Urteil vom Bundessozialgericht (6. Senat) - B 6 KA 49/13 R

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juni 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2012 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die mit Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2011 getroffene Regelung rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 6. tragen die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 5.

Tatbestand

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Die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wendet sich gegen eine Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen nach Nr 04430 (Neuropädiatrisches Gespräch, Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung ) und Nr 04433 (Zusatzpauschale Koordination der neuropädiatrischen Betreuung bei der fortgesetzten Betreuung von Patienten …) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä), die der beklagte Berufungsausschuss (BA) dem zu 6. beigeladenen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin erteilt hat.

2

Der Beigeladene zu 6. ist seit 1990 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er nimmt als Arzt für Kinder- und Jugendmedizin ohne Schwerpunktbezeichnung an der hausärztlichen Versorgung teil.

3

Der Zulassungsausschuss (ZA) genehmigte dem Beigeladenen zu 6. sowie seiner Praxispartnerin Dr. B. die Durchführung folgender "fachärztlicher" Leistungen im Rahmen der Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung:

1.    

EEG-Diagnostik und Therapie anfallskranker Kinder und Jugendlicher.

2.    

Diagnostik und Therapie von Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsstörungen im Sinne der Diagnosen ADS/ADHS.

Die mWv 29.2.2008 erteilte Genehmigung wurde bis zum 31.12.2010 befristet. Zur Begründung bezog sich der ZA auf das Ergebnis einer durchgeführten Bedarfsprüfung. Nach einem Vorstandsbeschluss zum Thema "fachärztlich tätige Kinderärzte", die den ab 2008 erforderlichen Schwerpunkt oder die Zusatzweiterbildung noch nicht nachweisen können, bestehe eine Übergangsfrist von drei Jahren.

4

Vor Ablauf des Zeitraums der Befristung beantragte der Beigeladene zu 6. bei dem ZA die Verlängerung der Genehmigung beschränkt auf die Leistungen nach Nr 04430 EBM-Ä und Nr 04433 EBM-Ä und machte zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass die Diagnostik und Therapie von Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen im Sinne der Diagnosen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) nicht gewährleistet wäre, wenn er seine entsprechende Tätigkeit nicht fortsetzen könnte. Diesem Antrag gab der ZA bezogen auf den Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2013 statt und wies gleichzeitig darauf hin, dass die genannten Leistungen aufgrund der Regelungen des EBM-Ä ausschließlich von Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie berechnet werden könnten. Es bedürfe daher zusätzlich zu der vorliegenden Entscheidung einer Genehmigung der KÄV zur Abrechnung beider Leistungen.

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Dagegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass der Beigeladene zu 6. als Kinderarzt ohne Schwerpunkt nicht in die fachärztliche Leistungserbringung einbezogen werden könne.

6

Der beklagte BA wies den Widerspruch der Klägerin zurück und ordnete den Sofortvollzug an. Der zulässige Widerspruch sei nicht begründet. Auf dem Gebiet der Neuropädiatrie behandele der Beigeladene zu 6. ausschließlich ADS/ADHS-Patienten. Er tue dies seit Jahren erfolgreich und sei der einzige Arzt, der in der Lage sei, diese Patienten adäquat zu behandeln. Der Beigeladene zu 6. habe nachvollziehbar dargelegt, dass es ihm nicht möglich sei, ein Jahr lang in einer Klinik neuropädiatrisch zu arbeiten, um die Voraussetzungen für die Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie zu erfüllen. Es könne ihm nicht zugemutet werden, nur wegen des Fehlens der einjährigen Kliniktätigkeit in dem von ihm bisher abgedeckten Bereich nicht mehr tätig zu sein. Die Qualifikation des Beigeladenen zu 6. ergebe sich auch daraus, dass er den Qualitätszirkel leite und versuche, seine Kollegen an dieses spezielle Krankheitsbild von Kindern heranzuführen. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass die Genehmigung den Beigeladenen zu 6. nicht in die Lage versetze, die genehmigten Leistungen zu erbringen und abzurechnen, werde nicht geteilt. Wenn Kinderärzte nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V die Möglichkeit hätten, bestimmte fachärztliche Leistungen zu erbringen, dann gehe diese Genehmigung den Schwerpunktbezeichnungen vor.

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Die dagegen gerichtete Klage der KÄV hat das SG mit Urteil vom 18.12.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Als Ausnahme von dem Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen dürften, sehe § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V die Möglichkeit einer befristeten abweichenden Regelung vor, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet sei. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Bedarfsermittlung sei die befristete Regelung zur Versorgung ADS/ADHS-kranker Kinder und Jugendlicher erforderlich. Die tatsächliche Qualifikation des Beigeladenen zu 6. werde auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der Beigeladene zu 6. sei in seiner Region der einzige Arzt, der in der Lage und bereit sei, ADHS-Patienten adäquat zu behandeln. Der Umstand, dass der Beigeladene zu 6. nicht über eine Schwerpunktbezeichnung verfüge, stehe der Erteilung der Genehmigung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V nicht entgegen. Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung könnten nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V ohnehin an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, ohne dass sie dafür einer Ausnahmegenehmigung bedürften. Einschränkungen folgten auch nicht aus der nach § 87 Abs 2a SGB V vorgeschriebenen Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung. § 87 Abs 2a SGB V habe lediglich die Vorgaben in § 73 SGB V umzusetzen und sei dieser Regelung gegenüber als nachrangig anzusehen.

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Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 17.6.2013 unter Bezugnahme auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt: Auch das von der Klägerin herangezogene Urteil des BSG vom 9.4.2008 zum Az B 6 KA 40/07 R (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16) stütze deren Auffassung nicht, weil dieses einen anderen Sachverhalt betreffe. Dort sei es um die Ermächtigung für einen Krankenhausarzt gegangen, die nicht erteilt werden könne, wenn dieser nicht über die für die Erbringung der entsprechenden Leistungen erforderliche Schwerpunktbezeichnung verfüge. Abweichend davon sehe § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V ausdrücklich vor, dass die Durchführungsgenehmigung Kinderärzten und Internisten ohne Schwerpunkt erteilt werden könne. Die genannte Vorschrift enthalte damit eine Ausnahme von dem Erfordernis der Schwerpunktbezeichnung. Eine davon abweichende Auslegung würde zur Aushebelung der gesetzlichen Regelung des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V führen. Der Beigeladene zu 6. müsse aufgrund der Zulassungsentscheidung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V befristet so gestellt werden, als wenn er über die Schwerpunktbezeichnung verfügte.

