgegenüber begründen marginale Unterschiede in den in Anwendung der Punktetabelle vergebenen Punkten keine grobe Fehlerhaftigkeit (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 49 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 195 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169). Vorliegend kann von lediglich marginalen Abweichungen nicht ausgegangen werden; die Herausnahme von Arbeitnehmern mit unter 100, zum Teil deutlich unter 100 Punkten, lässt die daraufhin getroffene Auswahl als evident unzulänglich erscheinen, wenn gleichzeitig Arbeitnehmer mit bis zu 113 Punkten in der Gruppe 3 zur Kündigung anstanden. Erreichte ein von der Sozialauswahl ausgenommener, § 4.4 MTV unterfallender Arbeitnehmer bspw. 85 Punkte, während selbst 113 Punkte in der Gruppe 3 nicht genügten, um zu den nicht gekündigten Arbeitnehmern zu gehören, so liegen diesem Abstand (28 Punkte) nach der Auswahlrichtlinie bspw. die Schwerbehinderteneigenschaft (8 Punkte), eine Unterhaltsverpflichtung für den Ehegatten (10 Punkte) und ein um 10 Jahre höheres Alter zugrunde. Bei einem Punkteabstand von (nur) 18 Punkten (95 Punkte in der Gruppe 0) gegenüber 113 Punkten in der Gruppe 3 läge einem solchen Abstand bspw. eine (weitere) Unterhaftpflicht für ein Kind (7 Punkte), die Schwerbehinderteneigenschaft (8 Punkte) und ein um drei Jahre höheres Alter zugrunde. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass in der Gruppe der tariflich unkündbaren Arbeitnehmer (Gruppe 0) auch solche Arbeitnehmer sind, deren Nichtberücksichtigung gegenüber gekündigten Arbeitnehmern der Gruppe 3 die Sozialauswahl als evident ungenügend, dh. grob fehlerhaft erscheinen lässt.
105 
(3) Ist die Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV erreicht bzw. - wie hier - überschritten, so hatte die Herausnahme der von § 4.4 MTV erfassten Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer jedenfalls zum Teil zu unterbleiben (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 57, aaO). Die Beklagte hätte jedenfalls die evident weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer der Gruppe 0 nicht herausnehmen dürfen, sondern an der proportionalen Verteilung der Kündigung auf die einzelnen (Alters-)Gruppen beteiligen müssen. Wären die Voraussetzungen für eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht erfüllt, so hätten allerdings Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern der Gruppe 0 unterbleiben müssen, selbst wenn diese in eine Sozialauswahl mit einzubeziehen gewesen wären. Auf diese Weise hätten jedoch grobe Fehler vermieden werden und eine Anwendung des § 4.4 MTV gegenüber dem geschützten Personenkreis sichergestellt werden können (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - aaO).
106 
b) Infolge der nicht die Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV beachtenden Altersgruppenbildung ist die Altersgruppenbildung in der durchgeführten Art und Weise zu beanstanden und kann keine gesetzeskonforme Grundlage für eine Herausnahme iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG bilden. Die Altersgruppenbildung ist damit hinfällig. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei der - zu Unrecht - unterbliebenen Herausnahme aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nicht lediglich um einen Einzelfall, sondern um eine Reihe von Arbeitnehmern gehandelt hat, die insgesamt das Ergebnis der Altersgruppenbildung und Sozialauswahl beeinflusst haben. Die Kündigung ist allein am Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu messen.
