Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WD 40/09

Tatbestand

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Der jetzt 48 Jahre alte Soldat mit Hauptschulabschluss trat nach erfolgreicher Ausbildung zum Kellner und anschließender Tätigkeit in seinem Beruf am 1. April 1981 als Freiwilliger in den Dienst der Bundeswehr. Nachdem seine Dienstzeit im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit mehrfach verlängert worden war, wurde er am 19. Juli 1991 zum Berufssoldaten ernannt. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich im Jahr 2016. Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 26. Mai 2003 zum Stabsfeldwebel.

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Nach mehreren Vorverwendungen, u.a. als Fernschreib- und Schlüsselfeldwebel im NATO-Hauptquartier M., wurde der Soldat am 1. Oktober 2001 vom damaligen Amt für ... der Bundeswehr R. wegen Umgliederung dieses Amtes zum Streitkräfteunterstützungskommando Rheinbach versetzt. Von dort erfolgte zum 1. Juli 2002 seine Versetzung zum Deutschen Anteil im nachgeordneten, regionalen NATO-Hauptquartier B. als Übertragungsfeldwebel. Nachdem der Soldat nach seiner Rückkehr nach Deutschland seit dem 1. Oktober 2007 beim "Abgesetzten Bereich", später "IT-Sektor 2", in Me. als IT- und Netzwerkadministratorfeldwebel eingesetzt worden war, war zunächst geplant, ihn ab dem 1. Oktober 2008 erneut zum regionalen NATO-Hauptquartier B. zu versetzen. Diese Versetzung unterblieb jedoch, nachdem es zu straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegen den Soldaten wegen der hier streitigen Vorgänge gekommen war. Der Soldat wird daraufhin seit Oktober 2008 in der nicht sicherheitsempfindlichen Abteilung G 6 des ...kommandos, ..., als IT-Feldwebel verwendet.

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Der Soldat wurde planmäßig zuletzt am 10. März 2005 beurteilt, und zwar mit einer Durchschnittsbewertung von "5,92" ("Leistungen übertreffen erheblich die Anforderungen"; mögliche Bestnote "7"). In der Beurteilung vom 13. Oktober 2009, die gemäß ZDv 20/6 Nr. 407b angefordert worden war, erhielt der Soldat im Bereich "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" die Durchschnittsnote "6,38" ("die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen"; mögliche Bestnote "9").

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Hauptmann L., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten zur Tatzeit, hat als Leumundszeuge vor dem Truppendienstgericht u.a. ausgesagt, der Soldat habe im Abgesetzten Bereich die Dienstaufsicht geführt. Das habe sehr gut funktioniert. Die Disziplin sei um einiges besser geworden. Der Soldat habe einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Als er, der Zeuge, Ende März 2008 einen Anruf über "diese Sache" bekommen habe, habe er "es nicht glauben" können. Nach Aussage des ebenfalls als Leumundszeugen erstinstanzlich vernommenen jetzigen Disziplinarvorgesetzten, Oberstleutnant T., sei der Soldat von seinem damaligen Fachvorgesetzten, Oberst G., zutreffend beschrieben worden. Der Soldat sei ein selbstbewusster, aufrichtiger und leistungsbereiter Unteroffizier, den neben Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein absolut loyales Verhalten auszeichne. Ihm sei bei seiner Tat aber wohl nicht bewusst gewesen, dass es sich bei den vermeintlich zur Vernichtung vorgesehenen Sachen um Eigentum der Bundeswehr gehandelt habe.

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Die monatlichen Netto-Einkünfte (Besoldungsgruppe A 9 BBesG) des verheirateten Soldaten mit zwei Kindern (geboren 1990 und 1992) belaufen sich einschließlich Kindergeld auf etwa 3.180 €. Die Ehefrau verdient als Arzthelferin ca. 600 € im Monat. Die Familie bewohnt ein Eigenheim, das mit einer Darlehenshypothek belastet ist, für die monatlich 870 € bezahlt werden.

