Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WD 35/09

Tatbestand

Der 1966 geborene frühere Soldat trat 1986 als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr ein und schied 1990 aus dem aktiven Dienst im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers aus. In der Folgezeit absolvierte er zahlreiche Wehrübungen, wobei er zuletzt zum Major der Reserve befördert wurde.

Im Jahre 2003 wurde der frühere Soldat vom Land Niedersachsen in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen.

In der Zeit von Oktober 2004 bis November 2005 übermittelte der frühere Soldat in elf Fällen vorsätzlich über seinen Internetzugang mit Hilfe seines PC's Dateien mit kinderpornographischen Bildern an andere - ihm unbekannte - Internetteilnehmer via E-Mail. Zudem besaß er vorsätzlich 30 Dateien mit kinderpornographischen Bildern.

Da gegen den früheren Soldaten geführte sachgleiche Strafverfahren wurde am 23. August 2006 nach Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 1 500 € gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt. Im sachgleichen beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren wurde der frühere Soldat durch rechtskräftiges Urteil aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

Das Truppendienstgericht hat dem früheren Soldaten den Dienstgrad des Majors der Reserve aberkannt. Seine Berufung hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

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2. Das Rechtsmittel des früheren Soldaten ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 in Verbindung mit § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen sowie unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

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Der Durchführung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens stand kein Verfahrenshindernis entgegen. Insbesondere die Entfernung des früheren Soldaten aus dem Beamtenverhältnis durch Disziplinarurteil des Verwaltungsgerichts begründet kein solches. Zwar erfolgte die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen Verhaltensweisen, die mit den vorliegend angeschuldigten identisch sind. Während des Zeitraums, in dem der frühere Soldat disziplinarisch bedeutsame Handlungen begangen hatte - nämlich in der Zeit vom Oktober 2004 bis Ende November 2005 -, war er jedoch sowohl Beamter des Landes als auch Major der Reserve (des Bundes). Er unterlag damit zwei Pflichtenkreisen unterschiedlicher Dienstherren, wodurch eine disziplinarische Ahndung sowohl auf das Beamten- wie auch auf das Soldatenverhältnis bezogen zulässig bleibt (Urteil vom 26. Mai 1998 - BVerwG 2 WDB 6.97 - BVerwGE 113, 226 <228 f.>).

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3. Der vom Truppendienstgericht festgestellte Sachverhalt trifft zu. Dies folgt hinsichtlich des vorsätzlichen Besitzes dreißig kinderpornografischer Dateien und des neunfachen vorsätzlichen Versendens solcher Dateien bereits aus den tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2008; der Senat legt sie gem. § 84 Abs. 2 WDO zugrunde. Ungeachtet dessen folgt dies aber auch hinsichtlich dieser Dateien sowie zwei weiterer, vorsätzlich versendeter Dateien aus der Einlassung des früheren Soldaten und der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke. Der frühere Soldat hat die Richtigkeit des vom Truppendienstgericht festgestellten Sachverhalts auch in der Berufungshauptverhandlung nicht in Abrede gestellt, sondern zum Ausdruck gebracht, die Tat zutiefst zu bereuen und sich zu wünschen, dass sie nie geschehen wäre. Er hat sich allerdings gegen die Annahme des Truppendienstgerichts verwahrt, es sei eine Schutzbehauptung, die festgestellten Handlungen ausschließlich im Hinblick auf Recherchen für sein Buchprojekt begangen zu haben.

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4. Der frühere Soldat hat damit ein Verhalten an den Tag gelegt, das gem. § 17 Abs. 3 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative SG als Dienstvergehen gilt.

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a) Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 SG setzt voraus, dass der frühere Soldat nach den für seine Wiederverwendung maßgeblichen Rechtsvorschriften erneut in ein Wehrdienstverhältnis berufen werden könnte. Denn anderenfalls käme eine Wiederverwendung, auf die die Vorschrift abstellt, nicht mehr in Betracht. Zweifel dieser Art bestehen nicht.

