Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 7/15
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 16. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2014 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsbeschwerde im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin über rückständigen Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1. September 2012 bis zum 31. Dezember 2013 entschieden worden ist.
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Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Ravensburg vom 16. Juli 2014 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde hinsichtlich des genannten Zeitraums teilweise dahin abgeändert, dass die Antragstellerin zur Zahlung des folgenden Trennungsunterhalts verpflichtet wird:
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- für die Zeit von September 2012 bis Dezember 2012 monatlich 100,32 €,
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- für die Zeit von Januar 2013 bis März 2013 monatlich 129,60 €
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- für die Zeit von April 2013 bis Dezember 2013 monatlich 176,37 €.
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Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragstellerin 70 % und der Antragsgegner 30 % zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Antragstellerin zu 90 % und dem Antragsgegner zu 10 % auferlegt.
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Von Rechts wegen
Gründe
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I.
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Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten noch um Trennungsunterhalt für die Zeit ab September 2012.
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Die Beteiligten heirateten am 15. April 1996. Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, die im April 1998 und Oktober 1999 geboren wurden. Die Ehegatten trennten sich im Juli 2011. Die Töchter leben seitdem bei der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau). Der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) zahlt für die Kinder Barunterhalt.
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Die Ehefrau ist Beamtin im mittleren Dienst und derzeit mit einer Arbeitszeit von 70 % beschäftigt. Sie ist Alleineigentümerin eines Zweifamilienhauses. Die darin befindliche vormalige Ehewohnung wird weiter von ihr und den Töchtern bewohnt, die weitere Wohnung ist vermietet. Der Ehemann ist Stahlbauschlosser.
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Die Beteiligten haben zunächst wechselseitig Ansprüche auf Trennungsunterhalt geltend gemacht. Das Amtsgericht hat den Antrag der Ehefrau abgewiesen und diese auf den Widerantrag des Ehemanns zur Zahlung rückständigen und laufenden Unterhalts von zuletzt monatlich 308,55 € verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Ehefrau, die ihren Unterhaltsantrag nicht weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Abweisung des Widerantrags erstrebt.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde bleibt überwiegend ohne Erfolg.
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1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Ehemann Anspruch auf Trennungsunterhalt, weil er nach Abzug des von ihm zu zahlenden Kindesunterhalts über ein geringeres Einkommen als die Ehefrau verfüge. Der Umfang der Erwerbstätigkeit sei nicht entscheidend dafür, ob der Unterhaltsberechtigte seinen nach dem beiderseitigen Einkommen ermittelten Bedarf selbst decken könne. Vielmehr sei die Einkommensdifferenz - wie im Rahmen von § 1573 Abs. 2 BGB beim nachehelichen Unterhalt - grundsätzlich im Wege der Halbteilung auszugleichen.
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Auf Seiten der Ehefrau ist das Oberlandesgericht von einem bereinigten Erwerbseinkommen von monatlich durchschnittlich 1.493,66 € (2012), 1.525,54 € (2013) und - unter Berücksichtigung einer Beförderung - 1.670,98 € (ab Januar 2014) ausgegangen und hat davon einen Erwerbsanreiz von 10 % abgezogen. Die Beförderung der Ehefrau stelle keinen außergewöhnlichen Verlauf der Berufslaufbahn dar, auch wenn die Ehefrau nach ihrer Darstellung in relativ kurzer Zeit die Besoldungsendstufe des mittleren Dienstes erreicht habe. Außerdem hat das Oberlandesgericht der Ehefrau ein Einkommen aus Wohnvorteil (nach Abzug von Schuldzinsen für einen Immobilienkredit und anteiliger Tilgung als zusätzlicher Altersvorsorge) sowie aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet. Es hat seiner Unterhaltsberechnung demnach ein einzusetzendes Einkommen von insgesamt monatlich 1.573,51 € (2012), 1.770,09 € (2013) und 2.143,26 € (ab Januar 2014) zugrunde gelegt.
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Auf Seiten des Ehemanns ist das Oberlandesgericht von einem jeweiligen bereinigten Erwerbseinkommen von monatlich 2.331,42 € (2012), 2.440,84 € (2013) und 2.428,75 € (ab Januar 2014) ausgegangen und hat davon (neben Erwerbsanreiz, vermögensbildenden Leistungen und zusätzlicher Altersvorsorge) den Kindesunterhalt (Zahlbeträge) von monatlich insgesamt 712 € abgezogen. Den Unterhalt hat es sodann entsprechend der hälftigen Einkommensdifferenz auf monatlich 100,32 € (2012), 176,37 € (2013) und 368,39 € (ab Januar 2014) berechnet. Der bis November 2014 aufgelaufene Rückstand sei höher als der sich aus dem amtsgerichtlichen Beschluss ergebende.
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Das Einkommensgefälle und damit ein Unterhaltsanspruch des Ehemanns ergebe sich zwar praktisch nur dadurch, dass dieser Kindesunterhalt zahle. Dagegen lasse sich zwar einwenden, dass der die Kinder betreuende, gleichwohl aber erwerbstätige und auch „erwerbsoblegene“ Ehegatte bei einem Vorwegabzug entgegen § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB den Kindesunterhalt mitfinanziere, obwohl er seinen eigenen Unterhaltsbeitrag durch die Kindesbetreuung erbringe. Das gehe indessen fehl, weil die Folge der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt die Befreiung des betreuenden Elternteils vom Barunterhalt sei, während der Betreuungsaufwand nicht zu monetarisieren sei. Die persönlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen im Sinne von § 1578 BGB würden auch durch die Existenz eines ihm gegenüber barunterhaltsberechtigten Kindes bestimmt. Soweit der Kindesbarunterhaltspflichtige auch Ehegattenunterhalt schulde, würde etwas anderes - ausgenommen die Situation bei überobligationsmäßiger Erwerbstätigkeit - weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Auf Seiten der Ehefrau sei lediglich eine Teilerwerbsobliegenheit von 70 % berücksichtigt worden, obwohl angesichts des Alters der Kinder durchaus von einer Obliegenheit zur Vollerwerbstätigkeit ausgegangen werden könnte. Eine Differenzierung des Vorwegabzugs von Kindesunterhalt je nachdem, ob Unterhaltsverpflichtung und Barunterhaltspflicht auseinanderfielen, sei nicht nachvollziehbar.
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2. Das hält bis auf einen Punkt rechtlicher Nachprüfung stand.
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a) Leben die Ehegatten getrennt, so kann ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen (§ 1361 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB).
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aa) Die Bemessung des Unterhaltsbedarfs erfolgt wegen des Maßstabs der ehelichen Lebensverhältnisse entsprechend den auch für den nachehelichen Unterhalt nach § 1578 Abs. 1 BGB geltenden Grundsätzen (Senatsurteil vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 51/82 - FamRZ 1984, 356, 357). Zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs ist vor allem auf die von den Ehegatten erzielten Einkünfte abzustellen, soweit diese die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.
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Allerdings haben solche Einkommensverbesserungen unberücksichtigt zu bleiben, die auf eine unerwartete und vom Normalverlauf abweichende Entwicklung zurückzuführen sind (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411 Rn. 25). Außerdem sind im Regelfall Einschränkungen geboten, wenn das erzielte Einkommen auf überobligatorischer Tätigkeit beruht (vgl. Senatsurteile vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 30/10 - FamRZ 2013, 191 Rn. 16 und BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 23 f. mwN).
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bb) Bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen sind ferner weitere Umstände zu berücksichtigen, die das für Unterhaltszwecke verfügbare Einkommen vor Rechtskraft der Ehescheidung beeinflusst haben. Dazu gehört auch die Barunterhaltspflicht für gemeinsame Kinder (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 18 f. mwN). Dadurch ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Bedarf für den Kindesunterhalt im Rahmen einer Angemessenheitsbetrachtung mit Rücksicht auf weitere Unterhaltspflichten etwa durch Herabstufung innerhalb der Düsseldorfer Tabelle zu korrigieren ist (Senatsurteile BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189 Rn. 20; BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn. 48). Schließlich ist ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts bei der Bedarfsbemessung im Ergebnis dadurch begrenzt, dass der Mindestbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht unterschritten werden darf (vgl. Senatsurteile BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 29; vom 17. Februar 2010 - XII ZR 140/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 32 f. und vom 16. Januar 2013 - XII ZR 39/10 - FamRZ 2013, 534 Rn. 26).
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(1) Ob ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts auch für den Fall durchzuführen ist, dass der für die Kinder barunterhaltspflichtige Ehegatte erst infolge des Abzugs über ein geringeres Einkommen verfügt und er demzufolge gegenüber seinem Ehegatten unterhaltsberechtigt wird, ist in Rechtsprechung und Literatur mit der Erwägung in Zweifel gezogen worden, dass der betreuende Ehegatte dadurch indirekt zum Barunterhalt für die Kinder beitragen müsse (OLG Köln NJW-RR 2001, 1371, 1372; OLG Jena FamRZ 2004, 1207, 1208; Niepmann/Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 28, 1052; weitergehend gegen den Vorwegabzug des Kindesunterhalts OLG Hamburg FamRZ 1992, 1187, 1188 und FamRZ 1986, 1001; anderer Ansicht OLG Stuttgart MDR 2012, 1417; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1565; OLG Schleswig NJW-RR 2004, 151, 152; FA-FamR/Maier 10. Aufl. 6. Kapitel Rn. 681; MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1578 Rn. 211; Johannsen/Henrich/Hammermann Familienrecht 6. Aufl. § 1573 Rn. 40).
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(2) Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Die Berücksichtigung des Barunterhalts für minderjährige Kinder bei der Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen hängt nicht davon ab, ob die Kinder vom Unterhaltsberechtigten oder vom Unterhaltspflichtigen betreut werden. In beiden Fällen beeinflussen die für den (sächlichen) Unterhaltsbedarf der Kinder aufzuwendenden Barmittel den Lebensstandard der Familie gleichermaßen, indem sie das für den eigenen Bedarf der Ehegatten verfügbare Einkommen schmälern. Die Regelung in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB steht dem nicht entgegen. Diese gilt nur für den Kindesunterhalt und hat zur Folge, dass der betreuende Elternteil von der Barunterhaltspflicht für die Kinder befreit wird (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13 - FamRZ 2015, 236 Rn. 17 f.). Das Oberlandesgericht hat dementsprechend zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Differenzierung danach, ob der betreuende Ehegatte Unterhaltsberechtigter oder Unterhaltspflichtiger ist, nicht gerechtfertigt ist. In beiden Fällen werden die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern geprägt und muss der betreuende Ehegatte bei der Unterhaltsbemessung nach Quoten im Ergebnis wirtschaftlich mittragen, dass sich das für den Lebensbedarf der Ehegatten verfügbare Einkommen durch den Kindesunterhalt vermindert (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1565 f.; zum Einsatzzeitpunkt für den Aufstockungsunterhalt nach Wegfall der Kindesunterhaltsverpflichtung vgl. Senatsurteil vom 4. November 2015 - XII ZR 6/15 - zur Veröffentlichung bestimmt). Sinkt das Einkommen des zum Barunterhalt verpflichteten Ehegatten durch den Abzug des Kindesunterhalts unter das des betreuenden Ehegatten ab, so ist das Entstehen des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt die notwendige Folge. Denn dieser knüpft lediglich an das höhere Einkommen eines Ehegatten an und hat eine Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards zum Ziel (vgl. Senatsurteil vom 4. November 2015 - XII ZR 6/15 - zur Veröffentlichung bestimmt; Staudinger/Verschraegen BGB [2014] § 1573 Rn. 58 ff.), während eine Abweichung davon einer etwaigen Herabsetzung des (nachehelichen) Unterhalts gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB vorbehalten bleibt.
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Wie der Senat jedoch zum Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB hervorgehoben hat, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils - teilweise - entgegenstehen, dass die ihm mögliche Erwerbstätigkeit zusammen mit der von ihm zu leistenden Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann. Insoweit lässt die vom Gesetz angeordnete Billigkeitsabwägung nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB Raum für eine Einbeziehung dieses Umstands unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Lastenverteilung zwischen unterhaltsberechtigtem und unterhaltspflichtigem Elternteil im Einzelfall (Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 24 mwN). Ähnliches gilt bei der Bestimmung der Erwerbsobliegenheit des nach § 1573 Abs. 2 BGB oder § 1361 BGB zum Aufstockungsunterhalt verpflichteten Ehegatten (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1565, 1566). Auch hier kann mit Rücksicht auf die sich aus Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit ergebende Gesamtbelastung im Einzelfall ein Teil des Erwerbseinkommens als überobligatorisch eingestuft werden.
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b) Die angefochtene Entscheidung steht mit diesen Grundsätzen im Einklang.
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aa) Zu Recht hat das Oberlandesgericht das nach der Beförderung der Ehefrau erhöhte Einkommen als eheprägend angesehen. Die Ehefrau ist von der Besoldungsgruppe A 8 in die Besoldungsgruppe A 9 hochgestuft worden. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde handelt es sich hierbei nicht um einen Karrieresprung, der das erhöhte Einkommen als nicht mehr eheprägend erscheinen ließe. Das Oberlandesgericht hat vielmehr zu Recht darauf verwiesen, dass die Beförderung sich innerhalb des mittleren Dienstes vollzogen hat und keine unerwartete und vom Normalverlauf abweichende Entwicklung darstellt. Dabei stellt es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine entscheidende Besonderheit dar, dass es sich um die Besoldungsendstufe des mittleren Dienstes handelt und die Ehefrau diese erreicht hat, als sie noch keine 42 Jahre alt war.
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Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht habe dem Umstand, dass die Ehefrau neben ihrer Teilerwerbstätigkeit von 70 % die beiden gemeinsamen Kinder der Beteiligten betreut, nur unzureichend Rechnung getragen, indem es meine, aufgrund des Alters der Kinder bei Ablauf des Trennungsjahres von 13 und 14 Jahren könne durchaus von einer Vollerwerbstätigkeit ausgegangen werden. Das Oberlandesgericht hat zwar darauf verwiesen, dass von einer Obliegenheit zur Vollerwerbstätigkeit ausgegangen werden könne. Es hat daraus allerdings keine für die Ehefrau nachteiligen Folgerungen gezogen, sondern seiner Unterhaltsberechnung das Einkommen zugrunde gelegt, das die Ehefrau aus ihrer im Umfang von 70 % ausgeübten Teilzeittätigkeit erzielt. Für die Auffassung der Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht habe deswegen von einer Berücksichtigung der von der Ehefrau erbrachten Betreuungs- und Versorgungsleistungen abgesehen, weil die Ehefrau zur vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet sei, finden sich in den Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Anhaltspunkte. Daher scheidet ein von der Rechtsbeschwerde insoweit gerügter Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht aus.
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Davon abgesehen ist das Oberlandesgericht in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass die von der Ehefrau ausgeübte Erwerbstätigkeit nicht als überobligatorisch einzustufen ist, zumal es sich um eine Teilerwerbstätigkeit von 70 % handelt, bei der die Kinderbetreuung bereits berücksichtigt ist. Dass die Ehefrau in den Vorinstanzen geltend gemacht hätte, auch die Teilerwerbstätigkeit sei überobligatorisch, wird von der Rechtsbeschwerde nicht gerügt.
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bb) Dass das Oberlandesgericht davon ausgegangen ist, der Abzug des Kindesunterhalts könne zu einem Anspruch auf (Aufstockungs-)Unterhalt auch gegen den die Kinder betreuenden Ehegatten führen, entspricht schließlich den aufgeführten Grundsätzen und ist für sich genommen von der Rechtsbeschwerde auch nicht beanstandet worden.
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c) Der angefochtene Beschluss wird von der Rechtsbeschwerde allerdings insoweit zu Recht beanstandet, als die Beschwerde in vollem Umfang zurückgewiesen worden ist, obwohl die vom Oberlandesgericht ermittelten monatlichen Unterhaltsbeträge teilweise unter den vom Amtsgericht zugesprochenen liegen.
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Die Ehefrau ist vom Amtsgericht für die Zeit von September bis März 2013 zu monatlichem Unterhalt von 129,60 € verpflichtet worden, während das Oberlandesgericht für die Zeit von September bis Dezember 2012 lediglich einen monatlichen Unterhalt von 100,32 € ermittelt hat. Des Weiteren ist das Oberlandesgericht von der amtsgerichtlichen Entscheidung für die Zeit von April bis August 2013 (Amtsgericht: monatlich 178,15 €, Oberlandesgericht: 176,37 €) und von September bis Dezember 2013 (Amtsgericht: monatlich 308,55 €, Oberlandesgericht: 176,37 €) rechnerisch nach unten abgewichen. Die vom Oberlandesgericht für die Zeit bis einschließlich November 2014 ermittelte Summe der Monatsbeträge von 6.570,01 € (gegenüber 6.426,20 € nach der amtsgerichtlichen Entscheidung) kann nicht zugrunde gelegt werden. Denn der Unterhalt ist jeweils zeitbezogen zu ermitteln. Die Unterhaltsvoraussetzungen (insbesondere Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit) müssen dementsprechend jeweils gleichzeitig vorliegen (Senatsurteil vom 24. Oktober 1984 - IVb ZR 43/83 - FamRZ 1985, 155, 156; BVerfG FamRZ 2005, 1051, 1053). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Unterhalt ebenfalls zeitbezogen geltend zu machen, wodurch auch der Streitgegenstand des Verfahrens festgelegt wird. Fordert der Unterhaltsberechtigte für bestimmte Zeiträume zu viel Unterhalt, so ist sein Antrag insoweit abzuweisen und kann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht mit anderen Zeiträumen verrechnet werden, in denen er weniger verlangt, als ihm zusteht.
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So liegen die Dinge auch hier. Da der Ehemann gegen die amtsgerichtliche Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat, beschränkt sich die titulierte Unterhaltsverpflichtung - auch hinsichtlich des Rückstands - auf die vom Amtsgericht monatlich zuerkannten Beträge. Dem Oberlandesgericht war es demnach verwehrt, den für bestimmte Zeiträume in geringerer Höhe ermittelten Unterhalt durch andere Zeiträume aufzufüllen, für die der Ehemann zwar höheren Unterhalt hätte verlangen können, in der Beschwerdeinstanz aber mangels eines eigenen Rechtsmittels nicht geltend gemacht hat.
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Das Oberlandesgericht hätte mithin die Beschwerde nicht vollständig zurückweisen dürfen, weil die vom Amtsgericht titulierten Unterhaltsbeträge nach der Berechnung des Oberlandesgerichts für einzelne Zeiträume zu hoch ausgefallen sind.
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3. Der angefochtene Beschluss ist demnach zum Teil aufzuheben. Der Senat kann insoweit in der Sache abschließend entscheiden, weil es dazu keiner weiteren Feststellungen bedarf. Die vom Oberlandesgericht bei der Einkommensbemessung teilweise offen gelassenen Einwendungen des Ehemanns hätten zu keiner anderen Beurteilung geführt. Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
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Dose Weber-Monecke Klinkhammer
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Nedden-Boeger Guhling
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Referenzen
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- XII ZR 30/10 1x (nicht zugeordnet)
- XII ZR 140/08 1x (nicht zugeordnet)