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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass sie an der Fortführung des Verfahrens auch noch nach Ablauf des Genehmigungszeitraums zum 31.12.2013 ein berechtigtes Interesse habe, weil eine Wiederholungsgefahr bestehe. Dem Beigeladenen zu 6. sei ab dem 1.1.2014 eine neue Genehmigung befristet bis zum 31.12.2015 erteilt worden. Dagegen habe sie - die Klägerin - erneut Widerspruch eingelegt. Die Revision sei auch begründet, weil die angefochtene Entscheidung des LSG Baden-Württemberg Bundesrecht verletze. Eine Genehmigung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V könne nur erteilt werden, wenn die entsprechenden vertragsärztlichen Leistungen für den Genehmigungsadressaten auch nach dem EBM-Ä abrechenbar seien. Dies habe das BSG bereits bezogen auf die einem Krankenhausarzt erteilte Ermächtigung entschieden. Für die Genehmigung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V gelte nichts anderes. Der Beigeladene zu 6. verfüge nicht über die nach Abschnitt 4.4.2 EBM-Ä erforderliche Qualifikation in Gestalt des Schwerpunkts Neuropädiatrie. Aufgrund dieser bindenden Regelungen des EBM-Ä sei der Beigeladene zu 6. nicht berechtigt, die von ihm begehrten Leistungen nach Nr 04430 EBM-Ä und Nr 04433 EBM-Ä zu erbringen. Etwas anderes folge auch nicht aus der allgemeinen Regelung der Präambel 4.1 Nr 2 EBM-Ä, die die speziellere Regelung in Abschnitt 4.4.2 EBM-Ä nicht aushebeln könne. Entgegen der Auffassung des LSG folge die Abrechnungsberechtigung nicht der Zulassungsentscheidung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V, denn in § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V sei ohne Ausnahme oder Einschränkung geregelt, dass nur der Bewertungsausschuss bestimme, welche Leistungen von Hausärzten und welche von Fachärzten erbracht werden könnten. Darüber könnten sich die Zulassungsgremien nicht auf der Grundlage des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V hinwegsetzen. 4.1 Nr 2 EBM-Ä verweise auf den gesamten § 73 Abs 1a SGB V, ohne einen konkreten Satz zu benennen. Aus dem Wortlaut der Regelung folge jedoch, dass es sich nicht um eine Ausnahme zu § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V handele, sondern dass sich die Formulierung allein auf die ausschließliche Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung nach § 73 Abs 1a Satz 5 SGB V beziehe. Damit gebe es für die Auslegung des LSG, nach der ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit einer Genehmigung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V einem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie gleichzustellen sei, keine Grundlage.

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Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 17.6.2013 sowie das Urteil des SG Karlsruhe vom 18.12.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die mit Bescheid des Beklagten vom 26.7.2011 getroffene Regelung rechtswidrig gewesen ist.

11

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Die Regelung des § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V, die bestimme, dass der EBM-Ä nach hausärztlichen und fachärztlichen Leistungen aufzugliedern sei, nehme auf § 73 Abs 1 SGB V Bezug. Damit sei klargestellt, dass § 73 Abs 1a SGB V einen eigenständigen Regelungsgehalt habe, der durch § 87 Abs 2a SGB V nicht tangiert werde. Dem ZA werde die Möglichkeit gegeben, einem an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Kinderarzt die Erbringung fachärztlicher Leistungen zu genehmigen, um die Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Genau dies habe er im vorliegenden Fall getan.

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Der Beigeladene zu 6. beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Streitgegenständlich sei nicht eine bloße Abrechnungsgenehmigung, sondern letztlich die partielle Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung. Nach der Systematik des § 73 Abs 1a SGB V setzten sich die Zulassungsgremien nicht über die Zuordnung von Leistungen zu Versorgungsbereichen im EBM-Ä hinweg. Vielmehr betreffe die Entscheidung der Zulassungsgremien als Statusakt die Zuordnung zur hausärztlichen oder zur fachärztlichen Versorgung selbst. Entgegen der Ansicht der Klägerin sehe der EBM-Ä vor, dass Ärzte in seiner Situation Leistungen eines Schwerpunktes abrechnen dürften. Die entsprechende Regelung, über die die Ausnahmevorschrift des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V berücksichtigt werde, finde sich in der Präambel 4.1 Nr 2 und mache den EBM-Ä damit erst rechtmäßig. Aufgrund der nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V getroffenen Regelung des Beklagten handele er bezogen auf die Erbringung der Leistungen nach Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä als Facharzt, da er diesbezüglich der fachärztlichen Versorgung zugeordnet sei. Dass der EBM-Ä die Leistungen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin dem hausärztlichen Versorgungsbereich zuordne, beruhe auf einem Redaktionsversehen. Die Leistungen nach Nr 04430 EBM-Ä und Nr 04433 EBM-Ä beträfen den Kern seiner Berufsausübung. Er sei seit Jahrzehnten in einer Art und Weise kinderärztlich tätig, die stark von neuropädiatrischen Behandlungen geprägt sei. Bereits während seiner Facharztausbildung habe ein Schwerpunkt auf der Neuropädiatrie gelegen. Da die Zusatzbezeichnung Neuropädiatrie jedoch noch nicht definiert gewesen sei, sei die Weiterbildungszeit nur teilweise und nur nachträglich anerkannt worden. Zum Erwerb der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie fehle ihm mithin ein klinisches Jahr, das nachzuholen ihm nicht zugemutet werden könne. Seit der Gründung seiner Kinderarztpraxis betreue er vor allem neuropädiatrische Patienten. Seit jeher liege dabei ein Schwerpunkt auf der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Schulproblemen und Verhaltensauffälligkeiten. Wenn ihm diese Art der Berufsausübung verwehrt würde, läge darin ein Eingriff in Art 12 Abs 1 GG. Berufsrechtlich sei er unabhängig von einer Schwerpunktbezeichnung berechtigt, alle in sein Fachgebiet fallenden Leistungen zu erbringen.

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Die Zuordnung auch zur fachärztlichen Versorgung, die der angefochtene Bescheid beinhalte, sei für ihn auch deshalb von Bedeutung, weil ihm dadurch ein etwa doppelt so hohes Regelleistungsvolumen (RLV) zugeordnet werde. Nur dadurch werde ihm die aufwändige Behandlung von Patienten mit den Diagnosen ADS/ADHS ermöglicht. Zudem seien mit der Änderung des EBM-Ä zum 1.1.2008 mehrere für die Behandlung von Patienten mit den Diagnosen ADS/ADHS bedeutsame Gebührenordnungspositionen entfallen oder in der Versichertenpauschale aufgegangen. Zur Sicherstellung der Versorgung dieser Patienten sei seine Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung unverzichtbar.

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Der Senat hat Stellungnahmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zur Entwicklung des EBM-Ä insbesondere bezogen auf die seit 2008 als Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä geregelten Leistungen eingeholt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist begründet. Das LSG hat die Berufung der klagenden KÄV gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Unrecht zurückgewiesen.