107 
aa) Ist die Altersgruppenbildung hinfällig, so ist nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG festzustellen, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern aus den Altersgruppen 1 und 2 weniger schutzwürdig sind als der Kläger. Zwar steht dem Arbeitgeber bei der Gewichtung der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG angeführten sozialen Grunddaten ein Wertungsspielraum zu. Dieser ist auch dann zu beachten, wenn er eine Sozialauswahl zunächst für entbehrlich gehalten hat (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 48; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19). Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren „Sozialdaten“ zu berücksichtigen und abzuwägen. Auch wenn eine Sozialauswahl gar nicht oder methodisch fehlerhaft durchgeführt wurde, ist die Kündigung nicht aus diesem Grund unwirksam, wenn mit der Person des Gekündigten gleichwohl - und sei es zufällig - eine objektiv vertretbare Auswahl getroffen wurde. Der Arbeitgeber braucht nicht die „bestmögliche“ Sozialauswahl vorgenommen zu haben. Der ihm einzuräumende Wertungsspielraum führt dazu, dass sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können (BAG 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 61, AP BGB § 613a Nr. 462 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 165; 29. Januar 2015 - 2 AZR 164/14 - Rn. 11, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 87; 20. Juni 2013 - 2 AZR 271/12 - Rn. 13; 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - aaO; 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - Rn. 38, BAGE 115, 92). Die Beklagte beschäftigt solche deutlich weniger schutzwürdigeren Arbeitnehmer. So haben eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Gruppe 1 bspw. weniger als 60 Punkte erreicht (T, K, F, A, Ak, H, A, T ua.) und aus der Gruppe 2 haben eine Vielzahl von Arbeitnehmern weniger als 80 Punkte (Y, T, C, A, Ü, C ua.). Gegenüber diesen Arbeitnehmern ist der Kläger mit 103 Punkten deutlich schutzwürdiger.
108 
bb) Unerheblich ist, dass der Kläger weniger schutzwürdigere Arbeitnehmer aus den Altersgruppen 1 oder 2 nicht weiter namentlich benannt hat. Aufgrund der Angaben der Beklagten stehen der auswahlrelevante Personenkreis und die Sozialdaten dieses Personenkreises fest. Damit stehen die Tatsachen fest, aus denen sich eine im Ergebnis mangelhafte Sozialauswahl ergibt; eines weiteren Vortrags des Klägers bedurfte es nicht (vgl. SPV/Preis 11. Aufl. Rn. 1136; vHH/L/Krause KSchG § 1 Rn. 1015).
109 
cc) Schließlich ist die mangelhafte Sozialauswahl der Beklagten auch nicht deshalb irrelevant, weil diese die fehlende Kausalität des Auswahlfehlers dargelegt hätte (vgl. dazu: ErfK/Oetker 17. Aufl. § 1 KSchG Rn. 308). Ein Vortrag zur fehlenden Ursächlichkeit des Auswahlfehlers seitens des Arbeitgebers liegt nicht vor.
II.
110 
Infolge des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag war die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers (über den 30. Juni 2016 hinaus) zu verurteilen. Der Antrag, den Kläger als Produktionsmitarbeiter weiter zu beschäftigen, ist zulässig und begründet.
111 
1. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist ausreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild (Art der Beschäftigung), mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Antrag oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (vgl. BAG 19. März 2015 - 9 AZR 702/13 - Rn. 25 mwN, EzA ZPO 2002 § 888 Nr. 2). Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstiger Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten (vgl. BAG 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 20, BAGE 130, 195; LAG Baden-Württemberg 9. November 2015 - 17 Ta 23/15 - Rn. 33; LAG Schleswig-Holstein 6. September 2012 - 1 Ta 142/12 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 28. Oktober 2009 - 6 Ta 238/09 -). Bei einer im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht kann der Titel aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist; darauf hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch, das Weisungsrecht nach § 106 GewO steht dem Arbeitgeber zu (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 44, NZA 2015, 1053).
112 
2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist auch begründet.
113 
a) Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über den Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Zu denken ist hierbei etwa an solche Umstände, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122). Dies können nur solche Umstände sein, die eine Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber unzumutbar erscheinen lassen, was etwa dann gegeben sein kann, wenn durch die weitere Mitarbeit für den Betrieb erheblicher Schaden zu erwarten ist (vgl. KR-Etzel/Rinck 11. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 381; APS/Koch 5. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 185 ff. [240]). Der Arbeitgeber ist hierfür darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Kania in: Küttner Personalbuch Beschäftigungsanspruch Rn. 7). Diese "zusätzlichen Umstände" sind solche, die nicht bereits Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung nach § 626 BGB oder § 1 KSchG sind (vgl. ErfK/Kiel 17. Aufl. § 4 KSchG Rn. 44). Maßgeblich sind vielmehr solche Umstände, die neben den für die Voraussetzung zur Rechtfertigung der Kündigung vorzutragenden Tatsachen die Interessenlage der Beteiligten prägen. Hierbei sind diejenigen Interessen des Arbeitgebers denjenigen des Arbeitnehmers gegenüberzustellen (vgl. LAG Hessen 15. Dezember 2006 - 3 Sa 283/06 - NZA-RR 2007, 192 ff.).
