Beschluss vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV S 12/11 (PKH)

Tatbestand

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I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) war persönlich haftender Gesellschafter der S KG (KG). Am 4. August 1994 reichte die KG ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer 1993 und am 27. Juni 1995 für die Einkommensteuer 1994 ein. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) erließ daraufhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheide vom 15. Februar und 3. Juli 1995, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1993 auf -324.696 DM und für 1994 auf -19.018 DM festgestellt wurden.

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Erst am 24. November 1995 reichte die KG beim FA eine Eröffnungsbilanz auf den 7. Mai 1993 ein, in der bei der Bewertung des Anlagevermögens die Grundsätze des Gesetzes über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung --D-Markbilanzgesetz-- (DMBilG) zugrunde gelegt worden waren. Gleiches galt mit Blick auf dort angesetzte Gebäude für die zur Eröffnungsbilanz eingereichte Sonderbilanz für den Kläger auf den 7. Mai 1993.

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Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass für die Bewertung angekaufter Maschinen, Anlagen, Ausrüstungen und Warenbestände statt des vom Kläger berücksichtigten Zeitwerts nach § 7 DMBilG nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Kaufpreis von 2.486.546,10 DM brutto maßgeblich sei. Entsprechend ermittelte der Prüfer aufgrund der ins Verhältnis gesetzten Werte in der Eröffnungsbilanz der KG nach Maßgabe der Beträge in der Bilanz der KG zum 31. Dezember 1993 modifizierte Eröffnungsbilanzwerte für die aktivierten Maschinen und Anlagen und die Betriebs- und Geschäftsausstattung und korrigierte auch den für die Gebäude in der Sonderbilanz des Klägers ausgewiesenen Wert. Die Gewinnauswirkungen in der KG-Bilanz zum 31. Dezember 1993 betrugen danach 451.632 DM, in derjenigen zum 31. Dezember 1994 -18.146 DM. Die Gewinnauswirkungen in der Sonderbilanz des Klägers zum 31. Dezember 1993 betrugen 453.774,76 DM, in derjenigen zum 31. Dezember 1994  40.684 DM.

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Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung korrigierte das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit geänderten Feststellungsbescheiden vom 5. Februar 1997 auf 516.386 DM für 1993 und 42.937 DM für 1994.

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Die von der KG dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit an den Kläger als Liquidator der KG bekanntgegebener Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2005 als unbegründet zurück.

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Auch die dagegen vor dem Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern erhobene Klage blieb erfolglos. Das FG führte in seinem Urteil vom 12. Oktober 2011  1 K 435/09 (nicht veröffentlicht) aus, das FA habe einerseits die von der KG und andererseits die in der Sonderbilanz des Klägers bilanzierten Wirtschaftsgüter zu Recht mit den Anschaffungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG bewertet, weil insoweit die Vorschriften des DMBilG nicht anwendbar seien. Die KG sei nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 DMBilG zur Aufstellung einer DM-Eröffnungsbilanz verpflichtet gewesen und es bestehe nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 DMBilG für sie auch kein Wahlrecht zur Erstellung einer solchen Bilanz zu einem Zeitpunkt nach dem 1. Juli 1990. Da auch § 55 DMBilG nicht einschlägig sei, komme eine Berichtigung der vom FA angesetzten Wertansätze nicht in Betracht; zu den Anschaffungskosten gehörten auch keine noch nicht verwirkten Vertragsstrafen bzw. Ankaufsrechte. Einen abweichend vereinbarten und gezahlten Kaufpreis an die Treuhandanstalt habe der Kläger nicht nachgewiesen.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG will sich der Kläger mit einer Beschwerde wenden und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag auf Gewährung von PKH hat keinen Erfolg.

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1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. März 2008 II S 24/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1176).

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2. Wird PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird --wie hier-- nicht zugleich innerhalb der Rechtsmittelfrist durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person oder Gesellschaft (vgl. § 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO) Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, dass dem Antragsteller wegen unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist alle erforderlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag schafft. Insbesondere muss er das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel --in zumindest laienhafter Weise-- darstellen (vgl. § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 ZPO; ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 2009 II S 21/09 (PKH), BFH/NV 2010, 455).

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3. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weder aus seinem Vorbringen noch aus der Vorentscheidung oder dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass einer der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision vorliegen könnte.

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a) Soweit der Kläger geltend macht, das FG-Urteil sei mehrfach mit Rechtsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar und stelle für ihn eine nicht erfüllbare und hinnehmbare Belastung dar, ist bereits nicht erkennbar, worin genau ein etwaiger Rechtsverstoß des FG liegen soll. Hinzu kommt, dass mit dem vorgenannten Einwand --ebenso wie mit den Ausführungen zur Anwendbarkeit und Reichweite der Vorschriften des DMBilG-- lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler, gerügt werden. Damit kann aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Januar 2007 VI B 98/06, BFH/NV 2007, 949; vom 15. April 2008 IX B 154/07, BFH/NV 2008, 1340). Nichts anderes gilt, soweit der Kläger unter umfangreicher Erläuterung des Sachverhalts schildert, dass für ihn die nach den Vorschriften des DMBilG mögliche Wertabschreibung des Anlagevermögens mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens zwingende Voraussetzung für die erforderliche Finanzierung gewesen sei. Private Motive des Steuerpflichtigen sind für die Rechtsanwendung irrelevant.

