Urteil vom Bundesgerichtshof (3. Zivilsenat) - III ZR 89/15

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg - 14. Zivilsenat - vom 13. Februar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Auf seine Empfehlung erwarb sie im Jahr 2002 von der S.    H.    GmbH 150 Stammaktien der C.                           AG für 21.465 € einschließlich Agio. Ein Jahr später zeichnete sie 200 Genussscheine an der s.     AG zu einem Preis von 106.000 € einschließlich Agio. Der Beklagte war Geschäftsführer und Vorstand der genannten Gesellschaften. Im April 2005 erklärte die Klägerin die Kündigung ihrer Beteiligung an der s.      AG. Daraufhin zeigte Rechtsanwalt Dr. K.    die Vertretung des Beklagten durch die Anwaltssozietät G.            , A.    , an, und bat, weitere Korrespondenz mit dieser Kanzlei zu führen. Im März 2006 erklärte der anwaltliche Vertreter der Klägerin die Anfechtung und Kündigung der fraglichen Beteiligungen und forderte die Rückzahlung aller Einlagen. Mit Schreiben vom 17. Mai 2006 wies Rechtsanwalt Dr. K.     diese Forderung mit dem Hinweis zurück: "Sollte Ihre Mandantin ein Klageverfahren in Erwägung ziehen, kann unsere Kanzlei als zustellungsbevollmächtigt angegeben werden." Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der s.     AG war im November 2005 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt worden.

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Mit ihrer auf Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung der angelegten Beträge (jeweils einschließlich Agio) gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe seine Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt. Insbesondere habe er sie arglistig getäuscht, sie betrogen und ihr Geld veruntreut; außerdem habe er bewusst versucht, seinen Aufenthalt zu verschleiern.

3

Die am 11. August 2006 bei Gericht eingegangene Klageschrift, der das Anwaltsschreiben vom 17. Mai 2006 in Kopie beigefügt war, hat unter zwei von der Klägerin angegebenen Adressen des Beklagten nicht zugestellt werden können. Der Klägervertreter hat auf Hinweis des Gerichts sodann zwei Mitteilungen des Einwohnermeldeamts vorgelegt und gleichzeitig die öffentliche Zustellung der Klageschrift beantragt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30. Juli 2007 die öffentliche Zustellung der Klageschrift bewilligt, sodann den Beklagten mit Versäumnisurteil antragsgemäß verurteilt und die öffentliche Zustellung dieser Entscheidung angeordnet. Der Beklagte hat erst im Laufe des Kostenfestsetzungsverfahrens im Jahr 2013 Kenntnis von dem gegen ihn geführten Rechtsstreit erhalten und Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen lassen. Daraufhin hat das Landgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht nach Hinweisbeschluss mit dem angefochtenen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils weiter.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

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Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen der behaupteten, ihren Anlageentscheidungen vorausgegangenen fehlerhaften und unvollständigen Angaben des Beklagten verjährt. Die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB seien bereits im Jahre 2004 erfüllt gewesen.

6

Die öffentliche Zustellung der Klageschrift im Jahr 2007 sei unwirksam gewesen und habe deshalb keine Hemmung der Verjährung herbeiführen können. Die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter hätten in den Jahren 2005 und 2006 mit dem anwaltlichen Vertreter des Beklagten korrespondiert. Nach dem im Schreiben vom 17. Mai 2006 enthaltenen Hinweis, eine Klage könne an diese Sozietät zugestellt werden, habe dies nicht unberücksichtigt bleiben und die öffentliche Zustellung weder beantragt noch bewilligt werden dürfen. Die Zustellung der Klage an den Beklagten nicht vor Anfang des Jahres 2013 habe deshalb auch in der Verantwortung der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten gelegen. Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede sei nicht nach § 242 BGB unbeachtlich, weil die Klägerin die öffentliche Zustellung der Klage nicht habe beantragen dürfen.

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Im Übrigen fielen dem Beklagten nicht mehrere Pflichtverletzungen zur Last, die verjährungsrechtlich gesondert zu behandeln seien, sondern eine einheitliche arglistige beziehungsweise betrügerische Verletzungshandlung des Beklagten, die hinsichtlich des Laufs der Verjährungsfrist auch nur einheitlich beurteilt werden könne. Der Klägerin seien auch nicht weitere Beratungsfehler des Beklagten erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geworden. Vielmehr habe sie ab dem Jahr 2013 lediglich Ergänzungen ausführen lassen.

