Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Strafsenat) - AK 41/16

Tenor

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2015 (6120 Js 206406/14 - 931 Gs) wird aufgehoben.

Gründe

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Der Angeklagte wurde am 25. Februar 2015 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2015 (6120 Js 206406/14 - 931 Gs) festgenommen. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe in der Zeit von Oktober 2013 bis zum 9. Februar 2014 in Syrien eine gegen das Leben gerichtete (§ 211 StGB) schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, die nach den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, indem er sich eine Schusswaffe und eine Sprengvorrichtung verschaffte (§ 89a Abs. 1 und 2 Nr. 2 StGB); tateinheitlich hierzu habe er über Kriegswaffen die tatsächliche Gewalt ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruht habe (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKontrG), sowie entgegen § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. Anl. 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 einen Gegenstand besessen, in dem unter Verwendung explosionsgefährlicher Stoffe eine Explosion ausgelöst werden könne (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG). In tatsächlicher Hinsicht wird dem Angeklagten insoweit zur Last gelegt, er habe sich ein Maschinengewehr des Typs Kalaschnikov, Handgranaten sowie eine mit Ammonium- und Kaliumnitrat gefüllte Rohrbombe verschafft, um sich an den Kampfhandlungen islamistischer Gruppierungen gegen das Assad-Regime zu beteiligen; die Rohrbombe habe er am 9. Februar 2014 an die mit ihm nach islamischem Recht verheiratete  H.   übergeben, die mit der Sprengvorrichtung im Gepäck noch am selben Tage nach Deutschland habe zurückfliegen wollen.

2

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft sind nicht gegeben, weil deren weiterer Vollzug auf Grundlage des dem Haftbefehl zugrunde liegenden Sachverhalts angesichts des zwischenzeitlichen Verfahrensverlaufs nicht mehr verhältnismäßig ist (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO). Der Haftbefehl ist deshalb aufzuheben (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Im Einzelnen:

I.

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Gegenstand der Haftprüfung durch den Senat ist ausschließlich der genannte Haftbefehl vom 24. Februar 2015.

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1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

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Der Haftbefehl ist dem Angeklagten am 25. Februar 2015 verkündet worden (§ 115 StPO). Am 1. Juli 2015 hat die Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und des Verstoßes gegen das Waffengesetz Anklage zum Landgericht Frankfurt am Main erhoben. Dieses hat den Haftbefehl vom 24. Februar 2015 nach Maßgabe der Anklageschrift mit Beschluss vom 10. Juli 2015 aufrechterhalten, die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und ausgeführt, es bestehe auch der dringende Tatverdacht dahin, dass sich der Angeklagte von einem Dritten habe Geld überweisen lassen, das für die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Syrien bestimmt war (§ 89a Abs. 2 Nr. 4 StGB aF). Nachdem das Oberlandesgericht im Rahmen zweier Haftprüfungsverfahren (§§ 121, 122 StPO) am 8. September 2015 und am 22. Dezember 2015 jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hatte, hat das Landgericht mit Beschluss vom 16. Februar 2016 den Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2015 in der Fassung des Beschlusses der Kammer vom 10. Juli 2015 aufrechterhalten, die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und ausgeführt, dass auch der dringende Tatverdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB bestehe, "der jedoch nicht Gegenstand des bislang vorliegenden Haftbefehls" sei. Mit Beschluss vom selben Tage hat es zudem im Hinblick auf die seiner Auffassung nach begründete Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (§ 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG) diesem die Akten über die Staatsanwaltschaft zur Entscheidung über die Übernahme der Sache vorgelegt. Der zuständige 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat zunächst im Rahmen der Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO mit Beschluss vom 4. April 2016 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Er hat den Angeklagten für dringend verdächtig erachtet, sich während seines Aufenthalts in Syrien gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB strafbar gemacht zu haben, indem er die ihm vorgeworfenen Handlungen bei der in Syrien aktiven terroristischen Vereinigung "ISIG" begangen habe. Sodann hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts am 11. April 2016 - unter Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft - das Hauptverfahren vor dem Oberlandesgericht eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 29. Juni 2015 mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen, dass die angeklagte Tat auch als tateinheitliche mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB zu würdigen sei, weil sich der Angeklagte durch diese Tat als Mitglied des "ISIG" beteiligt haben könne; dessen Zwecke und Tätigkeiten seien darauf gerichtet, Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gemeingefährliche Straftaten wie Brandstiftung oder Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu begehen. Mit Verfügung vom 13. April 2016 hat der Vorsitzende des 5. Strafsenats Termin zur Hauptverhandlung, beginnend mit dem 13. Juni 2016, bestimmt.