114 
b) Umständen, die nach dem Vorstehenden eine Weiterbeschäftigung des Klägers als unzumutbar erscheinen lassen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Daher war sie antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen.
B.
115 
Nachdem die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO.
C.
116 
Der Festsetzung des Urteilsstreitwerts (§ 61 Abs. 1 ArbGG) liegen drei Bruttomonatsvergütungen für den Bestandsschutzantrag (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG) und ein weiterer Bruttomonatsverdienst für den Weiterbeschäftigungsantrag zugrunde.

Gründe

 
A.
87 
Die Klage hat Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. Juni 2017.
I.
88 
Die Kündigung vom 14. Juni 2016 beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Die Kündigung, die nach den Bestimmungen der §§ 23 Abs. 1, 1 Abs. 1 KSchG am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen ist, ist nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2, 3 KSchG und daher rechtsunwirksam.
89 
1. Die Kündigung gilt zunächst nicht schon nach § 7 KSchG als von Anfang an als rechtswirksam. Der Kläger hat die Kündigung rechtzeitig innerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich angegriffen.
90 
2. Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, welcher der Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30. Juni 2016 hinaus entgegenstehen würden, bedingt.
91 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Aus innerbetrieblichen Gründen ist eine Kündigung gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. BAG 27. Juni 2002 - 2 AZR 489/01 - Rn. 17, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119; 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 = NZA 1999, 1098 ff.). Ein dringendes "betriebliches" Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiter zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Auf die "Dringlichkeit" der unternehmerischen Entscheidung selbst kommt es dabei nicht an (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181).
92 
aa) Die unternehmerische Entscheidung unterliegt gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur einer Missbrauchskontrolle (vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung und der an ihr vorgenommenen Kritik: Krause RdA 2016, 49 ff.). Sie ist lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie tatsächlich ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Beschäftigungswegfall ist. Die gerichtliche Kontrolle einer unternehmerischen Entscheidung zielt nicht darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen. Sie dient nicht dazu, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Konzept bewogen haben. Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 20, BAGE 145, 265). Es kommt bei einer zulässigen Fremdvergabe von Aufgaben nicht darauf an, ob der Arbeitgeber tatsächlich durch die Beauftragung des Drittunternehmens Kosten spart (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 207 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182). Es geht allein um die Verhinderung von Missbrauch. Ein solcher kann vorliegen, wenn das Konzept des Arbeitgebers alleine darauf abzielt, den Arbeitnehmer „loszuwerden“ und dies mit einer unternehmerischen Entscheidung zu begründen (vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 34 mwN). Grundsätzlich trifft den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für eine offensichtlich unvernünftige oder willkürliche Entscheidung (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 18, BAGE 146, 37), wobei allerdings der Grundrechtsschutz auch verfahrensrechtlich umzusetzen ist, so dass der Arbeitgeber in einem ersten Schritt zumindest einen irgendwie einleuchtenden Grund als Motiv vorbringe muss (vgl. Krause RdA 2016, 49, 55). Zum nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe im Betrieb - zukünftig - erledigt werden soll; der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordneten Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen (vgl. BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 37, BAGE 120, 115 mwN). Daher kann er auch bestimmen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 27, aaO; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17, AP BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 18).
93 
bb) In vollem Umfang gerichtlich überprüfbar ist die Frage, ob die vom Arbeitgeber getroffene Unternehmerentscheidung tatsächlich vorliegt und sich im betrieblichen Bereich dahin auswirkt, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167 = NZA 2012, 1223; KR-Griebeling/Rachor 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 534; vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 KSchG Rn. 729 ff.). Die unternehmerische Entscheidung, die keinem Formzwang unterliegt, muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tatsächlich bereits getroffen worden sein (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 34 f., aaO). Läuft die unternehmerische Entscheidung darauf hinaus, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer oder den betroffenen Arbeitnehmern bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs "Dauer", um dem Gericht im Hinblick auf die gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegte Darlegungslast (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG) eine Überprüfung zu ermöglichen (BAG vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 -;10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 -). Je näher dabei die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1098 ff.); die hohe Kontrolldichte ist dabei verfassungsrechtlich geboten (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 23, aaO).
