Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 4/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.1958 geborene Kläger ist seit dem 00.00.1992 als Rechtsanwalt im Bezirk der Beklagten zugelassen.
3Durch Schreiben vom 25.09.2019 des Obergerichtsvollziehers Q/E erhielt die Beklagte Mitteilung, dass der Kläger - auf den Antrag der Beklagten - die Vermögensauskunft abgegeben hatte und von einer Vorpfändung im Hinblick auf die Hauptforderung in Höhe von 1.000,00 € nebst Kosten mangels Erfolgsaussicht abgesehen wurde. Die Forderung geht auf ein Urteil des Anwaltsgerichts vom 06.07.2017 zurück. Auf Anordnung des Gerichtsvollziehers wurde der Kläger mit dem Vermerk „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 02.10.2019, zugestellt am 10.10.2019, unter Hinweis auf die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis und die dadurch begründete Vermutungswirkung für den Eintritt des Vermögensverfalls auf, binnen einer Frist von 4 Wochen seine wirtschaftlichen Verhältnisse umfassend darzulegen.
4In der mit dem Schreiben der Beklagten übersandten Forderungsaufstellung vom 02.10.2019 sind neben der vorbezeichneten Forderungen zwei Vollstreckungsverfahren der W Krankenkasse zu nicht näher bezeichneten Forderungen, ein Vollstreckungsverfahren des Insolvenzverwalters I über eine nicht bezeichnete Forderung und weitere Forderungen der Beklagten in Höhe von 254,00 € aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.03.2019 nebst Zustellkosten verzeichnet.
5Mit Schreiben vom 07.11.2019 teilte der Kläger der Beklagten unter Vorlage eines Kontoauszugs mit, die Forderungen der W durch Zahlung vom 02.10.2019 in Höhe von 1.766,64 € erledigt zu haben. Der Kläger führte weiter aus, die Forderung des Insolvenzverwalters I in Höhe von 500,00 € bewusst in die Vollstreckung laufen zu lassen, da er das der Vollstreckung zugrunde liegende amtsgerichtliche Urteil für falsch halte. Ferner verstehe er das Urteil des Anwaltsgerichts vom 06.07.2017 im Hinblick auf die ihm vorgeworfene Interessenkollision nicht, deshalb sei er nicht bereit, die Forderung freiwillig zu begleichen. Die gegen ihn gerichteten Vollstreckungsverfahren berührten seine finanzielle Zuverlässigkeit nicht, wobei er allerdings nicht bereit sei, der Beklagten weitere Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen.
6Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 18.11.2019 unter Beifügung einer aktualisierten Forderungsaufstellung abermals Gelegenheit, bis zum 26.11.2019 zu dem Anhörungsschreiben vom 02.10.2019 umfassend Stellung zu nehmen und kündigte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs an, über den Widerruf der Zulassung gem. § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO zu beraten. In der Forderungsaufstellung vom 18.11.2019 sind die Forderungen vom 02.10.2019 unverändert enthalten, darüber hinaus enthält sie unter der lfd. Nr.7 eine weitere Forderung der Beklagten über 1.500,00 € aus einem Urteil des Anwaltsgerichts vom 19.09.2019. Eine Reaktion des Klägers auf das Schreiben blieb aus.
7Die Beklagte hat dem Kläger daraufhin die Zulassung mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.12.2019 gem. § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO unter Beifügung einer tagesaktuellen, mit der Aufstellung vom 18.11.2019 identischen Forderungsaufstellung widerrufen. Zur Begründung hat die Beklagte auf den Eintrag des Klägers in das Schuldnerverzeichnis mit dem Vermerk „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ verwiesen und ausgeführt, dass die sich daraus gem. § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO ergebende Vermutung für den Eintritt des Vermögensverfalls durch den Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren nicht widerlegt sei.
8Die Widerrufsverfügung vom 12.12.2019, zugestellt am 24.01.2020, hat der Kläger mit der am 20.02.2020 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenen Klage angefochten.
