Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (2. Senat 2. Kammer) - 2 BvR 1649/18

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenden sich gegen zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts Stuttgart, die einen von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Grundbuchberichtigungsanspruch zum Gegenstand haben.

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1. Die Beschwerdeführerin verfolgt im Ausgangsverfahren im Wege der einstweiligen Verfügung einen Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gegen das Miteigentum der Antragsgegner an einer Immobilie. Sie hat mit ihrem Lebensgefährten M., der am 13. Juni 2013 verstorben ist (im Folgenden: Erblasser), die Immobilie H-Straße in V. bewohnt. Die Immobilie stand im jeweils hälftigen Eigentum der Beschwerdeführerin und des Erblassers. Im handschriftlichen Testament des Erblassers vom 4. November 2009, über dessen Wirksamkeit Streit besteht, wurde die Dipl.-Ing. M. Stiftung als Erbe eingesetzt. Der Beschwerdeführerin wurden mehrere Vermächtnisse aus dem Testament zugewendet. Hierzu gehört auch der hälftige Miteigentumsanteil des Erblassers an der Immobilie H-Straße in V.

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Den Kindern des Erblassers, die im Ausgangsverfahren die Antragsgegner sind, wurde am 5. November 2013 ein Erbschein erteilt, wonach der Erblasser von ihnen jeweils zur Hälfte beerbt wurde. Aufgrund dieses Erbscheins wurden die Antragsgegner im Ausgangsverfahren in Erbengemeinschaft je zur Hälfte anstelle des Erblassers im Grundbuch eingetragen. Mit Anwaltsschriftsatz vom 13. Oktober 2014 haben die Antragsgegner die Anordnung der Teilungsversteigerung zur Aufhebung der Grundstückseigentümergemeinschaft an der in Rede stehenden Immobilie beantragt. Das Amtsgericht Neu-Ulm beraumte den Termin zur Zwangsversteigerung auf den 18. Mai 2018 an. Der Termin wurde zwischenzeitlich aufgehoben, ohne dass das Verfahren eingestellt wurde. Die Beschwerdeführerin hat gegen die angeordnete Teilungsversteigerung Drittwiderspruchsklage beim Landgericht Memmingen erhoben, das die Teilungsversteigerung mit Beschluss vom 1. Februar 2016 - 33 O 1732/14 - gegen Sicherheitsleistung von 280.000 Euro einstweilen eingestellt und das Verfahren bis zur Entscheidung des Landgerichts Ravensburg - 3 O 8/15 -, in welchem die Beschwerdeführerin von den Kindern als formell legitimierten Erben die Erfüllung des Grundstückvermächtnisses bezogen auf den hälftigen Miteigentumsanteil der in Rede stehenden Immobilie gerichtlich fordert, ausgesetzt hat.

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Mit Urteil vom 26. April 2018 - 3 O 8/15 - hat das Landgericht Ravensburg die Klage der Beschwerdeführerin auf Erfüllung des Vermächtnisses mit der Begründung abgewiesen, die Beklagten (Kinder des Erblassers) seien trotz Erbscheins materiell nicht Erben, sondern die Dipl.-Ing. M. Stiftung, sodass die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten abzuweisen sei. Daneben wurde der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen, wonach festgestellt werden sollte, dass die Beklagten nicht Erben des Erblassers geworden seien, da wegen doppelter Rechtshängigkeit ein Verstoß gegen § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vorliege.

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Mit Beschluss vom 14. Mai 2018 - 3 O 103/18 - hat das Landgericht Ravensburg den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin begehrte die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch von V. zu dem in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundbesitz H-Straße. Die Beschwerdeführerin habe die Grundbuchunrichtigkeit nicht glaubhaft machen können, da sich aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 26. April 2018 - 3 O 8/15 - nicht ergebe, dass der Erbschein vom 5. November 2013 materiell unrichtig und die Antragsgegner (Kinder des Erblassers) nicht Erben geworden seien. Der sofortigen Beschwerde der Beschwerdeführerin hat das Landgericht Ravensburg mit Beschluss vom 17. Mai 2018 - 3 O 103/18 - nicht abgeholfen und dem Oberlandesgericht Stuttgart die Akte zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Mit Beschluss vom 24. Mai 2018 - 19 W 30/18 - hat das Oberlandesgericht Stuttgart die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ist die Beschwerdeführerin zur Geltendmachung eines Grundbuchberichtigungsanspruchs (§ 894 BGB) nicht aktivlegitimiert. Ihr stehe weder ein dingliches Recht an dem hälftigen Miteigentumsanteil des Erblassers zu, noch beeinträchtige die Eintragung der Antragsgegner (Kinder des Erblassers) als (Mit-)Eigentümer des hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an der Immobilie ihre Eigentümerstellung an dem anderen Miteigentumsanteil. Einen Berichtigungsanspruch habe nur der wirkliche Rechtsinhaber. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 26. Juni 2018 - 19 W 30/18 - zurückgewiesen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hätte die Beschwerdeführerin davon ausgehen müssen, dass der Senat auch ihre Aktivlegitimation prüfen werde. Überdies sei die Gehörsrüge auch materiell nicht begründet, da die Beschwerdeführerin sich zu Unrecht auf § 1011 BGB berufe, denn die Beschwerdeführerin sei an der für die Antragsgegner eingetragenen Miteigentumshälfte gerade nicht mitberechtigt.