94 
(1) Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen - soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat - zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - auf den es dafür unverzichtbar ankommt - nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 512/13 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 207 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).
95 
(2) Sind Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, greift die ansonsten berechtigte Vermutung, die Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Möglichkeit eines Einsatzes des Arbeitnehmers auswirkt (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Dabei darf sich der Arbeitgeber nicht auf eine schlagwortartige Umschreibung beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen (substantiieren), dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber also darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit für den oder die gekündigten Arbeitnehmer auswirken, dh. in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen (BAG vom 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - aaO; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).
96 
(3) Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 23, aaO; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - Rn. 44, aaO; 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - EzA KSchG § 14 Nr. 6), was auch dann gilt, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Arbeiten, hinausläuft (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 23, aaO; 16. Dezember 2007 - 2 AZR 770/09 -). Nur anhand einer solchen Darlegung kann seitens des Gerichts geprüft werden, dass die Kündigung nicht zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führt oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, aaO; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166). Begründet der Arbeitgeber den Wegfall von Beschäftigungsbedarf bspw. mit einer Anpassung an das Auftragsvolumen, muss er die Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, insb. warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Die Möglichkeit einer „normalen“, im Rahmen des Üblichen liegenden Auftragsschwankung muss prognostisch ausgeschlossen sein. Dem müssen der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags des Arbeitgebers gerecht werden. Dieser hat den nachhaltigen Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (vgl. BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 14 mwN, BAGE 147, 237 zu einer Kündigung gestützt auf die außerbetriebliche Entwicklung).
97 
b) Nach diesen Maßstäben kann die Kammer anhand des Vortrags der Beklagten nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Umstände das Bedürfnis zur Beschäftigung von weiteren 91 „Montierern“ mit Ablauf des 30. Juni 2017 enden soll. Zwar hat die Beklagte angegeben, aufgrund welcher Teilentscheidungen in welchen Bereichen künftig mit weniger Personal gearbeitet werden soll. Insbesondere ist der Beklagtenvortrag nachvollziehbar, soweit er bereits zum 31. Dezember 2015 umgesetzte Teilentscheidungen betrifft (Schließung der Blechluftfilterfertigung und Verlagerung der Filterbaureihe NLG nach Sp). Auch hat die Beklagte das künftig prognostiziert notwendige Arbeitsvolumen im Bereich der Saugrohrfertigung näher angegeben. Dies genügt jedoch nicht, um es für die Kammer nachvollziehbar zu machen, dass mit Ablauf des 30. Juni 2017 auf insgesamt (weitere) 91 „Montierer“ verzichtet werden kann. Insbesondere bezüglich der Kapazitätsanpassung im Bereich der „Luftfilterfertigung Pkw und sonstige Kunststoffteile“ ist nicht nachvollziehbar, weshalb bis 31. Dezember 2016 ein Überhang von 29 Arbeitsplätzen und zum 30. Juni 2017 von weiteren 6 Arbeitsplätzen entstanden bzw. entstehen soll. Auch über den 30. Juni 2017 hinaus wird die Beklagte Luftfilter für Pkw und sonstige Kunststoffteile fertigen. Jedenfalls gibt die Beklagte selbst einen noch zu erwartenden Umsatz für das Jahr 2018 an. Von welchem notwendigen Beschäftigungsvolumen die Beklagte hierbei in Arbeitsstunden prognostisch zu welchem Zeitpunkt ausgeht bzw. ausgegangen ist, ist unklar. Auch für den Bereich „Lager-, Transport und Service-Tätigkeiten“ kann die Kammer anhand des Vortrags der Beklagten nicht nachvollziehen, weshalb zum 31. Dezember 2016 ein Überhang von 21 Arbeitsplätzen entstanden sein und zum 30. Juni 2017 ein weiterer Arbeitsplatzüberhang von 8 hinzukommen soll. Auch aus dem Interessenausgleich selbst bzw. dessen Anlagen ergibt sich nicht, welches notwendige Beschäftigungsvolumen prognostisch in Arbeitsstunden zu welchem Zeitpunkt vorliegen soll. Insb. ergeben sich aus der Anlage 3 des Interessenausgleichs nur der Umfang des Abbaus und die Zielgröße der künftigen Arbeitsplätze. Insgesamt ist deshalb für die Kammer nicht nachzuvollziehen, weshalb 91 Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein sollen.