9Er macht geltend, ein Vermögensverfall liege nicht vor. Dies ergebe sich schon aus der erteilten Vermögensauskunft vom 25.09.2019 selbst. Er habe Forderungen gegen Mandanten in Höhe von ca. 100.000,00 € und verfüge über Vermögen (Gitarre, Wert v. 6.000,00 – 10.000,00 €, Oldtimer, Wert ca. 8.000,00 €, Motorrad, Wert ca. 4.000,00 €, fällige Lebensversicherung mit einem Auszahlungsbetrag von rd. 7.000,00 €). Die vorgenannte Lebensversicherung sei im Zeitpunkt der Abgabe der Vermögensauskunft bereits gekündigt gewesen und zwischenzeitlich zur Auszahlung gelangt. Er sei nunmehr bereit, eine vollständige Forderungs- und Vermögensauskunft abzugeben und erbitte einen Hinweis, zu welchem Stichtag dies geschehen solle. Er sei allerdings nach wie vor nicht bereit, die Forderungen des Insolvenzverwalters I und der Beklagten freiwillig zu erfüllen. Da aber den offenen Positionen eigene Forderungen von 100.000,00 € sowie Vermögenswerte von rd. 30.000,00 € gegenüberstünden, sei die Vermutung des § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO nicht gegeben.
10Er beantragt,
11den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2019 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der erbetene Hinweis, auf welchen Stichtag sich die Vermögensauskunft zu beziehen hat, ist dem Kläger fernmündlichen durch den Präsidenten des Anwaltsgerichtshofs erteilt worden. In Bezug auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02.09.2020 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung Schriftsatzfrist mit der Begründung beantragt, den Schriftsatz vor dem Senatstermin vom 11.09.2020 nicht erhalten zu haben.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Personal- und Widerrufsakte der Beklagten zur Mitglieds-Nr.00008 verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die gem. §§ 112c Abs.1, BRAO, 68 Abs. 1 Nr.2 VwGO, 110 JustG NRW ohne Vorverfahren zulässige, fristgerecht erhobene Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.
18Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO zu Recht widerrufen.
19Maßgeblicher Zeitpunkt, auf den bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung vorliegen, abzustellen ist, ist der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (BGH, Urteil v. 29.06.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 11/10 = NJW 2011, 3234, Tz.9 ff; BGH, Beschl. v. 10.02.2014, AnwZ (Brfg) 81/13 Tz.3; jeweils zitiert nach juris; Weyland/Vossebürger, BRAO, 10. Aufl., § 14 Rn.60), also der Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung vom 12.12.2019.
20Bezogen auf den 12.12.2019 muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten ist. Dass die Interessen der Rechtsuchenden hierdurch ausnahmsweise nicht gefährdet sind, hat er nicht dargetan.
211. Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.10.2010, Az.: AnwZ (B) 11/09 m.w.N., juris; BGH Beschl. v. 20.12.2013, Az: AnwZ (Brfg) 40/13 Tz.4, juris; Weyland/Vossebürger, BRAO, 10. Aufl., § 14 Rn.58 mit Verweis auf § 7 Rn.142). Ob hingegen eine wirtschaftliche Konsolidierung nach Erlass der Widerrufsverfügung eingetreten ist, ist im Anfechtungsverfahren unerheblich, diese Frage ist nur für eine etwaige Wiederzulassung von Bedeutung (BGH Urteil v. 29.06.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 11/10, Tz.15; BGH, Beschl. v. 10.02.2014, Az.: AnwZ (Brfg) 81/13 Tz.3, jeweils zitiert nach juris).
22Der Eintritt des Vermögensverfalls wird nach § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO vermutet, wenn über das Vermögen des Rechtsanwalts das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenz- oder von Vollstreckungsgericht geführte Verzeichnis nach § 26 Abs.2 InsO bzw. § 882b ZPO eingetragen ist.
23Im vorliegenden Fall streitet die gesetzliche Vermutung aus § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO für den Eintritt des Vermögensverfalls. Im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung am 12.12.2019 war der Kläger wegen der unter der lfd. Nr.4 der Forderungsaufstellung der Beklagten bezeichneten Forderungen (Hauptforderung 1.000,00 € zzgl. Kosten von insg. 99,07 €) in das Vollstreckungsregister eingetragen.
24Die Erfüllung des Vermutungstatbestandes führt zu einer Beweislastumkehr. Dies hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (BGH, Beschl. v. 20.05.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 7/15, Tz.4 f, juris) nachweisen muss, dass ein Vermögensverfall nicht bestanden hat. Dass es für die Widerlegung der Vermutung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids ankommt, ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers durch den Senatsvorsitzenden mitgeteilt worden. Zur Widerlegung der Vermutung aus § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO muss der Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend offen legen, hierzu ist eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorzulegen und nachzuweisen, welche Forderungen inzwischen erfüllt worden sind.
25Danach hat der Kläger den Vermutungstatbestand nicht widerlegt.