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Letztlich scheide ein Anspruch aus § 852 BGB ebenfalls aus, weil die Klägerin nicht den Beweis geführt habe, dass der Beklagte das von ihr angelegte Geld für sich entnommen habe.

II.

9

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision in einem maßgeblichen Punkt nicht stand.

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1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Verjährung des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs sei wegen der nicht wirksamen öffentlichen Zustellung der Klageschrift nicht gehemmt worden, ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht frei von Rechtsfehlern.

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a) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Zustellung der Klageschrift gemäß den entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung gehemmt. Dabei ist eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - zumindest wenn die Fehlerhaftigkeit der Zustellung für das Gericht erkennbar gewesen ist - jedenfalls in dem Sinne unwirksam, dass sie die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht auslöst und dementsprechend keine Fristen in Lauf setzt (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 321 f; vom 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05, NJW 2007, 303 Rn. 12; vom 4. Juli 2012 - XII ZR 94/10, NJW 2012, 3582 Rn. 19 und vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, NZG 2016, 783 Rn. 33, sowie Beschluss vom 18. November 2013 - AnwZ (B) 3/13, NJW-RR 2014, 377 Rn. 5). Eine (erkennbar) unzulässige öffentliche Zustellung der Klage bewirkt danach keine Hemmung der Verjährung (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2001 aaO, S. 324 f - zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB a.F. - und vom 3. Mai 2016, aaO Rn. 34 mwN). Die mit den Tatbeständen des § 204 BGB verfolgte Warnfunktion wird verfehlt, wenn eine Klage öffentlich zugestellt wird, obwohl der Aufenthaltsort des Beklagten nicht allgemein unbekannt ist und eine Zustellung auf anderem Wege möglich gewesen wäre. Berechtigte Interessen des Gläubigers erfordern es dabei nicht, einer erkennbar unzulässigen öffentlichen Zustellung der Klageschrift verjährungshemmende Wirkung beizumessen; denn es obliegt dem Gläubiger, die erforderlichen Nachforschungen anzustellen und so die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung der Klageschrift zu schaffen (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2001 aaO, S. 325 und vom 3. Mai 2016 aaO Rn. 35).

12

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass die vorgenommene öffentliche Zustellung der Klageschrift unwirksam gewesen ist, weil unabhängig von der Frage, ob der Aufenthaltsort des Beklagten bekannt gewesen ist, eine Zustellung an die Rechtsanwaltssozietät G.             in A.       hätte erfolgen und die Klägerin diese in die Wege hätte leiten können. Eine Zustellung an diese Kanzlei wäre gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 171 ZPO möglich gewesen; denn der damalige anwaltliche Vertreter des Beklagten hatte schon in dem der Klageschrift als Kopie beigefügten Schreiben vom 17. Mai 2006 im Zusammenhang mit den von der Klägerin erhobenen Forderungen mitgeteilt, seine Rechtsanwaltskanzlei könne für ein Klageverfahren als zustellungsbevollmächtigt angegeben werden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. April 2011 - VIII ZR 22/10, NJW-RR 2011, 997 Rn. 13 ff). Daraus war entgegen der Auffassung der Revision zu entnehmen, dass dem eine entsprechende, wenn auch zwangsläufig noch allgemeine, Bevollmächtigung bereits zugrunde lag. Deshalb hätte die Klägerin dies bereits in der Klageschrift berücksichtigen, jedenfalls aber nach zweimaligem Fehlschlagen einer Zustellung an den Beklagten an diese Rechtsanwälte zustellen lassen können. Angesichts dieser Umstände war für die Klägerin und auch das Landgericht erkennbar, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Zustellung noch nicht vorlagen und deshalb eine Hemmung der Verjährung nicht hat eintreten können.

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2. Eine andere Beurteilung könnte sich jedoch nach dem Vortrag der Klägerin ergeben, wonach eine Zustellung an den damaligen Bevollmächtigten des Beklagten nicht möglich gewesen sei. Denn der seinerzeit zuständige Richter R.   habe unmissverständlich erklärt, dies genüge nicht, weil er für die Zulässigkeit der Klage ebenfalls die Adresse des Beklagten benötige; auch nach einem Hinweis auf ein Telefonat mit dem Bevollmächtigten des Beklagten in der Zeit zwischen den beiden Anfragen an das Einwohnermeldeamt am 4. und 11. Juli 2007, bei dem eine ladungsfähige Adresse des Beklagten nicht habe in Erfahrung gebracht werden können, habe der Richter erklärt, damit sei die Anschrift immer noch unbekannt. Mit diesem, von dem Beklagten in Abrede gestellten und mit Beweisantritten versehenen Vorbringen der Klägerin hat sich das Berufungsgericht zu Unrecht nicht auseinandergesetzt.

