Urteil vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZR 143/19

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Juni 2019 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 8. August 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte stellt unter anderem das vorverpackte Lebensmittel "Dr. O.   Vitalis Knuspermüsli Schoko + Keks" her und vertreibt dieses in einer quaderförmigen Kartonverpackung. Eine der Schmalseiten der Verpackung enthält unter der Überschrift "Nährwertinformation" Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz, und zwar zum einen bezogen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs und zum anderen auf eine Portion des zubereiteten Lebensmittels, bestehend aus 40 Gramm dieses Produkts und 60 Milliliter Milch mit einem Fettgehalt von 1,5%. Auf der Vorderseite der Verpackung werden die Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz einer solchen Portion des zubereiteten Lebensmittels wiederholt, wobei zusätzlich noch das Gewicht einer solchen Portion mit 100 Gramm angegeben ist.

2

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Nach seiner Auffassung verstößt die Aufmachung des Produkts der Beklagten dadurch gegen die Lebensmittelinformationsverordnung, dass auf der Vorderseite der Verpackung der Brennwert nicht bezogen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs, sondern bezogen auf 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels angegeben ist. Die weiteren auf der Vorderseite der Verpackung vorhandenen Nährwertinformationen beanstandet der Kläger nicht.

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Nach erfolgloser Abmahnung hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen für Vitalis Müsli wie in der [nachstehend wiedergegebenen] Anlage K 2 abgebildet mit Nährwertinformationen pro Portion zu werben bzw. werben zu lassen, ohne zusätzlich den Brennwert bezogen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs, das heißt des nicht zubereiteten Produkts, anzugeben.

Abbildung

5

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Bielefeld, LMuR 2018, 247 = LRE 76, 445). Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Hamm, LMuR 2019, 222 = LRE 78, 257). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise, ihr eine Aufbrauchfrist zu gewähren, nach der sie bereits produzierte Packungen mit der angegriffenen Kennzeichnung, die sie bis zum 30. Juni 2022 an den Einzelhandel vertreibt, nicht zurückrufen muss.

6

Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (ABl. L 304 vom 22. November 2004, S. 18; im Weiteren: Lebensmittelinformationsverordnung - LMIV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZR 143/19, GRUR 2020, 1101 = WRP 2020, 1570 - Knuspermüsli I):

1. Ist Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV dahin auszulegen, dass diese Regelung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist?

2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Meint die Wortfolge "je 100 g" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV allein 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder aber - zumindest auch - 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels?

7

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Fragen wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 11. November 2021 - C-388/20, GRUR 2021, 1550 = WRP 2022, 40 - Dr. August Oetker Nahrungsmittel):

Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist.

Entscheidungsgründe

8

A. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch als nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG begründet angesehen und dem Kläger daher auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Abmahnkosten zugesprochen. Es hat hierzu ausgeführt:

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Als Grundlage für eine Verpflichtung der Beklagten, auf der Vorderseite der Verpackung des Produkts außer den bereits vorhandenen Nährwertangaben zusätzlich den Brennwert bezogen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs anzugeben, komme allein Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV in Betracht. Bei den Angaben auf der Vorderseite (Schauseite) der Verpackung handele es sich um wiederholende Angaben im Sinne von Art. 30 Abs. 3 Buchst. b LMIV. Soweit Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV insoweit für den Fall, dass die Nährstoffmengen und der Brennwert lediglich je Portion ausgedrückt würden, verlange, den Brennwert (zusätzlich) auch je 100 Gramm auszudrücken, sei mit der Wortfolge "je 100 g" das zubereitete Lebensmittel gemeint. Da die von der Beklagten auf der Vorderseite der Verpackung dargestellte Portion zugleich ein Gewicht von 100 Gramm aufweise, sei den Anforderungen der Vorschrift genügt.

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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Dem zur Geltendmachung befugten Kläger (dazu B I) stehen ein Unterlassungsanspruch (dazu B II) sowie ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten (dazu B III) zu.

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I. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zur Geltendmachung der streitgegenst8;ndlichen Anspr2;che befugt.

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1. Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis. Die Klagebefugnis muss als Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung bestanden haben (st. Rspr. zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - I ZR 35/21, GRUR 2022, 490 Rn. 20 = WRP 2022, 441 - Influencer III, mwN) und auch im Revisionsverfahren noch fortbestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2020 - I ZR 186/17, GRUR 2020, 896 Rn. 32 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum, mwN). Die Frage, ob die Voraussetzungen der Klagebefugnis erfüllt sind, ist deshalb vom Revisionsgericht ohne Bindung an die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu prüfen. Das Revisionsgericht hat selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Klagebefugnis erfüllt sind; es kann sich hierbei des Freibeweises bedienen (zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vgl. BGH, GRUR 2022, 490 Rn. 20 - Influencer III; zu § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG vgl. BGH, GRUR 2020, 896 Rn. 32 - App-Zentrum).

