Beschluss vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 9 und 10/18
Tenor
Die Erinnerungen des Klägers gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 04.05.2020 und vom 29.10.2020 werden auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
1
Begründung:
2I.
3Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 04.05.2020 ist als unbegründet zurückzuweisen.
41.
5Die Erinnerung ist statthaft (§ 165 VwGO) sowie form- und fristgerecht (§§ 151, 147 VwGO) eingelegt worden. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist nicht entfallen, da seine Zahlung der festgesetzten Kosten nicht vorbehaltlos erfolgte (vgl. insoweit auch: BayVGH, Beschl. v. 08.10.2013 – 22 M 13.40022 – juris).
6Der Senat ist – nachdem die Rechtspflegerin der Erinnerung mit Beschluss vom 27.01.2021 nicht abgeholfen hat –zur Entscheidung berufen, da das Gericht in der Besetzung, in der die zu Grunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde, zur Entscheidung berufen ist (Kunze in: BeckOK-VwGO, 56. Ed. § 165 Rdn. 8).
72.
8Die Erinnerung ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin auf Antrag der Beklagten (§ 164 VwGO) nach Anhörung des Klägers die Fahrtkosten des Sitzungsvertreters der Beklagten anlässlich der Wahrnehmung der Termine vom 02.11.2018 in den gemeinsam verhandelten Verfahren 1 AGH 9/18 und 1 AGH 10/18 in Höhe von 14,96 Euro festgesetzt. In beiden Verfahren hatte der Senat die Klagen des Klägers abgewiesen und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Beide Urteile sind rechtskräftig. Die Festsetzung erfolgte auf der Grundlage der Kosten für das ICE-Rückfahrticket von Hamm nach Düsseldorf in Höhe von 37,40 Euro. Für die Hinfahrt hat die Rechtspflegerin ebenfalls diesen Betrag angesetzt, weil die Beklagte, deren Sitzungsvertreter von Köln aus angereist war, nicht die Kosten für die Anreise von einem anderen Ort als dem Sitz der Behörde verlangen könne. Da die Beklagte insgesamt fünf Termine wahrgenommen habe, seien die Fahrtkosten anteilig zu berücksichtigen.
9Die Reisekosten von 14,96 Euro (Zugfahrten) wurden auf der Grundlage der §§ 162 VwGO, 91 Abs. 1 S. 2; 5 Abs. 1 und 5 JVEG i.V.m. § 112c Abs. 1 VwGO zutreffend festgesetzt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das JVEG sehr wohl anwendbar. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass Kosten für Zeitaufwand von Behördenmitarbeitern im Rahmen der Bearbeitung eines Klageverfahrens als „steuerfinanzierte Vorhaltekosten“ nicht ansatzfähig seien (BVerwG NVwZ 2005, 466, 467) ist nicht auf Fahrtkosten der Behördenmitarbeiter anwendbar, jedenfalls dann nicht, wenn sie die Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu individuellen Gerichtsterminen antreten. Hierbei handelt es sich nicht um steuerfinanzierte Vorhaltekosten (bzw. im vorliegenden Fall: beitragsfinanzierte Vorhaltekosten). Solche wären allenfalls dann anzunehmen, wenn etwa die Behörde ohnehin einen regelmäßigen Fahrdienst zu der Gerichtsstelle unterhalten würde. In einem solchen Fall könnte eine gewisse Parallele zum Zeitaufwand von Behördenmitarbeitern im Sinne der o.g. Rechtsprechung bestehen. Dem ist hier aber nicht so. In Anwendung von § 5 Abs. 5 JVEG hat die Rechtspflegerin zu Recht nicht die höhere Fahrtkosten von Köln nach Hamm für die Hinfahrt angesetzt, sondern nur die Kosten, die bei einer Anfahrt aus Düsseldorf entstanden wären. Dass sie diese entsprechend der Kosten für die Rückfahrt von Hamm nach Düsseldorf bemessen hat, begegnet keinen Bedenken, da keine Umstände erkennbar sind, dass hier preisliche Abweichungen bestehen könnten. Eine Berechnungsmethode, wie der Kläger sie wünscht, nämlich: tatsächliche Kosten der Anreise von einem anderen Ort als dem Sitz der Behörde abzgl. fiktiver Kosten für die Reise von dem anderen Ort zum Sitz der Behörde, findet im Gesetz keine Grundlage. Vielmehr geht die Systematik von § 5 Abs. 1 und 5 JVEG von der Erstattung tatsächlicher Kosten mit der Möglichkeit der Erstattung tatsächlicher Mehrkosten bei Anreise von einem anderen Ort aus (welche hier aber gerade nicht angesetzt wurden). Auch die Zugrundelegung von Fahrtkosten eines ICE begegnet keinen Bedenken (vgl. Schneider JVEG, 3. Aufl., § 5 Rdn. 22).
