Beschluss vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V B 65/09

Gründe

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I. Der Senat ist durch das Ableben des gesetzlichen Vertreters der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) während des Beschwerdeverfahrens nicht an einer Entscheidung über die Beschwerde gehindert. Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 241 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist nicht eingetreten, weil die Klägerin durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird und weder dieser noch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine Aussetzung des Verfahrens beantragt haben (§ 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1  1. Halbsatz ZPO).

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO sind entweder nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt oder liegen nicht vor.

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Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder

3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

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Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

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1. Die Klägerin hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) nicht hinreichend dargelegt. Hierzu ist erforderlich, dass tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2010 IV B 136/08, BFH/NV 2010, 918, und vom 8. Mai 2009 IV B 55/08, BFH/NV 2009, 1432, m.w.N.).

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Zum Vorliegen einer Divergenz hat die Klägerin ausgeführt, das angefochtene Urteil des FG setze sich "in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH" und dabei auf die Urteile vom 24. Januar 2008 V R 12/05 (BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60) und vom 9. Dezember 1993 V R 38/91 (BFHE 173, 454, BStBl II 1994, 585) verwiesen.

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a) Nach dem BFH-Urteil in BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60 sind --unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25. Februar 1999 C-349/96, CPP (Slg. 1999, I-973)-- für die Annahme einer einheitlichen Leistung im Wesentlichen folgende Grundsätze maßgeblich: Jede Dienstleistung ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; andererseits darf aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespalten werden. Nach dem Wesen des fraglichen Umsatzes ist zu ermitteln und festzustellen, ob eine einheitliche Leistung oder mehrere Leistungen vorliegen; eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat.

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In ihrer Begründungsschrift vom 10. August 2009 stellt die Klägerin keinen abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des FG heraus, der dazu in Widerspruch stehen könnte. Das FG nimmt auf Seite 11 der Urteilsgründe ausdrücklich auf die angeführte Rechtsprechung Bezug und kommt unter Anwendung dieser Rechtsprechung zu der Überzeugung, dass die Klägerin mit der Herrichtung und Gewährleistung des laufenden Betriebs eines Asylbewerberheims eine wirtschaftlich einheitliche Leistung erbracht hat. Soweit die Klägerin dagegen vorbringt, eine Aufteilung der erbrachten Leistungen führe nicht zu einer künstlichen Aufspaltung einer wirtschaftlichen Leistung, wendet sie sich gegen die tatsächliche Würdigung durch das FG. Der BFH ist jedoch an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, wenn --wie hier-- in Bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO). Zu den der Bindung unterliegenden Feststellungen gehören auch die Schlussfolgerungen tatsächlicher Art. Die Bindung entfällt nur dann, wenn die Folgerungen mit den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen unvereinbar sind. Die Gesamtwürdigung durch das FG bindet das Revisionsgericht selbst dann, wenn sie nicht zwingend ist, sie muss nur möglich sein (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1998 V R 54/97, BFHE 185, 351, BStBl II 1998, 466, m.w.N.). Bei Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs ist die Annahme des FG, die Leistungen der Klägerin stellten eine einheitliche wirtschaftliche Leistung dar, nicht zu beanstanden.

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b) Die Klägerin hat auch keine Divergenz zum BFH-Urteil in BFHE 173, 454, BStBl II 1994, 585 dargelegt. Diesem Urteil lässt sich zwar der abstrakte Rechtssatz entnehmen, dass das Entgelt auf die steuerfreie Grundstücksvermietung und die übrigen steuerpflichtigen Leistungen --erforderlichenfalls durch Schätzung-- aufzuteilen ist, wenn der Vermieter neben steuerfreien Vermietungsleistungen noch steuerpflichtige Leistungen erbringt und keine dieser Leistungen gegenüber der anderen zurücktritt. Die Klägerin hat aber keinen abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des FG herausgestellt, der dazu in Widerspruch stehen könnte. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, einzelne Passagen aus den Entscheidungsgründen zu zitieren und zu kritisieren. Damit macht sie eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG geltend und rügt die inhaltliche Unrichtigkeit des Urteils des FG, womit die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Juni 2003 IX B 29/03, BFH/NV 2003, 1212, m.w.N.).

