Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 135/17

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. September 2017 1 K 118/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

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Der auf den 28. Dezember 2012 datierte Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 erhielt vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) den Eingangsstempel des 2. Januar 2013 und wurde mit der Begründung abgelehnt, dass mit Ablauf des 31. Dezember 2012 --einem Montag-- Festsetzungsverjährung eingetreten sei (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO-- i.V.m. § 13 des Investitionszulagengesetzes 2007).

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Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, beim Eingang des Antrags am 2. Januar 2013 sei die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Die Frist habe am 31. Dezember 2012 geendet, der kein Samstag, Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag gewesen sei (§ 108 Abs. 3 AO). Wenn am 31. Dezember in den Finanzämtern oftmals tatsächlich nicht gearbeitet werde, ändere dies nichts daran, dass an diesem Tage Fristen wirksam ablaufen könnten. Unerheblich sei, ob sich am streitgegenständlichen Silvester ein Bediensteter im Dienstgebäude aufgehalten habe.

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Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Fortbildung des Rechts erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Durch § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und § 108 Abs. 3 AO würden Erklärende geschützt, deren Erklärungsfrist nicht wegen der Arbeits- und Behördenruhe am Wochenende verkürzt werden solle. Der 24. und der 31. Dezember seien bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Fristablauf am Sonnabend vom 10. August 1965 (BGBl I 1965, 753) noch reguläre Arbeitstage gewesen. Mittlerweile sei der 31. Dezember jedoch arbeitsfrei (z.B. § 6 der Arbeitszeitverordnung der Beamtinnen und Beamten des Bundes) und kein Bankarbeitstag; er werde in medizinischen Bereitschafts- und Notdienstverordnungen den Regelungen an Feiertagen gleichgestellt. Eine Gleichstellung des 31. Dezember mit einem Feiertag liege auch dem BFH-Urteil vom 3. August 1984 VI R 129/79 (BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809) und dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Juli 2015 V ZR 154/14 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2015, 2666) zugrunde.

Entscheidungsgründe

II.

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Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Revision ist nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen.

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1. Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Juli 2017 XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635, Rz 16). Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschluss vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 35). Dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2017 XI B 25/17, BFH/NV 2017, 1591, Rz 25).

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2. Die Frage, ob der 31. Dezember --Silvester-- bei der Fristberechnung einem Feiertag gleichzustellen ist, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist offensichtlich zu verneinen, wie es das FG getan hat.

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a) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Wortgleiche Regelungen finden sich in § 31 Abs. 3 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), in § 43 Abs. 2 der Strafprozessordnung, in § 64 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und in § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), auf den wiederum in anderen Verfahrensordnungen --z.B. § 54 Abs. 2 FGO, § 57 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung und in § 16 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit-- verwiesen wird. Eine ähnlich formulierte entsprechende Regelung findet sich z.B. in § 193 BGB.

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b) Fristbestimmungen müssen klar überschaubar und leicht handhabbar sein. Die dabei erforderliche Rechtssicherheit darf nicht durch schwer berechenbare und nicht selten erst in einem Rechtsstreit zu klärende Billigkeitserwägungen ersetzt werden, vielmehr muss über die Dauer einer Frist aus Gründen der Rechtssicherheit allgemein Gewissheit bestehen (z.B. BGH-Urteil vom 17. Februar 2005 III ZR 172/04, BGHZ 162, 175; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 12. April 1999  2 ObOWi 145/99, Versicherungsrecht 2000, 1293). Da Silvester kein gesetzlicher Feiertag ist, widerspräche die vom Kläger erstrebte Rechtsfortbildung dem klaren Gesetzeswortlaut. Rechtsprechung und Literatur vertreten soweit ersichtlich einheitlich die Auffassung, dass nur gesetzliche Feiertage den Fristablauf verschieben, nicht aber auch kirchliche, konfessionelle oder religiöse Feiertage, die keine gesetzlichen Feiertage sind, und auch nicht Gedenk- und Trauertage, Brauchtumstage oder lokale Festtage, selbst wenn diese dienst- oder arbeitsfrei sind (z.B. Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 54 FGO Rz 36; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 64 Rz 29).

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Darüber hinaus würde eine Gleichstellung des 31. Dezembers mit gesetzlichen Feiertagen bei Fristberechnungen die Frage aufwerfen, inwieweit sie auf andere Tage zu übertragen ist, die ebenfalls arbeitsfrei sind, ohne gesetzlicher Feiertag zu sein. Dies würde zu weiterer Rechtsunsicherheit führen: Verlängert sich eine am dienstfreien Rosenmontag endende Frist gemäß § 222 Abs. 2 ZPO auf den Ablauf des nächsten Werktages (dagegen BFH-Urteil vom 18. April 1996 V R 25/95, BFHE 180, 512, BStBl II 1996, 578)? Ist die dem § 108 Abs. 3 AO entsprechende Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO auf den Heiligabend entsprechend anwendbar (dagegen Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 9. Februar 1993 Bs VI 4/93, NJW 1993, 1941)?

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Die Gleichstellung des 31. Dezembers mit gesetzlichen Feiertagen i.S. des § 108 Abs. 3 AO könnte auch dazu führen, dass gleichlautende Regelungen verschiedener Rechtsgebiete unterschiedlich ausgelegt werden; dies widerspräche ebenfalls der erforderlichen Rechtssicherheit.

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3. Das FG-Urteil widerspricht nicht dem vom Kläger zur Begründung der Beschwerde herangezogenen BFH-Urteil in BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809 und dem BGH-Urteil in NJW 2015, 2666; die Revision ist daher auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

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a) Das BFH-Urteil in BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809 betraf keine Fristenberechnung, sondern Lohnzuschläge für Feiertagsarbeit (§ 34a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1971). Es beruht auf der Erwägung, dass "Feiertagsarbeit" in § 34a Abs. 2 EStG 1971 sich nur auf Arbeit an gesetzlichen Feiertagen bezieht, wegen des Fehlens der Einschränkung "gesetzlich" aber für die Fälle des § 34a Abs. 1 EStG 1971 primär dem jeweiligen Tarifvertrag zu entnehmen sei, wann "Feiertagsarbeit" vorliegt; dies könne auch am 24. Dezember ab 16 Uhr und am 31. Dezember ab 21 Uhr zutreffen.

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b) Das BGH-Urteil in NJW 2015, 2666 betraf ebenfalls keine Fristenberechnung, sondern die Vorwirkung "demnächstiger" Zustellung der Klageschrift; eine vorwerfbare (!) Verzögerung von mehr als 14 Tagen wurde verneint, weil die Einzahlung des Kostenvorschusses an Wochenend- und Feiertagen sowie am Heiligabend und Silvester nicht erwartet werden könne.

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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.

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