10II.
11Die statthafte und zulässige (vgl. oben I.) Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.10.2020 ist ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
12Der Beschluss ist nicht bereits wegen einer Verletzung rechtlichen Gehörs aufzuheben, da sich die Rechtspflegerin – zuletzt auch in ihrer Nichtabhilfeentscheidung – mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt hat. Es stellt im Übrigen keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar, wen sich das Gericht nicht mit jeder Einzelheit des Vortrags eines Beteiligten in seinen Entscheidungsgründen auseinandersetzt.
13Hinsichtlich der – nach dem Abhilfebeschluss vom 27.01.2021 – allein noch festgesetzten 0,10 Euro Taxikosten verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der Rechtspflegerin in diesem Beschluss, welche lauten:
14„Die Beklagte hat gem. § 162 Abs. 1 VwGO, § 91 Abs.1 Satz 2 ZPO, § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG lediglich Anspruch auf Erstattung der gezahlten Taxikosten bis zur Höhe der Fahrtkosten, die bei (fiktiver) Zurücklegung der Strecke mit einem eigenen Kraftfahrzeug gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG erstattungsfähig gewesen wären (vgl. OLG Celle – 4 StE 1/17; LSG Bayern – L 15 SF 42/12 -). Die Entfernung vom Hauptbahnhof Hamm zum Anwalts-gerichtshof NRW/Oberlandesgericht beträgt 2 km. Da das Taxi nur für eine Fahrt in Anspruch genommen wurde, sind die Fahrtkosten nach einer Kilometerpauschale von 0,25 € in Höhe von insgesamt 0,50 € erstat-tungsfähig. Die Beklagte hat neben dieser verwaltungsrechtlichen Anwaltssache am Terminstag vier weitere Termine vor dem Anwalts-gerichtshof NRW wahrgenommen. Auf jede Sache entfallen daher anteilig 0,10 € (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., 2019, § 162, Rn 4).“
15Ergänzend bemerkt der Senat, dass es sich nicht um fiktive Kosten handelt, sondern die tatsächlich entstanden Taxikosten von 8 Euro nur bis zur Höhe der Kosten, die bei fiktiver Zurücklegung der Strecke mit dem eigenen KFZ entstanden werden, erstattungsfähig sind.
16Hinsichtlich der festgesetzten Post- und Telekommunikationspauschale von 20 Euro ergibt sich diese Festsetzung aus § 162 Abs. 2 S. 3 VwGO und Nr. 7002 RVG. Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe auch das beA benutzen können, so dass keine entsprechenden Kosten angefallen wären, trägt nicht. Selbst bei Nutzung des beA wäre der Ansatz der Pauschale zu Recht erfolgt, da auch dann –wenn auch nicht auf den Einzelfall ausrechenbare Telekommunikationskosten angefallen wären (vgl. VG München, Beschl. v. 6.3.2018 – 25 M 17.45954 = BeckRS 2018, 2958).
17III.
18Es war eine Kostengrundentscheidung zu treffen (Kunze a.a.O., § 165 Rdn. 11), welche aus § 155 VwGO i.V.m. § 112c BRAO folgt.
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Referenzen
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- 1 AGH 9/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 164 1x
- VwGO § 165 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- 1 AGH 10/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 155 1x
- Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (4. Strafsenat) - 4 StE 1/17 1x
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- §§ 162 VwGO, 91 Abs. 1 S. 2; 5 Abs. 1 und 5 JVEG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 147 1x
- BRAO § 112c Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung 1x
- VwGO § 151 1x