Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 24/19
Tenor
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Geschäftswert wird auf 25.000,-- Euro festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Beklagte ließ den Beigeladenen mit Bescheid vom 17.07.2019 als Syndikusrechtsanwalt für die von ihm seit dem 01.03.2017 ausgeübte Tätigkeit bei der M GmbH + Co.KG zu. Grundlage der Zulassung war die vom Beigeladenen überreichte und von seiner Arbeitgeberin unterzeichnete Tätigkeitsbeschreibung vom 17.02./15.03.2017 sowie die ergänzenden Schreiben des Beigeladenen vom 22.05.2017 und vom 16.06.2017. Darin hatte der Beigeladene ausgeführt, 90 % seiner Tätigkeit bestehe darin, dass er für seine Arbeitgeberin die von Kollegen angebotenen Versicherungskonzepte zur Vermeidung der Maklerhaftung überprüfe und individuelle Sonder-Klauseln sowie Deckungskonzepte (sog. Makler-Wordings) mit Versicherern verhandle, die exklusiv zwischen dem Versicherer und der M GmbH & Co.KG gelten würden. Darüber hinaus könnten Kunden auch direkt an ihn herantreten, wenn sie eine Erklärung komplexer Versicherungsklauseln und rechtlicher Zusammenhänge wünschten.Gegen den Bescheid vom 17.07.2019 hat die Klägerin fristgerecht Anfechtungsklage mit der Begründung erhoben, der Zulassung stehe bereits die unstreitig geleistete Tätigkeit in Rechtsangelegenheit der Kunden seiner Arbeitgeberin entgegen. Nach der Auslegung des § 46 Abs.5 BRAO sei die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.
3In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 15.11.2019 hat der Beigeladene mitgeteilt, sein Arbeitsverhältnis bei der M GmbH + Co.KG sei beendet, er sei am 01.10.2019 ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen. Aufgrund der geänderten Sachlage hat der Senat den Parteien Gelegenheit ergeben, ergänzend vorzutragen. Die Beklagte hat den Zulassungsbescheid am 11.12.2019 widerrufen und den Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt lägen nicht mehr vor, da das Arbeitsverhältnis bei der M GmbH + Co.KG beendet sei. Der Widerrufsbescheid vom 11.12.2019 ist bestandskräftig.
4Der Senat hat die Parteien darauf hingewiesen, dass sich das Verfahren nach Bestandskraft des Widerrufsbescheids in der Hauptsache erledigt haben dürfte. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 14.04.2020 den ursprünglich angekündigten Klageantrag umgestellt.
5Sie wiederholt ihre Auffassung, dass die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt rechtswidrig erfolgt sei. Sie wolle das Verfahren nicht für erledigt erklären, da sie ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens habe. Die streitige Frage, ob eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgen dürfe, wenn der Antragsteller auch für Kunden seines Arbeitgebers tätig sei, sei in einer Vielzahl von Verfahren von Interesse.
6Sie beantragt nunmehr,
7festzustellen, dass der angefochtene Bescheid vom 17.07.2019 rechtswidrig war und die Klägerin in ihren Rechten verletzt hat.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
11Entscheidungsgründe:
12Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat keinen Erfolg, sie ist bereits unzulässig.Da der Senat aufgrund des Einverständnisses der Parteien gem. §§ 112c Abs.1 S.1 BRAO, 101 Abs.2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist über die zuletzt schriftsätzlich formulierten Anträge zu entscheiden (Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 101 Rn.11). Gegenstand des Urteils ist daher der seitens der Klägerin in dem Schriftsatz vom 14.04.2020 formulierte Klagantrag. Mit diesem Schriftsatz hat die Klägerin die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs.1 S.4 VwGO) umgestellt.
13Die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage setzt ein berechtigtes Feststellungsinteresse der klagenden Partei voraus, das über die bloße Klärung der Rechtswidrigkeit des ursprünglich angefochtenen Bescheids hinausgeht (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn.108). Anerkannt sind besondere rechtliche, ideelle oder wirtschaftlichen Interessen der klagenden Partei, wobei letzteres über das Interesse einer günstigen Kostenentscheidung hinausgehen muss. Dies ergibt sich daraus, dass im Falle der Erledigung grundsätzlich über die Verfahrenskosten nach § 161 VwGO zu entscheiden ist und in diesem Zusammenhang auch die Erfolgsaussichten des erledigten Klagebegehrens Berücksichtigung finden. Die einschlägige Kommentarliteratur führt daher das Kosteninteresse auch nicht als Beispiel für das berechtigte Feststellungsinteresse an. Vielmehr sind dort die Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Präjudizinteresses, des Rehabilitationsinteresses und des objektiven Rechtsklärungsinteresses bei sich kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffen genannt (vgl. Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn.111; Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl., § 113 Rn.87; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn.47). Im vorliegenden Fall ist keine der vorgenannten Varianten einschlägig. Dies gilt auch für das Präjudizinteresse und die Wiederholungsgefahr. Ein Präjudizinteresse besteht im Falle der beabsichtigten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund rechtswidrigen Verwaltungshandelns (Eyermann/VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn.114), darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Die Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass in der Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse wie im Zeitpunkt des erledigten Verwaltungshandelns vorliegen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.07.2010, 10 S 2400/09, Tz.12, veröffentlicht bei juris). Dass es hierzu kommen wird, erscheint ausgeschlossen, da der Beigeladene das Arbeitsverhältnis bei der M GmbH + Co.KG beendet hat.
142. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154 Abs.1, 162 Abs.3 VwGO und §§ 167 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 194 Abs.2 S.1 u. S.2 BRAO.
15Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112 c BRAO, 124 VwGO zuzulassen, besteht nicht.
16Die Rechtssache weist keine besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, sie hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 a Abs.1 S.1, 124 Abs.2 Nr.2 u. 3 VwGO). Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs.2 Nr.4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben, weil das Urteil des Senats in den tragenden Gründen nicht von der Rechtsprechung eines anderen Anwaltsgerichtshofs oder eines Bundesgerichts abweicht.
17Rechtsmittelbelehrung:
18Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,
191. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
202. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
213. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
224. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
235. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
24Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbe-vollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die auf-schiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammen-schlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusam-menschlüsse vertreten lassen.
25Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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Referenzen
- BRAO § 112c Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung 3x
- VwGO § 101 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 162 1x
- ZPO § 167 Rückwirkung der Zustellung 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- VwGO § 124 2x
- BRAO § 46 Angestellte Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte 1x
- VwGO § 113 1x
- BRAO § 194 Streitwert 1x
- VwGO § 124a 1x
- 10 S 2400/09 1x (nicht zugeordnet)