Beschluss vom Bundesgerichtshof (8. Zivilsenat) - VIII ZR 247/15

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. September 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg/Lahn vom 16. Juni 2014 durch das Versäumnisurteil vom 19. Mai 2015 hinsichtlich der nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 14. September 2015 gestellten Hilfsanträge und der darin enthaltenen Klageerweiterung zurückgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf 173.361,64 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um den Restkaufpreis für ein in S.    unter der Geschäftsbezeichnung L.      (A.      Bar & Restaurant) vom Kläger bis zum 1. Dezember 2012 über eine Betreibergesellschaft geführtes Gastronomieobjekt. Dieses verkaufte er für 500.000 € an die Beklagten, die darauf im Januar 2013 einen Teilbetrag von 150.000 € leisteten. Der Restbetrag, für den noch eine Reihe von Abzugsposten vorgesehen war, sollte nach einer am 19. März 2013 getroffenen Vereinbarung in vier gleichen, jeweils zum Jahresende fälligen Raten beglichen werden, deren Höhe der Kläger zuletzt mit jeweils 73.352,06 € bemessen hat.

2

Neben einem Abzugsposten, der nach Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) 12/2012 namentlich die erwirtschafteten Gewinne im Dezember 2012 betrifft, streiten die Parteien vor allem um die Frage, ob Geschäftsgrundlage der Kaufpreisbemessung ein Fortbestand des Mietvertrages über die Gaststättenräume bis mindestens Juni 2018 war. Diese Räumlichkeiten hatte die A.      Franchise GmbH (im Folgenden: Lizenzgeberin) für die Zeit bis einschließlich Mai 2015 mit einer einmaligen Verlängerungsoption um drei Jahre von der K.         Brauerei angemietet und an die Betreibergesellschaft des Klägers untervermietet, mit der sie zugleich einen Franchisevertrag geschlossen hatte. Die von den Beklagten gegründete Betreibergesellschaft schloss mit der Lizenzgeberin für die Zeit ab Januar 2013 entsprechende Verträge. Die ihr zustehende Verlängerungsoption gegenüber der K.      Brauerei übte die Lizenzgeberin jedoch nicht aus; vielmehr kündigte sie den mit der Betreibergesellschaft der Beklagten geschlossenen Untermiet- und Franchisevertrag zum Ablauf des Monats Mai 2015.

3

Das Landgericht hat die zunächst im Urkundenprozess erhobene Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, vor dem der Kläger nach Abstandnahme vom Urkundenprozess zunächst beantragt hatte, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 100.000 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014, hilfsweise zur Zahlung von 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014 und am 31. Dezember 2014 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 26.657,52 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2015 an ihn zu verurteilen, hat die Berufung des zum Verhandlungstermin vom 19. Mai 2015 nicht erschienenen Klägers durch Versäumnisurteil vom gleichen Tage zurückgewiesen.

4

Gegen das ihm am 22. Mai 2015 zugestellte Urteil hat er am 5. Juni 2015 Einspruch eingelegt und zunächst seine ursprünglichen Berufungsanträge wiederholt. Nachdem trotz Verlängerung der Begründungsfrist eine Einspruchsbegründung nicht eingegangen war, hat das Berufungsgericht schließlich einen Verhandlungstermin auf den 15. September 2015 anberaumt. Mit einem am Vortage eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger eine Einspruchsbegründung und Klageerweiterung vorgelegt und nunmehr beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 100.000 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014 und am 31. Dezember 2014 weitere 73.152,06 € nebst Zinsen ab dem 1. Januar 2016 zu zahlen, hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014, weitere 26.657,52 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2015 und am 31. Dezember 2015 weitere 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2016 zu zahlen.

5

Das Oberlandesgericht hat das Versäumnisurteil vom 19. Mai 2015 aufrechterhalten und die Berufung des Klägers auch hinsichtlich der genannten Klageerweiterung zurückgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger seine zuletzt als Hilfsanträge formulierten Zahlungsanträge weiter.