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1. Die Klägerin hat ihr Begehren nach Auslaufen der streitigen, bis zum 31.12.2013 befristeten Regelung des Beklagten zu Recht in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG weiter verfolgt. Der Verwaltungsakt hat sich mit Ablauf des Zeitraums der Befristung erledigt. Das gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben. Der ZA hat inzwischen einem dem streitgegenständlichen Antrag entsprechenden Antrag des zu 6. beigeladenen Arztes für Kinder- und Jugendmedizin für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2015 stattgegeben, sodass sich die Wiederholungsgefahr bereits realisiert hat.

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2. Der angefochtene Bescheid des beklagten BA ist rechtswidrig, weil dieser keine Regelung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V treffen durfte, nach der der zu 6. beigeladene Kinderarzt zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen nach Nr 04430 (Neuropädiatrisches Gespräch, Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung ) und Nr 04433 EBM-Ä (Zusatzpauschale Koordination der neuropädiatrischen Betreuung bei der fortgesetzten Betreuung von Patienten bei mindestens einer der Diagnosen: […] Aufmerksamkeitsstörung ) berechtigt ist.

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§ 73 Abs 1a Satz 1 SGB V bestimmte in der mit dem Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) mWv 1.1.1993 eingeführten Fassung, dass an der hausärztlichen Versorgung Ärzte für Allgemeinmedizin und Ärzte ohne Gebietsbezeichnung teilnehmen. Kinderärzte und Internisten ohne Teilgebietsbezeichnung konnten wählen, ob sie an der hausärztlichen oder an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen (§ 73 Abs 1a Satz 2 SGB V aF). Der Beigeladene zu 6. hat auf der Grundlage dieser Regelung die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt. Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) hat sich daran für ihn nichts geändert, weil Ärzte, die am 31.12.2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben, gemäß § 73 Abs 1a Satz 1 Nr 5 SGB V weiterhin an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. Zudem werden Kinderärzte seitdem gemäß § 73 Abs 1a Satz 1 Nr 2 SGB V grundsätzlich der hausärztlichen Versorgung zugeordnet.

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Für Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung gilt nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 die Besonderheit, dass sie kumulativ (vgl BT-Drucks 14/1245 S 69) auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen können. Einer entsprechenden Entscheidung des ZA bedürfen sie dazu nicht. Für Kinderärzte, die - wie der Beigeladene zu 6. - nicht über eine Schwerpunktbezeichnung verfügen und die deshalb gemäß § 73 Abs 1a Satz 1 Nr 2 SGB V grundsätzlich allein an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, kann der ZA gemäß § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V eine von Satz 1 (Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung) abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist.

22

Mit einer Regelung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V kann einem an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Kinderarzt die Möglichkeit zur Erbringung und Abrechnung auch fachärztlicher Leistungen eröffnet werden (nachfolgend a). Dem entsprechend ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nur eröffnet, wenn es um die Erbringung fachärztlicher Leistungen geht. Es erscheint jedoch bereits zweifelhaft, ob die streitgegenständlichen Leistungen dem fachärztliche Versorgungsbereich zugeordnet werden können (b). Im Ergebnis kommt es darauf jedoch nicht an. Jedenfalls darf sich die Regelung des Beklagten nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V nur auf Leistungen beziehen, von deren Erbringung und Abrechnung der Beigeladene zu 6. nicht in Ermangelung der erforderlichen formalen Qualifikation ausgeschlossen ist (c). Der Beigeladene zu 6. darf die Leistungen nach Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä nicht abrechnen, weil er nicht berechtigt ist, die Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie zu führen (d). Die entsprechenden Qualifikationsanforderungen im EBM-Ä stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (e).

23

a) Gemäß § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V sind die im EBM-Ä aufgeführten Leistungen entsprechend der in § 73 Abs 1 SGB V festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern, mit der Maßgabe, dass - unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen - Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen; innerhalb der Gliederung der fachärztlichen Leistungen können weitere Untergliederungen nach Fachgruppen vorgesehen werden. Damit wird die in § 73 Abs 1 Satz 1 SGB V vorgegebene Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung auf der Ebene des EBM-Ä umgesetzt (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 15).

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Entgegen der Auffassung des Beklagten bestimmt die durch § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V vorgeschriebene Gliederung des EBM-Ä nicht ausnahmslos und abschließend, welche Leistungen von Hausärzten und welche Leistungen von Fachärzten abgerechnet werden können. Vielmehr normiert sowohl die in § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V für Kinderärzte mit Schwerpunkt getroffene Sonderregelung, nach der diese auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen können, als auch § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V, der Kinderärzten und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung befristet zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung die Teilnahme auch an der fachärztlichen Versorgung ermöglicht, Ausnahmen zu dem aus § 73 Abs 1 Satz 1, § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V folgenden Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen dürfen (so bereits BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 16). Wenn die Entscheidung des ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V entsprechend der Auffassung der Klägerin von vornherein keinen Einfluss auf die Abrechenbarkeit fachärztlicher Leistungen nach dem EBM-Ä hätte, hätte die Vorschrift keinerlei praktische Bedeutung, was nicht angenommen werden kann. Insofern geht der Beigeladene zu 6. zutreffend davon aus, dass er nicht bereits aufgrund seiner Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung ausnahmslos von der Erbringung fachärztlicher Leistungen ausgeschlossen ist. Der Sinn des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V besteht gerade darin, bestimmten Arztgruppen, die dem hausärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet sind, die Möglichkeit zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen zu eröffnen, die im EBM-Ä dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet werden.

25

b) Ob konkret bezogen auf Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, wie dem Beigeladenen zu 6., ein Anwendungsbereich für eine Entscheidung des ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V verbleibt, nachdem dem EBM-Ä in der hier maßgebenden seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung eine Zuordnung kinderärztlicher Leistungen zu unterschiedlichen Versorgungsbereichen jedenfalls nicht mehr ohne Weiteres zu entnehmen ist, erscheint zweifelhaft. Der EBM-Ä (vgl DÄ 2007, A-3197) regelt sowohl die Gebührenordnungspositionen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin als auch die Gebührenordnungspositionen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin und damit auch die streitgegenständlichen neuropädiatrischen Gebührenordnungspositionen im Bereich III.a ("Hausärztlichen Versorgungsbereich"). Insoweit unterscheidet sich der seit 2008 geltende EBM-Ä von der zuvor ab dem 1.4.2005 geltenden Fassung ("EBM 2000plus"), die im Bereich III.a, Hausärztlicher Versorgungsbereich, Abschnitt 4.4 im Wege der Verweisung bestimmte, welche Leistungen des fachärztlichen Versorgungsbereichs Kinderärzte unter welchen Voraussetzungen erbringen und abrechnen durften. Seit dem 1.1.2008 werden Leistungen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin dagegen eigenständig im Bereich III.a ("Hausärztlicher Versorgungsbereich") definiert. Jedenfalls in der durch § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V vorgeschriebenen Gliederung des EBM-Ä ist die Unterscheidung in hausärztliche und fachärztliche Leistungen damit für die Kinder- und Jugendmedizin aufgegeben worden. Hintergrund ist erkennbar der Umstand, dass Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung ohnehin gemäß § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V gleichzeitig an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen dürfen, ohne dafür auch nur einer Entscheidung der Zulassungsgremien zu bedürfen. Die Vorschrift spiegelt die Besonderheit der Kinderärzte wider, die darin besteht, dass sie einerseits ein den Allgemeinärzten vergleichbares umfassendes Leistungsspektrum haben, andererseits auf die Behandlung von Kindern beschränkt sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 17) und bei denen die Spezialisierung in verschiedenen, dem fachärztlichen Leistungsspektrum entsprechenden Schwerpunkten in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Zwar trägt § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V (Gliederung des EBM-Ä in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung) dieser Besonderheit nicht Rechnung. Gleichwohl dürfte es nicht zu beanstanden sein, dass der Bewertungsausschuss im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V bezogen auf die Leistungen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin von der in § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V vorgeschriebenen Gliederung in den hausärztlichen und den fachärztlichen Versorgungsbereich abgesehen hat (vgl dazu bereits die Anmerkung zum Beschluss des Bewertungsausschusses vom 20.6.2000, DÄ 2000, A-1920, A-1921 f; vgl auch Köhler, Kölner Kommentar zum EBM, Stand 1.10.2013, zu 4.4 S 54).

26

Allerdings unterscheidet die Präambel 4.1 Nr 4 EBM-Ä weiterhin zwischen Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, die ausschließlich im hausärztlichen Versorgungsbereich tätig werden und solchen, die (auch) im fachärztlichen Versorgungsbereich tätig werden. Dabei werden mit den Leistungen des fachärztlichen Versorgungsbereichs ersichtlich die Leistungen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin angesprochen. Davon sind auch die KÄBV und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in ihren im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen übereinstimmend ausgegangen. Ferner hat die KÄBV die Auffassung vertreten, dass es sich bei den Leistungen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin - auch nach der Neustrukturierung des Abschnitts 4.4 EBM-Ä zum 1.1.2008 - um solche des fachärztlichen Versorgungsbereichs handele. Diese Auffassung wird durch den Umstand gestützt, dass vergleichbare Leistungen der "Erwachsenenmedizin" (Kardiologie, Neurologie, Hämatologie und Onkologie) im EBM-Ä dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet sind.

27

Die seit dem 1.1.2008 geltende Bezeichnung des 4. Kapitels des EBM-Ä mit "Versorgungsbereich Kinder- und Jugendmedizin" legt wiederum nahe, dass der Bewertungsausschuss die Kinder- und Jugendmedizin als eigenen Versorgungsbereich angesehen haben könnte. Der Begriff "Versorgungsbereich" wird im EBM-Ä sonst im Zusammenhang mit dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Versorgungsbereich verwendet. Im EBM-Ä wird nicht nur der Bereich III.a, sondern gleichlautend auch das diesem Bereich zugeordnete Kapitel 3 mit "Hausärztlicher Versorgungsbereich" überschrieben. Danach wäre der "Versorgungsbereich Kinder- und Jugendmedizin" im EBM-Ä (Bereich III.a, Kapitel 4) auf einer Ebene neben dem Hausärztlichen Versorgungsbereich (Bereich III.a, Kapitel 3) und dem Fachärztlichen Versorgungsbereich (Bereich III.b) einzuordnen. Unabhängig von der Frage, ob dies in Einklang mit § 73 Abs 1 Satz 1, § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V stünde, wäre auch in diesem Fall für eine Regelung der Zulassungsgremien nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V kein Raum, weil der Beigeladene zu 6. mit der Erbringung von Leistungen nach Nr 04430 EBM-Ä und Nr 04433 EBM-Ä jedenfalls nicht in einem anderen Versorgungsbereich tätig würde.

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c) Wenn die Leistungen nach Nr 04430 EBM-Ä und Nr 04433 EBM-Ä keinem anderen Versorgungsbereich zuzuordnen wären als die übrigen Leistungen, die der Beigeladene zu 6. erbringt, wäre der angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund rechtswidrig. Im Ergebnis lässt der Senat jedoch die Frage offen, ob über § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V Grenzen zwischen dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Versorgungsbereich überwunden werden können, die in der durch § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V vorgeschriebenen Gliederung des EBM-Ä nicht mehr abgebildet werden. Jedenfalls ist der Bescheid rechtswidrig, weil der Beklagte keine Regelung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V bezogen auf ärztliche Leistungen treffen durfte, die der Beigeladene zu 6. in der vertragsärztlichen Versorgung nicht erbringen und abrechnen darf, weil er nicht über die dafür erforderliche formale Qualifikation in Gestalt der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie verfügt.

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Dass die Zuerkennung einer zulassungsrechtlichen Position nur in Betracht kommen kann, wenn und soweit der Arzt tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die entsprechenden Leistungen zu erbringen, hat der Senat bereits bezogen auf eine Reihe unterschiedlicher Konstellationen entschieden (zum Standort-Erfordernis als Voraussetzung für eine Ermächtigung zur Erbringung von Großgeräte-Leistungen BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 14 S 76; ebenso zB zur Fachgebietszugehörigkeit als Voraussetzung für die Ermächtigung eines Anästhesisten zur Erbringung schmerztherapeutischer Leistungen BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 30 S 149; zum Großgeräte-Befähigungsnachweis als Voraussetzung für die Ermächtigung zur Erbringung von Großgeräte-Leistungen BSGE 97, 158 = SozR 4-2500 § 135 Nr 10, RdNr 12). Mit Urteil vom 9.4.2008 (B 6 KA 40/07 R - BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 15) hat der Senat entschieden, dass einem Krankenhausarzt eine Ermächtigung nach § 116 Satz 2 SGB V nur für Leistungen erteilt werden darf, die er auch erbringen und abrechnen darf. Dies folgt unmittelbar aus dem Umstand, dass die Ermächtigung nur erteilt werden darf, wenn ein entsprechender Versorgungsbedarf besteht, der durch die Ermächtigung gedeckt werden kann. Zur Schließung einer Versorgungslücke kann der ermächtigte Arzt jedoch nur beitragen, wenn er die entsprechenden Leistungen auch erbringen darf. Zuletzt hat der Senat die Ermächtigung für den Betrieb einer Zweigpraxis zur Durchführung von Maßnahmen der Reproduktionsmedizin davon abhängig gemacht, dass der Zweigpraxisbewerber die Befugnis hat, die betreffenden Leistungen zu erbringen, weil eine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, wie sie Voraussetzung für die Gestattung einer Zweigpraxis ist, anderenfalls nicht eintreten kann (BSGE 113, 291 = SozR 4-5520 § 24 Nr 9, RdNr 15).

