Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 42/19
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden, wen sie Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 20.11.2019, mit dem diese die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin gemäß § 46a BRAO zugelassen hat.
31.
4Mit am 01.10.2019 bei der Beklagten eingegangen Antrag vom 15.07.2019 beantragte die im Zeitpunkt der Antragstellung anderweitig noch nicht als Rechtsanwältin zugelassene Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für ihre ab 17.05.2019 begonnene Tätigkeit bei der Dr. B Versicherungsmakler GmbH in C (Arbeitgeber). In der vom Geschäftsführer des Arbeitgebers und der Beigeladenen unterzeichneten und zum Gegenstand Anstellungsvertrages gemachten Tätigkeitsbeschreibung vom 15.07.2019 werden die Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit im Wesentlichen wie folgt beschrieben:
5Prüfung von Rechtsfragen:
6 Die bei der Beratung von Bankinstituten zur Absicherung bankenspezifischer Risiken auf Grundlage von mit Fachversicherern vereinbarten Rahmenversicherungsverträgen auftretenden Rechtsfragen sind unter Aufklärung des Sachverhalts einer fundierten rechtlichen Prüfung zu unterziehen, alternative Lösungsansätze zu erarbeiten und individuelle Änderungen/Anpassungen vertragsgemäß umzusetzen.
7 Erstellung von Rechtsgutachten für den internen Gebrauch zu verschiedensten Rechtsfragen
8 Entwicklung von Lösungsansätzen zu aus verschiedenen Rechtsbereichen stammenden Rechtsfragen, die in die Entwicklung neuer Versicherungskonzepte einfließen.
9Erteilung von Rechtsrat:
10„Frau T. berät für unser Haus ausschließlich Bankinstitute (Unternehmen) bei der rechtlichen Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen. Im Anschluss an die interne Analyse der jeweiligen konkreten Rechtsfragen im vorgenannten Umfang steht Frau T. den Bankinstituten als Ansprechpartnerin zur Verfügung und beantwortet in diesem Kontext selbständig und unabhängig die diesbezüglichen Anfragen.“
11Gestaltung von Rechtverhältnissen:
12 Mitwirkung an Vertragsverhandlungen zwischen AG und Fachversicherern in Bezug auf Versicherungsrahmenverträge und vertragsrechtliche Ausgestaltungen
13 Mitwirkung an der Entwicklung neuer Versicherungskonzepte
14 Ausarbeitung neuer vertrags- bzw. versicherungsrechtlicher Lösungsansätze
15Außerdem stehe ihr die Befugnis zu, nach außen verantwortlich aufzutreten: sie führe selbständig und mit eigener Entscheidungsbefugnis, Verhandlungen auch mit dem Ziel der Vertragsänderungen und neuer Versicherungsvereinbarungen mit den Rahmenvertragspartnern.
16Offenbar auf Nachfrage der Beklagten erklärte die Beigeladene mit Schreiben vom 14.10.2019 (Bl. 11f. Personalakte der Bekl.), dass sie hauptsächlich dafür zuständig sei, für den Arbeitgeber Rechtsfragen zu prüfen, Sachverhalte zu ermitteln und diese rechtlich zu prüfen, Lösungsansätze zu erarbeiten und diese ggfs. vertraglich umzusetzen. Die Ergebnisse der für den internen Gebrauch des Arbeitgebers zu erstellenden Rechtsgutachten flößen in die Entwicklung von Versicherungskonzepten ein, an deren Entwicklung sie ebenfalls beteiligt sei. Die Beratung der Kunden des Arbeitgebers, der Bankinstitute nehme dagegen eine untergeordnete Rolle ein und beschränke sich in der Regel auf die Erläuterung der Vertragsinhalte oder die Prüfung von Schadenfällen anhand der Vertragsbedingungen des Arbeitgebers. Vom Umfang her mache die Beratung der Bankinstitute 20 % der Tätigkeit aus.