13

2. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist nach Erlass des Berufungsurteils durch das Gesetz zur St8;rkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2568) mit Wirkung vom 1. Dezember 2021 geändert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht, weil sowohl nach der alten als auch der neuen Fassung des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG die Ansprüche den qualifizierten Einrichtungen zustehen, die in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen sind.

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14

§ 4 UKlaG ist durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I S. 2568) mit Wirkung vom 2. Dezember 2020 geändert worden. Diese Änderungen wirken sich im Streitfall nicht aus. Dass der Kläger gemäß dem im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung geltenden § 4 UKlaG aF in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen war, hat das Berufungsgericht festgestellt und wird von der Revisionserwiderung nicht in Abrede gestellt. Dass er auch gegenwärtig in die Liste nach § 4 UKlaG nF eingetragen ist, ergibt sich aus der gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG nF vom Bundesamt für Justiz auf seiner Internetseite veröffentlichten Liste.

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II. Dem Kläger steht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.

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1. Die Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten ist nicht nach § 3a UWG, sondern nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG zu beurteilen.

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a) Gemäß § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

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Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die (Nr. 1) der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und (Nr. 2) deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5a Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG auch Informationen, die dem Verbraucher aufgrund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

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b) § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2016 - I ZR 29/15, GRUR 2017, 286 Rn. 15 = WRP 2017, 296 - Hörgeräteausstellung, mwN), nach dem eine Geschäftspraxis als irreführend gilt, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte. Art. 7 Abs. 5 dieser Richtlinie, auf dessen Grundlage § 5a Abs. 4 UWG erlassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 - I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 Rn. 28 = WRP 2018, 420 - Energieausweis), bestimmt, dass die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des Anhangs II der Richtlinie verwiesen wird, als wesentlich gelten.

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c) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats konnte sich die Unlauterkeit des Verstoßes gegen Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation auch aus § 3a UWG und dem dieser Vorschrift der Sache nach entsprechenden § 4 Nr. 11 UWG in der bis zum 9. Dezember 2015 geltenden Fassung ergeben (vgl. Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 11 = WRP 2016, 581 - Wir helfen im Trauerfall).

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aa) Ein Wertungswiderspruch zu Art. 7 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG) konnte daraus bislang nicht entstehen. Mit Blick darauf, dass die Richtlinie 2005/29/EG unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern abschließend regelt, nahm der Senat an, dass ein Verstoß gegen Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation eine Unlauterkeit nach § 3a UWG nur dann begründen kann, wenn diese ihre Grundlage im Unionsrecht haben (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 Rn. 24 = WRP 2009, 1510 - 0,00 Grundgebühr; Urteil vom 4. Februar 2010 - I ZR 66/09, GRUR 2010, 852 Rn. 15 = WRP 2010, 1143 - Gallardo Spyder; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 11 = WRP 2010, 872 - Costa del Sol; Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14, GRUR 2015, 1240 Rn. 19 = WRP 2015, 1464 - Der Zauber des Nordens; BGH, GRUR 2016, 516 Rn. 13 - Wir helfen im Trauerfall). Darüber hinaus sah der Senat einen Verstoß gegen eine solche Informationspflicht nur dann als spürbar im Sinne von § 3a UWG an, wenn - wie nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG erforderlich - der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 31 = WRP 2019, 68 - Jogginghosen; Urteil vom 28. März 2019 - I ZR 85/18, GRUR 2019, 641 Rn. 30 = WRP 2019, 724 - Kaffeekapseln; Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17, GRUR 2021, 84 Rn. 24 = WRP 2021, 192 - Verfügbare Telefonnummer; Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 49 = WRP 2021, 746 - Berechtigte Gegenabmahnung).

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bb) Ein Verstoß gegen unionsrechtliche Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation konnte nach der bisherigen Senatsrechtsprechung grundsätzlich sowohl nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG als auch nach § 3a UWG verfolgt werden, ohne dass ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Normen bestand (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 139/12, GRUR 2014, 576 Rn. 15 = WRP 2014, 689 - 2 Flaschen GRATIS). Der Senat bejahte daher in Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation neben oder anstelle einer Unlauterkeit gemäß § 3a UWG auch eine Unlauterkeit nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - I ZR 190/10, GRUR 2012, 842 Rn. 17 bis 25 = WRP 2012, 1096 - Neue Personenkraftwagen I; BGH, GRUR 2018, 438 Rn. 22 bis 37 - Energieausweis). Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung des § 5a UWG ebenfalls davon ausgegangen, dass Verstöße gegen marktverhaltensregelnde gesetzliche Informationspflichten auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs nach § 4 Nr. 11 UWG aF zu würdigen seien. Soweit es dadurch zu Überschneidungen der Anwendungsbereiche komme, sei dies unschädlich und könne deshalb in Kauf genommen werden (Begründung des Regierungsentwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 16/10145, S. 27).