II.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist begründet, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die mit den im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsanträgen erstmals auf die Vereinbarung vom 19. März 2013 gestützte und erweiterte Klage sei zwar als Klageerweiterung und -änderung sachdienlich. Aus dieser Vereinbarung, durch die gegenüber den vorangegangenen Absprachen ein neues Schuldverhältnis begründet worden sei, ergebe sich jedoch kein über die bereits gezahlten 150.000 € hinausgehender Zahlungsanspruch des Klägers. Denn die Beklagten hätten bewiesen, dass Geschäftsgrundlage für das Zustandekommen des Kaufvertrages sowie eine für beide Seiten maßgebliche Grundlage der Bemessung des Kaufpreises für die Übernahme des Geschäftsbetriebs und der Modalitäten seiner Berechnung ein Fortbestand des Untermiet- und Franchisevertrages mit der Lizenzgeberin bis mindestens Juni 2018 gewesen sei. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau des Vertragstextes und der dem Vertragsschluss vorangegangenen Verhandlungen sowie der für beide Seiten ersichtlichen Intention des Vertragsschlusses, ohne dass es entscheidend darauf ankomme, ob die dahingehende gemeinsame Vorstellung beziehungsweise Erwartung der Parteien ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen worden sei und ob dies unmittelbar vor Vertragsunterzeichnung ausdrücklich zur Sprache gekommen sei oder nicht. Demgemäß komme es auch nicht entscheidend auf die in das Wissen zweier Zeugen gestellte Behauptung des Klägers an, bei den am 19. November 2012 und am 19. März 2013 geführten Vertragsverhandlungen sei nie davon die Rede gewesen, dass die Ausübung der Verlängerungsoption durch die Lizenzgeberin Geschäftsgrundlage der Absprachen gewesen sei.

9

Dafür, dass der genannte Umstand Geschäftsgrundlage des Kaufs habe sein sollen, ergäben sich nicht nur eine Reihe von Indizien in den Vertragsurkunden sowie den ihnen vorangegangenen Verhandlungsdokumenten. Zudem hätten die Beklagten substantiiert und unter Zeugenbeweisantritt vorgetragen, der Kläger habe ihnen in mehreren Vorgesprächen im Beisein ihres Steuerberaters B.    zugesichert, dass die ungehinderte Weiterführung des Geschäftsbetriebs bis 2018 Geschäftsgrundlage des Übergabevertrags habe sein sollen, weil die Ausübung der Option durch die Lizenzgeberin sicher beziehungsweise reine Formsache sei und dass auch er nach Juni 2015 im Wege des Schuldbeitritts persönlich haften werde. Vor diesem Hintergrund sei es verständlich, dass die Beklagten sich auf diese Zusage des Klägers verlassen und deshalb davon abgesehen hätten, den Fortbestand des Untermiet- und Franchisevertrages ausdrücklich zur Bedingung für die Kaufpreiszahlung zu machen.

10

Letztgenannten Vortrag zum Inhalt der Vorgespräche habe der Kläger erstmals in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 bestritten. Dies sei jedoch verspätet erfolgt und deshalb gemäß § 296 Abs. 2, §§ 282, 340 Abs. 3 Satz 3 ZPO prozessual unbeachtlich. Denn der Kläger habe aufgrund des vorangegangenen Versäumnisurteils gewusst, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten zur Geschäftsgrundlage für ausreichend halte und es nunmehr an ihm sei, dazu alsbald substantiiert Stellung zu nehmen. Wäre dies rechtzeitig und nicht unter grob nachlässiger Verletzung der Prozessförderungspflicht erst einen Tag vor dem anberaumten Verhandlungstermin geschehen, hätte der Steuerberater B.   noch zu diesem Termin zwecks Vernehmung über die Behauptung der Beklagten geladen werden können.

11

Einer Zurückweisung des verspäteten Bestreitens stehe auch nicht die im Schriftsatz vom 14. September 2015 erfolgte Klageerweiterung entgegen. Zwar erfasse § 282 Abs. 1 ZPO nur Angriffs- und Verteidigungsmittel, wozu weder die Klageänderung noch die Klageerweiterung gehörten, so dass auch die zur Klageerweiterung vorgetragenen Angriffs- und Verteidigungsmittel unabhängig davon, ob sie für den ursprünglichen Antrag bedeutsam seien, grundsätzlich nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden dürften. Eine andere Beurteilung sei aber dann geboten, wenn die Klageerweiterung rechtsmissbräuchlich sei, weil sie erkennbar nur den Sinn habe, den Verspätungsfolgen zu entgehen. Das sei hier der Fall. Denn der Kläger, der zudem auch durch Verfügung vom 18. Juni 2015 auf die Verspätungsfolgen hingewiesen worden sei, habe mit der Präklusion seines Vortrags rechnen müssen, ohne dass ihm nochmals die Möglichkeit einer "Flucht in die Säumnis" offen gestanden hätte. Außerdem wäre die Erweiterung der Klageanträge auf Zahlungsraten, die derzeit noch gar nicht fällig seien, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit wirtschaftlich nicht nötig gewesen und zugleich mit einem weiteren Kostenrisiko des Klägers verbunden gewesen.