26a) Entgegen seiner Auffassung hat sich aus der auf Betreiben der Beklagten abgegebenen Vermögensauskunft vom 25.09.2019 offenkundig nicht ergeben, dass der Kläger über hinreichend liquide Mittel verfügt, um die Forderung der Beklagten in Höhe von insgesamt rd. 1.100,00 € zu decken, denn sonst hätte der Gerichtsvollzieher nach der Abgabe der Auskunft nicht die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis anordnen dürfen (vgl. § 882c Abs.1 Nr.2 ZPO).
27b) Die während des laufenden Klageverfahrens erteilte, auf den 11.12.2019 bezogene Vermögensauskunft (Bl.57 ff d.A.) führt ebenfalls nicht zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung.
28Nach der Forderungsaufstellung der Beklagten bestanden am 12.12.2019 die Forderungen der Beklagten über 1.100,00 € und 1.500,00 € aufgrund einer weiteren anwaltsgerichtlichen Verurteilung zzgl. Kosten in Höhe von 258,11 € sowie die Forderung des Insolvenzverwalters I über insg. 741,70 €. Des Weiteren sind in der Aufstellung der Beklagten vom 12.12.2019 nach wie vor die Forderungen der W-Krankenkasse aufgeführt. Hierauf hat der Kläger zwar vor Erlass der Widerrufsverfügung einen Betrag von 1.766,64 € gezahlt. Er hat jedoch nicht nachgewiesen, dass die Forderungen mit der Zahlung vollständig getilgt worden sind.
29Darüber hinaus bestanden am 11.12.2019 gemäß der im gerichtlichen Verfahren erteilten Vermögensauskunft des Klägers weitere Verbindlichkeiten wie folgt:
30- 31
Restforderung des Rechtsanwaltes J für Erbengemeinschaft L in Höhe von 10.000,00 €,
- 32
G, aus Steuerbescheiden v. 2013 – 2017, insgesamt: 42.561,50 €
- 33
Fremdgeld, Konto F: 12.191,74 €
- 34
I in Sachen T: 6.297,95 €
- 35
Gehälter RA N: 4.392,88 €.
Insgesamt saldieren sich die gegen den Kläger bestehenden Forderungen auf einen Betrag von mehr als 80.000,00 €. Soweit der Kläger geltend macht, die Fremdgelder ausgekehrt sowie auf die Forderungen J/L, G und N Zahlungen erbracht zu haben bzw. regelmäßig zu erbringen, ist dies nicht belegt; auch die Ratenzahlungsvereinbarung mit Rechtsanwalt J liegt nicht vor. Die vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge der U-bank E (Bl.89, 90 d.A.) und der F AG (Bl.91 d.A.) stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Forderungsaufstellung. Dass der Kläger wegen eines Teils der Steuerforderungen Einspruch eingelegt haben will und die Steuerbescheide deswegen nicht bestandskräftig sind, ist unbeachtlich (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2013, AnwZ (Brfg) 40/13, Tz.5 f, juris).
37Der Kläger hat auch nicht belegt, dass den Forderungen ein hinreichendes Vermögen gegenübersteht. Hierzu hätte er nachweisen müssen, dass es sich um liquide Vermögenswerte handelt, die ihm tatsächlich zur Deckung der Verbindlichkeiten zur Verfügung standen (Senatsurteil v. 14.12.2012, 1 AGH 31/12; ebenso AGH München, Urt. v. 07.10.2016, Az: 1 BayAGH 14/15 Tz.41, juris; BGH, Beschl. v. 18.02.2019, AnwZ (Brfg) 65/17, Tz.7, BGH, Beschl. v. 10.02.2014, AnwZ (Brfg) 81/13, Tz.6, jeweils zitiert nach juris; Weyland/Vossebürger, BRAO, 10 Aufl., § 14 Rn.60).
38Daraus folgt zunächst, dass es auf das Vorhandensein etwaiger Sachwerte (Büroeinrichtung, Motorrad, Oldtimer „X“, Gitarre u. sonstige Instrumente) nicht ankommt, da es sich nicht um liquides Vermögen handelt, das jederzeit zur Deckung der Verbindlichkeit zur Verfügung steht.