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b) Darüber hinaus verlangt § 17 Abs. 3 SG eine Verletzung der Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die für eine Wiederverwendung des ausgeschiedenen Soldaten in seinem Dienstgrad erforderlich sind. Bei der Beurteilung dessen kommt es darauf an, ob dieses Verhalten objektiv geeignet ist, ihn für eine Wiederverwendung in seinem letzten Dienstgrad zu disqualifizieren. Dabei ist zu prüfen, ob bei einem entsprechenden Verhalten eines aktiven Offiziers oder Unteroffiziers nach Eigenart und Schwere der Tat Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung wäre; nicht maßgeblich ist, ob auch im konkreten Fall eine Dienstgradherabsetzung geboten ist (Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 2 WD 19.07 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 42). Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei den Pflichtverletzungen des früheren Soldaten, wenn er sie im aktiven Dienst begangen hätte, nicht nur eine Herabsetzung im Dienstgrad, sondern eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis ist. Er hat nämlich nicht nur kinderpornografische Dateien besessen, sondern sie auch anderen verschafft.

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Anders als vom Truppendienstgericht ausgeführt, können der Besitz und das Verbreiten kinderpornografischer Schriften/Dateien nicht deshalb als "Milderungsgründe" innerhalb der Kategorie des sexuellen Missbrauchs von Kindern oder der Nötigung von Jugendlichen angesehen werden, weil es an einem unmittelbaren Missbrauch von Kindern fehlt. Der Senat hat vielmehr Dienstvergehen kinderpornografischer Art selbständig neben Dienstvergehen gestellt, die den unmittelbaren sexuellen Missbrauch von Kindern oder die sexuelle Nötigung von Jugendlichen zum Inhalt haben, und auf der Grundlage dessen den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen gesondert bestimmt. Danach ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen beim unmittelbaren sexuellen Missbrauch von Kindern oder der Nötigung von Jugendlichen durch Soldaten regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis (Urteil vom 27. Juli 2010 - BVerwG 2 WD 5.09 -). Stehen Dienstvergehen kinderpornografischen Inhalts im Raum, ist bei einem Fehlverhalten, das sich auf den Besitz kinderpornografischer Dateien beschränkt, Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienstgrad. Tritt jedoch wie vorliegend der Fall des Verschaffens solcher Dateien/Schriften im Sinne des § 184b Abs. 2 StGB hinzu, wird das Fehlverhalten so gravierend, dass der Soldat im Allgemeinen für die Bundeswehr untragbar wird und er nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe im Dienstverhältnis verbleiben kann (vgl. Urteil vom 23. September 2010 - BVerwG 2 WD 41.09 - m.w.N.).

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Nach Maßgabe dessen hat der frühere Soldat somit ein Dienstvergehen begangen, das jedenfalls bei abstrakter Betrachtung eine Wiederverwendung in seinem bisherigen Dienstgrad als Major (d.R.) ausschließt.

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c) Das Verhalten stellt sich zudem als unwürdig im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative SG dar, so dass es als Dienstvergehen anzusehen ist.

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Unter einem "unwürdigen Verhalten" im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative SG ist ein aus den gesamten Umständen sich herleitendes Fehlverhalten von besonderer Intensität zu verstehen. Darunter fällt zumindest ein Sichhinwegsetzen über die unter Soldaten und von der Gemeinschaft anerkannten Mindestanforderungen an eine auf Anstand, Sitte und Ehre bedachte Verhaltensweise eines Reservisten mit Vorgesetztenrang. Ob und in welchem Grade die Handlungsweise des früheren Soldaten sich als schuldhafte Verletzung eines von der Rechtsordnung allgemein geschützten, für alle gewährleisteten Rechtsgutes erweist und als eine Störung der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Rechtsfriedens erscheint, ist dabei unerheblich. Als Disziplinartatbestand zielt auch § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative SG allein darauf ab, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten und zu sichern, indem er die Möglichkeit schafft, ein Korps von achtungs- und vertrauenswürdigen Reserveoffizieren und -unteroffizieren zu erhalten, die zur Wiederverwendung in einem ihrer militärischen Vorbildung und ihrem militärischen Rang entsprechenden Dienstgrad geeignet sind, oder umgekehrt, untragbar gewordene Vorgesetzte ihrer Vorgesetztenstellung ganz oder teilweise zu entkleiden (Urteil vom 17. Mai 1990 - BVerwG 2 WD 21.89 - BVerwGE 86, 288 <290 f.> - juris Rn. 9). In diesem Sinne ist das strafrechtlich sanktionierte Verhalten des früheren Soldaten offensichtlich nicht nur als bloßer Verstoß gegen "gute Manieren", sondern als unwürdig zu bewerten.

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5. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

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a) Eigenart und Schwere des festgestellten Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt der Verstoß des früheren Soldaten gegen die Pflicht gegen § 17 Abs. 3 SG schwer, zumal er mit seinem Fehlverhalten auch kriminelles Unrecht beging.