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d) An der gleichrangigen Prüfung von § 3a UWG und § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG hält der Senat in Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation nicht länger fest. In diesen Fällen ist die Unlauterkeit vielmehr allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG zu beurteilen (so auch OLG Frankfurt, GRUR-RR 2017, 62, 63 [juris Rn. 23]; WRP 2018, 241, 243 [juris Rn. 26 f.]; GRUR-RR 2019, 283, 284 f. [juris Rn. 16 und 40]; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 3a Rn. 1.19, § 5a Rn. 5.5 und 5.20; ders., WRP 2017, 1 Rn. 53 f.; ders., WRP 2017, 302 Rn. 7; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 3a Rn. 8a; Sosnitza in Ohly/Sosnitza aaO § 5a Rn. 85; MünchKomm.UWG/Alexander, 3. Aufl., § 5a Rn. 85 f.; ders., GRUR-Prax 2019, 289; ders., GRUR 2021, 1445, 1449; Dreyer in Harte/Henning, UWG, 5. Aufl., § 5a Rn. 16 und 211; Großkomm.UWG/Leistner, 3. Aufl., § 5a Rn. 68; Helm/Sonntag/Burger in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl., § 59 Rn. 466; Lettl, WRP 2019, 1265 Rn. 40).

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aa) Art. 11a Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2005/29/EG in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union mit Wirkung vom 7. Januar 2020 geänderten Fassung bestimmt, dass Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrags, haben m52;ssen. Zur Umsetzung dieser Regelung sieht § 9 Abs. 2 Satz 1 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3504) mit Wirkung vom 28. Mai 2022 vor, dass, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG nF gilt dies allerdings nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6 UWG sowie nach Nummer 32 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.

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bb) Durch § 9 Abs. 2 Satz 2 UWG nF werden an eine Verletzung von § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG (ab dem 28. Mai 2022: § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG) daher potentiell weitergehende Rechtsfolgen geknüpft als an eine Verletzung von § 3a UWG. Anders als nach der bisherigen Rechtslage (hierzu vgl. Büscher, WRP 2019, 1249 Rn. 6; MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 17 mit Fn. 57) wird das Schutzniveau nach den beiden Vorschriften bei einer Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation künftig nicht mehr identisch sein, da eine Unlauterkeit nach § 3a UWG keine Schadensersatzpflicht gegenüber Verbrauchern auslöst (vgl. Alexander, GRUR 2021, 1445, 1451; Büscher, WRP 2022, 132 Rn. 16). Ein Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11a der Richtlinie 2005/29/EG wird nur vermieden, wenn allein § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 UWG (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) zur Anwendung kommt.

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cc) Nicht hiervon erfasst sind Informationspflichten, die nicht die kommerzielle Kommunikation betreffen und daher nicht unter Art. 7 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG fallen. Ein Verstoß gegen solche Informationspflichten kann weiterhin eine Unlauterkeit nach § 3a UWG begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 60 bis 66] = WRP 2022, 452 - Zufriedenheitsgarantie).

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e) Die von der Lebensmittelinformationsverordnung vorgeschriebenen Angaben auf der Verpackung von Lebensmitteln sind wesentliche Informationen im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG), da es sich um im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation handelt (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2019, 283, 285 [juris Rn. 40]; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5a Rn. 5.24, ders., WRP 2014, 637 Rn. 24; Dreyer in Harte/Henning aaO § 5a Rn. 211; BeckOK.UWG/Ritlewski, 15. Edition [Stand 1. Dezember 2021], § 5a Rn. 219; Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell UWG, 3. Aufl., § 5a Rn. 187).

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aa) Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie; vgl. BGH, GRUR 2021, 752 Rn. 48 - Berechtigte Gegenabmahnung, mwN), steht der Anwendung der Lebensmittelinformationsverordnung im Streitfall nicht entgegen. Nach Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG lässt diese die Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt. Dazu zählen die Vorschriften des Lebensmittelrechts (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011 - I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Rn. 12 = WRP 2011, 344 - Gurktaler Kräuterlikör; Urteil vom 22. November 2012 - I ZR 72/11, GRUR 2013, 739 Rn. 17 = WRP 2013, 902 - Barilla; Köhler, WRP 2014, 637 Rn. 7) wie etwa die Lebensmittelinformationsverordnung.

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bb) Der Anwendbarkeit der hier in Rede stehenden Bestimmungen der Richtlinie 2005/29/EG stehen Art. 3 Abs. 4 und Erwägungsgrund 10 Satz 3 dieser Richtlinie nicht entgegen.

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(1) Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG sieht vor, dass bei einer Kollision der Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, die Letzteren vorgehen und für diese besonderen Aspekte maßgebend sind. Die Richtlinie 2005/29/EG gilt nach ihrem Erwägungsgrund 10 Satz 3 nur insoweit, als keine spezifischen Vorschriften des Unionsrechts vorliegen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind.

31

(2) Ob eine Kollision im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt, ist in Bezug auf konkrete Bestimmungen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 Rn. 46 = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III, mwN). Der Senat hat daher entschieden, dass die Frage, ob der Verbraucher mit der beanstandeten Aufmachung eines Lebensmittels hinreichend über dessen Merkmale aufgeklärt wird, allein nach den einschlägigen Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung zu beurteilen ist und aus Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG) keine darüber hinausgehenden Informationspflichten hergeleitet werden können (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - I ZR 45/13, GRUR 2016, 738 Rn. 23 = WRP 2016, 838 - Himbeer-Vanille-Abenteuer II). Anders liegt es jedoch, wenn - wie im Streitfall - die Richtlinie 2005/29/EG über ihren Art. 7 Abs. 5 die Vorschriften der Lebensmittelinformationsverordnung integriert. Dann liegt kein Kollisionsfall vor, sondern die Richtlinien ergänzen sich insoweit (zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse vgl. BGH, GRUR 2021, 1320 Rn. 47 - Flaschenpfand III, mwN).

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cc) Da die Liste des Anhangs II der Richtlinie 2005/29/EG gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie ausdrücklich nicht erschöpfend ist, steht einer Einstufung der sich aus der Lebensmittelinformationsverordnung ergebenden Informationspflichten als wesentlich nicht entgegen, dass diese Verordnung im Anhang II der Richtlinie nicht genannt ist.

33

dd) Die streitgegenständliche Nährwertdeklaration auf der Verpackung des Produkts der Beklagten stellt kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (§ 5a Abs. 4 UWG) dar.

34

(1) Unter kommerzieller Kommunikation in diesem Sinne sind in Anlehnung an Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr alle Formen der Kommunikation zu verstehen, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer nat52;rlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - C-19/15, GRUR 2016, 1090 Rn. 25 f. = WRP 2016, 1466 - Verband Sozialer Wettbewerb; BGH, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 65] - Zufriedenheitsgarantie; Büscher/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 5a Rn. 149; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5a Rn. 5.3; MünchKomm.UWG/Alexander aaO § 5a Rn. 311 f.).

35

(2) Darunter fallen Mitteilungen in Form einer Lebensmittelwerbung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes dieser Lebensmittel dienen, oder eines Werbeschreibens, das nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben enthält (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1090 Rn. 29 f. - Verband Sozialer Wettbewerb). Für die Nährwertdeklaration auf der Verpackung eines Lebensmittels gilt nichts Anderes.

36

2. Den Verbrauchern wird auf der Vorderseite der Verpackung des Produkts der Beklagten entgegen § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG die wesentliche Information des Brennwerts von 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs vorenthalten.

37

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Angaben auf der seitlichen Schmalseite der Verpackung dienten der Erfüllung der in Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 LMIV geregelten verpflichtenden Nährwertdeklaration. Bei den Angaben auf der Vorderseite (Schauseite) der Verpackung handele es sich hingegen um wiederholende Angaben im Sinne von Art. 30 Abs. 3 Buchst. b LMIV. Insoweit müsse nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV für den Fall, dass die Nährstoffmengen und der Brennwert in diesen wiederholenden Angaben lediglich je Portion ausgedrückt seien, der Brennwert (zusätzlich) auch je 100 Gramm ausgedrückt werden. Mit der Wortfolge "je 100 g" sei hier nicht das Produkt zum Zeitpunkt des Verkaufs, sondern das zubereitete Lebensmittel gemeint.

38

Nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV dürfe sich die Brennwertangabe auch auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern - wie im vorliegenden Fall - ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht würden und die Informationen sich auf das verbrauchsfertige Lebensmittel bezögen. Für die Auffassung des Landgerichts, unter einer Zubereitung in diesem Sinne seien nur recht umfangreiche Arbeitsschritte wie zum Beispiel Kochen oder Erhitzen zu verstehen, gebe es in der Lebensmittelinformationsverordnung keinen Anhaltspunkt. Art. 32 Abs. 2 LMIV, wonach der Brennwert und die Nährstoffmengen je 100 Gramm anzugeben seien, sei im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 3 LMIV zu lesen, so dass der Brennwert in Bezug auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder des zubereiteten Lebensmittels angegeben werden dürfe. Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 LMIV enthalte eine Ausnahmeregelung zu Art. 32 Abs. 2 LMIV. Es bestehe kein Grund, die Angabe "je 100 g" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV anders zu verstehen als in Art. 32 Abs. 2 LMIV.