39Soweit der Kläger das Bestehen offener Forderungen gegen Mandanten geltend macht, folgt aus der bilanzierenden Betrachtung des Klägers, wonach die eigenen Forderungen die Verbindlichkeiten übersteigen, nicht die Widerlegung der aus § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO fließenden Vermutung (vgl. BGH, Beschl. v. 10.02.2014, AnwZ (Brfg) 81/13, Tz.6, juris). Etwas anderes kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das Bestehen der Forderungen zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung und die Bonität der Schuldner nachgewiesen hat (Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 5.Aufl., § 14 Rn.31; Weyland/Vossebürger, BRAO, 10. Aufl., § 14 Rn.60) und sich daraus ergibt, dass der Kläger in absehbarer Zeit seine Verbindlichkeiten decken kann. Der Senat kann allerdings nicht nachvollziehen, dass - so wie es der Kläger geltend macht – am 12.12.2019 von der Erfüllung der Verbindlichkeiten bis zum 11.04.2020 auszugehen war. Unabhängig davon, dass der Kläger die Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht belegt hat, hat er den Bestand der offenen Mandantenforderungen nicht nachgewiesen. Soweit er 3 Aufstellungen über abgerechnete und abrechnungsreife Forderungen vorlegt, handelt es sich um Eigenerklärungen des Klägers, die nicht belegt sind. Gleiches gilt für sein Behaupten betreffend die Bonität der Schuldner, indem er geltend macht, Forderungen in Höhe von 69.418,22 € und 56.967,28 € innerhalb von 4 Monaten realisiert zu haben. Im Übrigen würde dem Kläger selbst der Nachweis der Realisierung der Forderungsbeträge nicht weiterhelfen, da sich daraus nicht ergibt, welche Beträge dem Kläger nach Abzug von Steuern, (Sozial)Versicherungsbeiträgen, Kosten der Kanzlei (Miete, Gehälter, etwaige Verbindlichkeiten) und der allgemeinen Lebenshaltungskosten zur Deckung bestehender Verbindlichkeiten verblieben sind und welche Beträge bis zum 11.04.2020 tatsächlich auf die Verbindlichkeiten gezahlt worden sind.
40Dass die Beklagte seine Darlegungen zu seinen Vermögensverhältnissen akzeptieren und deshalb an der Widerrufsverfügung letztendlich nicht festhalten würde, konnte der Kläger nicht annehmen. Dies gilt auch in Ansehung dessen, dass die Beklagte lediglich den Klageabweisungsantrag gestellt, aber auf die Klage in der Sache nicht erwidert hat, und dem Kläger der Schriftsatz der Beklagten vom 02.09.2020 vor der mündlichen Verhandlung nicht bekannt war. Die Haltung der Beklagten zu der Frage, ob der Kläger in Vermögensverfall geraten ist, ist – solange keine Rücknahme oder ein Widerruf des angefochtenen Bescheids erfolgt - nicht von primärer Bedeutung, da die rechtliche Beurteilung des sich aus den Akten und der Anhörung des Klägers ergebenden Sachverhalts dem Senat obliegt. Die beantragte Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf den Schriftsatz vom 02.09.2020 war dem Kläger nicht zu gewähren, da es – wie die vorstehenden Ausführungen zeigen – auf den Inhalt des Schriftsatzes für die Entscheidung über die Anfechtungsklage nicht ankam. Im Übrigen enthält der Schriftsatz der Beklagten vom 02.09.2020 ohnehin keine Tatsachen, die dem Kläger nicht bekannt sind.
412. Der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hatte auch nicht deshalb zu unterbleiben, weil ausnahmsweise eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung nicht bestand.
42Nach der in § 14 Abs.2 Nr.7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden (AGH Hamm, Urt. v. 13.09.2013, Az.: 1 AGH 24/13, Tz.45, juris; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 5. Aufl., § 14 BRAO Rn.32). Die Annahme der Gefährdung der Rechtssuchenden ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr. des BGH.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2005 , Az.: AnwZ (B) 13/05 = NJW-RR 2006, 559 Tz.8 und vom 25. Juni 2007, Az.: AnwZ (B) 101/05 = NJW 2007, 2924 Tz.8 m.w.N.).
43Angesichts dessen liegt es bei dem Rechtsanwalt nachzuweisen, dass die Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht gefährdet sind (Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 5. Aufl., § 14 BRAO, Rn.34).
44Konkreter Vortrag des Klägers zu diesem Punkt ist nicht erfolgt. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht bestand, ergeben sich auch nicht sonst aus der Akte. Vielmehr ist der Vortrag des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung nicht objektivierbar, so dass der Senat auf dieser Basis keine tragfähigen Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers treffen konnte.
453. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154 VwGO und §§ 167 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 194 Abs.2 BRAO.
46Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112c BRAO, 124 VwGO zuzulassen, besteht nicht.
47Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 124a Abs.1 S.1, 124 Abs.2 Nr.2 u. 3 VwGO); die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs.2 Nr.4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben, weil das Urteil des Senats in den tragenden Gründen nicht von der Rechtsprechung anderer Anwaltsgerichtshöfe, des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts abweicht.
48Rechtsmittelbelehrung
49Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils ist die Berufung zu begründen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen.
50Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wieder hergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
51Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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