98 
3. Die streitgegenständliche Kündigung ist zudem auch nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, bestehende Unterhaltsverpflichtungen und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte beschäftigt eine Vielzahl von weniger schutzwürdigeren Arbeitnehmer weiter, bspw. K T (51 Punkte), M K (51 Punkte), C F (51 Punkte), T A (51 Punkte), T Ak (51 Punkte) aus der Altersgruppe 1 oder R Y (73 Punkte), M T (73 Punkte) und M C (73 Punkte) aus der Altersgruppe 2. Der Kläger erreichte demgegenüber 103 Punkte. Die vorgenommene soziale Auswahl ist nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG im Ergebnis nicht ausreichend. Auf das Privileg, die Sozialauswahl nur in Altersgruppen durchführen zu können (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG), kann sich die Beklagte nicht berufen (vgl. zu den Konsequenzen einer fehlerhaften Altersgruppenbildung: BAG 26. März 2015 - 2 AZR 478/13 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 88; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 33, BAGE 142, 339).
99 
a) Die von der Beklagten getroffene Auswahl zur Kündigung des Klägers genügte nicht den Anforderungen an eine Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG.
100 
aa) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gestattet in Abweichung von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Vornahme der Sozialauswahl im Rahmen von Altersgruppen, wenn dies zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das setzt voraus, dass die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung und die daraus abgeleiteten Kündigungsentscheidungen zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet sind (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 478/13 - Rn. 13, aaO; 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 49, BAGE 146, 234; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 26, BAGE 142, 339). Daran fehlt es vorliegend, auch wenn hier vom berechtigten betrieblichen Interesse an einer Abweichung von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auszugehen ist, weil eine die Schwellenwerte des § 17 KSchG (innerhalb der Auswahlgruppe im Verhältnis aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer) überschreitende Massenkündigung gegeben ist (vgl. dazu: BAG 24. Oktober 2013 - 6 AZR 854/11 - Rn. 54, aaO).
101 
bb) Nicht zu beanstanden ist im Grundsatz zunächst, dass ein Arbeitgeber die Altersgruppenbildung in der Weise vornimmt, dass die Gruppe der (tariflich) ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nicht zur (proportionalen) Verteilung der anstehenden Kündigungen herangezogen wird. Bei der Altersgruppenbildung müssen innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises nach sachlichen Kriterien Altersgruppen gebildet (Schritt 1), dann die prozentuale Verteilung der Belegschaft auf die Altersgruppen festgestellt (Schritt 2) und anschließend (Schritt 3) die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt werden (vgl. BAG 26. März 2015 - 2 AZR 478/13 - Rn. 15, aaO; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 60, BAGE 140, 169). Die tariflich sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmer gehören im Grundsatz nicht zum in die Sozialauswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung nicht beendet werden kann, sind grundsätzlich nicht in eine Sozialauswahl einzubeziehen. Fehlt dem Arbeitgeber die rechtliche Möglichkeit gegenüber einem Arbeitnehmer wirksam eine betriebsbedingte Kündigung zu erklären, so kann ein gekündigter Arbeitnehmer nicht mit Erfolg geltend machen, nicht sein Arbeitsverhältnis, sondern das einem besonderen Kündigungsschutz unterliegende Arbeitsverhältnis eines ansonsten vergleichbaren Arbeitnehmers hätte gekündigt werden müssen. Gesetzliche Kündigungsverbote gehen dem allgemeinen Kündigungsschutz als spezialgesetzliche Regelungen vor (vgl. BAG 17. November 2005 - 6 AZR 118/05 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 64; 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - Rn. 18, BAGE 114, 258). Die Beklagte hat dementsprechend - bezogen auf alle „Montierer“, dh. einschließlich des nach § 4.4 MTV geschützten Personenkreises - versucht, die noch gestaltbare Altersstruktur zu sichern, was im Grundsatz keinen Bedenken begegnet. Eine altersgruppenbezogene Sozialauswahl ist auch dann zulässig, wenn der Betrieb bereits einen (unausgewogenen) hohen Anteil älterer (ggf. altersgeschützter) Arbeitnehmer aufweist, dessen Steigerung verhindert werden soll (vgl. SPV/Preis 11. Aufl. Rn. 1128).