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b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

40

aa) Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 LMIV enthält die verpflichtende Nährwertdeklaration von Lebensmitteln, die - wie das Produkt der Beklagten - in den Anwendungsbereich des Kapitels IV Abschnitt 3 dieser Verordnung fallen (vgl. Art. 29 LMIV), den Brennwert (Buchst. a) und die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz (Buchst. b). Der Erfüllung dieser verpflichtenden Nährwertdeklaration dienen die - nicht streitgegenständlichen - Angaben auf der seitlichen Schmalseite der Verpackung des Produkts der Beklagten (vgl. BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 11 - Knuspermüsli I).

41

bb) Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels die verpflichtende Nährwertdeklaration gemäß Art. 30 Abs. 1 LMIV, kann auf der Verpackung nach Art. 30 Abs. 3 Buchst. b LMIV der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz wiederholt werden. Bei den - streitgegenständlichen - Angaben auf der Vorderseite der Verpackung des Produkts der Beklagten zu Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz handelt es sich um solche freiwilligen wiederholenden Angaben (BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 12 - Knuspermüsli I).

42

cc) Sowohl im Fall verpflichtender, als auch im Fall freiwilliger wiederholender Angaben sind grundsätzlich gemäß Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 LMIV der Brennwert und die Nährstoffmengen des Lebensmittels zum Zeitpunkt seines Verkaufs anzugeben. Davon abweichend können sich diese Informationen gemäß Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV "gegebenenfalls" auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen.

43

dd) Der Brennwert und die Nährstoffmengen sind nach Art. 32 Abs. 2 LMIV grundsätzlich je 100 g oder je 100 ml anzugeben. Davon abweichend bestimmt Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 LMIV, dass in den Fällen freiwilliger wiederholender Angaben gemäß Art. 30 Abs. 3 Buchst. b LMIV die Nährstoffmengen - nicht aber der Brennwert - lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden dürfen. Sofern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, muss nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV der Brennwert je 100 g oder je 100 ml und zusätzlich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden.

44

ee) Die für freiwillige wiederholende Angaben geltende Ausnahmeregelung des Art. 33 Abs. 2 LMIV erfasst beide Fälle des Art. 31 Abs. 3 LMIV (vgl. BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 21 - Knuspermüsli I).

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Im ersten Fall, in dem der Brennwert und die Nährstoffmengen des Lebensmittels zum Zeitpunkt seines Verkaufs anzugeben sind (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 LMIV), muss danach, wenn die Nährstoffmengen lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt worden sind (Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 LMIV), der Brennwert je 100 g oder je 100 ml und zusätzlich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden (Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV). Es steht nicht in Frage, dass sich alle diese Angaben auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt seines Verkaufs beziehen müssen.

46

Ob im zweiten Fall, in dem der Brennwert und die Nährstoffmengen eines zubereiteten Lebensmittels angegeben werden dürfen (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV), dann, wenn die Nährstoffmengen lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt worden sind (Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 LMIV), sich die verpflichtende Angabe zum Brennwert je 100 g oder je 100 ml und zusätzlich je Portion oder je Verzehreinheit (Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 LMIV) auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt seines Verkaufs beziehen muss oder - zumindest auch - auf das zubereitete Lebensmittel beziehen darf, kann im Streitfall offenbleiben (vgl. BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 19 bis 25 - Knuspermüsli I; EuGH, GRUR 2021, 1550 Rn. 32 - Dr. August Oetker Nahrungsmittel).

47

ff) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV für einen Bezug auf das zubereitete Lebensmittel nicht erfüllt. Die Beklagte hätte daher im Rahmen der freiwilligen wiederholenden Angabe des Brennwerts und der Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz auf der Vorderseite der Verpackung je 100 g des Lebensmittels zum Zeitpunkt seines Verkaufs angeben müssen. Diese Informationspflicht hat die Beklagte verletzt. Auf der Vorderseite der Verpackung ist allein der Brennwert je 100 g des zubereiteten Lebensmittels angegeben.

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(1) Wie der Gerichtshof der Europäischen Union auf die Vorlage des Senats im Streitfall entschieden hat, ist Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV dahin auszulegen, dass diese Bestimmung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist (EuGH, GRUR 2021, 1550 Rn. 31 - Dr. August Oetker Nahrungsmittel). Dies ergibt sich aus dem Zweck des Art. 31 LMIV, Verbrauchern den Vergleich des Nährwerts von Lebensmitteln zu ermöglichen (EuGH, GRUR 2021, 1550 Rn. 22 bis 30 - Dr. August Oetker Nahrungsmittel; BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 18 - Knuspermüsli I).

