Beschluss vom Bundessozialgericht (14. Senat) - B 14 AS 355/17 B

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 29. März 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das bezeichnete Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt S P, J, beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem eingangs bezeichneten Urteil des LSG ist als unzulässig zu verwerfen, weil die zu ihrer Begründung aufgeführten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Der Senat kann deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG entscheiden.

2

Eine Abweichung (Divergenz) ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (s nur Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).

3

Diesen Voraussetzungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar hat die Klägerin drei Urteile des BSG bezeichnet und unter Nennung des Aktenzeichens und jeweils einer Randnummer einen Satz der Entscheidungen herausgestellt. Es fehlt aber an der Bezeichnung eines konkreten Rechtssatzes seitens des LSG, mit dem dieses eigene, abweichende Maßstäbe aufgestellt haben soll. Insofern reicht die - wie die Klägerin ausdrücklich schreibt - sinngemäße Wiedergabe eines Absatzes aus dem LSG-Urteil allein nicht aus. Vielmehr muss - für den Fall, dass sich ein abweichender Rechtssatz nicht schon dem Wortlaut der Entscheidung des LSG entnehmen lässt - anhand der Darlegungen des LSG hergeleitet werden, aus welchen konkreten Ausführungen sich der sinngemäß bezeichnete Rechtssatz ergeben soll. Daran fehlt es hier.

4

Auch ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann und der in verfahrensmäßig zulässiger Weise geltend gemacht werden kann, ist nicht ausreichend bezeichnet.

5

Soweit die Klägerin rügt, es sei eine Überraschungsentscheidung ergangen und damit liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) vor, fehlt es an der Darlegung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe, nach denen sich eine Überraschungsentscheidung ergeben kann. Insbesondere hat die Klägerin nicht aufgezeigt, dass der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung genommen hat, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr; s nur BVerfG vom 7.10.2003 - 1 BvR 10/99; BVerfG vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09). Die Begründung der Klägerin, das LSG habe sich zum einen auf eine Entscheidung des BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - berufen, ohne zuvor einen diesbezüglichen Hinweis zu geben, reicht nach den genannten Vorgaben nicht aus. Soweit die Klägerin weiterhin rügt, die in der Entscheidung genannten Aspekte seien nicht auf die hiesige Konstellation übertragen worden, bezieht sie sich auf die rechtliche Würdigung und die Beweiswürdigung durch das LSG. Ein Verfahrensmangel kann jedoch nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Entscheidung nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung) gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).

6

Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör rügt, weil das LSG einen benannten Zeugen nicht vernommen habe, obwohl auf die Notwendigkeit der Einvernahme bei der Erörterung des Sach- und Streitstandes hingewiesen worden sei, macht sie der Sache nach als Verfahrensmangel nicht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) geltend, sondern eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Dem Beschwerdevorbringen lässt sich aber nicht entnehmen, dass sich die Verletzung auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Die anwaltlich vertretene Klägerin trägt nicht ausreichend vor, dass und wann ein Beweisantrag mit welchem Inhalt gestellt worden ist, sodass unklar bleibt, warum das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt sehen müssen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5).

7

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die Beschwerde nach den vorstehenden Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG iVm § 114 ZPO). Damit entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

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