Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Strafsenat) - 3 StR 132/18

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 20. November 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und eine Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen getroffen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensbeanstandung Erfolg.

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1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte als gerichtlich bestellter Betreuer für eine Vielzahl von Betreuten tätig. Betreuungen, die den Aufgabenkreis der Vermögenssorge umfassten, führte er unter anderem für       Ru.    ,     K.   sowie    S.     , die an einer dementiellen Erkrankung litten. Um an einen Teil ihres Vermögens zu gelangen, veranlasste der Angeklagte sie, jeweils ein notarielles Testament zu errichten, mit dem er zum Testamentsvollstrecker ernannt und eine Vergütung für diese Tätigkeit festgelegt wurde, obwohl kein sachlicher Grund für die Anordnung der Testamentsvollstreckung bestand. Die drei betreuten Frauen waren testierunfähig, was der Angeklagte erkannte bzw. für möglich hielt und bewusst ausnutzte. Im Anschluss an die Beurkundung der letztwilligen Verfügung bezahlte er stets aus dem Vermögen der Betreuten die Kostenrechnung des Notars. Nach deren Tod entnahm er, wie in den Testamenten vorgesehen, dem jeweiligen Nachlass der Verstorbenen die Testamentsvollstreckervergütung.

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2. Das Urteil unterliegt der Aufhebung. Der Beschwerdeführer hat zu Recht beanstandet, die Urteilsgründe stünden in Widerspruch zu einem Beschluss, mit dem die Strafkammer einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt hat (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO).

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a) Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass neun weitere (namentlich benannte) Personen, für die der Angeklagte ebenfalls als gerichtlich bestellter Betreuer tätig gewesen sei, zu den (konkret datierten) Zeitpunkten, als sie ihre notariellen Testamente errichtet hätten, nicht testierunfähig gewesen seien. Zur Begründung des Antrags hat der Verteidiger vorgebracht, in diesen neun Fällen habe die Ernennung des Angeklagten zum Testamentsvollstrecker dem rechtlich beachtlichen Willen der jeweiligen betreuten Person entsprochen. Beweisziel sei der Nachweis der Tatsache, dass sich der Angeklagte nicht unrechtmäßig von einer Vielzahl vormals von ihm Betreuter als Testamentsvollstrecker habe einsetzen lassen.

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Die Strafkammer hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Beweistatsache sei für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung, weil die Beweisbehauptung selbst im Fall der Erwiesenheit die Entscheidung nicht zu beeinflussen vermöge. Eine Einflussnahme des Angeklagten auf die Testamentserrichtung der im Antrag benannten Personen sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

6

b) In den Urteilsgründen hat die Strafkammer der im Ablehnungsbeschluss als unerheblich bezeichneten Beweistatsache Bedeutung beigemessen und sich somit hierzu in Widerspruch gesetzt (s. dazu BGH, Beschlüsse vom 27. November 2012 - 5 StR 426/12, juris Rn. 5; vom 29. April 2014 - 3 StR 436/13, NStZ 2015, 179; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 227).

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Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch darauf gestützt, dass - über die drei verfahrensgegenständlichen Fälle hinaus - im tatrelevanten Zeitraum mindestens neun weitere Fälle mit im Kern übereinstimmenden Geschehensabläufen belegt seien. Diese Fälle, in denen ausweislich der Urteilsgründe der Angeklagte ebenfalls von wegen geistiger Einschränkungen unter Betreuung Stehenden mit notariellem Testament zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde, betreffen eben die in dem Beweisantrag benannten Personen (s. UA S. 46 ff.). In diesem Zusammenhang führt das Urteil aus, der Angeklagte habe die Betreuten zur Testamentserrichtung "in Ausnutzung ihrer aufgehobenen Einsichtsfähigkeit bewegt" (UA S. 48). Das lässt sich mit einer noch vorhandenen Testierfähigkeit, wie sie der Ablehnungsbeschluss unterstellt hat, nicht in Einklang bringen.