102 
cc) Richtig ist auch, dass dem Arbeitgeber (ggf. im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat) hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65, aaO). Die Altersgruppenbildung muss im Einzelfall aber angemessen und erforderlich sein, insb. darf die Altersgruppenbildung nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Zu beanstanden ist hier, dass die Beklagte die Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV nicht beachtet und auch solche von § 4.4 MTV erfasste Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausgenommen hat, deren Nichtberücksichtigung zu einer im Ergebnis grob fehlerhaften Sozialauswahl führt.
103 
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die in § 4.4 MTV getroffene Regelung wirksam. Sie führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung der von ihr nicht erfassten Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1, § 1 AGG wegen des Merkmals des Alters, ist jedoch bei gesetzes- und verfassungskonformen und einer an Sinn und Zweck der Norm orientierten Auslegung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 41 ff., BAGE 145, 296). Eine gesetzes- und verfassungskonforme Auslegung erfordert es dabei, zu gewährleisten, das zumindest grobe Auswahlfehler vermieden werden (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 50, aaO), weil der Tarifnorm nicht die Bedeutung zugemessen werden kann, den durch sie vermittelten Schutz auch gegenüber evident schutzwürdigeren Arbeitnehmer, die nicht unter die Tarifnorm fallen, beanspruchen zu wollen. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien den besonderen Kündigungsschutz auch in solchen Fällen zur Geltung gebracht wissen wollten, in denen die höhere Schutzbedürftigkeit anderer, von § 4.4 MTV nicht erfasster Arbeitnehmer offenkundig ist (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 52, aaO).
104 
(2) Die Beklagte hat - unterschiedslos - alle Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnis § 4.4 MTV Anwendung findet, von der Sozialauswahl ausgenommen (Gruppe 0), ohne zu beachten, dass in diese Gruppe evident weniger schutzwürdigere Arbeitnehmer fallen, verglichen mit solchen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis ordentlich (noch) kündbar ist (Gruppe 3). In der Gruppe 3 wurden selbst solche Arbeitnehmer gekündigt, die nach Anwendung des kollektiv-rechtlich vereinbarten Punkteschemas (Auswahlrichtlinie, § 95 BetrVG) 113 Punkte erreicht haben. Erst eine Punktzahl von 114 Punkten führte in der Gruppe 3 dazu, dass der jeweilige Arbeitnehmer nicht zu dem zu kündigenden Personenkreis gehörte. Demgegenüber sind Arbeitnehmer (Gruppe 0) von der Sozialauswahl ausgenommen worden, die in Anwendung der Auswahlrichtlinie unter 100 Punkte erreicht haben (63, 69, 75, 85, 89, 94, 95, 96, 97, 98, 99 Punkte). Dies ist grob fehlerhaft. Grobe Fehlerhaftigkeit bedeutet, dass ganz tragende Gesichtspunkte nicht in die Bewertung einbezogen worden sind und die Bewertung damit evident unzulänglich ist und jede Ausgewogenheit vermissen lässt (vgl. zur groben Fehlerhaftigkeit iSv. § 1 Abs. 5 KSchG: BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 45, BAGE 143, 177; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15; zu § 1 Abs. 4 KSchG: ErfK/Oetker § 1 Rn. 358). Demgegenüber begründen marginale Unterschiede in den in Anwendung der Punktetabelle vergebenen Punkten keine grobe Fehlerhaftigkeit (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 49 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 195 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 169). Vorliegend kann von lediglich marginalen Abweichungen nicht ausgegangen werden; die Herausnahme von Arbeitnehmern mit unter 100, zum Teil deutlich unter 100 Punkten, lässt die daraufhin getroffene Auswahl als evident unzulänglich erscheinen, wenn gleichzeitig Arbeitnehmer mit bis zu 113 Punkten in der Gruppe 3 zur Kündigung anstanden. Erreichte ein von der Sozialauswahl ausgenommener, § 4.4 MTV unterfallender Arbeitnehmer bspw. 85 Punkte, während selbst 113 Punkte in der Gruppe 3 nicht genügten, um zu den nicht gekündigten Arbeitnehmern zu gehören, so liegen diesem Abstand (28 Punkte) nach der Auswahlrichtlinie bspw. die Schwerbehinderteneigenschaft (8 Punkte), eine Unterhaltsverpflichtung für den Ehegatten (10 Punkte) und ein um 10 Jahre höheres Alter zugrunde. Bei einem Punkteabstand von (nur) 18 Punkten (95 Punkte in der Gruppe 0) gegenüber 113 Punkten in der Gruppe 3 läge einem solchen Abstand bspw. eine (weitere) Unterhaftpflicht für ein Kind (7 Punkte), die Schwerbehinderteneigenschaft (8 Punkte) und ein um drei Jahre höheres Alter zugrunde. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass in der Gruppe der tariflich unkündbaren Arbeitnehmer (Gruppe 0) auch solche Arbeitnehmer sind, deren Nichtberücksichtigung gegenüber gekündigten Arbeitnehmern der Gruppe 3 die Sozialauswahl als evident ungenügend, dh. grob fehlerhaft erscheinen lässt.
