Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 125/14

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 4. Februar 2014 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Für den unter einer leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung leidenden, gerade volljährig gewordenen Betroffenen hat das Amtsgericht eine Betreuung angeordnet und einen Berufsbetreuer (den Beteiligten zu 2) bestellt.

2

Die vom Amtsgericht im Betreuungsverfahren beteiligten Eltern des Betroffenen hatten sich bereits 2001 getrennt und sind seitdem zerstritten. Die Mutter des Betroffenen, die Beteiligte zu 3, hatte bis zu dessen Volljährigkeit das alleinige Sorgerecht für ihn. Während sie mit der Bestellung des Berufsbetreuers einverstanden ist, hat der Vater des Betroffenen, der Beteiligte zu 1, Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt mit dem Ziel, selbst zum Betreuer bestellt zu werden.

3

Im Beschwerdeverfahren hat sich für die Beteiligte zu 3 ein Rechtsanwalt bestellt, Zurückweisung der Beschwerde des Beteiligten zu 1 beantragt und für die Beteiligte zu 3 um Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nachgesucht. Das Landgericht hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, vgl. BGHZ 184, 323,326 f. = FGPrax 2010, 154 und Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 451/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 5 mwN) und es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe geht (Senatsbeschluss vom 8. Mai 2013 - XII ZB 282/12 - FamRZ 2013, 1390 Rn. 7); sie ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg.

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1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

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Der Beteiligten zu 3 könne keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, weil sie im Beschwerdeverfahren keine Verbesserung einer eigenen Rechtsposition begehre, sondern die Veränderung der Rechtsposition des Betroffenen verhindern wolle. Verfahrenskostenhilfe solle einem Bedürftigen lediglich ermöglichen, seine Rechte ebenso gut wahrnehmen zu können wie ein ausreichend Bemittelter. Eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf Beteiligte nach § 274 Abs. 4 FamFG, die sich aus altruistischen Motiven zugunsten des Betroffenen am Verfahren beteiligten, sei nicht geboten. Vielmehr könne der Betroffene zur Wahrung seiner Rechte selbst Verfahrenskostenhilfe erhalten; bei Bedarf sei ihm ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Fremdnützige Verfahrens- und Prozesskostenhilfe sei dem deutschen Prozessrecht wesensfremd.

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2. Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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a) Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, kann Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO nur der bedürftige Beteiligte erhalten, der eigene Rechte geltend zu machen beabsichtigt. Für eine rein fremdnützige Verfahrensbeteiligung ist die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe hingegen nicht möglich.

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aa) § 76 Abs. 1 FamFG ordnet an, dass auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die §§ 114 ff. ZPO entsprechend anwendbar sind. Der demnach einschlägige § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO sieht vor, dass einer Prozesspartei, die die Kosten der Prozessführung selbst nicht oder nicht vollständig aufbringen kann, bei Vorliegen weiterer Tatbestandsvoraussetzungen Prozesskostenhilfe zur Rechtsverfolgung oder zur Rechtsverteidigung gewährt werden kann.

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Eine Verfahrensbeteiligung, die dieser gesetzlichen Vorgabe entspricht, ist aber nur zur Durchsetzung eigener Rechtspositionen denkbar. Dies bedurfte in § 114 ZPO keiner ausdrücklichen Klarstellung, weil es sich für die Partei des Zivilprozesses aus der Natur der Sache ergibt. Indem § 76 Abs. 1 FamFG auf diese Vorschrift verweist, ordnet er auch für das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine entsprechende Begrenzung der Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe zu erhalten, an.

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Erfolgt die Verfahrensbeteiligung nicht, um eigene Rechte zu verfolgen oder zu verteidigen, mithin lediglich begleitend und damit fremdnützig, kommt Verfahrenskostenhilfe daher nicht in Betracht (Bassenge/Roth/Gottwald FamFG/RPflG 12. Aufl. § 76 FamFG Rn. 14; Horndasch/Viefhues/Götsche FamFG 3. Aufl. § 76 Rn. 13; Jurgeleit/Bučić Betreuungsrecht 3. Aufl. § 307 FamFG Rn. 22; Prütting/Helms/Stößer FamFG 3. Aufl. § 76 Rn. 10; Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 76 FamFG Rn. 12; vgl. auch Holzer/Netzer FamFG § 76 Rn. 4; Schulte-Bunert/Weinreich/Keske FamFG 4. Aufl. § 76 Rn. 4). Sie kann dann vielmehr nur dem Beteiligten gewährt werden, der unterstützt werden soll, um dessen Recht es also geht. Dem entspricht spiegelbildlich, dass nach der Rechtsprechung des Senats bei einer Verfahrensführung durch den Anwaltsbetreuer für den Betreuten oder durch den Vormund für das Mündel dem Betreuten bzw. Mündel als dem in seinen Rechten Betroffenen Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2011 - XII ZB 323/10 - FamRZ 2011, 633 Rn. 11 ff. und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381 ff.).

12

bb) Daraus, dass in Verfahren vor dem Betreuungsgericht gemäß § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG auch nahe Angehörige und Vertrauenspersonen des Betroffenen in dessen Interesse beteiligt werden können, folgt nichts anderes.

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(1) Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift beschrieben, wer in Betreuungsverfahren als Beteiligter nach § 7 Abs. 3 Satz 1 FamFG von Amts wegen oder auf seinen Antrag hinzugezogen werden kann. § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG konkretisiert zwar den Kreis der Personen, die im Betreuungsverfahren trotz Fehlens einer eigenen Rechtsbetroffenheit beteiligt werden können, weil sie etwa als Angehörige ein schützenswertes ideelles Interesse haben (vgl.BT-Drucks. 16/6308 S. 265), und trägt so - wie § 1897 Abs. 5 BGB als materiell-rechtliche Norm im Zusammenhang mit der Betreuerauswahl - Art. 6 GG Rechnung (Keidel/Busse FamFG 18. Aufl. § 274 Rn. 15; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1897 Rn. 31). Die Kann-Beteiligung von Verwandten und Vertrauenspersonen des Betroffenen zielt aber nicht darauf ab, diesen Beteiligten im Betreuungsverfahren die Wahrnehmung eigener materiell-rechtlicher Rechtspositionen zu ermöglichen. Vielmehr erfolgt sie im Interesse des Betroffenen, zu dessen Wohl sie eine umfassende Sachaufklärung sowie die Berücksichtigung seiner verwandtschaftlichen und sonstigen besonderen Näheverhältnisse verfahrensrechtlich sicherstellen soll (vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 274 Rn. 15). Sie ist altruistisch angelegt, um zu vermeiden, dass etwa Verwandte ohne ein Betroffensein in eigenen Rechten auch dann Einfluss auf das Verfahren nehmen können, wenn dies den Interessen des Betroffenen zuwiderläuft (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 265).

14

(2) Die Möglichkeit, trotz Fehlens eigener Rechtsbetroffenheit den Beteiligtenstatus zu erlangen, hat nicht zur Folge, dass ein dergestalt Beteiligter Verfahrenskostenhilfe erlangen können muss. Deren Bewilligung kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Beteiligte zwecks Verbesserung oder Verteidigung seiner eigenen Rechtsposition Verfahrenskostenhilfe erhalten möchte. Denn eine über § 114 ZPO hinausreichende Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf Personen, die sich lediglich mit fremdnützigen Zielen am Verfahren beteiligen, hat der Gesetzgeber - auch mit Blick auf den gemäß § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsgrundsatz - gerade nicht für geboten erachtet (BT-Drucks. 16/6308 S. 213; Bassenge/Roth/Gottwald FamFG/RPflG 12. Aufl. § 76 FamFG Rn. 14; Horndasch/Viefhues/Götsche FamFG 3. Aufl. § 76 Rn. 13; Johannsen/Henrich/Markwardt Familienrecht 5. Aufl. § 76 Rn. 4; Jurgeleit/Bučić Betreuungsrecht 3. Aufl. § 307 FamFG Rn. 22; Götsche FamRZ 2009, 383, 384; Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 76 FamFG Rn. 13 f.; im Grundsatz wohl ebenso Keidel/Zimmermann FamFG 18. Aufl. § 76 Rn. 7; MünchKomm FamFG/Viefhues 2. Aufl. § 76 Rn. 8).

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cc) Der Ausschluss Beteiligter, die sich allein mit fremdnützigen Zielen am Verfahren beteiligen, von der Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe zu erhalten, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

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Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes (BVerfG NJW 2014, 1291; 1991, 413; Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 26). Prozess- und Verfahrenskostenhilfe sollen verhindern, dass Bedürftige aus wirtschaftlichen Gründen gehindert sind, ihr Recht vor Gericht zu suchen (Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. Vor § 114 ZPO Rn. 1 mwN), und stellen eine spezialgesetzlich geregelte Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar (Senatsbeschlüsse vom 30. September 2009 - XII ZB 135/07 - FamRZ 2009, 1994 Rn. 9 und vom 26. Januar 2005 - XII ZB 234/03 - FamRZ 2005, 605).

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Durch die Gewährung von Prozess- und Verfahrenskostenhilfe soll mithin vermieden werden, dass ein wirtschaftlich Bedürftiger nur deshalb einen Rechtsverlust erleidet, weil er die für eine Verfahrensbeteiligung erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann. Sie dient hingegen nicht dazu, dem Unbemittelten Verfahrensbeteiligungen jedweder Art und damit auch solche ohne Verfolgung oder Verteidigung eigener Rechte zu ermöglichen, die sich ein Bemittelter aus rein fremdnützigen Motiven leisten will und kann. Mangels Beeinträchtigung der Rechtsposition des bedürftigen Beteiligten trifft den Staat insoweit von Verfassungs wegen keine Fürsorgeverpflichtung.

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b) Mit Recht hat das Landgericht die Beteiligung der Mutter des Betroffenen am Beschwerdeverfahren als eine solche eingestuft, die nicht der Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte dient, sondern ausschließlich im Interesse des Betroffenen erfolgt, und ihr daher Verfahrenskostenhilfe versagt. Denn die Beteiligte zu 3 macht nicht geltend, sie selbst müsse als Betreuerin bestellt werden. Vielmehr verfolgt sie mit ihrer Beteiligung im Beschwerdeverfahren allein das Ziel, dass es bei der angeordneten Berufsbetreuung bleibt.

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Daher kann vorliegend dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass ein nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG Beteiligter im Einzelfall gleichwohl (auch) eigene Rechte verfolgt (etwa indem er verlangt, aufgrund durch familiäre Verbundenheit geprägter besonders enger Bindungen zum Betroffenen bei der Betreuerauswahl bevorzugt berücksichtigt zu werden; vgl. hierzu BVerfG FamRZ 2006, 1509, 1510), und hierfür Verfahrenskostenhilfe - ohne oder mit Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 78 Abs. 2 FamFG) - erhalten kann.

Dose                              Weber-Monecke                       Schilling

           Nedden-Boeger                                 Guhling

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