17Die Tätigkeit ihres Arbeitgebers unterscheide sich von klassischen Versicherungsmaklern dadurch, dass er nicht fertige Versicherungskonzepte verkaufe, sondern er diese vielmehr gemeinsam mit den Fachversicherern in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) eigenständig konzipiere.
182.
19Mit Schreiben vom 24.10.2019 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Zulassung der Beigeladenen angehört. In ihrem Schreiben vom 04.11.2019 wies sie darauf hin, dass die Zulassungsvoraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nicht gegeben seien, weil die Beigeladene nicht gemäß § 46 Abs. 2 BRAO ausschließlich für ihren AG anwaltlich tätig sei.
203.
21Mit Bescheid vom 20.11.2019 ließ der Beklagte die Beigeladene gem. § 46a BRAO als Syndikusrechtsanwältin zu.
22Die Zulassungsvoraussetzungen gem. § 46a Abs. 1 BRAO i.V.m. § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO lägen vor. Insbesondere nehme sie Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers wahr. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet.
234.
24Gegen diesen, der Klägerin am 25.11.2019 zugegangenem Bescheid richtet sich die am 09.12.2019 erhobene Klage. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen folgendes vor:
25Der Arbeitgeber der Beigeladenen sei im vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag geführten Vermittlerregister als Versicherungsmakler gemäß § 34d Abs. 1 GewO eingetragen. Er entwickle speziell für seine Kunden (Bankinstitute) zugeschnittene Versicherungslösungen.
26Soweit die Beigeladene an den Verhandlungen mit den Versicherern beteiligt sei, handele es sich wohl um Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers. Zweifelhaft sei dies aber, soweit es um die Entwicklung und Verhandlung von „Versicherungskonzepten“ gehe. Es sei anzunehmen, dass der Arbeitgeber der Beigeladenen sog. „Maklerbedingungen“, auch „Maklerwordings“ genannt anbiete, die als spezielle, von einem Versicherungsmakler entworfene Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag eingeführt werden. Die Gestaltung derartiger Maklerbedingungen liege im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, da er sich mit diesen speziellen Bedingungen Wettbewerbsvorteile verschaffe. Die Verhandlung entsprechender Versicherungsbedingungen sei allerdings keine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Der Versicherungsmakler sei Sachwalter des Versicherungsnehmers und stehe damit „im Lager des Kunden“. Bei der Verhandlung der Versicherungsbedingungen müsse der Versicherungsmakler daher die Perspektive des Versicherungsnehmers (Kunden) einnehmen und gegenüber dem Versicherer deren Interessen vertreten. Die Verhandlung der Maklerbedingungen bzw. der Versicherungsbedingungen erfolgten daher auf der Basis typisierter Interessen gegenwärtiger und künftiger Kunden des Arbeitgebers und zielten auf eine besonders günstige Risikodeckung des Kunden.
27Außerdem sei die Beigeladene im Falle der Schadenregulierung und der Prüfung von Schadenfällen und damit unstreitig nicht in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig.