12

In einer Gesamtschau habe das Vorgehen des Klägers deshalb einzig darauf abgezielt, durch die Erweiterung seiner Klageanträge die Präklusion seines Vortrags zu verhindern. Dieses Vorgehen sei jedoch rechtsmissbräuchlich, so dass der danach auf der Grundlage des bisherigen Vortrags festzustellende Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses eingetretenen gravierenden Störung des Äquivalenzverhältnisses hinsichtlich des Kaufpreises eine Anpassung dahin zur Folge habe, dass jedenfalls über die gezahlten 150.000 € hinaus nichts mehr geschuldet sei.

13

Unabhängig davon sei der Zahlungsanspruch des Klägers auch deshalb nicht begründet, weil der Kläger es bislang versäumt habe, seine Vorleistungspflichten hinsichtlich der in der genannten Vereinbarung als Abzugsposten vorgesehenen BWA 12/2012 durch Vorlage einer nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Auswertung zu erfüllen. Soweit er den substantiierten Einwendungen der Beklagten durch die erstmals mit Schriftsatz vom 14. September 2015 vorgelegten Kontenblätter und weitere Unterlagen zu begegnen versucht habe, könne dieses Material zur Sachverhaltsermittlung nicht herangezogen werden, weil sein darin liegender Vortrag aus den genannten Gründen präkludiert sei und deshalb keine Berücksichtigung mehr finden könne.

14

2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Bleiben Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter sie in offenkundig fehlerhafter Anwendung von Präklusionsnormen zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör der Partei verletzt (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 97/15, juris Rn. 9; vom 27. Oktober 2015 - VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 Rn. 8; jeweils mwN). So verhält es sich im Streitfall.

15

a) Das Berufungsgericht ist - wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt - bereits zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger sei dem von den Beklagten vorgetragenen und unter Zeugenbeweis gestellten Inhalt der Vorgespräche betreffend die Ausübung der Mietverlängerungsoption durch die Lizenzgeberin erstmals im Schriftsatz vom 14. September 2015 durch Bestreiten entgegengetreten. Der Kläger hat vielmehr schon in seiner Berufungsbegründung vom 18. September 2014 vorgetragen, von den vorhandenen Dauerschuldverhältnissen (Mietverträge und Franchiseverträge) sei bei den Vertragsverhandlungen nie die Rede gewesen; irgendwelche Bedingungen oder sonstige Absprachen über diejenigen hinaus, die in den Urkunden vom 19. November 2012 und 19. März 2013 aufgeführt sind, seien nicht vereinbart oder getroffen worden. Der von den Beklagten zum Beleg des von ihnen geltend gemachten Wegfalls der Geschäftsgrundlage gehaltene gegenteilige Vortrag war mithin von Anfang an bestritten.

16

Bereits dieses Bestreiten hätte das Berufungsgericht deshalb nicht ohne Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör übergehen dürfen, um den von ihm nach seinem Rechtsstandpunkt für entscheidungserheblich gehaltenen Vortrag der Beklagten zur ungehinderten Weiterführung des Geschäftsbetriebs bis 2018 für unstreitig beziehungsweise ohne Erhebung des von den Beklagten angetretenen Zeugenbeweises für bewiesen zu erachten. Zumindest hätte das Berufungsgericht danach aber das nahezu inhaltsgleiche Bestreiten des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 nicht als neu und damit als für eine sonst mögliche alsbaldige Beweisaufnahme verspätet behandeln dürfen, sondern ihm durch Berücksichtigung und Erhebung des danach erforderlichen Beweises Rechnung tragen müssen.

17

b) Auch sonst hätte das Berufungsgericht weder das genannte Bestreiten noch den im Schriftsatz des Klägers vom 14. September 2015 gehaltenen Vortrag zur BWA 12/2012 einschließlich der zum Beleg eingereichten Kontenblätter und weiteren Unterlagen bei seiner Sachverhaltsermittlung unberücksichtigt lassen dürfen. Denn seine Auffassung, das in diesem Schriftsatz enthaltene neue Vorbringen könne wegen Rechtsmissbrauchs insgesamt, also sowohl für die schon rechtshängigen Forderungen als auch für die neu hinzukommenden Forderungen oder Forderungsteile, außer Betracht bleiben, wenn die mit Einreichung des Schriftsatzes einhergehende Klageerweiterung - wie im Streitfall - erkennbar nur den Sinn verfolge, den Verspätungsfolgen zu entgehen, findet im Prozessrecht keine Stütze.