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Abgesehen davon ist das angeführte BFH-Urteil, soweit es um die Aufteilung des Entgelts für steuerpflichtige und steuerfreie Leistungen geht, seit dem BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 V R 97/98 (BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658, unter II.1.) überholt, und auf eine überholte Entscheidung kann eine Revisionszulassung wegen Divergenz nicht gestützt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juli 2003 II B 98/02, BFH/NV 2003, 1592). Das BFH-Urteil in BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 betrifft nicht nur Sportstätten, sondern gilt allgemein für die Beurteilung einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Danach ist entscheidend, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, und wenn dies zutrifft, ob die Vermietungsteilleistung prägend ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter 2.a).

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2. Die Rüge, das FG habe nicht festgestellt, dass die Klägerin sonstige Leistungen von so erheblichem Gewicht erbracht habe, dass daneben die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung keine eigenständige Bedeutung mehr gehabt hätte, führt nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, § 76 FGO).

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a) Nach den Feststellungen des FG (Seite 12) erbrachte die Klägerin eine Vielzahl von einzelnen Leistungselementen, nämlich die Bereitstellung, Unterhaltung, Reinigung und Bewachung der Unterkunft, das Zurverfügungstellen von Mobiliar, Waschmaschinen und Wäschebedarf sowie die Leitung des Heims und die Betreuung der untergebrachten Asylbewerber.

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b) Aufgrund einer Würdigung dieser Tatsachen ist das FG zu der Überzeugung gelangt, dass die Nutzungsüberlassung des Kasernengebäudes für die wirtschaftliche Gesamtleistung nicht prägend war. Die wirtschaftliche Funktion des den Leistungen zugrunde liegenden Vertrags habe vielmehr in der Erbringung einer Dienstleistung eigener Art bestanden, nämlich ein Asylbewerberheim herzurichten und dessen laufenden Betrieb zu gewährleisten. Diese Würdigung ist möglich und verstößt --entgegen der Ansicht der Klägerin-- weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze und bindet den Senat daher (§ 118 Abs. 2 FGO).

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3. Soweit die Klägerin die Annahme des FG beanstandet, ihre Leistungen erfüllten nicht die Merkmale einer Vermietung i.S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG, rügt sie die Rechtsauffassung des FG und macht geltend, dessen Urteil sei unrichtig. Selbst wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler unterlaufen sein sollten, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision (vgl. BFH-Beschluss vom 28. März 2007 V B 210/05, BFH/NV 2007, 1720, unter II.2.d, m.w.N.).

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4. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der nach Ablauf der Begründungsfrist am 10. September 2009 eingereichte Schriftsatz, mit der die Klägerin die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt, eine zulässige Beschwerdebegründung enthält. Dieser kann nicht mehr berücksichtigt werden, weil nach Ablauf der Beschwerdefrist nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen von rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründen zulässig sind. Fehlt dagegen --wie im Streitfall-- am Ende der Begründungsfrist eine den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechende Darlegung eines Zulassungsgrundes, kann sie nach Fristablauf nicht mehr nachgeholt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2001 X B 63/01, BFH/NV 2002, 504, unter 2., m.w.N.). Entgegen dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 2. August 2010 ist das Urteil des FG am 8. Mai 2009 wirksam zugestellt worden. Ausweislich der Zustellungsurkunde hat der Zusteller das Schriftstück, weil dessen Übergabe in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war, in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt. Die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde, die gemäß § 418 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründet. Dies ist im Streitfall eine nach § 180 ZPO erfolgte Ersatzzustellung. Dem steht eine fehlende Kennzeichnung des Briefumschlags, aus der sich der Inhalt des Umschlags ergibt, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen (vgl. § 182 ZPO).

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