6

Daneben hat der Generalbundesanwalt auf Grundlage der Auswertung einer im Wege der Rechtshilfe durch die Türkei im Februar 2016 erlangten CD ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet und mit Anklageschrift vom 25. Mai 2016 wegen weiterer Vorwürfe Anklage bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhoben (Az.: 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16). Gegenstand dieses Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe sich in zwei Fällen mitgliedschaftlich in einer ausländischen terroristischen Vereinigung betätigt (§ 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB), hierbei tateinheitlich gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKontrG verstoßen und in einem Fall hiervon zusätzlich ein Kriegsverbrechen gegen eine Person (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB) begangen, indem er als Mitglied des "ISIG" an Kampfhandlungen und der Verstümmelung der Leiche eines gegnerischen Kämpfers sowie deren propagandistisch nutzbarer Videoaufnahme mitgewirkt und hierbei ein Sturmgewehr besessen habe. Nachdem der Eingang dieser zweiten Anklage seitens des Generalbundesanwalts dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 24. Mai 2016 vorab angekündigt und diesem am selben Tage auch seitens des Hessischen Landeskriminalamtes mitgeteilt worden war, dass weitere Ermittlungen angestellt würden, die für dieses und das hier vorliegende Verfahren von Relevanz seien (Bd. VIII, Bl. 156), hat der Vorsitzende des 5. Strafsenats mit Verfügung vom 25. Mai 2016 die in hiesiger Sache bereits bestimmten zwölf Hauptverhandlungstermine aufgehoben und zunächst vierzehn neue Hauptverhandlungstermine, beginnend mit dem 22. August 2016 bestimmt. Im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 16. Juni 2016 nach Maßgabe der dortigen Anklageschrift einen Haftbefehl erlassen und dem Angeklagten am 21. Juni 2016 gemäß § 115 StPO verkündet. Hinsichtlich dieses Haftbefehls ist Überhaft notiert.

7

Mit Beschluss vom 14. Juli 2016 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Anklage im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 zur Hauptverhandlung zugelassen, den Haftbefehl vom 16. Juni 2016 aufrechterhalten und das vorliegende Verfahren zu dem Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 hinzuverbunden. Die Hauptverhandlung soll ab dem 22. August 2016 beginnen.

8

2. Danach ist der im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 am 16. Juni 2016 durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main erlassene Haftbefehl entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts im vorliegenden Haftprüfungsverfahren nicht heranzuziehen. Prüfungsgegenstand im Haftprüfungsverfahren ist nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl (KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat indes den im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 erlassenen Haftbefehl ausdrücklich nicht vorgelegt, sondern auf diesen in seinem Vorlagebeschluss vom 24. Juni 2016 nur informativ hingewiesen. Darüber hinaus ist Voraussetzung der Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO, dass der Haftbefehl vollzogen wird. Hieran fehlt es, wenn Überhaft notiert ist (vgl. KG, Beschluss vom 11. November 1996 - (4) HEs 160/96 (116/96), NStZ-RR 1997, 75; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 122 Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 121 Rn. 2; MüKoStPO/Böhm, § 121 Rn. 15), was hinsichtlich des im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 erlassenen Haftbefehls vom 16. Juni 2016 der Fall ist. Zwar hat der Vertreter des Generalbundesanwalts im Rahmen der Verkündung dieses Haftbefehls erklärt, keinen Antrag auf Überhaft zu stellen (Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16, Bd. "Vorgänge ab Anklageerhebung", Bl. 176). Die Überhaftnotierung folgt jedoch aus dem im dortigen Verfahren ergangenen Beschluss vom 14. Juli 2016 und ist darüber hinaus auch auf telefonische Nachfrage des Senats durch den Berichterstatter dieses Verfahrens bestätigt worden. Ob die Sachverhalte, die dem im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 erlassenen Haftbefehl vom 16. Juni 2016 zugrunde liegen, mit dem in vorliegender Sache zu überprüfenden Vorwurf eine Tat im Sinne des § 121 StPO bilden, bedarf insoweit keiner Entscheidung.

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Trotz der zahlreichen im vorliegenden Verfahren ergangenen Haftentscheidungen ist Gegenstand der Haftprüfung ausschließlich der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main in seiner Fassung vom 24. Februar 2015 und in dessen Folge ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf. Es kann dahinstehen, ob in den verschiedenen Haftfortdauerentscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Erweiterung des ursprünglichen Haftbefehls um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) zu sehen ist. Die Entscheidungen sind jedenfalls nicht gemäß § 115 StPO verkündet worden, der auch auf die Erweiterung des Haftbefehls entsprechend anwendbar ist. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Verkündung des erweiterten Haftbefehls gemäß § 115 StPO, so darf er in einem Haftfortdauerbeschluss gemäß §§ 121, 122 StPO nicht berücksichtigt werden (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2001 - 2 BvR 1144/01, NStZ 2002, 157, 158 mwN; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 4, 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 115 Rn. 11; MüKoStPO/Böhm, § 121 Rn. 11). Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der Vergangenheit als Haftprüfungsgericht gemäß §§ 121, 122 StPO entschieden hatte, hätte ihm überdies auch die Kompetenz zur Erweiterung oder Anpassung des Haftbefehls gefehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - AK 31/14, juris Rn. 17; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl., § 121 Rn. 24a mwN).

II.