49
<dd>

(2) Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Das Produkt der Beklagten kann auf unterschiedliche Weise zubereitet werden, nämlich unter anderem durch die Zugabe von Milch, Joghurt oder Quark mit unterschiedlichen Fettgehalten, Fruchtsäften, Früchten, Konfitüre oder Honig (vgl. BGH, GRUR 2020, 1101 Rn. 16 - Knuspermüsli I). Für das Produkt der Beklagten ist daher keine bestimmte Zubereitungsweise vorgegeben.

50

3. Das Vorenthalten dieser wesentlichen Information war auch erheblich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG.

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a) Die Voraussetzungen des in § 5a Abs. 2 UWG geregelten Unlauterkeitstatbestands, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information "je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen" und "deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte", stellen nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die selbständig zu prüfen sind. Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass - abweichend vom Regelfall - der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 15. April 2021 - I ZR 134/20, GRUR 2021, 979 Rn. 26 = WRP 2021, 895 - Testsiegel auf Produktabbildung, mwN; zu § 3a UWG vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17, GRUR 2021, 84 Rn. 35 = WRP 2021, 192 - Verfügbare Telefonnummer).

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b) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Beklagte dieser sekundären Darlegungslast entsprochen hätte. Die Revisionserwiderung zeigt insoweit auch keinen vom Berufungsgericht übergangenen Vortrag der Beklagten auf. Im Übrigen steht der Umstand, dass der Brennwert je 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs im Rahmen der verpflichtenden Nährwertdeklaration auf der seitlichen Schmalseite der Verpackung zusammen mit dem Brennwert einer Portion des zubereiteten Lebensmittels angegeben wird, der geschäftlichen Relevanz des Fehlens der Information auf der Vorderseite der Verpackung nicht entgegen. Die zusätzlichen Deklarationen an anderer Stelle auf der Verpackung mit anderen Referenzmengen sind vielmehr lediglich geeignet, den Verbraucher hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit anderen Erzeugnissen noch mehr zu verwirren (vgl. EuGH, GRUR 2021, 1550 Rn. 28 - Dr. August Oetker Nahrungsmittel), zumal die Angaben mit Bezug auf das zubereitete Lebensmittel auch dort unzulässig sind.

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53

III. Dem Kläger steht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkostenpauschale in Höhe von 214 € nebst Zinsen zu.

54

1. Insoweit ist auf das zum Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung geltende Recht abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2021 - I ZR 214/18, GRUR 2022, 391 Rn. 31 = WRP 2022, 722 - Gewinnspiel-Werbung II). Da der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 9. November 2017 abgemahnt hat, ist § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung anzuwenden.

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2. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Verhalten der Beklagten war im Zeitpunkt der Abmahnung nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG unlauter. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

56

C. Auf die Revision des Klägers ist das Berufungsurteil danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zur&#252;ckzuweisen. Der Beklagten ist entgegen ihrem in der Revisionsinstanz hilfsweise gestellten Antrag keine Aufbrauchfrist zu gewähren.

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I. Dem Schuldner eines Unterlassungsanspruchs kann nach § 242 BGB eine Aufbrauchfrist gewährt werden.

58

1. Voraussetzung dafür ist, dass ihm durch ein sofort mit der Zustellung des Titels uneingeschränkt zu beachtendes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstehen und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung des Wettbewerbsverstoßes nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2007 - I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 Rn. 40 = WRP 2007, 1346 - Bundesdruckerei; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 89/12, GRUR 2013, 1254 Rn. 44 = WRP 2013, 1596 - Matratzen Factory Outlet; Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13, GRUR 2016, 1031 Rn. 42 - Wärmetauscher).

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2. Der Antrag auf Gewährung einer Aufbrauchfrist kann auch in der Revisionsinstanz mit Erfolg gestellt werden, wenn die zu Grunde liegenden Tatsachen unstreitig oder in den Tatsacheninstanzen festgestellt sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1966 - Ib ZR 85/64, GRUR 1966, 495, 498 [juris Rn. 30] - UNIPLAST; Urteil vom 12. Juli 1968 - I ZR 111/66, WM 1968, 993, 995 [juris Rn. 38] - Hamburger Volksbank; Urteil vom 7. Mai 1969 - I ZR 122/66, DAR 1969, 238, 240 [juris Rn. 41]; Urteil vom 16. November 1973 - I ZR 98/72, GRUR 1974, 474, 476 [juris Rn. 23] = WRP 1974, 85 - Großhandelshaus). Der Beklagte muss substantiiert darlegen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufbrauchfrist vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1961 - I ZR 110/59, GRUR 1961, 283 f. - Mon Chéri II; BGH, DAR 1969, 238, 240 [juris Rn. 41]; BGH, Urteil vom 11. März 1982 - I ZR 58/80, GRUR 1982, 420, 423 [juris Rn. 46] - BBC/DDC). Insbesondere muss er darlegen, in welchem Zeitraum er die Umstellung und den Aufbrauch bewerkstelligen kann (vgl. MünchKomm.UWG/Fritzsche aaO § 8 Rn. 158).