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Für die Entscheidung des ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V kann nichts anderes gelten. Die Teilnahme eines an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Kinderarztes auch an der fachärztlichen Versorgung setzt voraus, dass eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Die Entscheidung des ZA ist damit bedarfsabhängig. Ein Arzt, der die fachärztlichen Leistungen nicht erbringen darf, auf die sich die Regelung des ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V bezieht, kann keinen Beitrag zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung leisten.

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d) Die Leistungen nach Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä darf der Beigeladene zu 6. nicht erbringen und abrechnen, weil er nicht berechtigt ist, die Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie zu führen. Die Qualifikation in einem Schwerpunkt als Voraussetzung für die Abrechnung der genannten Gebührenordnungspositionen folgt aus 4.4.2 EBM-Ä in der seit 1.1.2008 geltenden Fassung. Danach können die Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 4.4.2 (Neuropädiatrische Gebührenordnungspositionen) - unter Berücksichtigung von 1.3 der Allgemeinen Bestimmungen - nur von Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie berechnet werden. Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä sind im Abschnitt 4.4.2 geregelt. Nach 1.3 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä setzen Gebührenordnungspositionen, deren Berechnung an ein Gebiet, eine Schwerpunktkompetenz (Teilgebiet), eine Zusatzweiterbildung oder sonstige Kriterien gebunden ist, das Führen der Bezeichnung, die darauf basierende Zulassung oder eine genehmigte Anstellung und/oder die Erfüllung der [sonstigen] Kriterien voraus.

32

aa) Entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 6. folgt auch aus der Präambel 4.1 Nr 2 EBM-Ä nichts anderes. Nach dieser Regelung können Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin - wenn sie im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen - gemäß § 73 Abs 1a SGB V auf deren Antrag die Genehmigung zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erhalten. Die Klägerin vertritt dazu die Auffassung, dass die Regelung - trotz der allgemeinen Bezugnahme auf § 73 Abs 1a SGB V - einschränkend dahin auszulegen sei, dass sie allein die ausschließliche Teilnahme von Kinderärzten an der fachärztlichen Versorgung entsprechend § 73 Abs 1a Satz 5 SGB V betreffe und nicht die Entscheidung des ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V (in diesem Sinne auch Köhler, aaO, 4.1, S 3 f; zur Auffassung des Bewertungsausschusses, nach der § 73 Abs 1a Satz 5 SGB V entsprechend auf Kinderärzte anwendbar sein soll, vgl dessen Beschluss vom 20.6.2000, DÄ 2000, A-1920, A-1922). Für die Richtigkeit dieser Interpretation spricht insbesondere, dass sich die Präambel 4.1 Nr 2 EBM-Ä ebenso wie § 73 Abs 1a Satz 5 SGB V auf Ärzte bezieht, die "im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen".

33

Für die Frage, ob der Beigeladene zu 6. die Leistungen nach Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä abrechnen darf, obwohl er nicht über die Qualifikation im Schwerpunkt Neuropädiatrie verfügt, kommt es darauf indes nicht an. Die Präambel 4.1 Nr 2 EBM-Ä betrifft allein die Frage der Zuordnung zu einem Versorgungsbereich im Sinne von I. 1.2.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä - also der hausärztlichen oder der fachärztlichen Versorgung -, nicht dagegen die Qualifikationsvoraussetzungen im Sinne von I. 1.3. der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä, zu der auch die Schwerpunktkompetenz gehört. Ein Zusammenhang dergestalt, dass mit der "Genehmigung zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung" die dort geregelten Qualifikationsanforderungen als erfüllt gelten würden, besteht nicht. Vielmehr sind beide Voraussetzungen grundsätzlich unabhängig voneinander zu erfüllen (vgl 2.c). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei 4.4.2 EBM-Ä gegenüber der das gesamte Kapitel 4 (Versorgungsbereich Kinder- und Jugendmedizin) betreffenden Präambel 4.1 Nr 2 EBM-Ä um die speziellere Regelung handelt. Auch systematische Gesichtspunkte sprechen deshalb dagegen, dass mit der Zuordnung eines Arztes zum fachärztlichen Versorgungsbereich die für einzelne Gebiete, Teilgebiete und Leistungen dieses Versorgungsbereichs geregelten spezifischen Qualifikationsanforderungen als erfüllt gelten würden.

34

bb) Dass das Recht eines Kinderarztes (auch) zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung nichts an dem Erfordernis ändern kann, dass er die für die einzelnen Gebiete, Teilgebiete und Leistungen geltenden Qualifikationsanforderungen erfüllt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Regelungen wie die in 4.4.2 EBM-Ä getroffenen, nach der die nachfolgenden Gebührenordnungspositionen nur von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin mit dem entsprechenden Schwerpunkt (hier: Neuropädiatrie) berechnet werden können, werden in dem seit 2008 geltenden EBM-Ä auch bezogen auf weitere Schwerpunkte wie zB Kinder-Kardiologie getroffen. Die kinderärztlich-kardiologischen Gebührenordnungspositionen dürfen also nur von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinder-Kardiologie berechnet werden (vgl 4.4.1 EBM-Ä). Wenn ein Kinderarzt über eine Schwerpunktbezeichnung (zB Neuropädiatrie) verfügt, dann darf er nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Dieses Recht zur Teilnahme auch an der fachärztlichen Versorgung ist nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V nicht auf bestimmte Leistungen des eigenen Schwerpunkts beschränkt, sondern gilt umfassend. Ein Kinderarzt mit Schwerpunktbezeichnung bedarf deshalb generell keiner Regelung durch den ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V, um fachärztliche Leistungen abrechnen zu dürfen. Aus dem Umstand, dass ein Kinderarzt mit Schwerpunktbezeichnung - unabhängig davon, um welchen Schwerpunkt es sich handelt - berechtigt ist, nicht nur an der hausärztlichen Versorgung, sondern auch an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen, folgt jedoch nicht, dass er alle Gebührenordnungspositionen aller kinderärztlichen Schwerpunkte oder gar alle fachärztlichen Leistungen des EBM-Ä erbringen und abrechnen dürfte. Vielmehr gilt auch für Kinderärzte mit Schwerpunkt, die nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V gleichzeitig an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen dürfen, dass sie die für die jeweiligen Leistungen im EBM-Ä geregelten Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen müssen. Dazu gehört neben der für bestimmte Leistungen erforderlichen Genehmigung der KÄV (zB nach der Ultraschallvereinbarung gemäß § 135 Abs 2 SGB V für Leistungen nach Nr 04410 EBM-Ä) auch bei Kinderärzten, dass sie über den für die Berechnung der jeweiligen Leistung erforderlichen Schwerpunkt verfügen müssen. Für einen Kinderarzt ohne Schwerpunkt, der nicht nach § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V generell, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des ZA an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen darf, kann erst Recht nichts anderes gelten. Auch er wird durch die Möglichkeit zur (partiellen) Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung nicht von der Erfüllung der im EBM-Ä geregelten Qualifikationsvoraussetzungen befreit.