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1. In dem durch Verfügung vom 18. September 2008, dem Soldaten ausgehändigt am 23. September 2008, ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für die Bereiche Luftwaffenführungskommando, Luftwaffenamt, Luftwaffenausbildungskommando, Waffensystemkommando der Luftwaffe dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 11. Februar 2009 folgende Sachverhalte als schuldhafte Verletzungen seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:

"1. Am 29.01. 2008 nutzte er als Fahrer das Dienst-Kfz Iveco Daily (5 to) mit dem amtlichen Kennzeichen M-..., um damit Plexiglasscheiben und zerlegte Wandtafeln, die zur Entsorgung vom Abgesetzten Bereich ... in ... Me. zur Entsorgungsstelle des Materialdepots Me. ebenfalls in ... Me. transportiert werden sollten, zu seiner Privatwohnung in ... K. zu bringen, obwohl er zumindest hätte wissen können und müssen, dass diese Fahrt zu nichtdienstlichen Zwecken gemäß der damals gültigen ZDv 43/2 Nr. 301 nicht zulässig war und dass gemäß den 'Bestimmungen über das Aussondern und Verwerten von Material der Bundeswehr' (VMBl. 1990, S. 406 ff.) in Verbindung mit den 'Richtlinien für die unentgeltliche Veräußerung und unentgeltliche Überlassung zur Nutzung von Bundeswehr-Material an Stellen außerhalb der Bundeswehrverwaltung' (VMBl. 1972, S. 251 ff.) selbst ausgesondertes Material nicht unentgeltlich an Angehörige der Bundeswehr überlassen werden darf.

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2. Entgegen dem Gebot der damals gültigen ZDv 43/2 Nr. 301, wonach Dienst-Kfz grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen sind, was der Soldat zumindest hätte kennen können und müssen, veranlasste er am 28.02.2008 den Stabsunteroffizier S. und den Obergefreiten K., beide Angehörige der ...bataillon ... in Mu., auf deren Transportfahrt vom Rechenzentrum des Abgesetzten Bereichs ... zum Standort Mu. mit einem Dienst-Lkw MAN 5 to mit dem amtlichen Kennzeichen Y-... einen Umweg zu seiner Privatwohnung in ... K. zu fahren und dort einen Serverschrank der Bundeswehr der Marke Knürr, Modell Miracel MG 700 G, im Wert von etwa 600 € abzuladen, den er dann zu eigenen Zwecken nutzte, obwohl er zumindest hätte erkennen können und müssen, dass der Zugriff auf Eigentum des Dienstherrn auch dann dienstpflichtwidrig ist, wenn das dienstliche Material und Gerät in keinem Bestandsverzeichnis aufgeführt ist."

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2. Das sachgleiche Strafverfahren gegen den Soldaten wegen Unterschlagung etc. wurde eingestellt, und zwar zu Anschuldigungspunkt 1 von der Staatsanwaltschaft B. am 28. Juli 2008 gemäß §§ 154, 154a StPO und zu Anschuldigungspunkt 2 vom Amtsgericht E. am 2. Dezember 2008 gemäß § 153a Abs. 2 StPO, nachdem der Soldat einen Betrag in Höhe von 300 € an die Staatskasse gezahlt hatte.

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3. Die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat mit Urteil vom 23. Juni 2009 entschieden, dass der Soldat in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels herabgesetzt wird. Sie hat beide Vorwürfe als erwiesen angesehen. Im Anschuldigungspunkt 2 ist die Truppendienstkammer bezüglich des damaligen Wertes des Serverschrankes wegen seines noch brauchbaren Zustands und Wiederbeschaffungswerts von 600 € davon ausgegangen, der Zeitwert habe etwa 300 € betragen. Das Gericht sei insoweit nicht der Auffassung des Soldaten gefolgt, es habe sich nur noch um wertlosen Schrott gehandelt, zumal der Soldat gewusst habe, dass zehn mustergleiche Schränke beim ...bataillon ... ihrer Bestimmung gemäß als Serverschränke hätten Verwendung finden sollen. Der Soldat habe durch sein Fehlverhalten seine Dienstpflichten gemäß § 7, § 10 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG vorsätzlich verletzt und dadurch ein schweres Dienstvergehen begangen, das zu seiner Degradierung führe.

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Der Schwerpunkt des Dienstvergehens liege im Diebstahl des nicht geringwertigen Serverschrankes. Darüber hinaus habe der Soldat als Portepeeunteroffizier beim Herauslösen des Schrankes aus dem dienstlichen Bereich und dem Transport auf sein eigenes Grundstück eine nicht unerhebliche Kühnheit gezeigt, mit der er die allgemein recht hohe Schwelle zum Bruch des Eigentums des Dienstherrn überwunden habe. Besonders gravierend werde der Verstoß dadurch, dass sich der Soldat dabei der Hilfe Untergebener bedient habe und er bei der Selbstbereicherungshandlung zielgerichtet und ohne Bedenken vorgegangen sei.