105 
(3) Ist die Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV erreicht bzw. - wie hier - überschritten, so hatte die Herausnahme der von § 4.4 MTV erfassten Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer jedenfalls zum Teil zu unterbleiben (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 57, aaO). Die Beklagte hätte jedenfalls die evident weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer der Gruppe 0 nicht herausnehmen dürfen, sondern an der proportionalen Verteilung der Kündigung auf die einzelnen (Alters-)Gruppen beteiligen müssen. Wären die Voraussetzungen für eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht erfüllt, so hätten allerdings Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern der Gruppe 0 unterbleiben müssen, selbst wenn diese in eine Sozialauswahl mit einzubeziehen gewesen wären. Auf diese Weise hätten jedoch grobe Fehler vermieden werden und eine Anwendung des § 4.4 MTV gegenüber dem geschützten Personenkreis sichergestellt werden können (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - aaO).
106 
b) Infolge der nicht die Anwendungsgrenze des § 4.4 MTV beachtenden Altersgruppenbildung ist die Altersgruppenbildung in der durchgeführten Art und Weise zu beanstanden und kann keine gesetzeskonforme Grundlage für eine Herausnahme iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG bilden. Die Altersgruppenbildung ist damit hinfällig. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei der - zu Unrecht - unterbliebenen Herausnahme aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nicht lediglich um einen Einzelfall, sondern um eine Reihe von Arbeitnehmern gehandelt hat, die insgesamt das Ergebnis der Altersgruppenbildung und Sozialauswahl beeinflusst haben. Die Kündigung ist allein am Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu messen.
107 
aa) Ist die Altersgruppenbildung hinfällig, so ist nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG festzustellen, dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern aus den Altersgruppen 1 und 2 weniger schutzwürdig sind als der Kläger. Zwar steht dem Arbeitgeber bei der Gewichtung der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG angeführten sozialen Grunddaten ein Wertungsspielraum zu. Dieser ist auch dann zu beachten, wenn er eine Sozialauswahl zunächst für entbehrlich gehalten hat (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - Rn. 48; 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19). Keinem Kriterium kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren „Sozialdaten“ zu berücksichtigen und abzuwägen. Auch wenn eine Sozialauswahl gar nicht oder methodisch fehlerhaft durchgeführt wurde, ist die Kündigung nicht aus diesem Grund unwirksam, wenn mit der Person des Gekündigten gleichwohl - und sei es zufällig - eine objektiv vertretbare Auswahl getroffen wurde. Der Arbeitgeber braucht nicht die „bestmögliche“ Sozialauswahl vorgenommen zu haben. Der ihm einzuräumende Wertungsspielraum führt dazu, dass sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können (BAG 21. Mai 2015 - 8 AZR 409/13 - Rn. 61, AP BGB § 613a Nr. 462 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 165; 29. Januar 2015 - 2 AZR 164/14 - Rn. 11, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 87; 20. Juni 2013 - 2 AZR 271/12 - Rn. 13; 7. Juli 2011 - 2 AZR 476/10 - aaO; 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - Rn. 38, BAGE 115, 92). Die Beklagte beschäftigt solche deutlich weniger schutzwürdigeren Arbeitnehmer. So haben eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Gruppe 1 bspw. weniger als 60 Punkte erreicht (T, K, F, A, Ak, H, A, T ua.) und aus der Gruppe 2 haben eine Vielzahl von Arbeitnehmern weniger als 80 Punkte (Y, T, C, A, Ü, C ua.). Gegenüber diesen Arbeitnehmern ist der Kläger mit 103 Punkten deutlich schutzwürdiger.