35

cc) Dagegen kann der Beigeladene zu 6. nicht mit Erfolg einwenden, dass bei dieser Auslegung kein Anwendungsbereich für § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V verbleibt. § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V hatte jedenfalls bei seiner Einführung durch das GSG mWv 1.1.1993 durchaus praktische Bedeutung und diese erst im Zuge der weiteren Entwicklung - jedenfalls für Kinderärzte - weitgehend verloren. Im Jahr 1993 durften auch Kinderärzte ohne Schwerpunktbezeichnung Leistungen abrechnen, die heute dem fachärztlichen Versorgungsbereich zuzuordnen sind. Eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs ergab sich in den folgenden Jahren zum einen aus einer Erweiterung der Qualifikationsanforderungen (vgl zB zur Beschränkung neurologischer und psychiatrischer Leistungen ab dem 1.1.1996 auf bestimmte Arztgruppen, zu denen Kinderärzte nicht zählten: BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8; BSG Urteil vom 31.1.2001 - B 6 KA 11/99 R - USK 2001-143, Juris RdNr 16 ff; BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 14 S 46; BSG Beschluss vom 26.6.2002 - B 6 KA 4/02 B - Juris) und zum anderen aus der Einführung des § 73 Abs 1a Satz 4 SGB V mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, der Kinderärzten mit Schwerpunktbezeichnung generell den Zugang zum fachärztlichen Versorgungsbereich eröffnete und damit eine Entscheidung des ZA nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V insoweit erübrigte. Dementsprechend sah der Entwurf eines GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 (BT-Drucks 14/1245 S 8, zu Art 1 Nr 32 Buchst a) zunächst keine Entscheidung des ZA zur Teilnahme von Kinderärzten ohne Schwerpunkt an der fachärztlichen Versorgung mehr vor. Erst auf Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit wurde die Möglichkeit, auch für Kinderärzte ohne Schwerpunktbezeichnung eine Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung durch den ZA zu regeln, beibehalten (BT-Drucks 14/1977 S 21, zu Art 1 Nr 32 Buchst a). Das mit der Regelung ursprünglich verfolgte Ziel - die partielle Überwindung der Trennung in unterschiedliche Versorgungsbereiche - wird im Übrigen auch dann erreicht, wenn die Trennung bezogen auf diese Arztgruppe im EBM-Ä aufgegeben wird.

36

e) Die Regelung in 4.4.2 EBM-Ä, die die Berechnung der Gebührenordnungspositionen des entsprechenden Abschnitts auf Kinderärzte mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie beschränkt, ist rechtmäßig. Sie beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung (aa). Der Ausschluss des Beigeladenen zu 6. von der Abrechnung der Leistungen nach Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä ist mit Art 3, Art 12 GG vereinbar (bb) und verletzt nicht den Grundsatz des Vertrauensschutzes (cc).

37

aa) Die Kompetenz des Bewertungsausschusses, im EBM-Ä Qualifikationsanforderungen in Gestalt ua von Schwerpunktbezeichnungen zu regeln, folgt aus § 82 Abs 1 SGB V (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 20 f, 23, 27; vgl BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 20 RdNr 16 - vorgesehen auch für BSGE; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 12). Derartige Regelungen sind grundsätzlich rechtmäßig, soweit sie den Arzt nicht von einem Leistungsbereich ausschließen, der zum Kern seines Fachgebiets gehört bzw für dieses wesentlich und prägend ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 21 RdNr 30 mwN; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 13 mwN).

38

Als wesentlich bzw zum Kerngebiet gehörend werden solche Leistungen angesehen, ohne deren Erbringung die Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet nicht sinnvoll ausgeübt werden könnte (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 4 RdNr 31). Bezogen auf den Ausschluss der Kinderärzte von der Abrechnung neurologischer Leistungen nach Nr 800 EBM-Ä aF (Erhebung des vollständigen neurologischen Status …) hat der Senat bereits entschieden, dass es sich nicht um für das Fachgebiet der Kinderärzte wesentliche, prägende Leistungen handelt und dargelegt, dass nach dem Inhalt der Weiterbildungsordnung (WBO) und der Weiterbildungsrichtlinie nicht davon auszugehen ist, dass Kinderärzten auf dem Gebiet der Neurologie und Psychiatrie eingehende Kenntnisse vermittelt werden (BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8 S 20 f). Für die neuropädiatrischen Leistungen nach Nr 04430 und Nr 04433 EBM-Ä in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung kann erst recht nichts anderes gelten, weil es sich dabei um Leistungen handelt, die an die Qualifikation in einem Schwerpunkt anknüpfen. Der Umstand, dass eine Befähigung erst im Rahmen einer zusätzlichen Fachkundeweiterbildung vermittelt wird, spricht dagegen, dass es sich um eine für das Fachgebiet prägende Leistung handelt (BSGE 82, 55, 59 = SozR 3-2500 § 135 Nr 9 S 42).

39

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 6. kann für die Frage, ob eine Leistung für ein Fachgebiet prägend ist, nicht auf die einzelne Arztpraxis abgestellt werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 14 S 41). Der Bewertungsausschuss ist als Normgeber nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, an typische Sachverhalte anzuknüpfen und dafür generalisierende Regelungen zu treffen. Besonderheiten einer in der Vergangenheit gewachsenen Praxisausrichtung kann allenfalls durch Ausnahmeregelungen Rechnung getragen werden (BSG aaO).