6

Im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt die Beschwerdeführerin, die Zwangsversteigerung wegen des Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft des im Grundbuch des Amtsgerichts Neu-Ulm eingetragenen in Rede stehenden Grundeigentums bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin auszusetzen.

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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.

II.

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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.

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Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig. Ihr steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).

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1. Aus dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde folgt, dass der Rechtsweg solange nicht erschöpft ist, als der Beschwerdeführer die Möglichkeit hat, im Verfahren vor den Gerichten des zuständigen Gerichtszweigs die Beseitigung des Hoheitsaktes zu erreichen, dessen Grundrechtswidrigkeit er geltend macht (vgl. BVerfGE 8, 222 <225 f.>). Der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht der Zulässigkeit in aller Regel entgegen, wenn für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestand oder besteht, den behaupteten Verfassungsverstoß anderweitig zu beseitigen oder außerhalb des eingeleiteten verfassungsgerichtlichen Verfahrens im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (vgl. BVerfGE 76, 1 <39>; 78, 58 <68 f.>; 93, 165 <171>). Damit wird sichergestellt, dass der Vorrang gewahrt bleibt, der den Fachgerichten sowohl bei der Sachverhaltsermittlung als auch bei der Auslegung der einfachrechtlichen Vorschriften nach der gesetzlichen Kompetenzordnung und wegen der größeren Sachnähe gebührt (vgl. z.B. BVerfGE 9, 3 <7 f.>; 51, 386 <396>; 55, 244 <247>; 79, 1 <20>; stRspr). Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert ferner, dass die behauptete Grundrechtswidrigkeit im jeweils mit dieser Beeinträchtigung zusammenhängenden sachnächsten Verfahren geltend zu machen ist (vgl. BVerfGE 112, 50 <60>; 129, 78 <92>; 131, 47 <56>; stRspr). Der Beschwerdeführer muss alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken (vgl. BVerfGE 84, 203 <208> m.w.N.). Der Grundsatz der Subsidiarität gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber ein bis ins Einzelne ausgestaltetes Rechtsschutzsystem zur Verfügung stellt, mittels dessen der Beschwerdeführer die von ihm in Anspruch genommene Rechtsposition hätte geltend machen können (vgl. BVerfGE 22, 287 <291>).

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2. Die Beschwerdeführerin hat vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde noch nicht abschließend klären lassen, ob ihr überhaupt ein Vermächtnisanspruch nach § 2174 BGB zusteht. Dies war auch nicht Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Die Wirksamkeit des Testaments vom 4. November 2009 ist vielmehr Gegenstand eines anderen rechtshängigen Verfahrens. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart hindert die Beschwerdeführerin nicht, die von ihr behauptete Wirksamkeit des Testaments vom 4. November 2009 und den daraus resultierenden Vermächtnisanspruch vor den Prozessgerichten geltend zu machen. Sie hat daher die bestehenden und zumutbaren Möglichkeiten, fachgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, nicht ausgeschöpft.

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3. Der Beschwerdeführerin entsteht mit der Verweisung auf den Rechtsweg auch kein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG. Ihren durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen kann vielmehr im Rahmen des - hier nicht entscheidungserheblichen - Teilungsversteigerungsverfahrens Rechnung getragen werden, das mit Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 1. Februar 2016 - 33 O 1732/14 - gegen Sicherheitsleistung von 280.000 Euro einstweilen bis zu einer Entscheidung im Verfahren - 3 O 8/15 - des Landgerichts Ravensburg eingestellt wurde.

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Die Eigentumsgarantie ist Grundlage für die Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (vgl. BVerfGE 42, 64 <76>). Ihr kommt von Verfassungs wegen die Aufgabe zu, dem Einzelnen eine Entfaltung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 42, 64 <76>; 46, 325 <334>; BVerfGK 15, 8 <12>; 19, 345 <349>). Diese Garantiefunktion beeinflusst nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Vermögensrechts, sondern wirkt auch auf das zugehörige Verfahrensrecht ein (vgl. BVerfGE 46, 325 <334>; 49, 220 <225>; 51, 150 <156>; BVerfGK 15, 8 <12 f.>; 19, 345 <349>). Demgemäß folgt bereits unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein Anspruch auf eine faire Verfahrensführung, der zu den wesentlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips gehört (vgl. BVerfGE 46, 325 <334 f.>; 51, 150 <156>; BVerfGK 15, 8 <13>; 19, 345 <349>). Dies gilt auch für die Durchführung einer Teilungsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft (vgl. §§ 180 ff. ZVG), bei der der Staat im Interesse des Antragstellers schwerwiegende Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Antragsgegners vornimmt (vgl. BVerfGE 46, 325 <335>; 49, 220 <225>; 51, 150 <156>; BVerfGK 15, 8 <13>; 19, 345 <350>). Die einschlägigen Verfahrensvorschriften über die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung sowie Art und Umfang der Sicherheitsleistung sind daher im Lichte der verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Art. 14 Abs. 1 GG anzuwenden, um auch die Belange des Antragsgegners im Rahmen der Teilungsversteigerung angemessen zu wahren.

14

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

15

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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