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4. Gegen das ihm am 11. August 2009 zugestellte Urteil hat der Soldat am 7. September 2009 Berufung eingelegt mit dem Antrag, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils lediglich ein Beförderungsverbot nebst Kürzung der Dienstbezüge auszusprechen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:

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Das Truppendienstgericht sei hinsichtlich des streitigen - inzwischen von ihm zurückgegebenen - Serverschranks zu Unrecht von einem Wert von 300 € ausgegangen. Bei der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme sei in den Fällen des Zugriffs auf Eigentum des Dienstherrn der Wert des Zugriffsobjekts, d.h. der eingetretene Vermögensschaden zu berücksichtigen. Der Zeuge W., auf dessen Aussage der von der Truppendienstkammer angenommene Wert beruhe, habe weder den konkreten, vom Soldaten mitgenommenen Serverschrank noch derartige Schränke überhaupt gesehen und sei deshalb zu einer Wertaussage nicht berufen. Gegen einen Wert von 300 € spreche auch, dass die Serverschränke ebenso wie die Wandtafeln ursprünglich hätten entsorgt werden sollen. Der streitgegenständliche Schrank, der Kratzer und Beulen aufgewiesen habe, dessen Glastür gesprungen gewesen sei und der nicht mehr über alle wesentlichen Teile der Inneneinrichtung verfügt habe, sei für seinen eigentlichen Zweck nicht mehr nutzbar gewesen. Der Metallwert des Schrankes habe deutlich unter 50 € gelegen.

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Schließlich sei auch deshalb eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen, weil sich er, der Soldat, mit Erfolg auf mildernde Umstände hinsichtlich seiner Persönlichkeit und seiner bisherigen Führung berufen könne.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Soldaten bleibt ohne Erfolg.

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1. Das Rechtsmittel ist nach dem Inhalt der Berufungsbegründung unbeschränkt eingelegt worden. Der Soldat rügt vor allem die erstinstanzlichen Feststellungen zum Wert des Serverschranks. Sie sind zunächst Teil der Schuldfeststellungen zum objektiven Disziplinartatbestand; anschließend können sie für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein. Der Senat hat deshalb im Rahmen der Anschuldigung (§ 107 Abs. 1 in Verbindung mit § 123 Satz. 3 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und dann unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 331 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 91 Abs. 1 Satz 1, § 123 Satz 3 WDO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

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2. Die Berufung des Soldaten ist nicht begründet. Der Senat ist aufgrund der Berufungshauptverhandlung nach erneuten und ergänzenden Tatfeststellungen zur Überzeugung gelangt, dass der in beiden Anschuldigungspunkten vom Soldaten eingeräumte objektive und subjektive Geschehensablauf ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstellt, das von der Vorinstanz im Ergebnis zu Recht mit einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels geahndet worden ist.

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a) Tatsächliche Feststellungen und disziplinarrechtliche Würdigung

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Zu Anschuldigungspunkt 1 (zerlegte Wandtafeln und Plexiglasscheiben)

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aa) Der Soldat war am 29. Januar 2008 zusammen mit den damaligen Feldwebeln Z. und St., beide vom Abgesetzten Bereich ..., beauftragt, nicht mehr benötigte und inzwischen zerlegte Wandtafeln aus Holz, Plexiglasscheiben und andere alte Büromaterialien zur Entsorgungsstelle des Materialdepots in Me. zu transportieren. Nachdem das Material auf ein angemietetes Dienstkraftfahrzeug Iveco Daily (5 to) aufgeladen worden war, steuerte der Soldat mit den beiden Feldwebeln als Beifahrern das Fahrzeug zu seinem etwa 10 km entfernten Wohnhaus in K.. Dort wurden die Holzteile der Wandtafeln und die Plexiglasscheiben abgeladen und später privat genutzt. Anschließend fuhr der Soldat mit seinen Beifahrern zurück nach Me. zur Entsorgungsstelle und übergab dort das restliche Material.

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bb) Durch die Nutzung des angemieteten Dienstkraftfahrzeugs zum Transport von Material zu privaten Zwecken hat der Soldat gegen Nr. 301 ZDv 43/2 (Fassung September 1980) verstoßen und dadurch seine Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG) verletzt. Nr. 301 ZDv 43/2 bestimmt ausdrücklich, dass Dienstfahrzeuge - auch angemietete oder geleaste (vgl. Vorbemerkung 1) - grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen sind; ein zulässiger Ausnahmefall nach Nr. 401 - 437 ZDv 43/2 lag hier nicht vor. Nr. 301 ZDv 43/2 stellt einen Befehl im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 SG dar, der u.a. gewissenhaft auszuführen ist (vgl. Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 <25> = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 mit weiteren Nachweisen). Dem ist der Soldat nicht nachgekommen.