14

a) Beruht die Unwirksamkeit einer Zustellung auf einer unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht, kann eine Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt in Betracht kommen (vgl. § 206 BGB). Sie greift jedoch nur ein, wenn die verjährungshemmende Wirkung einer Zustellung infolge eines - für den Gläubiger unabwendbaren - gerichtlichen Fehlers nicht eintritt (Senatsurteil vom 29. Juni 1989 - III ZR 92/87, NJW 1990, 176, 178 und BGH, Urteil vom 19. Dezember 2001 aaO S. 326).

15

Auch wenn der Klägerin die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zustellung an die Rechtsanwaltskanzlei erkennbar war, ist vorliegend von einer dementsprechenden Fallgestaltung auszugehen, wenn festgestellt wird, dass das Ausbleiben der Zustellung an den damaligen anwaltlichen Vertreter des Beklagten von der Klägerin nicht zu beeinflussen war und ihr keine mitwirkende Verantwortung für die Unwirksamkeit der öffentlichen Zustellung anzulasten ist.

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b) Die Berufung auf eine für sie unabwendbare Beantragung der öffentlichen Zustellung der Klageschrift aufgrund des Verhaltens des zuständigen Richters setzt aber voraus, dass die Klägerin ihrerseits alles ihr Zumutbare getan hat, um der behaupteten Auffassung des Richters zu entsprechen, trotz des Hinweises auf die Anwaltskanzlei eine zustellungsfähige Adresse des Beklagten herauszufinden. Dieses Erfordernis folgt daraus, dass es im Rahmen des § 185 Nr. 1 ZPO stets Sache der Partei ist, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um so eine wirksame Zustellung bewirken zu können, und ihre gegebenenfalls ergebnislosen Bemühungen im Einzelnen darzulegen. Dabei kann allerdings die Frage, ob der Aufenthaltsort des Beklagten allgemein unbekannt ist, nicht ohne Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2016, aaO Rn. 37, 39).

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c) Zu einem möglichen Mitverantwortungsbeitrag der Klägerin in diesem Sinn und der danach maßgeblichen Frage, ob sie alle gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten genutzt hat, um eine zustellungsfähige Adresse herauszufinden, hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.

18

Nach dem bislang ersichtlichen Sach- und Streitstand ist derzeit lediglich davon auszugehen, dass der Klägervertreter nach zwei vergeblichen Zustellversuchen und nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts eine Anfrage an das Einwohnermeldeamt gerichtet hat, allerdings mit Angabe einer Adresse "J.     85". In der daraufhin erteilten Auskunft ist eine Adresse in I.     angegeben, gleichzeitig aber der Adress-Status mit "Verzogen" bezeichnet worden. Auf eine weitere Anfrage enthält die Auskunft vom 12. Juli 2007 hinsichtlich der Adresse in I.     den Hinweis, der Betroffene habe im Rahmen der automatisierten Suche im Melderegister nicht oder nicht ausreichend identifiziert werden können. Aus diesen Unterlagen und auch aus den von der Klägerin zusätzlich vorgelegten Online-Abfragen (Anlagen C 1 bis C 3), aus denen lediglich die Adresse: "K.        -Str. 82 bzw. 85" in N.      zu entnehmen ist, ging zwar die Zustellbarkeit an eine dieser Adressen nicht hinreichend hervor. Andererseits ist auf der Grundlage der darin enthaltenen Angaben auch nicht erkennbar, dass der Aufenthaltsort des Beklagten bereits allgemein unbekannt gewesen ist.

19

d) Es ist deshalb eine erneute Prüfung der Frage der Verjährung erforderlich, bei der gegebenenfalls nach ergänzendem Vorbringen der Parteien zu untersuchen ist, ob die Klägerin aufgrund weiterer Nachforschungen den Aufenthaltsort des Beklagten hätte ausfindig machen können.

III.

20

Der angefochtene Beschluss war danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

21

Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Revision zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine Veranlassung hat.

Herrmann      

        

Hucke      

        

Tombrink

        

Remmert      

        

Arend      

        

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