10

1. Der weitere Vollzug des Haftbefehls vom 24. Februar 2015 ist nicht mehr zulässig.

11

Zwar ist der Angeklagte der ihm in diesem Haftbefehl vorgeworfenen Taten dringend verdächtig; wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insbesondere Bezug auf die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt vom 10. Juli 2015 und vom 16. Februar 2016, auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. April 2016 sowie auf die Anklageschrift vom 29. Juni 2015. Gemessen an diesen Taten steht der weitere Vollzug des Haftbefehls indes außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

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a) Bei der vorzunehmenden Prüfung ist das Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit, das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet wird, in besonderer Weise zu beachten. Wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, kann der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen nur ausnahmsweise zulässig sein. Der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen als Korrektiv gegenübergestellt werden; dabei kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zu.

13

Dieser ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung und verlangt, dass diese nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe steht; er setzt ihr aber auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen. Gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs regelmäßig mit zunehmender Länge der Untersuchungshaft. Daraus folgt, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zudem nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.

14

Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen sowie eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und der Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder auch dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12, juris Rn. 39 ff. mwN; BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - StB 5/16, juris Rn. 14 ff.).

15

b) Daran gemessen ist der Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2015 nicht aufrechtzuerhalten. Die Untersuchungshaft wird bereits seit mehr als siebzehn Monaten vollzogen; seit dem Eingang der Anklageschrift vom 29. Juni 2015 bei dem Landgericht Frankfurt am Main ist zwischenzeitlich mehr als ein Jahr vergangen, ohne dass mit der Hauptverhandlung begonnen wurde. Der Senat verkennt nicht, dass sich die seit Anklageerhebung angestellten Ermittlungen insbesondere aufgrund der erforderlichen Rechtshilfeersuchen schleppend gestaltet haben. Gegenüber dem hinter diesen Maßnahmen stehende Interesse an einer vollständigen Aufklärung der Tat und einer wirksamen Strafverfolgung hat mit zunehmender Verfahrensdauer indes - auch wenn den deutschen Justizbehörden insoweit kein Versäumnis vorzuwerfen ist - das in Haftsachen besonders zu beachtende Beschleunigungsgebot und der Freiheitsanspruch des Angeklagten erheblich an Bedeutung gewonnen; insbesondere war der die Haftgrundlage maßgeblich prägende Vorwurf des Vorbereitens einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat die gesamte Zeit als solches "verhandlungsfähig". Insoweit ist auch zu beachten, dass - auch nachdem sich die Verdachtslage hinsichtlich einer mitgliedschaftlichen Betätigung im "ISIG" so verdichtet hatte, dass das Landgericht Frankfurt am Main von einem dringenden Tatverdacht ausgegangen war (Beschluss vom 16. Februar 2016) und die Sache noch am selben Tage dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung über die Übernahme vorgelegt hatte (Bd. VII, Bl. 1626 ff.) - keine Gelegenheit ergriffen wurde, den Haftbefehl vom 24. Februar 2015 der geänderten Erkenntnislage anzupassen und dem Angeklagten gemäß § 115 StPO zu verkünden (vgl. zur diesbezüglichen Schutzfunktion der Verkündung BVerfG, Beschluss vom 20. September 2001 - 2 BvR 1144/01, NStZ 2002, 157, 158; KK-Graf, StPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 1a; MüKoStPO/Böhm/Werner, § 115 Rn. 3). Dass das Landgericht Frankfurt am Main vor seinen Entscheidungen vom 16. Februar 2016 eine mündliche Haftprüfung durchgeführt hatte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da deren Gegenstand ausweislich des Protokolls zum Haftprüfungstermin vom 11. Februar 2016 nur der Haftbefehl vom 24. Februar 2015 war (Bd. VII, Bl. 1581). Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in der Folgezeit den Haftbefehl vom 24. Februar 2015 trotz Möglichkeit hierzu nicht ordnungsgemäß erweitert. Der Senat verkennt schließlich nicht, dass dem Angeklagten im Hinblick auf die seit Februar 2016 neu gewonnenen Erkenntnisse und die sich hieraus ergebenden weiteren Tatvorwürfe eine erhebliche Freiheitsstrafe droht, die einen hohen Fluchtanreiz bietet und aufgrund dieser Tatvorwürfe auch der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO) erfüllt ist. Auch dies rechtfertigt bei angemessener Berücksichtigung aller Umstände in dem vorliegenden Verfahren keine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit, die sich an dem der Haftprüfung zugrunde zu legenden Haftbefehl zu orientieren hat, um die Schutzfunktion der §§ 112 ff. StPO nicht leerlaufen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als durch die Verlegung des Beginns der Hauptverhandlung vom 13. Juni auf den 22. August 2016 eine weitere Verzögerung eingetreten ist, mag die gemeinsame Verhandlung der mittlerweile verbundenen Verfahren für sich betrachtet auch sachgerecht sein.

16

2. Im Hinblick auf die Aufhebung des Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2015 ist nunmehr der im Verfahren 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16 am 16. Juni 2016 erlassene Haftbefehl des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zu vollziehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt wird gehalten sein, die Akten dieses Verfahrens innerhalb der Frist des § 121 Abs. 2 StPO vorzulegen.

Becker                        Mayer                        Tiemann

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