40

Einem Arzt, der nicht über eine im EBM-Ä geforderte Schwerpunktbezeichnung verfügt, muss auch nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, statt eines formellen Qualifikationsnachweises seine individuelle Qualifikation - zB durch eine entsprechende spezielle Prüfung oder andere Nachweise - zu belegen (BSG SozR 4-5525 § 24 Nr 1 RdNr 27; BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 28 mwN). Auf die persönliche Qualifikation des Arztes kommt es angesichts der geforderten Schwerpunktbezeichnung nicht an (zur insoweit vergleichbaren Problematik bei der Beschränkung auf Leistungen des hausärztlichen Versorgungsbereichs vgl BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 15; zur Fachgebietsabgrenzung: s BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 7 S 29; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 7 RdNr 11; BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8, RdNr 15; BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 6 KA 75/04 R - USK 2006-92 S 614 = Juris RdNr 14 f, - jeweils mwN). Die Rechtmäßigkeit der schematischen Forderung der Schwerpunktbezeichnung folgt aus der dem Bewertungsausschuss als Normgeber zukommenden weiten Gestaltungsfreiheit, zu der insbesondere die Befugnis zur Generalisierung, Pauschalierung, Schematisierung und Typisierung gehört (BSG aaO, mwN). Gerade bei Leistungen, die - wie die Nr 04430 (255 Punkte) zusammen mit der Zusatzpauschale nach Nr 04433 EBM-Ä (845 Punkte) - relativ hoch bewertet sind, ist es jedenfalls im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn diese durch qualifikationsbezogene Beschränkungen im EBM-Ä auf fachlich besonders ausgewiesene Ärzte konzentriert werden, während anderen Ärzten niedriger bewertete Gebührenordnungspositionen zur Verfügung stehen (vgl BSG Urteil vom 31.1.2001 - B 6 KA 11/99 R - USK 2001-143 S 866, Juris RdNr 19).

41

Dagegen kann der Beigeladene zu 6. auch nicht mit Erfolg einwenden, dass er berufsrechtlich zur Erbringung aller Leistungen seines Fachgebietes einschließlich aller Schwerpunkte berechtigt sei. Das Vertragsarztrecht muss sich bei der Normierung von Qualifikationsvoraussetzungen nicht auf die Übernahme berufsrechtlicher Anforderungen beschränken (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 21 RdNr 19 f). Vielmehr können - ua mit der in der Rechtsprechung grundsätzlich gebilligten Anknüpfung an eine Schwerpunktbezeichnung (vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 20 ff) - darüber hinausgehende Anforderungen formuliert werden.

42

Auf die Darlegungen des Beigeladenen zu 6., nach der die Versorgung von Kindern mit ADS/ADHS in seinem Bezirk nicht sichergestellt sei, wenn er die streitgegenständlichen Leistungen nicht erbringen und abrechnen könne, konnte es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommen. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass die KÄVen auch unter Sicherstellungsgesichtspunkten keine den gesetzlichen Vorgaben zuwiderlaufenden Abrechnungsgenehmigungen erteilen dürfen (BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 4 RdNr 33; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 17). Nichts anderes gilt für die Zulassungsgremien (vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16) und damit auch den beklagten BA. Auch die vom Beigeladenen zu 6. mitgeteilten Auswirkungen der fehlenden Möglichkeit zur Abrechnung der streitgegenständlichen Gebührenordnungspositionen auf die Höhe seines RLV können keine gesetzwidrige Regelung durch den Beklagten begründen, sondern - worüber hier nicht zu entscheiden ist - nur die Frage aufwerfen, ob der Beigeladene zu 6. Anspruch auf eine Erhöhung seines RLV etwa aufgrund von Praxisbesonderheiten (vgl § 15 des in Baden-Württemberg im Jahr 2011 geltenden Honorarverteilungsvertrags) hatte. Zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung - auch bezogen auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit der Diagnose ADS/ADHS - bleibt die Klägerin im Übrigen gemäß § 72 Abs 1 Satz 1, § 75 Abs 1 SGB V verpflichtet.

43

bb) Das in 4.4.2 EBM-Ä normierte Qualifikationserfordernis der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie ist verfassungsgemäß. Die verfassungsrechtliche Kompetenz, solche Qualifikationsanforderungen zu normieren, ergibt sich aus Art 74 Abs 1 Nr 12 GG (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 27 mwN). Als nicht statusrelevante Berufsausübungsregelung ist die geforderte Berechtigung zur Führung der Schwerpunktbezeichnung ohne Weiteres mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, weil sie mit der Zielsetzung der Qualitätssicherung im Interesse des Gesundheitsschutzes durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Die Belange des Gesundheitsschutzes genießen grundsätzlich Vorrang gegenüber den Interessen von Ärzten, die eine Leistung ohne die geforderte Schwerpunktbezeichnung abrechnen möchten. Die Gerichte könnten nur eingreifen, wenn die normative Regelung bezogen auf das ihr zugrunde liegende Gemeinwohlziel schlechthin ungeeignet, eindeutig nicht erforderlich oder - auch bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums - unzumutbar wäre, also insbesondere dann, wenn die der Rechtsnorm zugrunde liegenden Einschätzungen so offensichtlich fehlerhaft wären, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für normative Maßnahmen abgeben können (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 37; BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 11 S 31 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Für die Erbringung der Leistungen nach Nr 04430 EBM-Ä (Neuropädiatrisches Gespräch, Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung) und nach Nr 04433 EBM-Ä (Zusatzpauschale Koordination der neuropädiatrischen Betreuung …) sind Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie besonders qualifiziert, während bei Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin ohne diese Schwerpunktbezeichnung nach dem Inhalt der WBO der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 15.3.2006, zuletzt geändert am 18.12.2013 (ÄBW 2014, 21), im Allgemeinen keine vertieften Kenntnisse im Bereich der Neuropädiatrie vorausgesetzt werden können. Mit der Verankerung der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie in der WBO hat die Landesärztekammer Baden-Württemberg Änderungen der Muster-WBO umgesetzt, die von den Delegierten des 106. Deutschen Ärztetages im Jahr 2003 beschlossen worden waren. Daran durfte der Bewertungsausschuss mit Leistungen im EBM-Ä anknüpfen, deren Erbringung den Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin mit einer entsprechenden Schwerpunktbezeichnung vorbehalten bleibt.

44

Da sachliche Gründe für die Anknüpfung im EBM-Ä an das Recht zur Führung der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie bestehen, liegt auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht vor. Der Normgeber darf gerade bei der Festlegung von Qualifikationserfordernissen den Nachweis in einem formalisierten Verfahren fordern, weil damit ein einigermaßen rechtssicherer Beleg für die Qualifikation vorliegt und das Abstellen darauf der Verwaltungsvereinfachung dient. Auf Qualitäts- bzw Qualifikationsprüfungen im Einzelfall braucht sich der Normgeber nicht einzulassen (vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 38 mwN).