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b) Soweit der Kläger ausführt, das FA und diesem in seinem Urteil folgend auch das FG hätten mit "kriminellen Methoden Steuerverpflichtungen konstruiert", fehlt es bereits an der Darlegung, worin eine sachfremde oder willkürliche Rechtsanwendung liegen sollte. Zwar ist die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Voraussetzung hierfür ist aber die Darlegung, dass die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft sei, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könne (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 28. August 2007 VII B 357/06, BFH/NV 2008, 113, m.w.N.). Im Streitfall ist eine sachfremde oder willkürliche Rechtsanwendung nicht erkennbar. Das FG hat lediglich die Frage untersucht, ob in der Eröffnungsbilanz der KG und der Sonderbilanz des Klägers für bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auf den 7. Mai 1993 Zeitwerte nach § 7 DMBilG oder aber Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG anzusetzen sind. Diese Rechtsfrage hat es nach dem Gesetz beantwortet. Sachfremde Erwägungen, welche in diese Prüfung eingeflossen sein könnten, sind nicht erkennbar.

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c) Soweit der Kläger sinngemäß rügt, das FG habe unter Verletzung der §§ 251 ff. sowie 285 des Handelsgesetzbuchs (HGB) einerseits Vertragsstrafen bei Nichterfüllung von Arbeitsplatzgarantien und Investitionsverpflichtungen und andererseits ein Ankaufsrecht der Treuhandanstalt bei Verletzung bestimmter weiterer Vertragspflichten nicht bei der Ermittlung der Anschaffungskosten berücksichtigt, ist ein Rechtsanwendungsfehler des FG, der zur Zulassung der Revision führen könnte, ebenso wenig erkennbar. Die insoweit vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nach der zutreffenden Ermittlung von Anschaffungskosten ist bereits nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO klärungsbedürftig, weil sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat und die Rechtslage insoweit eindeutig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2009 VIII B 184/08, BFHE 224, 458, BStBl II 2009, 850). Das FG hat in seinem Urteil zu Recht ausgeführt, dass erst die Nichterfüllung einer eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zum Entstehen einer Vertragsstrafe und damit einer Verbindlichkeit des Klägers führen konnte. Auch eine Rückstellung für eine dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit kann nur unter der Voraussetzung gebildet werden, dass der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; grundlegend BFH-Urteile vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891; vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BFHE 213, 364, BStBl II 2006, 749). Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht demgegenüber für die Rückstellungsbildung nicht aus (BFH-Urteile vom 30. April 1998 III R 40/95, BFH/NV 1998, 1217; vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFHE 211, 475, BStBl II 2006, 371). Dass es bei der Ermittlung der Anschaffungskosten auf die Einschätzung einer privaten Versicherung (hier: hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Bewertung von durch Feuer untergegangenen Wirtschaftsgütern) nicht ankommt, sondern die Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom FA bzw. FG schon wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz autonom zu ermitteln sind, ist ebenso eindeutig und damit nicht klärungsbedürftig.

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d) Soweit der Kläger Fehler im Protokoll zur mündlichen Verhandlung rügt, hat er bereits nicht dargelegt, weshalb darin ein Verfahrensmangel liegen sollte, auf dem das Urteil des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen könnte. Dagegen, dass sich der Vertreter des FA lediglich damit einverstanden erklärt hätte, die Anschaffungskosten für Grund und Boden statt für Grund und Boden "und Gebäude" mit 1.073.868 DM bei der Gewinnermittlung in der Sonderbilanz des Klägers zu berücksichtigen und die Bescheide entsprechend zu ändern, spricht bereits der Beweiswert des Protokolls der mündlichen Verhandlung. Dort ist auf Seite 4 unten und auf Seite 5 Mitte protokolliert, dass sich die Anschaffungskosten auf "Grund und Boden und Gebäude" beziehen sollten. Der Kläger vermag mit seinem Vortrag den Beweiswert des Protokolls auch nicht zu erschüttern, denn er behauptet nicht, dass eine seinen Einlassungen entsprechende Vereinbarung protokolliert worden sei oder er selbst im Rahmen der Verhandlung auf einer Protokollierung bestanden habe. Der vor dem FG rechtskundig vertretene Kläger hat auch keinen Antrag auf Protokollberichtigung nach § 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO gestellt, nachdem ihm das Urteil der Vorinstanz zugestellt wurde.

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e) Soweit der Kläger geltend macht, das FG sei im Tatbestand seines Urteils zu Unrecht davon ausgegangen, er habe das streitbefangene Grundstück statt von der Treuhandanstalt von Privatpersonen erworben, fehlt es ebenso an der Darlegung eines Verfahrensmangels, auf dem das Urteil des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen könnte. Abgesehen davon, dass eine mögliche fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung nur durch einen fristgebundenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) geltend gemacht werden kann (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2008 V B 173/07, BFH/NV 2008, 1690) bestreitet der Kläger mit seinem Vortrag in der Sache nicht etwa die Existenz eines Kaufvertrages mit den genannten Privatpersonen, sondern macht geltend, es komme auf diesen Vertrag rechtlich nicht an. Dadurch rügt er aber einen Rechtsanwendungsfehler des FG, durch den ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht dargelegt werden kann. Das gilt auch, soweit der Kläger ausführt, das FG habe nur einzelne Passagen des Übertragungsvertrages bei seiner Auslegung berücksichtigt, denn sowohl die Sachverhaltswürdigung als auch die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165).

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4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

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