108 
bb) Unerheblich ist, dass der Kläger weniger schutzwürdigere Arbeitnehmer aus den Altersgruppen 1 oder 2 nicht weiter namentlich benannt hat. Aufgrund der Angaben der Beklagten stehen der auswahlrelevante Personenkreis und die Sozialdaten dieses Personenkreises fest. Damit stehen die Tatsachen fest, aus denen sich eine im Ergebnis mangelhafte Sozialauswahl ergibt; eines weiteren Vortrags des Klägers bedurfte es nicht (vgl. SPV/Preis 11. Aufl. Rn. 1136; vHH/L/Krause KSchG § 1 Rn. 1015).
109 
cc) Schließlich ist die mangelhafte Sozialauswahl der Beklagten auch nicht deshalb irrelevant, weil diese die fehlende Kausalität des Auswahlfehlers dargelegt hätte (vgl. dazu: ErfK/Oetker 17. Aufl. § 1 KSchG Rn. 308). Ein Vortrag zur fehlenden Ursächlichkeit des Auswahlfehlers seitens des Arbeitgebers liegt nicht vor.
II.
110 
Infolge des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag war die Beklagte auch zur Weiterbeschäftigung des Klägers (über den 30. Juni 2016 hinaus) zu verurteilen. Der Antrag, den Kläger als Produktionsmitarbeiter weiter zu beschäftigen, ist zulässig und begründet.
111 
1. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist ausreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild (Art der Beschäftigung), mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Antrag oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (vgl. BAG 19. März 2015 - 9 AZR 702/13 - Rn. 25 mwN, EzA ZPO 2002 § 888 Nr. 2). Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstiger Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten (vgl. BAG 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn. 20, BAGE 130, 195; LAG Baden-Württemberg 9. November 2015 - 17 Ta 23/15 - Rn. 33; LAG Schleswig-Holstein 6. September 2012 - 1 Ta 142/12 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 28. Oktober 2009 - 6 Ta 238/09 -). Bei einer im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht kann der Titel aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist; darauf hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch, das Weisungsrecht nach § 106 GewO steht dem Arbeitgeber zu (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 44, NZA 2015, 1053).
112 
2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist auch begründet.
113 
a) Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über den Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzukommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Zu denken ist hierbei etwa an solche Umstände, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen (vgl. BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122). Dies können nur solche Umstände sein, die eine Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber unzumutbar erscheinen lassen, was etwa dann gegeben sein kann, wenn durch die weitere Mitarbeit für den Betrieb erheblicher Schaden zu erwarten ist (vgl. KR-Etzel/Rinck 11. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 381; APS/Koch 5. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 185 ff. [240]). Der Arbeitgeber ist hierfür darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Kania in: Küttner Personalbuch Beschäftigungsanspruch Rn. 7). Diese "zusätzlichen Umstände" sind solche, die nicht bereits Gegenstand der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung nach § 626 BGB oder § 1 KSchG sind (vgl. ErfK/Kiel 17. Aufl. § 4 KSchG Rn. 44). Maßgeblich sind vielmehr solche Umstände, die neben den für die Voraussetzung zur Rechtfertigung der Kündigung vorzutragenden Tatsachen die Interessenlage der Beteiligten prägen. Hierbei sind diejenigen Interessen des Arbeitgebers denjenigen des Arbeitnehmers gegenüberzustellen (vgl. LAG Hessen 15. Dezember 2006 - 3 Sa 283/06 - NZA-RR 2007, 192 ff.).
114 
b) Umständen, die nach dem Vorstehenden eine Weiterbeschäftigung des Klägers als unzumutbar erscheinen lassen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Daher war sie antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen.
B.
115 
Nachdem die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO.
C.
116 
Der Festsetzung des Urteilsstreitwerts (§ 61 Abs. 1 ArbGG) liegen drei Bruttomonatsvergütungen für den Bestandsschutzantrag (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG) und ein weiterer Bruttomonatsverdienst für den Weiterbeschäftigungsantrag zugrunde.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen