Beschluss vom Bundesgerichtshof (9. Zivilsenat) - IX ZB 63/16

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 12. Juli 2016 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.293,76 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Über das Vermögen des Schuldners wurde am 21. Mai 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der weitere Beteiligte zu 2 wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner bezieht jeweils monatlich eine "ordentliche Altersrente" von der S.                            in Höhe von 205 CHF sowie eine Altersrente der weiteren Beteiligten zu 1 in Höhe von 1.204,32 €.

2

Auf Antrag des weiteren Beteiligten zu 2 hat das Insolvenzgericht die Zusammenrechnung der beiden Renten mit der Maßgabe angeordnet, dass der unpfändbare Grundbetrag zunächst der Rente der S.                          zu entnehmen sei. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die weitere Beteiligte zu 1 weiterhin die Ablehnung des Antrags auf Zusammenrechnung der Renten erreichen.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das Insolvenzgericht könne gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850e Nr. 2a ZPO auf Antrag die Zusammenrechnung mehrerer Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch anordnen, soweit diese der Pfändung unterworfen seien. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für ausländische Renten. Die Altersrente des Schweizer Rententrägers sei zwar nach den einschlägigen Vorschriften des Schweizer Rechts unpfändbar. Sie falle jedoch nach dem insolvenzrechtlichen Universalitätsprinzip in die Insolvenzmasse. Die Frage ihrer Pfändbarkeit sei folglich nach dem Recht des Staates des Insolvenzverfahrens zu beurteilen (lex fori concursus; § 335 InsO). Die Vorschrift des § 850e ZPO, die nur über die Verweisung gemäß § 36 InsO Anwendung finde, sei dem Insolvenzrecht zuzuordnen und damit anwendbar. In ausländische Hoheitsrechte werde nicht eingegriffen, weil der pfändbare Betrag der inländischen Rente entnommen werde, eine Vollstreckung im Ausland also nicht erforderlich sei.

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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

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a) Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist die Vorschrift des § 850e Nr. 2a ZPO, nach welcher Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch auf Antrag zusammengerechnet werden, im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar. Entsprechend § 850e Nr. 2, Nr. 2a ZPO werden auch Ansprüche auf unterschiedliche laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammengerechnet, soweit sie pfändbar sind (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2016 - IX ZB 66/15, WM 2016, 2317 Rn. 6). Antragsberechtigt ist der Insolvenzverwalter; zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist das Insolvenzgericht (§ 36 Abs. 4 InsO). Der Drittschuldner, der aufgrund der Entscheidung des Insolvenzgerichts pfändbare Beträge an den Insolvenzverwalter abzuführen hat, kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde und Rechtsbeschwerde einlegen (BGH, Beschluss vom 18. September 2014 - IX ZB 68/13, WM 2014, 2094 Rn. 6).

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b) Die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung gemäß oder entsprechend § 850e Nr. 2a ZPO sind erfüllt.

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aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, können bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens ausländische gesetzliche Renten mit inländischen gesetzlichen Renten zusammengerechnet werden (BGH, Beschluss vom 18. September 2014 - IX ZB 68/13, WM 2014, 2094 Rn. 12 ff). Dies gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung allerdings nur für solche Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die grundsätzlich der Pfändung unterworfen sind. Sowohl § 850e Nr. 2a ZPO als auch § 54 Abs. 4 SGB I schließen es aus, unpfändbare Ansprüche zusammenzurechnen (BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 20/05, WM 2005, 1369, 1370).

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bb) Außerhalb eines Insolvenzverfahrens richtet sich die Pfändbarkeit eines Gegenstandes nach dem Recht des Ortes, an welchem sich der Gegenstand befindet und an welchem die Zwangsvollstreckung betrieben werden müsste (lex loci executionis). Eine Forderung ist beim Drittschuldner belegen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - IX ZR 130/10, WM 2013, 333 Rn. 18 mwN). Ob die Rente, welche der Schuldner von der S.                    erhält, pfändbar ist, wäre außerhalb eines Insolvenzverfahrens nach Schweizer Recht zu beurteilen. Gemäß Art. 92 Abs. 1 Nr. 9a des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) vom 11. April 1889 sind Altersrenten nach Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20. Dezember 1946 der Zwangsvollstreckung entzogen (vgl. hierzu BGE 134 III S. 608, 611 f). Das gilt auch für diejenigen Gläubiger eines Rentenempfängers, deren Forderungen nicht dem Schweizer Recht unterfallen.

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cc) Ist im Inland ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Forderungsgläubigers eröffnet worden, gelten jedoch nicht die Pfändungsschutzvorschriften des Vollstreckungsstaates, sondern diejenigen des deutschen Rechts.

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(1) Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Diese Vorschrift bildet die Grundnorm des deutschen Internationalen Insolvenzrechts. Sowohl für das Verfahrensrecht als auch für die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzrechts gilt grundsätzlich das Recht desjenigen Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Dieser Ansatz liegt auch Art. 4 EuInsVO a.F. (seit dem 26. Juni 2017: Art. 7 EuInsVO) zugrunde. Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003 (BGBl. I S. 345), mit welchem die Vorschrift des § 335 InsO in die Insolvenzordnung eingefügt wurde, hat im Interesse einer möglichst prägnanten Regelung davon abgesehen, die in Art. 4 EuInsVO a.F. genannten Beispiele in die Vorschrift des § 335 InsO aufzunehmen; als Interpretationshilfe sollen die Beispiele jedoch herangezogen werden können (BT-Drucks. 15/16, S. 18 zu § 335).

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(2) Ob die Vorschriften über die Pfändbarkeit von Vermögensgegenständen einschließlich der Pfändungsschutzvorschriften die Wirkungen des Insolvenzverfahrens betreffen und damit dem Insolvenzstatut unterfallen, ist umstritten.

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Die veröffentlichte instanzgerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das LG Traunstein (NZI 2009, 818), das LG Passau (NZI 2014, 1019), das LG Stendal (ZVI 2014, 70) und das LG Hamburg (ZVI 2017, 163,164) haben das Insolvenzstatut für maßgeblich gehalten, während das AG Passau (NZI 2009, 820), das AG München (NZI 2010, 664) und das LG München (IPRspr 2010 Nr. 343b) das Recht des Vollstreckungsstaates angewandt haben. Auch in der Kommentar- und Aufsatzliteratur sind die Ansichten geteilt. Eine selbständige Anknüpfung der Frage der Pfändbarkeit befürworten Andres/Leithaus/Dahl, InsO, 3. Aufl., § 335 Rn. 11; Braun/Tashiro, InsO, 7. Aufl., Art. 7 EuInsVO 2017 Rn. 17; Haas in Festschrift für Gerhardt, S. 319, 324 ff, HambKomm-InsO/Undritz, 6. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 6; HK-InsO/Dornblüth, 8. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 5; Kemper in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2010, Art. 4EuInsVO Rn. 11; Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO 2013, § 335 Rn. 31; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 14. Aufl., § 335 Rn. 14. Für eine Geltung des Insolvenzstatuts haben sich FK-InsO/Wenner/Schuster, 8. Aufl., § 335 Rn. 12; Art. 4 EuInsVO Rn. 6; Gottwald/Kolmann/Keller, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 132 Rn. 45 f; Hergenröder, DZWiR 2009, 309, 316 f; K. Schmidt/Brinkmann, InsO, 19. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 21; Mankowski, NZI 2009, 785, 786 ff; Mankowski, NZI 2014, 1020; Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 13 EuInsVO 2017 Rn. 23 f; Martini, jurisPR-InsR 16/2009, Anm. 4; Müller in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35; MünchKomm-BGB/Kindler, 6. Aufl., Art. 4 EuInsVO Rn. 18, Art. 18 EuInsVO Rn. 13; MünchKomm-InsO/Reinhart, 3. Aufl., § 335 Rn. 45; MünchKomm-InsO/Thole, 3. Aufl., Art. 18 EuInsVO 2000 Rn. 20; Oberer, ZVI 2009, 49, 53; Pannen/Riedemann, EuInsVO, Art. 4 Rn. 44; Paulick/Simon, ZInsO 2009, 1933, 1936 ff; Paulus, NZI 2001, 505, 510; Riegel, Grenzüberschreitende Konkurswirkungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Belgien und den Niederlanden, 1991, S. 177 f; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, S. 134 ff; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kap. 20 Rn. 291; Wipperfürth, ZVI 2012, 367 ausgesprochen.

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Der Senat hat sich mit der Frage, welches Recht im Rahmen des § 335 InsO und des Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO a.F. über die Pfändbarkeit bestimmt, noch nicht befasst. Das Urteil vom 30. April 1992 (IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151, 159) hat unter der Geltung der Konkursordnung ohne nähere Begründung das Recht des Vollstreckungsstaates für maßgeblich gehalten. Der Beschluss vom 5. Juni 2012 (IX ZB 31/10, WM 2012, 1444 Rn. 4 f), in welchem es um die Massezugehörigkeit von in der Schweiz erzieltem Arbeitseinkommen ging, verhält sich nicht ausdrücklich über das insoweit anwendbare Recht, bezeichnet jedoch die Entscheidung des Beschwerdegerichts, welches deutsche Pfändungsschutzvorschriften angewandt hat, als im Ergebnis richtig. Im Urteil vom 20. Dezember 2012 (IX ZR 130/10, WM 2013, 333 Rn. 17 f) heißt es demgegenüber, die Frage der Pfändbarkeit einer Rente sei nach dem Recht des Vollstreckungslandes zu beurteilen. Da das Insolvenzverfahren im Inland eröffnet worden war und der Drittschuldner im Inland ansässig war, kam es auf die selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorschriften über die Pfändbarkeit einer Forderung nicht entscheidend an. Der Beschluss vom 18. September 2014 (IX ZB 68/13, WM 2014, 2094 Rn. 24 f) erklärt die Zusammenrechnung einer inländischen und einer ausländischen Rente für zulässig, wenn die ausländische Rente ihrem Grundsatz nach pfändbar ist. Da die in Frage stehende österreichische Rente nach österreichischem Recht pfändbar war, war die Frage der selbständigen oder unselbständigen Anknüpfung ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

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(3) Der Senat entscheidet die aufgeworfene Frage nach dem anwendbaren Recht dahin, dass gemäß § 335 InsO, Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO a.F. das Insolvenzstatut gilt.

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Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus § 335 InsO, bei dessen Auslegung die Beispiele des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO a.F. ergänzend herangezogen werden können. Gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO a.F. regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, welche Vermögenswerte zur Masse gehören. Das Insolvenzstatut bestimmt also den Umfang und die Grenzen der Insolvenzmasse. Insolvenzstatut ist hier das deutsche (Sach-)Recht. Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Ausgenommen sind gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nur solche Gegenstände, die nicht der Masse unterliegen. Wegen der Einzelheiten verweist die Insolvenzordnung unter anderem auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen, darunter diejenige des § 850e Nr. 2 ZPO. Die genannten Vorschriften bestimmen damit den Umfang der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögenswerte.