45

cc) Allerdings würden Fragen des Vertrauensschutzes aufgeworfen, wenn entsprechend dem Vorbringen des Beigeladenen zu 6. mit den Änderungen des EBM-Ä zum 1.1.2008 neue Qualifikationsanforderungen in Gestalt der Schwerpunktbezeichnung für Leistungen eingeführt worden wären, die dieser zuvor über viele Jahre erbracht und abgerechnet hat. Dies trifft indes nicht zu. Vielmehr enthielt der vor dem 1.1.2008 geltende EBM-Ä keine Nr 04430 EBM-Ä und Nr 04433 EBM-Ä entsprechenden Gebührenordnungspositionen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit der Diagnose ADHS.

46

Leistungen, die von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin unabhängig von einer Schwerpunktbezeichnung abgerechnet werden konnten, sind - einschließlich der vom Beigeladenen zu 6. als bedeutsam für die Behandlung von Kindern mit ADS/ADHS angeführten Nr 04350 bis Nr 04354 EBM-Ä - seit dem 1.1.2009 wieder in Abschnitt 4.2 EBM-Ä (Gebührenordnungspositionen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin) enthalten (vgl Beschluss des Bewertungsausschusses vom 17.9.2008, DÄ 2008, A-2604, A-2605 f). Soweit der Beigeladene zu 6. geltend macht, dass er einen Teil der Leistungen dieses Abschnitts nicht mehr abrechnen könne, weil diese in dem seit 2008 geltenden EBM-Ä nicht mehr enthalten seien, so ist darauf hinzuweisen, dass Gebührenordnungspositionen wie Nr 04001 EBM-Ä (Koordination der hausärztlichen Betreuung), Nr 04120 EBM-Ä (Beratung, Erörterung, Abklärung) und Nr 04312 (klinisch-neurologische Basisdiagnostik) aus dem seit 1.4.2005 geltenden EBM-Ä keineswegs ersatzlos entfallen sind, sondern in die entsprechend bewertete Versichertenpauschale überführt wurden (vgl im Einzelnen die Auflistung im Anhang 1 zum EBM-Ä 2008). Damit wurde die gesetzliche Vorgabe aus § 87 Abs 2b Satz 1 SGB V idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) umgesetzt, nach der die im EBM-Ä aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung als Versichertenpauschalen abzubilden waren. Mit diesen Pauschalen waren die gesamten im Abrechnungszeitraum üblicherweise im Rahmen der hausärztlichen Versorgung eines Versicherten erbrachten Leistungen einschließlich der anfallenden Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen zu vergüten (§ 87 Abs 2b Satz 2 SGB V). Leistungen der Schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin waren vor dem 1.1.2008 Inhalt des Abschnitts 4.4. Dort fanden sich ebenfalls keine Leistungen, die Nr 04430 oder Nr 04433 EBM-Ä in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung entsprechen würden. Andere als die im Abschnitt 4.4 unter Nr 2 und Nr 4 aufgeführten Leistungen des fachärztlichen Versorgungsbereichs waren nach Nr 5 von Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin ausdrücklich nicht berechnungsfähig. Auch bezogen auf die von dem Beigeladenen zu 6. angeführte Nr 16310 EBM-Ä (Elektroenzephalographische Untersuchung) ist nicht ersichtlich, dass sich dessen Position aufgrund der Änderung des EBM-Ä zum 1.1.2008 verschlechtert haben könnte: Nach Abschnitt 4.4 Nr 3 EBM-Ä in der seit dem 1.4.2005 geltenden Fassung galt als Genehmigungsvoraussetzung für die Leistungen ua nach Nr 16310 EBM-Ä eine "zusätzlich zu den Weiterbildungszeiten des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin abgeleistete, mindestens 24-monatige Weiterbildung an einer weiterbildungsbefugten Ausbildungsstätte im Bereich der Neuropädiatrie". Diese Weiterbildung hat der Beigeladene zu 6. nicht absolviert. Die genannte Leistung findet sich seit dem 1.1.2008 als "Elektroenzephalographische Untersuchung bei einem Neugeborenen, Säugling, Kleinkind, Kind oder Jugendlichen" in Nr 04434 EBM-Ä wieder. Aufgrund der Einordnung der Leistung in den Abschnitt 4.4.2 wird die Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie vorausgesetzt, über die der Beigeladene zu 6. - aufgrund der nicht abgeschlossenen 24-monatigen Weiterbildung im Schwerpunkt Neuropädiatrie - nicht verfügt. Im Übrigen ist die Berechtigung des Beigeladenen zu 6. zur Berechnung der Leistung nach Nr 04434 EBM-Ä nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

47

Unter den dargestellten Umständen ist nicht zu beanstanden, dass die Partner der Bundesmantelverträge - anders als bei vorangegangenen Umstrukturierungen des EBM-Ä, die Einschränkungen des Spektrums abrechenbarer Leistungen für bestimmte Arztgruppen zum Gegenstand hatten (zu Einschränkungen bei der Berechnung ua psychiatrischer Leistungen und der dazu ergangenen Übergangsregelung in Abschnitt 4a Nr 7 Abs 5 der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs vom 14.9.1995 vgl BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 8; BSG SozR 3-2500 § 72 Nr 14 S 46; BSG Urteil vom 31.1.2001 - B 6 KA 11/99 R - USK 2001-143, Juris RdNr 16 ff; BSG Beschluss vom 26.6.2002 - B 6 KA 4/02 B - Juris RdNr 5; zur Übergangsregelung bezogen auf Neuregelungen im EBM-Ä mWv 1.4.2005, mit denen die Berechnung bestimmter Leistungen des internistischen Fachgebietes von einer Schwerpunktbezeichnung abhängig gemacht wurde vgl BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 4 RdNr 33; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 16; vgl auch zum landesrechtlichen Facharzterfordernis bei der Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen BVerfGE 98, 265, 309 ff) - im Zusammenhang mit den zum 1.1.2008 eingetretenen Änderungen bei den Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin keine Übergangsregelungen vorgesehen haben. Übergangsbestimmungen, die einen erleichterten Zugang zur Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie im Zusammenhang mit der Einführung dieser Schwerpunktbezeichnung in der WBO regeln, können nur auf Landesebene und nicht im EBM-Ä getroffen werden. Für Baden-Württemberg sind entsprechende Übergangsregelungen Gegenstand des § 20 Abs 8, Abs 9 WBO vom 15.3.2006 (ÄBW 4/2006, Beilage). Der Beigeladene zu 6. hat die Berechtigung zum Führen der Schwerpunktbezeichnung Neuropädiatrie jedoch - nach den für den Senat bindenden Feststellungen im Beschluss des LSG (§ 163 SGG) - auch nach dieser Übergangsregelung nicht erworben.

48

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach tragen der unterliegende Beklagte und der Beigeladene zu 6. die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 5. ist nicht veranlasst; sie haben im gesamten Verfahren keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

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