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Der Gesetzgeber hat die Besitzverschaffung und den Besitz kinderpornografischer Darstellungen in § 184b Abs. 2 und 4 StGB unter Strafe gestellt, um das Schaffen und Aufrechterhalten eines "Marktes" mit kinderpornografischen Darstellungen schon im Ansatz zu verhindern. Er hat den "Konsumenten" von Kinderpornografie damit den Kampf angesagt und sein Unwerturteil über den Besitz kinderpornografischer Darstellungen ausgedrückt. Kinderpornografische Darstellungen machen die kindlichen "Darsteller" zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung und verstoßen gegen die unantastbare Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Der darin liegende sexuelle Missbrauch eines Kindes oder von Jugendlichen ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich, greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, da das Kind wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann (vgl. Urteil vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - Rn. 43 § 38 WDO 2002 Nr. 23>).

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Als Erschwerungsgrund fällt zusätzlich die Stellung des Soldaten als Offizier der Reserve ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund hat er erheblich versagt. Von ihm konnte und musste erwartet werden, dass er bei der Wahrung der Grundrechte, zumal der von Kindern, in erster Linie selbst mit gutem Beispiel voranging. Seine Stellung als Offizier erforderte es, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel hätte geben müssen. Denn nur wenn er dieses Beispiel gibt, kann er von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen.

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Eine mildere Beurteilung des Dienstvergehens ist auch nicht etwa deshalb geboten, weil das gegen den früheren Soldaten geführte sachgleiche Strafverfahren nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt worden ist. Zum einen setzt § 153a Abs. 1 StPO, auch wenn es sich um ein Beendigungsverfahren mit Selbstunterwerfungscharakter handelt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, Kommentar, 53. Aufl. 2010, § 153a Rn. 12), gerade voraus, dass der jeweilige Straftatbestand erfüllt und der Täter schuldig ist, wobei die Schwere der Schuld - anders als bei § 153 StPO - nicht einmal gering zu sein braucht (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 7). Zum anderen besagt der - durch die Erfüllung von Weisungen und Auflagen bewirkte - Fortfall des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung nichts darüber aus, ob ein Interesse an einer auch disziplinarischen Ahndung besteht. Das strafrechtliche und das disziplinarische Verfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während jene neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die besonderen ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat, entweder einer Maßregelung unterwirft oder durch eine erzieherische Maßnahme mahnend auf künftiges pflichtgemäßes Verhalten hinweist (Urteil vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 - BVerwGE 113, 108 <111> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 33, vgl. auch Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Selbst eine strafgerichtliche Ahndung macht deshalb eine Disziplinarmaßnahme im Regelfall nicht entbehrlich (Urteil vom 25. September 2007 -BVerwG 2 WD 19.06 - Rn. 51 a.E. § 38 WDO 2002 Nr. 23>).

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b) Das Dienstvergehen hatte erhebliche Auswirkungen. Es führte zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der in den Bildern dargestellten Kinder. Der Besitz kinderpornografischer Bilder durch den früheren Soldaten trug nicht nur mittelbar dazu bei, dass Kinder durch die Existenz eines entsprechenden Marktes sexuell missbraucht werden. Damit wurde auch in das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Kinder nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen, ohne dass sich diese dagegen wirksam wehren konnten. Das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt gerade die Intimsphäre und die engere persönliche Lebenssphäre (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1980 - 1 BvR 185/77 - BVerfGE 54, 148 <153> und vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170>). Es schützt ferner die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten und persönlichen Lebenssachverhalte offenbart werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87 - BVerfGE 80, 367 <373>). Durch sein Verhalten hat der Soldat zu dieser schwerwiegenden Rechtsverletzung beigetragen.

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c) Soweit es die Beweggründe betrifft, teilt der Senat allerdings nicht die Einschätzung des Truppendienstgerichts, es sei eine Schutzbehauptung des früheren Soldaten, Dateien kinderpornografischen Inhalts wegen seiner Recherchen für das später auch umgesetzte Buchprojekt an Dritte versendet zu haben. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass der frühere Soldat sich im Rahmen seiner Recherchen für das Buch zu seinem strafbaren Verhalten hat hinreißen lassen.

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d) Das Maß der Schuld als Richtlinie für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme bestimmt sich auf der Grundlage einer vorsätzlichen Verhaltensweise des früheren Soldaten. Anhaltspunkte dafür, dass er zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, bestehen nicht; ebenso wenig waren sonstige Schuldmilderungs- und Schuldausschließungsgründe ersichtlich. Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen ebenfalls nicht vor.

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e) Soweit es die bisherige Führung und die Persönlichkeit des früheren Soldaten betrifft, streiten für ihn allerdings überdurchschnittliche Leistungen in der Vergangenheit.

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f) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 -). Es führt dazu, dass die verhängte Disziplinarmaßnahme im Ergebnis richtig ist.

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aa) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen" eine Regelmaßnahme zu bestimmen. Dabei entspricht es der bereits an früherer Stelle dargelegten Rechtsprechung des Senats, dass Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Dienstvergehen dieser Art bei einem Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit die Entfernung aus dem Dienstverhältnis ist (vgl. 4 b)). Bei einem Soldaten der Reserve entspricht dies der Aberkennung des Dienstgrades (§ 58 Abs. 3 Nr. 2 WDO). Die Frage, ob ein minderschwerer Fall vorliegt, ist im Rahmen der zweiten Prüfungsstufe zu erörtern.

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Damit steht die Aberkennung des Dienstgrads als Ausgangserwägung im Raum. Anders als vom Truppendienstgericht angenommen, ist sie nicht das Ergebnis dessen, dass für den früheren Soldaten eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägung bildete, diese jedoch bis in den Mannschaftsdienstgrad hinein wegen § 62 Abs. 1 Satz 2 WDO nicht möglich wäre. Allein dieser Umstand hätte auch den Rückgriff auf die härtere Disziplinarmaßnahme nicht gerechtfertigt (Urteil vom 4. März 2009 - BVerwG 2 WD 10.08 - Buchholz 450.2 § 28 WDO 2002 Nr. 27).

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bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob von der Aberkennung des Dienstgrades als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO abzuweichen ist. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um eine schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt versagt hat oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums "Maß der Schuld" hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

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Nach Maßgabe dessen ist keine Modifizierung der regelmäßig zu verhängenden Disziplinarmaßnahme geboten. Der Senat vermag auch keinen minderschweren Fall oder besondere Milderungsgründe im Sinne des vom früheren Soldaten zitierten Urteils vom 28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 - (NZWehrr 2007, 28 ff.; vgl. auch Urteil vom 23. September 2010 - BVerwG 2 WD 41.09 -) zu erkennen, die das Verbleiben des früheren Soldaten im Rang eines Reserveoffiziers noch zuließen. Von einem minderschweren Fall kann angesichts der Vielzahl und des langen Zeitraums, über den der frühere Soldat entsprechende Dateien versandt hat, nicht gesprochen werden.

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Auch das vom Soldaten betonte Motiv, das ihn zur Begehung der Straftat veranlasst hat, rechtfertigt keine Abweichung. Zwar steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es tatsächlich sein Motiv war, über die Versendung kinderpornografischer Dateien zu pädophilen Internetnutzern Kontakt aufzunehmen, um dadurch Erkenntnisse über deren Internetgewohnheiten gewinnen zu können; dieses Motiv ist rechtlich jedoch nicht anerkennenswert und kann deshalb keinen Milderungsgrund bilden. Es rechtfertigt namentlich nicht die Versendung von kinderpornografischen Dateien als Mittel zu dem vom früheren Soldaten verfolgten Zweck. § 184b Abs. 5 StGB erkennt als Grund, der der Strafbarkeit derartiger Handlungen entgegensteht, ausschließlich die Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten an. Diese Ausnahmevorschrift soll etwa Wissenschaftler bei der Erfüllung eines konkreten Forschungsauftrags vom Besitz- und Besitzverschaffungsverbot herausnehmen (Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar, 57. Aufl. 2010, § 184b Rn. 9). Davon kann beim früheren Soldaten nicht ansatzweise ausgegangen werden, zumal etwaige wissenschaftliche Erkenntnisse, die er gewinnen und verwerten wollte, sich generell auf das Internet beziehen sollten, nicht aber speziell auf den Bereich der Kinderpornografie. Eindeutig kann von den Kriterien zugunsten des früheren Soldaten nur dessen bisherige Führung ins Feld geführt werden. Die überdurchschnittliche Beurteilung des Soldaten, die zudem bereits fünf Jahre zurückliegt, war jedoch wegen der Schwere des Dienstvergehens nicht geeignet, eine Abweichung von der Regelmaßnahme zu rechtfertigen.

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