28Die Klägerin beantragt,
29den Zulassungsbescheid des Beklagten vom 20.11.2019 aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Die Beklagte entgegnet der Klagebegründung, dass die Klägerin die Tätigkeitsbeschreibung der Beigeladenen dahingehend interpretiert habe, sie sei überwiegend im Interesse Dritter tätig und nicht in Rechtsangelegenheiten Ihrer Arbeitgeberin. Aus den mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Unterlagen der Beigeladenen sei ersichtlich, dass ihre anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis maßgeblich präge. Die beschriebene Tätigkeit entspreche den Kriterien des § 46 Abs. 3 BRAO und präge die Tätigkeit der Beigeladenen. Soweit die Klägerin behaupte, die Verhandlung von Versicherungsrahmenverträgen finde nicht im Interesse des Arbeitgebers statt, sondern betreffe auch den Rechtskreis der Versicherten ziehe sie den fernliegenden Schluss, dass die Tätigkeit auf die Vereinbarung exklusiver Verträge mit den Versicherern gerichtet sei und es sich deshalb um „Maklerbedingungen“ handele, die regelmäßig zugunsten des Versicherungsnehmers von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen abwichen. Diese Vertragsverhandlungen lägen nicht nur im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, sondern bestimmen auch das rechtliche Verhältnis zwischen der jeweiligen Versicherung und der Arbeitgeberin der Beigeladenen als Vermittler. Diese kämen der Arbeitgeberin der Beigeladenen unmittelbar und rechtlich zugute. Selbst wenn die rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers betroffen sein sollten, seien sie also dennoch nicht die einzigen von der Beigeladenen vertretenen Interessen. Die Bewertung müsse insbesondere berücksichtigen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen nicht mit derjenigen eines „freien Versicherungsmaklers“ vergleichbar sei. Die Beigeladene beschreibe dies in ihrer Tätigkeitsbeschreibung selbst als Aufgaben von untergeordneter Bedeutung, wenn sie darauf hinweise, dass die Beratung der Bankinstitute im Rahmen ihrer Tätigkeit eine untergeordnete Rolle einnehme und sich in der Regel auf die Erläuterung der Vertragsinhalte oder die Prüfung von Schadenfällen anhand der Versicherungsbedingungen beschränke. Die Beigeladene sei nicht als „Versicherungsmaklerin“ für Ihre Arbeitgeberin tätig, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege erkennbar nicht auf der Tätigkeit für die beratenden Banken als Versicherungsnehmer des Arbeitgebers. Daher sei ihre Arbeit für ihren Arbeitgeber auch anwaltlich geprägt, da sie ihren Anteil anwaltlicher Tätigkeit für den Arbeitgeber im Vergleich zu übrigen Beschäftigungen mit 80 % angebe, während die sonstigen Aufgaben -namentlich die Beratungen der Bankinstitute - lediglich 20 % ausmachten.
335.
34Mit Beschluss vom 6.2.2020 hatte der Senat zunächst das Verfahren gemäß §§ 112c BRAO, 94 VwGO in Hinblick auf ein beim BGH anhängiges Berufungsverfahren ausgesetzt, in dem die Frage zu klären war, ob die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin entsprechend § 46 Abs. 5 BRAO noch auf die Vertretung der Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers beschränkt ist, wenn die Syndikusrechtsanwältin teilweise auch in Rechtsangelegenheiten der Kunden des Arbeitgebers, also Dritter tätig ist. Nachdem diese Frage in dem Berufungsverfahren mit Urteil des BGH vom 22.6.2020 geklärt wurde, hat der Senat mit Beschluss vom 27 7. 2020 den Aussetzungsbeschluss aufgehoben.
35Die Beklagte vertrat im Schriftsatz vom 4.9.2020 die Auffassung, dass das Verfahren weiterhin auszusetzen sei, da weitere Berufungsverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig sein, die sich ausdrücklich mit Tätigkeiten bei Versicherungsmaklern, außerhalb einer Schadenstätigkeit befassten. Dieser Auffassung ist die Klägerin im Schriftsatz vom 20.10.2020 entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die hier streitgegenständliche Frage mit dem Urteil des BGH vom 22.6.2020 entschieden sei.
36Mit Schreiben vom 26.10.2020 beantragte die Klägerin, den auf den 13.11.2020 anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen und begründete dies mit der Entscheidung ihrer Arbeitgeberin, auf Dienstreisen bis auf weiteres zu verzichten. Für den Fall, dass die mündliche Verhandlung trotzdem stattfinden solle, verwies die Klägerin ausdrücklich auf ihre Ausführungen in der Klagebegründung und im Schriftsatz vom 20.10.2020. Auch die Beklagte schloss sich dem Verlegungsantrag der Klägerin ausdrücklich an, da sie im Hinblick auf die Corona-Pandemie denken habe, nach Hamm zu reisen. Außerdem müsse sie sich noch mit dem Schriftsatz der Klägerin vom 20.10.2020 eingehend auseinandersetzen. Der Klägerin und der Beklagten wurde mitgeteilt, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung stattfinde. Der Vertreter der Beklagten war anwesend.