18

aa) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Änderung oder Erweiterung einer Klage einen selbstständigen prozessualen Angriff darstellen, der von den Angriffsmitteln im Sinne von §§ 296, 530, 531 ZPO zu unterscheiden ist und deshalb nicht den in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzungen über die Zurückweisung oder Zulassung verspäteter Angriffsmittel unterliegt (BGH, Urteile vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, WM 1986, 864 unter II 2 b aa; vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, NJW 2001, 1210 unter B II; BAG, NJW 2006, 2716 Rn. 12; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 296 Rn. 41 mwN). Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung oder Klageerweiterung richten sich stattdessen nach den §§ 263, 264, 533 ZPO (BGH, Urteil vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, aaO unter B II 1; BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: Juli 2016, § 296 Rn. 13). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, das hinsichtlich der Stützung der Klageansprüche auf die Vereinbarung vom 19. März 2013 einschließlich der im Schriftsatz vom 14. September 2015 zusätzlich gestellten (Hilfs-)Anträge auf Zahlung eines erst am 31. Dezember 2015 fällig werdenden weiteren Betrages deren Sachdienlichkeit angenommen hat. Dementsprechend können - was das Berufungsgericht ebenfalls nicht verkannt hat - die gleichzeitig zur Begründung dieser erweiterten Anträge vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel einschließlich eines Bestreitens, auch wenn es sich dabei um Angriffs- oder Verteidigungsmittel handelt, nicht als verspätet zurückgewiesen werden, weil dies andernfalls in unzulässiger Weise auch die nach dem Gesetz grundsätzlich ausgeschlossene Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, aaO; vom 15. Dezember 1994 - VII ZR 13/94, WM 1995, 818 unter I 2 b; MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 42).

19

bb) Gleichwohl hat das Berufungsgericht gemeint, dem Senatsurteil vom 23. April 1986 (VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b bb) entnehmen zu können, die im Zuge der im Schriftsatz vom 14. September 2015 vorgenommenen Klageerweiterung und/oder -änderung neu vorgetragenen Tatsachen einschließlich des darin enthaltenen Bestreitens auch dann insgesamt unberücksichtigt lassen zu können, wenn die Erweiterung/Änderung - wie im Streitfall - nur den Sinn haben könne, den Verspätungsfolgen zu entgehen, und deshalb als rechtsmissbräuchlich einzustufen sei. Das trifft ersichtlich nicht zu.

20

Der Senat hat - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat - unter Hinweis auf vorangegangene Rechtsprechung deutlich gemacht, dass in Bezug auf den neuen Angriff der diesen Angriff tragende Sachvortrag schon begrifflich nicht verspätet sein könne, und es abgelehnt hat, insoweit die Präklusionsvorschriften im Wege der Rechtsfortbildung durch eine verschärfende analoge Anwendung auch auf den Angriff selbst auszudehnen (Senatsurteil vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b aa). Dementsprechend ist auch der VII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 15. Dezember 1994 (VII ZR 13/94, aaO) davon ausgegangen, dass eine solche auf Verzögerungsgesichtspunkte gestützte Beschränkung als rechtsmissbräuchlich mittelbar die Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte, welche nach dem Gesetz jedoch ausgeschlossen sei. Das Vorgehen des Berufungsgerichts, den im Schriftsatz vom 14. September 2015 vom Kläger gehaltenen Sachvortrag gleichwohl zu übergehen, findet mithin im Gesetz keine Stütze.

21

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 23. April 1986 (VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b bb) - ohne dies nach der dortigen Fallkonstellation abschließend entscheiden zu müssen - erwogen hat, ob neues Vorbringen im Rahmen einer Widerklageerweiterung in Bezug auf das bisherige Vorbringen zur Widerklage und ein damit deckungsgleiches Verteidigungsvorbringen gegen die Klage als rechtsmissbräuchlich behandelt werden könne, hat dies schon nach dem Argumentationszusammenhang nur auf die Frage abgezielt, ob das neue Vorbringen nicht ausnahmsweise auch durch Teilurteil allein zur Klage hätte zurückgewiesen werden können (vgl. MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 109, 111; Gounalakis, MDR 1997, 216, 220). Aber selbst diese Erwägung hätte es in keinem Fall rechtfertigen können, den neuen Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 einschließlich des darin enthaltenen Bestreitens gänzlich unberücksichtigt zu lassen.

22

3. Das angefochtene Urteil beruht auf der dargestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Beweisaufnahme zur Frage der Behandlung der Verlängerungsoption durch die Parteien zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Entsprechendes gilt für die Behandlung der BWA 12/2012, bei der sich zudem auch die Frage gestellt hätte, ob eine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Klägers eine endgültige Klageabweisung insgesamt hätte rechtfertigen können. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).

Dr. Milger                        Dr. Hessel                        Dr. Achilles

                Dr. Schneider                      Dr. Bünger

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen