Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Zivilsenat) - III ZR 102/12

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin gegen die Kostenrechnung der Rechnungsstelle des Bundesgerichtshofs vom 4. September 2013 - Kassenzeichen 780013135239 - wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin macht gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend. Das Oberlandesgericht hat die Klage in einem ersten Berufungsverfahren dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Senat hat nach einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Union das Berufungsurteil mit seinem Urteil vom 4. Juni 2009 (III ZR 144/05, BGHZ 181, 199) aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, zurückverwiesen. Mit seinem zweiten Urteil hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich derjenigen des vorangegangenen Revisionsverfahrens, auferlegt. Daraufhin hat die Rechnungsstelle des Bundesgerichtshofs der Klägerin gemäß § 29 Nr. 1 GKG eine Kostenrechnung für dieses Verfahren erteilt, die auch beglichen wurde.

2

Gegen das zweite Berufungsurteil hat die Klägerin eine vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Der Senat hat durch sein zweites Urteil vom 12. Dezember 2013 (III ZR 102/12, juris) die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache abermals zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an die Vorinstanz zurückverwiesen.

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Die Rechnungsstelle des Bundesgerichtshofs hat die Klägerin als Antragstellerin gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG zu den Kosten für das zweite Revisionsverfahren herangezogen und die mit der vorliegenden Erinnerung angegriffene Kostenrechnung erstellt.

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Die Klägerin ist der Ansicht, ihre Belastung mit den Kosten beider Revisionsverfahren und die Kostenbefreiung der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in den freien Warenverkehr und in das daraus folgende Recht auf Schadensersatz dar. Dieser Eingriff sei offenkundig nicht durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die nationalen Vorschriften des Gerichtskostengesetzes dürften wegen des Vorrangs des Unionsrechts im vorliegenden Fall nicht angewendet werden.

II.

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Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung ist unbegründet.

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1. Die Klägerin schuldet gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG als Revisionsklägerin die mit der angegriffenen Kostenrechnung angesetzten Gerichtskosten für das zweite Revisionsverfahren. Dass sie zuvor bereits für die Kosten des ersten Revisionsverfahrens gemäß § 29 Nr. 1 GKG als diejenige Partei, der diese durch das zweite Berufungsurteil auferlegt wurden, herangezogen wurde, ändert hieran nichts, da es sich um kostenrechtlich zwei getrennte Rechtsmittelverfahren handelte. Diese nach den nationalen Bestimmungen bestehende Rechtslage zieht die Klägerin auch nicht in Zweifel.

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2. Entgegen der Ansicht der Klägerin steht die Rechtslage nicht in Widerspruch zum Recht der Europäischen Union mit der Folge, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG vorliegend unanwendbar wäre. Nach ständiger Rechtsprechung ist es mangels einer europarechtlichen Regelung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs Sache der nationalen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Daher hat der Staat die Folgen des entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), und nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie es praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die Entschädigung zu erlangen (Grundsatz der Effektivität) (z.B. EuGH, Urteil vom 24. März 2009 - Danske Slagterier - Slg. I-2168 = NVwZ 2009, 771 Rn. 31; Senatsurteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 39 jew. mwN).

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Zu dem der Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten überlassenen Verfahren gehört auch die Regelung der Gerichtskosten. Die von der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang beanstandeten Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes gelten für Amtshaftungsklagen auf der (nationalen) Grundlage von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ebenfalls, so dass der Grundsatz der Gleichwertigkeit gewahrt ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin wird durch die Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 und § 29 Nr. 1 GKG auf die beiden Revisionsverfahren auch nicht die Effektivität des geltend gemachten unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs beeinträchtigt.

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a) Dass die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von den Gerichtskosten befreit ist, schränkt die Effektivität des Anspruchs nicht ein.

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Die Bestimmung beruht darauf, dass Bund und Länder als Träger der Justizhoheit den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der Gerichtsorganisation zu tragen haben (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 108/76, VersR 1982, 145). Hätte die Beklagte Gerichtskosten für das Revisionsverfahren zu entrichten, würde dies lediglich zu einer Zahlung innerhalb des Bundeshaushalts führen. Für die Kostenbefreiung besteht damit ein sachlicher Grund.

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Überdies hat sich die Befreiung der Beklagten von den Gerichtskosten im vorliegenden Verfahren im Ergebnis nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt, da sie auch ohne das Fiskusprivileg mit den Kosten beider Revisionsverfahren belastet worden wäre. Zwar hätte die Beklagte ohne § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG im ersten Revisionsverfahren zunächst gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG die Gerichtsgebühren und -auslagen geschuldet. Aufgrund der Kostenentscheidung im zweiten Berufungsurteil war die Klägerin gemäß § 29 Nr. 1 GKG jedoch weitere Kostenschuldnerin. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG ist derjenige, dem die Kosten gemäß § 29 Nr. 1 GKG auferlegt sind, Erstschuldner, der gegenüber anderen Kostenschuldnern vorrangig heranzuziehen ist, insbesondere auch gegenüber demjenigen, der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG haftet. Das bedeutet, dass die Klägerin aufgrund der Kostengrundentscheidung im zweiten Berufungsurteil auch ohne Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Rechnungsstelle des Bundesgerichtshofs für die Gerichtskosten des ersten Revisionsverfahrens herangezogen worden wäre. Falls die Beklagte aufgrund ihrer - unterstellten - Kostenhaftung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG diese Kosten bereits zuvor beglichen hätte, hätte sie gegen die Klägerin einen Erstattungsanspruch nach § 91 Abs. 1 ZPO gehabt.

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Für das von ihr betriebene zweite Revisionsverfahren ist unabhängig von § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG bislang allein die Klägerin Kostenschuldnerin (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG). Eine Entscheidung nach § 29 Nr. 1 GKG ist noch nicht ergangen.

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b) Auch der Umstand, dass die Klägerin (vorläufig, siehe sogleich) für die Kosten beider Revisionsverfahren haftet, bedeutet nicht, dass die Durchsetzung ihres etwaigen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs übermäßig erschwert wird. Da in dem Rechtsstreit um diesen Anspruch die Revisionsinstanz zweimal in Anspruch genommen wurde, ist es nur folgerichtig, dass für die staatliche Leistung auch zweimal Gebühren anfallen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass, soweit die Kostenlast die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei überfordert, unter den weiteren Voraussetzungen von § 114 und gegebenenfalls § 116 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt wird, mit der Folge, dass die Bundes- oder Landeskasse die Gerichtskosten nicht mehr oder nur in Raten geltend machen kann. Darüber hinaus kann nach § 59 Abs. 1 BHO in Härtefällen von der Einziehung der Kosten vorübergehend oder endgültig abgesehen werden.

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Weiterhin ist anzumerken, dass die Pflicht der Klägerin, derzeit die Kosten beider Revisionsverfahren zu tragen, nicht die endgültige Belastung hiermit bedeutet. Wenn und soweit die Klägerin obsiegt und ihrem Gegner die Kosten (auch) der Revisionsrechtszüge auferlegt werden, hat sie einen Rückzahlungsanspruch gegen die Gerichtskasse gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 GKG (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2002 - VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1324; KG, NZBau 2013, 643 f; OLG Brandenburg, OLGR 2008, 762, 763).

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Der weitere Hinweis der Klägerin, sie habe "ihrem Schädiger" bereits Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe mehrerer Millionen Euro gezahlt, ist eine reine Billigkeitserwägung, die rechtlich ohne Substanz bleibt und zudem auf der Prämisse beruht, dass ihr Schadensersatzanspruch begründet ist. Dies steht jedoch im vorliegenden Verfahrensstadium noch nicht fest.

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3. Die Heranziehung der Klägerin zu den Kosten beider Revisionsverfahren und das Fiskusprivileg des § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG stellen, anders als die Klägerin geltend macht, aus den vorstehenden Gründen auch keine unverhältnismäßige und damit unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs (Art. 28 ff AEUV) dar. Durch die Erhebung von Gerichtskosten für Staatshaftungsklagen wegen der Verletzung dieser Grundfreiheit ist deren Schutzbereich selbst nicht betroffen.

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4. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entbehrlich. Es steht mit der nach den Maßstäben der acte-clair-Doktrin erforderlichen Gewissheit (vgl. z.B.: EuGH, Urteile 15. September 2005 - C-495/03 - Intermodal Transports, Slg. 2005, I-8191 Rn. 33 und vom 6. Oktober 1982 - 283/81 - CILFIT, Slg. 1982, 3415 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34) fest, dass der Vorrang des Unionsrechts nicht gebietet, von der Erhebung der mit der angegriffenen Rechnung festgesetzten Kosten abzusehen. Dass sich das gerichtliche Verfahren zur Geltendmachung eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs grundsätzlich nach den nationalen Vorschriften richtet, entspricht der oben mit einem Beispiel zitierten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Die Wahrung der Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität durch die einschlägigen Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes liegt nach den vorstehenden Erwägungen ebenso auf der Hand wie das Fehlen eines mit Art. 28 ff AEUV unvereinbaren Eingriffs in den freien Warenverkehr.

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Die von der Klägerin zum Beleg für ihre Ansicht, der Senat müsse gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einholen, zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 1. September 2008 (6 W 73/08, juris) ist nicht einschlägig. Der Vorlagebeschluss dieses Gerichts bezog sich auf die Fragen, ob es mit Art. 86 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EGV (= Art. 106 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AEUV) vereinbar sei, dass die vom Land Sachsen-Anhalt errichtete Investitionsbank von Gerichtskosten befreit sei, und gegebenenfalls ob dies nur für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben gelte. Nicht - wie vorliegend - die Vereinbarkeit der Kostenfreiheit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem Unionsrecht als solche stand in Frage, sondern lediglich, ob die Ausdehnung der Kostenfreiheit der Investitionsbank mit Art. 86 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EGV unvereinbare Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Kreditinstituten verschaffe (siehe aaO Rn. 54 f).

Schlick                                  Herrmann                                  Wöstmann

                      Seiters                                           Reiter

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