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Hiernach ist dem Generalbundesanwalt nicht darin zu folgen, dass die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich "den äußeren Ablauf der Beurkundungen bei den übrigen neun Betreuten als Indiz hinsichtlich des Zustandekommens der verfahrensgegenständlichen Testamente und des Ablaufs der Beurkundungen verwertet" habe, jedoch davon ausgegangen sei, nur in den drei abgeurteilten Fällen seien die Betreuten "zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig" gewesen (Antragsschrift S. 4 f.). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, inwieweit die Strafkammer mit Blick auf das im Beweisantrag angegebene Beweisziel gehalten gewesen wäre, bereits im Ablehnungsbeschluss solche - für sich gesehen nicht zu beanstandende - Erwägungen mitzuteilen (zu den grundsätzlich geltenden Anforderungen an die Begründung der Bedeutungslosigkeit s. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 3 StR 193/16, NStZ-RR 2017, 119; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 225 f.).

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c) Auf dem aufgezeigten Fehler beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Strafkammer nicht von den drei dem Angeklagten vorgeworfenen Untreuetaten überzeugt hätte, wenn sie unberücksichtigt gelassen hätte, dass neun weitere Fälle mit im Kern übereinstimmenden Geschehensabläufen belegt seien. Dass die Strafkammer diese Fälle nur ergänzend herangezogen, indes ihre Überzeugung bereits unabhängig von ihnen gewonnen hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht sicher entnehmen.

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3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Diesbezüglich weist der Senat auf das Folgende hin:

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a) Sollte sich die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut von den - nach der Teileröffnung des Hauptverfahrens verbliebenen - Tatvorwürfen überzeugen, wird sie die entsprechenden Feststellungen abweichend vom Erstgericht zu bewerten haben. Insoweit hätte zu gelten:

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aa) Den Betreuten Ru.    , K.   und S.     entstand allein durch die jeweilige Testamentserrichtung - wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend gemacht hat - kein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB.

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Veranlasst ein vermögensfürsorgepflichtiger gesetzlicher Betreuer (§§ 1896 ff. BGB) eine von ihm betreute testierunfähige Person, ihn testamentarisch zu begünstigen, so liegt darin - entgegen dem Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Februar 2013 (1 Ws 54/13, NStZ-RR 2013, 176, 177), an dem sich das Erstgericht augenscheinlich orientiert hat - noch kein Gefährdungsschaden: Solange die betreute Person lebt, ist durch das Testament der Wert ihres Vermögens nicht geschmälert. Dass sie infolge Testierunfähigkeit über ihr Vermögen nicht anderweitig letztwillig verfügen kann, berührt allein ihre Dispositionsfreiheit. Für den rechtmäßigen Erben besteht zwar im Erbfall die Gefahr, dass er durch das Testament, sollte es zu Unrecht als wirksam erachtet werden, des Nachlasses ganz oder teilweise verlustig geht; das betrifft indes lediglich eine ungesicherte Aussicht, der ebenfalls kein Vermögenswert zukommt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18. September 1998 - 2 Ss 400/98, NJW 1999, 1564, 1566; ferner Kudlich, JA 2013, 710, 711 f.; S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 45b). Überdies ist zu Lebzeiten der betreuten Person der Betreuer dem Erben gegenüber nicht vermögensfürsorgepflichtig.

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bb) Allerdings erlitten nach dem Tod der drei betreuten Frauen deren - gesetzliche oder anderweitig letztwillig eingesetzte - Erben jeweils dadurch einen Vermögensnachteil, dass der Angeklagte unter Zugrundelegung der Anordnungen im unwirksamen Testament die Testamentsvollstreckervergütung vereinnahmte; im Erbfall war der Angeklagte auch den Rechtsnachfolgern gegenüber vermögensfürsorgepflichtig.

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Die gesetzliche Betreuung wirkt über den Tod der betreuten Person hinaus. Die Abwicklung des Betreuungsverhältnisses mit deren Erben gehört noch zu dem von der Vermögensfürsorgepflicht umfassten Tätigkeitsbereich; sie ist als Teil der Tätigkeit anzusehen, zu der der Betreuer zuvor bestellt war (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2013 - 4 StR 255/13, NStZ-RR 2013, 344, 345; NK-StGB-Kindhäuser, 5. Aufl., § 266 Rn. 39). In diesem Umfang besteht nach dem Tod der betreuten Person die Vermögensfürsorgepflicht des Betreuers gegenüber dem Erben als ihrem Rechtsnachfolger fort; sie umfasst nach § 1908i i.V.m. § 1890 BGB die Rechnungslegung und Vermögensherausgabe (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18. September 1998 - 2 Ss 400/98, aaO; ferner Thomas, NStZ 1999, 622, 624; BeckOGK BGB/Fröschle, § 1908i Rn. 127 f.).

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cc) Soweit der Angeklagte die Kostenrechnungen des Notars zu Lebzeiten der drei betreuten Frauen beglich, traten bei diesen zwar ebenfalls Vermögensschäden ein. Diesbezüglich mangelt es jedoch zum einen an den Verfahrensvoraussetzungen einer Anklageerhebung (§ 200 Abs. 1 Satz 1, § 264 Abs. 1 StPO) sowie eines Eröffnungsbeschlusses (§ 203 StPO); zum anderen besteht das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 StGB).

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Die Zahlungen auf die notariellen Kostenrechnungen sind gegenüber der jeweiligen pflichtwidrigen Vereinnahmung der Testamentsvollstreckervergütung prozessual (wie materiellrechtlich) selbständig. Indem der Angeklagte die betreuten Frauen trotz deren Testierunfähigkeit zur Errichtung des ihn zum Testamentsvollstrecker ernennenden Testaments veranlasste, die den Gebührenanspruch des Notars begründete, bereitete er zwar zugleich die jeweilige spätere Vereinnahmung der Vergütung nach dem Erbfall vor. Allein diese teilidentische Handlung im Vorfeld einer jeden Tat bewirkt indes keine prozessuale Tatidentität.

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Die Anklage umfasst hinsichtlich der Betreuten Ru.     , K.   und S.     nicht die jeweilige Begleichung der Kostenrechnung. Die Staatsanwaltschaft hat ihren Verfolgungswillen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 12. Juni 2015 (S. 61) ausdrücklich dahin klargestellt, dass dem Angeklagten insoweit allein die Entnahme der Testamentsvollstreckungsvergütung aus dem Vermögen zur Last gelegt werde. Dies deckt sich mit den Tatschilderungen im Anklagesatz; dort sind ausschließlich die Daten der Kontoabhebungen in Fettdruck hervorgehoben, mittels derer der Angeklagte nach dem Tod der Betreuten die Testamentsvollstreckervergütungen vereinnahmte (S. 7, 9, 16); die jeweilige Begleichung der Kostenrechnung wird nur beiläufig erwähnt (zur Bestimmung des Verfolgungswillens der Staatsanwaltschaft s. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, StV 2018, 103, 104 mwN).

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Verfolgungsverjährung ist für die Zahlungen auf die den drei betreuten Frauen gestellten Kostenrechnungen eingetreten, weil diese Taten mit dem jeweiligen Abfluss des Geldbetrages aus ihrem Vermögen im Januar 2004, April 2005 sowie August 2006 beendet waren (§ 78a StGB) und somit die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) bereits verstrichen war, bevor sie mit dem Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vom 9. September 2012 durch das Amtsgericht Hannover erstmals hätte unterbrochen werden können (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

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b) Für eine Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue zum Nachteil der Rechtsnachfolger der Betreuten Ru.     , K.   und S.     ist nach alledem im Kern die tatrichterliche Überzeugung erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Angeklagte bewusst dem jeweiligen Nachlass die Testamentsvollstreckervergütung entnahm, obwohl, was er zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, das notarielle Testament infolge Testierunfähigkeit der letztwillig Verfügenden unwirksam war. Es bedarf nicht notwendig konkreter Feststellungen dazu, wo, wann und in welcher Form der Angeklagte auf die Betreuten einwirkte, um seine Ernennung zum Testamentsvollstrecker zu erreichen, und wie sich anschließend der Ablauf der notariellen Beurkundungen gestaltete. Demgegenüber hat das Erstgericht - offensichtlich mit Blick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 13. Februar 2013 (1 Ws 54/13, NStZ-RR 2013, 176, 177) - darin, dass solche Einzelheiten durch Zeugenaussagen nicht haben ermittelt werden können, ein Beweisdefizit gesehen, das einem "konträren Sich-Gegenüberstehen von ... Aussage gegen Einlassung" gleichstehe und aufgrund dessen der Tatnachweis ein "Hinzutreten weiterer (fest)stehender Umstände" voraussetze (UA S. 46). Diese Beurteilung ist in Anbetracht der - oben unter 3. a) bb) dargelegten - den Straftatbestand des § 266 Abs. 1 StGB ausfüllenden Umstände bereits im materiellrechtlichen Ausgangspunkt unzutreffend.

Becker     

        

Gericke     

        

Tiemann

        

Berg     

        

Hoch     

        

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