37Die Beigeladene entschuldigte ihr Fernbleiben in der mündlichen Verhandlung am 13.11.2020 mit einem Schreiben vom 14.11.2020, dass sie davon ausgegangen sei, der Termin werde aufgehoben. Sie habe noch am Freitag, also am Verhandlungstag bei der Geschäftsstelle angerufen, dort aber niemanden erreicht. Sie bitte höflich um einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung.
38Entscheidungsgründe
39I.
40Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zulässig. Gegen den Bescheid der Beklagten ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 VwGO, § 110 JustG NRW) Anfechtungsklage zulässig (§ 42 VwGO, §§ 112 Abs. 1, 112c Abs. 1 BRAO) Der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen ist für die Klage zuständig (§ 112a BRAO).
41II.
42Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.11.2019 ist aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin ist zu Unrecht erfolgt, da die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht vorliegen.
43Über die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin hat die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer auf Antrag der Beigeladenen nach Anhörung des Trägers der Rentenversicherung (§ 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO) entschieden. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin ist gemäß § 46a Abs. 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn
44- 45
1. die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 erfüllt sind
- 46
2. kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 vorliegt und
- 47
3. die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 entspricht.
1.
49Dafür, dass die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 4 BRAO nicht vorliegen, ist nichts ersichtlich. Die Beigeladene ist zwischenzeitlich von der Beklagten als Rechtsanwältin zugelassen worden. Auch Zulassungsversagungsgründe nach § 7 BRAO sind nicht ersichtlich.
502.
51Allerdings entspricht die Tätigkeit der Beigeladenen nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 - 5 BRAO.
52a)
53Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Tätigkeit der Beigeladenen grundsätzlich den Anforderungen des § 46 Abs. 3 Ziff. 1-4 BRAO entspricht. Die in der Tätigkeitsbeschreibung dargelegten Merkmale anwaltlicher Tätigkeiten können grundsätzlich auf § 46 Abs. 3 Ziff. 1 – 4 BRAO gestützt werden. Das Arbeitsverhältnis wird auch offenbar von diesen Tätigkeiten geprägt. Schließlich hat sie die Befugnis nach Außen verantwortlich aufzutreten.
54b)
55Der Zulassung der Beigeladenen steht indes § 46 Abs. 5 BRAO entgegen, weil sie auch Kunden ihres Arbeitgebers rechtlich berät.
56Gem. § 46 Abs. 2 BRAO üben Angestellte anderer als der in Abs. 1 genannten Personen oder Gesellschaften ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). Nach § 46 Abs. 5 BRAO beschränkt sich die Befugnis der Syndikusrechtsanwältin zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Dabei handelt es um eine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin (vgl. BGH, Urt. v. 06.05.2019 –AnwZ (Brfg) 38/17-).
57Der Arbeitgeber der Beigeladenen ist als Versicherungsmakler tätig und auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen zur Absicherung spezieller Bankenrisiken spezialisiert. Diese Tätigkeit umfasst im Bereich der klassischen Vermittlungstätigkeit die Erstellung spezieller auf Grundlage eines Rahmenvertrages mit dem Bundesverband deutscher Banken zu gestaltender Haftungskonzepte für die Kunden (Banken) und dessen Verhandlung mit den Versicherern. Wie sich aus den Angaben der Beigeladenen in ihrem Zulassungsantragt ergibt, wirkt die Arbeitgeberin auch bei der Erfüllung der Versicherungsverträge im Schadensfalle auf Seiten ihrer Kunden mit.