60

3. Die Entscheidung über die Einräumung einer Aufbrauchfrist erfordert eine Interessenabwägung.

61

a) Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit den Beklagten ein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1957 - I ZR 13/55, GRUR 1957, 488, 491 - MHZ; Urteil vom 10. Mai 1957 - I ZR 33/56, GRUR 1957, 499, 504 - Wipp; Urteil vom 31. Mai 1960 - I ZR 16/59, GRUR 1960, 563, 567 [juris Rn. 41] - Alterswerbung/Sekt; Urteil vom 18. Dezember 1981 - I ZR 34/80, GRUR 1982, 425, 431 [juris Rn. 33] - Brillen-Selbstabgabestellen, insoweit nicht in BGHZ 82, 375 abgedruckt; Urteil vom 18. Dezember 1981 - I ZR 116/80, juris Rn. 33; BGH, GRUR 1982, 420, 423 [juris Rn. 46] - BBC/DDC).

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Zu seinen Gunsten kann sich dabei auswirken, dass er das streitgegenständliche Verhalten längere Zeit unbeanstandet vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1981 - I ZR 116/80, juris Rn. 33; Urteil vom 25. Januar 1990 - I ZR 19/87, BGHZ 110, 156, 175 f. [juris Rn. 54] - HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz).

63

Eine Verurteilung in den Vorinstanzen kann aber dazu führen, dass der Beklagte sich auf einen ungünstigen Ausgang auch des Revisionsverfahrens einstellen konnte und musste (vgl. BGH, GRUR 1966, 495, 498 [juris Rn. 30] - UNIPLAST; BGH, Urteil vom 18. November 1966 - Ib ZR 16/65, GRUR 1967, 355, 359 [juris Rn. 36] - Rabe; BGH, WM 1968, 993, 995 [juris Rn. 38] - Hamburger Volksbank; BGH, GRUR 1974, 474, 476 [juris Rn. 23] - Großhandelshaus; KG, WRP 1999, 339, 341 [juris Rn. 52]; OLG Köln, NJWE-WettbR 2000, 209, 211 [juris Rn. 42]; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 8 Rn. 1.97; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 8 Rn. 41; MünchKomm.UWG/Fritzsche aaO § 8 Rn. 127 und 141; MünchKomm.UWG/Ottofülling aaO § 12 Rn. 241; Großkomm.UWG/Hofmann aaO § 8 Rn. 89; Büscher/Hohlweck aaO § 8 Rn. 90). Weniger strenge Anforderungen können im Fall eines Angriffs gegen die Firmierung des Beklagten gelten (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1984 - I ZR 101/82, GRUR 1985, 389, 391 [juris Rn. 29] = WRP 1985, 210 - Familienname; BGH, GRUR 2007, 1079 Rn. 40 - Bundesdruckerei; Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell aaO § 8 Rn. 164; zu den strengeren Anforderungen im Patentrecht vgl. BGH, GRUR 2016, 1031 Rn. 53 - Wärmetauscher).

64

b) Weiter einschränkend wird vertreten, dass die Interessen der Allgemeinheit und der Verbraucher insbesondere bei Wettbewerbsverstößen auf Grund einer Irreführung gemäß §§ 5, 5a UWG in einer Weise betroffen sein könnten, dass die Gewährung einer Aufbrauchfrist generell abzulehnen sei (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 8 Rn. 42; Goldmann in Harte/Henning aaO § 8 Rn. 191; Büscher/Hohlweck aaO § 8 Rn. 90; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kapitel 57 Rn. 21; zurückhaltender Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 8 Rn. 1.95; MünchKomm.UWG/Fritzsche aaO § 8 Rn. 131). Ob diese Auffassung zutrifft, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

65

II. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen bleibt der Antrag der Beklagten ohne Erfolg.