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Weder die Insolvenzordnung noch die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000 (seit dem 26. Juni 2017: Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. L 141 vom 5. Juni 2015, S. 19) enthalten spezielle Vorschriften über den Pfändungsschutz. Insbesondere erfasst die Vorschrift des Art. 18 Abs. 3 EuInsVO a.F. (jetzt: Art. 21 Abs. 3 EuInsVO) nicht die nationalen Pfändungsvorschriften. Gemäß Art. 18 Abs. 3 EuInsVO a.F. richtet sich die Art und Weise der Verwertung nach dem Recht des Staates, in welchem der jeweilige Vermögensgegenstand belegen ist. Geregelt ist das "Wie" der Verwertung. Der Pfändungsschutz betrifft die hiervon zu unterscheidende Frage, ob ein Vermögensgegenstand verwertet werden darf. Das "Ob" der Verwertung ist in Art. 18 Abs. 3 EuInsVO a.F. nicht geregelt (Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 13 EuInsVO 2017 Rn. 23 f; Müller in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35; MünchKomm-BGB/Kindler, 6. Aufl., Art. 18 EuInsVO Rn. 13).

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(4) Die Geltung des Insolvenzstatuts wird dem Sinn der Pfändungsschutzvorschriften einerseits, demjenigen des Insolvenzrechts andererseits am ehesten gerecht. Das deutsche Insolvenzrecht folgt dem Universalitätsprinzip. Es dient der gemeinsamen Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch Verwertung des Vermögens des Insolvenzschuldners (§ 1 Satz 1 InsO) und bestimmt daher auch die Grenzen, innerhalb derer sich die Verwertung zu bewegen hat. Diese Grenzen entsprechen im Wesentlichen denjenigen, welche die Zivilprozessordnung der Pfändung von Arbeitseinkommen setzt. Nach dem Schutzgedanken des Sozialstaatsprinzips muss dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, mindestens ein Betrag verbleiben, der ihm und gegebenenfalls seiner Familie ein menschenwürdiges Leben ermöglicht (vgl. etwa die Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 28. Juni 1977, BT-Drucks. 8/693, S. 45). In der Einzel- wie in der Gesamtvollstreckung sind dem Vollstreckungs- oder Insolvenzschuldner und dessen Familie die Mittel für ein menschenwürdiges Leben zu belassen. Regelungstechnisch hat die Insolvenzordnung dieses Ziel durch eine Verweisung auf bestimmte (nicht alle) Pfändungsschutzvorschriften der Zivilprozessordnung verwirklicht (§ 36 InsO). Da das Insolvenzverfahren am Ort des allgemeinen Gerichtsstands des Schuldners (§ 3 InsO), gegebenenfalls am Ort des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen des Schuldners (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO a.F., Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO) eröffnet wird, wird dieses Ziel in der Regel auch erreicht. Der in Deutschland wohnhafte Schuldner genießt den Schutz der inländischen Pfändungsschutzvorschriften, die den hiesigen Verhältnissen Rechnung tragen (vgl. etwa LG Traunstein, NZI 2009, 818, 819; Hergenröder, DZWiR 2009, 309, 316 f; Mankowski, NZI 2009, 785, 787; Martini, jurisPR-InsR 16/2009, Anm. 4; Müller in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO 2015, Art. 21 EuInsVO 2017 Rn. 35).

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Für die Pfändungsschutzvorschriften anderer Länder und Rechtsordnungen gilt dies nicht unbedingt. Sie setzen die Verhältnisse ihres jeweils eigenen Landes voraus, können also - bezogen auf den abweichenden Wohnsitz des Insolvenzschuldners - unangemessen hoch oder unangemessen niedrig sein. Die Sicherung des Mindesteinkommens eines Insolvenzschuldners kann überdies im Insolvenzverfahren anders als im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung geregelt sein. Schon das deutsche Insolvenzrecht verweist in § 36 Abs. 1 InsO nur auf ausgewählte Vollstreckungsschutzvorschriften. § 36 Abs. 2 InsO ordnet ausdrücklich an, dass die von der Einzelpfändung ausgenommenen Geschäftsbücher des Schuldners sowie die außerhalb des Insolvenzverfahrens ebenfalls unpfändbaren zum Betrieb einer Landwirtschaft erforderlichen Gegenstände nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Masse gehören. Bei isolierter Anknüpfung an deutsche Zwangsvollstreckungsvorschriften im Rahmen eines ausländischen Insolvenzverfahrens käme diese Besonderheit, für die es gute Gründe gibt, nicht zum Tragen. Ausländische Rechtsordnungen können ähnliche Abweichungen enthalten. Die isolierte Anwendung des Rechts der Einzelzwangsvollstreckung würde dann den Schuldner begünstigen und die Gläubiger benachteiligen.