58Versicherungsmakler, wie es der Arbeitgeber der Beigeladenen ist, übernehmen gemäß § 59 Abs. 3 VVG gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Nach der gesetzlichen Bestimmung also steht der Versicherungsmakler auf Seiten seines Auftraggebers, also seines Kunden (vgl BGH, Urteil v. 14.1.2016 – I ZR 107/14-):
59Zu den Aufgaben des Versicherungsmaklers gegenüber dem Versicherungsnehmer gehört es, den Versicherungsvertrag nach Abschluss weiter zu betreuen, indem er den Vertrag ungefragt auf etwaigen Anpassungsbedarf sowie Verlängerungen hin überprüft und den Versicherungsnehmer rechtzeitig darauf hinweist, den Zahlungsverkehr fördert, im Schadensfall den Versicherungsnehmer sachkundig berät, für sachgerechte Schadensanzeigen sorgt und bei der Schadensregulierung die Interessen des Versicherungsnehmers wahrnimmt (vgl. BGH, NJW 1985, 2595; Dörner in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 59 Rn. 74). Der Versicherungsmakler ist danach Sachwalter des (zukünftigen) Versicherungsnehmers und steht „im Lager des Kunden“ und nicht des Versicherers (vgl. BGH, NJW-RR 2014, Dörner in Prölss/Martin, § 59 Rn. 72; Schwintowski in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 59 Rn. 64). Für den Versicherungskunden kann er im Schadensfall im Rahmen einer gem. § 5 RDG erlaubten Nebenleistung schadensregulierend tätig werden (vgl. Begr. des RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts, BT-Drs. 16/1935, 18).
60Diese Stellung „im Lager des Kunden“ wird im Falle des Arbeitgeber der Beigeladenen zudem dadurch deutlich, dass er - wie sich aus ihrer Tätigkeitsbeschreibung und der Darstellung auf der Internetseite des Arbeitgebers ergibt -, auf der Grundlage von Rahmenverträgen mit dem Bundesverband deutscher Banken und den Versicherern den Kunden Versicherungsverträge anbieten kann, die für diese und ihre speziellen Risiken „maßgeschneidert“ sind. So wird die Tätigkeit der Beigeladenen u.a. auch als selbständiges Verhandeln mit den Rahmenvertragspartnern sowie die rechtliche Beratung der Versicherungsnehmer, also der Kunden des Arbeitgebers beschrieben. Diese rechtliche Beratung zielt darauf ab, die besonderen Risiken der Versicherungsnehmer in den Rahmen- und Versicherungsverträgen mit den Versicherern zu berücksichtigen. Die rechtliche Stellung des Versicherungsmaklers gegenüber den Versicherungsnehmern, also seinen Kunden macht diese Gestaltung der Versicherungsbedingungen nicht zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, sondern der Versicherungsnehmer. Die schuldrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber seinen Kunden macht auch die Tätigkeit der Beigeladenen nicht zu einer Rechtsangelegenheit ihres Arbeitgebers (vgl BGH, Urt. v. 16.08.2019 –AnwZ (Brfg) 58/18-). Sie beschreibt dies in dem Schreiben vom 14.10.2019 an die Beklagte (Bl. 11 f Personalakte der Bekl.) treffend wie folgt:
61Geschäftsgegenstand der Dr. B Assekuranz ist die Konzeption und Vermittlung von Versicherungsverträgen nebst Beratung und weiteren Serviceleistungen
62Selbst wenn dies im hier zu beurteilenden Fall anders zu beurteilen wäre, steht jedenfalls § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO der Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin entgegen. Soweit die Beigeladene ihre anwaltliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang ausübt, ist sie - jedenfalls nicht ausschließlich - in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig. In der Rechtsprechung des BGH ist mittlerweile geklärt, dass die rechtliche Beratung der Kunden des Arbeitgebers der Zulassung als Syndikusrechtsanwältin auch dann entgegensteht, wenn diese nur vereinzelt erfolgt. Jegliche rechtsberatende Tätigkeit von Kunden des Arbeitgebers schließt unabhängig von ihrem Umfang die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin aus (BGH, Urteil v. 22.06.2020 –AnwZ (Brfg) 23/19-). Im Zulassungsantrag selbst beschreibt die Beigeladene ihre eigene Tätigkeit dahingehend, dass sie für ihren Arbeitgeber „ausschließlich Bankinstitute (Unternehmen) bei der rechtlichen Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen“, also die Kunden des Arbeitgebers berate. Dies relativierte die Beigeladene in ihrem Schreiben an die Beklagte vom 14.10.2019 (Bl. 11f. Personalakte der Bekl.) dahingehend, dass die Beratung der Kunden des Arbeitgebers, der Bankinstitute nur eine untergeordnete Rolle einnehme und maximal 20 % ihrer Tätigkeit ausmache. Diese Tätigkeit der Beigeladenen von Kunden ihres Arbeitgebers steht ihrer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin entgegen.
633.
64Nach alledem war der Klage stattzugeben.
654.
66Der erkennende Senat hatte keine Veranlassung, den Verhandlungstermin am 13.11.2020 aufzuheben. Die Räumlichkeiten im Oberlandesgericht Hamm, dem Sitz des Anwaltsgerichtshofs sind so gestaltet, dass ein gefahrloses Verhandeln möglich ist. Die vorsorgliche Dienstanweisung der Klägerin, vorerst keine Dienstreisen zu unternehmen, steht der Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Der Vertreter der Klägerin hat sich mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung, wie auch der Vertreter der Beklagten, der in der mündlichen Verhandlung anwesend war, einverstanden erklärt.
67Die Beigeladene konnte nicht von der Aufhebung der mündlichen Verhandlung ausgehen. Ihre Angabe, sie habe am Verhandlungstag vergeblich versucht, die Geschäftsstelle zu erreichen, ist nicht nachvollziehbar, da die Geschäftsstelle am Verhandlungstag durchgängig besetzt war. Der Senat ist zudem aus Rechtsgründen nach Urteilsverkündung gehindert, die mündliche Verhandlung wieder aufzugreifen. Soweit der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass für ihn die Einzelheiten der tatsächlichen Tätigkeit der Beigeladenen noch unklar seien und er dazu an die Beigeladene einige Fragen hätte stellen wollen, ist darauf hinzuweisen, dass es Aufgabe der Beklagten ist, diese Unklarheiten vor der Zulassungsentscheidung aufzuklären.
68III.
69Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 194 Abs. 1 und 2 BRAO, 52 GKG.
70Ein Anlass, die Berufung nach § 112 c BRAO, 124, 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssage besondere, tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat sie grundsätzliche Bedeutung (§§ 124 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO).
71Rechtsmittelbelehrung
72Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen.
73Die Berufung ist nur zuzulassen,
74- 75
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- 76
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 77
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 78
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des. gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- 79
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
81Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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Referenzen
- BRAO § 4 Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts 1x
- VwGO § 42 1x
- § 110 JustG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- §§ 194 Abs. 1 und 2 BRAO, 52 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 162 1x
- RDG § 5 Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit 1x
- BRAO § 194 Streitwert 1x
- § 59 Abs. 3 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BRAO § 112 Entschädigung der anwaltlichen Beisitzer 1x
- BRAO § 46 Angestellte Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte 8x
- VwGO § 124 2x
- VwGO § 68 1x
- GewO § 34d Versicherungsvermittler 1x
- BRAO § 2 Beruf des Rechtsanwalts 1x
- BRAO § 7 Versagung der Zulassung 1x
- I ZR 107/14 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 94 1x
- VwGO § 3 1x
- BRAO § 112c Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung 4x
- BRAO § 46a Zulassung als Syndikusrechtsanwalt 6x