66

1. Die Beklagte beantragt die Gewährung einer Aufbrauchfrist, nach der sie bereits produzierte Packungen mit der angegriffenen Kennzeichnung, die sie bis zum 30. Juni 2022 an den Einzelhandel vertreibt, nicht zurückrufen muss. Zur Begründung führt sie aus, die Nährwertdeklaration der seit 2014 mit etwa 40 Müslisorten vertriebenen Packungen habe bislang allein der Kläger beanstandet. Noch nach dessen Abmahnung habe sie eine Stellungnahme der zuständigen Lebensmittelbehörde erhalten, der zufolge die Kennzeichnung nicht gegen die Lebensmittelinformationsverordnung verstoße. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. November 2021 habe sie mit der Umstellung begonnen. Diese habe jedoch bis Januar 2022 gedauert, weil die Verpackungen je nach Müslisorte zu verschiedenen Zeitpunkten neu gedruckt worden seien. Die Packungen mit der angegriffenen Kennzeichnung sollten bis Mai 2022 an den Einzelhandel abverkauft und bis Oktober 2022 zum allergrößten Teil an die Endverbraucher vertrieben sein. Bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums etwa im Februar 2023 könnten diese noch vereinzelt im Einzelhandel zu finden sein. Ausgehend von voraussichtlich über 2 Mio. Packungen, die sich im 1. Kalenderhalbjahr 2022 noch im Handel befänden, führe eine Rückrufpflicht für sie zu einem Schaden in erheblicher Millionenhöhe. Eine Umetikettierung oder Neuverpackung sei nur manuell durchführbar; die hierdurch anfallenden Kosten seien unverhältnismäßig hoch. Sie müsse die Packungen daher vernichten, was weder ethisch noch nachhaltig sei. Zusätzlich drohten Service-Kosten, die der Handel für die Rückgabe in Rechnung stelle. Angesichts der Dauer des zunächst unbeanstandeten und dann nur vom Kläger beanstandeten Vertriebs, der bereits unternommenen Anstrengungen und des verhältnismäßig geringen Gewichts des Wettbewerbsverstoßes wäre der Schaden daher evident unverhältnismäßig.

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2. Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte keinen Erfolg.

68

a) Auch unter Zugrundelegung des Umstands, dass die Nährwertkennzeichnung der beanstandeten Vitalis-Produkte nach dem Vortrag der Beklagten zunächst unbeanstandet geblieben ist, ist ihr jedenfalls seit ihrer Verurteilung durch das Landgericht am 8. August 2018 ein Verschulden vorzuwerfen. Für die Annahme eines zumindest fahrlässigen Verhaltens reicht es aus, dass sich der Verletzer erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und deshalb eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit seines Verhaltens jedenfalls in Betracht ziehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2020 - I ZR 32/19, GRUR 2020, 738 Rn. 48 = WRP 2020, 861 - Internet-Radiorecorder; Urteil vom 18. Juni 2020 - I ZR 171/19, GRUR 2020, 1297 Rn. 38 = WRP 2020, 1573 - Rundfunkübertragung in Ferienwohnungen, jeweils mwN). Zwar hat sodann das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Nachdem der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union durch Beschluss vom 23. Juli 2020 Fragen zur Auslegung der Lebensmittelinformationsverordnung mit deutlicher Tendenz vorgelegt hat, hat die Beklagte allerdings wieder ernstlich mit einer Verurteilung rechnen müssen. Dies verdichtete sich durch die Schlussanträge des Generalanwalts vom 2. September 2021 (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts zur Rechtssache C-388/20 Rn. 78) und das seine Sichtweise bestätigende Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. November 2021 (GRUR 2021, 1550 - Dr. August Oetker Nahrungsmittel).

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b) Durch die Irreführung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG werden die Interessen der Verbraucher - anders als die Beklagte meint - nicht unerheblich beeinträchtigt. Die zusätzliche Deklaration an anderer Stelle auf der Verpackung ändert daran nichts, sondern ist lediglich geeignet, den Verbraucher hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit anderen Erzeugnissen noch mehr zu verwirren (vgl. dazu Rn. 52).

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c) Die Interessenabwägung fällt auch nicht deswegen zu Gunsten der Beklagten aus, weil zurückgerufene Packungen möglicherweise von ihr vernichtet werden. Soweit ihr daran gelegen ist, eine Vernichtung von Lebensmitteln zu vermeiden, stehen ihr die aus ihrer Sicht unwirtschaftlichen Alternativen einer Umetikettierung oder Neuverpackung gleichwohl zur Verfügung. Ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Einwand, der Einzelhandel nehme solche Packungen angesichts des verkürzten Mindesthaltbarkeitsdatums nicht zurück, hat sie nicht näher belegt. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass diese Packungen nicht als Sonderposten anderweitig zu kommerziellen oder karitativen Zwecken verwendet werden könnten.

71

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Feddersen     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

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