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Der notwendige Schutz des Insolvenzschuldners vor einem übermäßigen Zugriff seiner Gläubiger braucht schließlich nicht notwendig durch den Verweis auf die Pfändungsschutzvorschriften des Rechts der Einzelzwangsvollstreckung geregelt zu werden. Das ausländische Sachrecht kann im Insolvenzverfahren die vollständige Beschlagnahme von Arbeitseinkommen zulassen, dem Schuldner aber einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt aus der Masse zubilligen (vgl. Riegel, Grenzüberschreitende Konkurswirkungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Belgien und den Niederlanden, 1991, S. 178). In einem solchen Fall könnte die Einzelanknüpfung des Pfändungsschutzes dazu führen, dass dem Schuldner nach dem Vollstreckungsstatut kein pfändungsfreies Einkommen verbleibt, er nach dem Insolvenzstatut aber auch keinen Unterhaltsanspruch gegen die Masse hat. Die Anwendung des deutschen Sachrechts auf den Pfändungsschutz garantiert einen in sich stimmigen Schuldnerschutz und ermöglicht zugleich den Gläubigern den Zugriff auf die nicht geschützten Vermögenswerte des Schuldners.

21

(5) Praktische Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens stellen sich unabhängig von der Frage des anwendbaren Rechts. Gegen die Geltung des Insolvenzstatuts wird insbesondere eingewandt, dass die Pfändung im Ausland nur nach den Vorschriften des Vollstreckungsstaates durchgeführt werden kann, dass der Verwalter also eine nach dem Recht des Vollstreckungsstaates unpfändbare Forderung rein tatsächlich gar nicht zur Masse ziehen kann. Dieser Einwand ist berechtigt. Er spricht aber nicht zwingend gegen die Geltung des Insolvenzstatuts, denn dem Verwalter bleibt jedenfalls die Möglichkeit, den Schuldner zur Auskehrung des nach dem Insolvenzstatut pfändbaren Teils der Forderung anzuhalten. Geht es nur um die Berechnung des pfändbaren Teils der Forderung, welcher im Vollstreckungsstaat von demjenigen des Eröffnungsstaates differieren kann, ist es Sache des Verwalters, dem ausländischen Drittschuldner die nach dem Insolvenzstatut pfändbaren Beträge mitzuteilen (LG Traunstein, NZI 2009, 818, 819). Darüber hinaus führte auch die Anwendung der jeweiligen lex loci executionis zu Problemen. Wäre das Recht des jeweiligen Vollstreckungsstaates anwendbar, müsste der Verwalter nämlich die Pfändungsschutzvorschriften sämtlicher Staaten prüfen, in welchem Vermögen des Insolvenzschuldners belegen ist (Mankowski, NZI 2009, 785, 787; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 9. Aufl., Kap. 20 Rn. 291). Im vorliegenden Fall stellen sich alle diese Probleme nicht. Die Schweizer Rente stellt nur eine Rechengröße dar. Das Insolvenzgericht hat angeordnet, dass der unpfändbare Grundbetrag der Schweizer Rente zu entnehmen ist. Er übersteigt die Rente, welche der Schuldner bezieht. Zahlungen hat nur die weitere Beteiligte zu 1 zu leisten. Nachdem der Schweizer Rententräger es abgelehnt hat, einem aus seiner Sicht unbeteiligten Dritten Auskunft über die Höhe der jeweils gezahlten Rente zu erteilen, ist es Sache des Verwalters und des Schuldners, die jeweils aktuellen Zahlen an die weitere Beteiligte zu 1 zu übermitteln.

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