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Ferner hat der Soldat durch sein Handeln gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen. Für die Feststellung eines solchen Verstoßes kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein entsprechender Achtungs- oder Vertrauensverlust eingetreten ist, sondern es reicht aus, wenn das Verhalten geeignet war, Zweifel an der Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Soldaten zu wecken oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage zu stellen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 - mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Der Soldat hat als Stabsfeldwebel in Anwesenheit zweier niedrigerer Dienstgrade befehlswidrig mit einem Dienstfahrzeug private Interessen verfolgt.

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Der Soldat hat die genannten Dienstpflichten auch bewusst und gewollt, d.h. vorsätzlich verletzt. Als erfahrenem Soldaten aufgrund seiner militärischen Ausbildung und seines dienstlichen Werdeganges zum Stabsfeldwebel war ihm bekannt, dass Dienstfahrzeuge grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken eingesetzt werden dürfen. Vorsätzliches Fehlverhalten ist auch angeschuldigt. Zwar enthält die Anschuldigungsschrift vom 11. Februar 2009 an keiner Stelle einen ausdrücklichen Hinweis auf die angeschuldigte Schuldform (vgl. zum entsprechenden Erfordernis Beschluss vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 ff. = Buchholz 450.2 § 99 WDO 2002 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen). Aber durch die regelmäßige Verwendung der Formulierung "... zumindest hätte wissen (kennen, erkennen) können und müssen ..." wird deutlich, dass dem Soldaten Vorsatz, hilfsweise ("zumindest") Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird.

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cc) Dadurch, dass sich der Soldat die zur Entsorgung ausgesonderten Wandtafeln und Plexiglasscheiben zur privaten Nutzung verschafft hat, hat er zugleich gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßen. Die "Bestimmungen über das Aussondern und Verwerten von Material der Bundeswehr" (AVB -; VMBl. 1990, S. 406 ff.) sahen in Verbindung mit den "Richtlinien für die unentgeltliche Veräußerung und unentgeltliche Überlassung zur Nutzung von Bundeswehr-Material an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung" (RL -; VMBl. 1972, S. 251 ff.) für die Verwertung von ausgesondertem Material der Bundeswehr mehrere, hier in Betracht kommende Wege vor: Nach "Aussonderung" dieses Materials im Sinne von Nr. 1 AVB war es nach Nr. 35 AVB durch anderweitige Verwendung/sonstige Nutzung in der Bundeswehr oder durch entgeltliche bzw. unentgeltliche Abgabe an Stellen außerhalb der Bundeswehr zu verwerten. Liegenschaftsmaterial, um das es sich bei den Wandtafeln aus Plexiglasvorder- und Holzplattenrückseite gemäß ZDv 7/20, Nr. 102, Abs. 2, 1. Spiegelstrich gehandelt hat, war nach Nr. 42 (1) AVB durch die Standortverwaltung zu verkaufen. Nach Nr. 47 AVB in Verbindung mit den oben genannten Richtlinien war eine unentgeltliche Abgabe an Stellen außerhalb der Bundeswehr zwar möglich, allerdings erst auf entsprechenden Antrag dieser Stellen - Nr. 1 RL - und nach Nr. 6 RL, sofern ein "dringendes Interesse" daran im Sinne der Nr. 4 RL bestand. Abgesehen davon, dass der Soldat als natürliche Person keine "Stelle" im Sinne der Nr. 6 RL ist (vgl. die dortige beispielhafte Aufzählung von ausschließlich juristischen Personen) und dass er als Streitkräfteangehöriger auch nicht "außerhalb der Bundeswehr" stand, lag kein derartiges Interesse der Bundeswehr an einer Überlassung des Materials an ihn vor. Schließlich sah Nr. 36 AVB die Entsorgung des ausgesonderten Materials vor, wenn dessen Verwertung "unwirtschaftlich" war. Dieser Weg ist hier gewählt worden. Demgegenüber ist in den genannten Vorschriften nicht vorgesehen, dass sich ein Bundeswehrangehöriger - wie hier der Soldat - ausgesondertes Material vor der angeordneten Entsorgung zur privaten Nutzung aneignen darf.

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Mit dem Verstoß gegen die genannten "Bestimmungen über das Aussondern und Verwerten von Material der Bundeswehr", die keinen Befehlscharakter haben, sondern lediglich dienstliche Weisungen darstellen, hat der Soldat seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt. Er ist insoweit seiner Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn nicht nachgekommen. Diese verpflichtet den Soldaten nicht nur zur Einhaltung von Gesetzen, sondern auch zur Beachtung von Dienstvorschriften.

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In dem Weisungsverstoß liegt zugleich eine Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).

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Dass der Soldat die genannten Vorschriften und damit die entsprechenden Dienstpflichten bewusst und gewollt, d.h. vorsätzlich verletzt hat, lässt sich nicht nachweisen. Er hat jedoch zumindest fahrlässig gehandelt; fahrlässiges Verhalten ist - wie bereits ausgeführt - auch angeschuldigt. Fahrlässig handelt ein Soldat, wenn es ihm bei Beachtung der ihm (objektiv) nach seiner Dienststellung und den Umständen des Falles obliegenden Sorgfalt und nach seinen (subjektiven) Fähigkeiten und Kenntnissen möglich gewesen wäre, den Eintritt der Pflichtverletzung vorherzusehen und zu vermeiden (vgl. Urteil vom 19. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 14.03 - BVerwGE 120, 166 <174>). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dem Soldaten war es als Stabsfeldwebel schon im Hinblick auf seine Ausbildung und Dienststellung möglich und zumutbar, sich rechtzeitig über den Umgang mit dem auszusondernden Material zu informieren und die entsprechenden Vorschriften nachzulesen.

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Zu Anschuldigungspunkt 2 (Serverschrank)

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aa) Am 27. Februar 2008 waren Stabsunteroffizier S. und Obergefreiter K., beide Angehörige der ...bataillon ... in Mu., mit einem Dienstkraftfahrzeug MAN (5 to) zum Rechenzentrum Mechernich gefahren, um dort zehn gebrauchte Serverschränke mit Zubehör abzuholen. Als am Morgen des folgenden Tages in Anwesenheit des Soldaten und des Zeugen Oberfeldwebel D. zehn Serverschränke verladen wurden, bat der Soldat, noch einen elften Serverschrank aufzuladen, da man "da gut Sachen einschließen könne." Anschließend leitete der Soldat mit seinem Privatwagen das mit den elf Serverschränken beladene Dienstkraftfahrzeug der beiden Soldaten aus Mu. zu seinem Wohnhaus in K. . Dort wurde der elfte Serverschrank abgeladen und in die Garage verbracht. Die beiden Soldaten, die davon ausgegangen waren, dass die Sache mit dem elften Serverschrank seine Richtigkeit habe, fuhren anschließend nach Mu. zurück. Der durch den Soldaten veranlasste Umweg des Dienstfahrzeugs betrug nach seinen Angaben vor dem Truppendienstgericht etwa 10 km.

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Am 20. Juli 2009 - nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung - gab der Soldat den Serverschrank an seine frühere Dienststelle in Me. zurück; dieser wurde anschließend mangels Bedarfs und in Unkenntnis des noch anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens verschrottet.

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Aufgrund der in der Berufungshauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat - im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Vorinstanz - zur Überzeugung gelangt, dass sich der Serverschrank, den sich der Soldat am 28. Februar 2008 unrechtmäßig zugeeignet hatte, zur Tatzeit in einem seinem Alter entsprechenden funktionsfähigen Zustand befand. Er besaß deshalb auch noch einen zwar durch Gebrauch und Abnutzung geminderten, jedoch deutlich über 50 € liegenden Wert. Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Serverschrank damals wertloser Abfall war, der unter der sogenannten Bagatellgrenze von ca. 50 € lag (vgl. dazu Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 mit weiteren Nachweisen), die gegebenenfalls eine mildere Bemessung des Dienstvergehens rechtfertigen könnte.

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Der Soldat hat sich zuletzt in der Berufungshauptverhandlung dahin eingelassen, er habe sich "nichts Böses dabei gedacht", als er den Serverschrank zu sich habe transportieren lassen. Für ihn habe es sich um ausgesonderten "Abfall" gehandelt, der zum Verschrotten eigentlich zu schade gewesen sei. Er habe für den Schrank noch eine Verwendung gehabt, und zwar zur sicheren Aufbewahrung von Werkzeug; das habe er vor einer unsachgemäßen Verwendung durch seinen Sohn schützen wollen.

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Die Ehefrau des Soldaten hat in der Hauptverhandlung als Zeugin ausgesagt, sie habe damals nicht verstanden, warum sich ihr Mann den alten defekten Metallschrank besorgt habe. Zwar sei in ihm z.B. die Kettensäge eingeschlossen worden. Sonst habe der Schrank aber nur herumgestanden. Auch sei die Glasscheibe kaputt gewesen. Das habe sie beim Reinigen festgestellt.

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Auch wenn der Serverschrank damals sicher erkennbare Gebrauchs- und Abnutzungsspuren aufwies, gibt es für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass er von seinem Zustand und seiner Funktionsfähigkeit her gebrauchsuntauglich und damit schrottreif war. Das haben teilweise bereits der Soldat und seine Ehefrau insoweit eingeräumt, als sie die weitere Eignung des Metallschranks zum sicheren Einschließen von Werkzeug beschrieben haben. Die übrigen Zeugen haben dem Senat zudem glaubhaft und nachvollziehbar eine weit positivere Zustands- und Funktionsbeschreibung von dem streitigen Serverschrank geliefert. So hat der Zeuge Hauptfeldwebel D. in der Hauptverhandlung u.a. ausgesagt, alle elf gebrauchten Schränke seien damals im Wesentlichen gleich gewesen; vielleicht habe einmal eine Scheibe gefehlt. Sie hätten jedoch alle noch für ihren Zweck als Serverschränke funktioniert. Der Zeuge hat sogar ausdrücklich erklärt, der Schrank, der am besten ausgesehen habe, also am wenigsten beschädigt gewesen sei, sei als elfter, d.h. letzter aufgeladen worden. Auch wenn er diese Aussage später auf Nachfrage des Verteidigers wieder relativiert hat, spricht sie jedenfalls dafür, dass sich der Soldat nicht gerade den "schlechtesten" Serverschrank ausgesucht hatte.

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Ein weiteres Indiz für die damalige Gebrauchs- und Funktionsfähigkeit des Serverschranks ist der Umstand, dass die vergleichbaren zehn anderen Schränke im Februar 2008 für eine zweckgerechte Weiterverwendung in Mu. angefordert worden waren - wie der Zeuge Major L., zur Tatzeit Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, in der Hauptverhandlung bestätigt hat - und es sich deshalb schon aus Arbeits- und Betriebsschutzgründen nicht um "Schrottmaterial" handeln konnte. Der Zeuge Oberleutnant Di., der im Februar 2010 in der ...bataillon ... in Mu. eingesetzt war, hat zudem vor dem Senat ausgesagt, er habe die Schränke damals dort noch gesehen. Sie hätten zwar Gebrauchsspuren gehabt, seien jedoch schon wegen des geringen Verschleißes kein "Schrott" gewesen.

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Der zur Tatzeit durch den Zustand und die Funktionsfähigkeit indizierte Wert des Serverschrankes oberhalb der genannten Bagatellgrenze wird auch durch eine rechtliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise bestätigt, ohne dass dies vom Soldaten und von seiner Ehefrau als Zeugin substantiiert in Frage gestellt worden ist. Die Serverschränke, die im Jahr 1999 zum Stückpreis von etwa 3.316 DM (ca. 1.695 €) für den Dienstbetrieb angeschafft worden waren, wurden 2005/2006 etappenweise aus ihrer Erstverwendung herausgenommen ("ausgesondert"). Sie blieben aber nicht nur im Eigentum der Bundeswehr, sondern zunächst auch im Verfügungsbereich der Luftwaffe. Es war beabsichtigt, sie nicht der Verschrottung, sondern einer sinnvollen, zweckgerechten Verwendung zuzuführen. Alle elf Serverschränke trugen deshalb im Februar 2008 unstreitig auch keine Aussonderungsstempel (vgl. zur entsprechenden Kennzeichnungspflicht Nr. 83 AVB in Verbindung mit Nr. 1.806 ZDv 70/2), waren also weder materiell noch formell zur Vernichtung vorgesehen. Nachdem für die Serverschränke im Bereich der Luftwaffe keine Verwendungsmöglichkeit mehr bestand, wurden sie Anfang 2008 streitkräfteübergreifend zur Nutzung freigegeben; dies führte dann zur Bedarfsanmeldung für zehn Serverschränke durch die ...bataillon ... in Mu. . Unabhängig davon, ob die elf Serverschränke damals noch in einem Bestandsverzeichnis aufgeführt waren oder nicht, hatte die Bundeswehr an den Schränken weiterhin ein Erhaltungsinteresse. Es handelte sich (noch) um schutzwürdiges Eigentum oder Vermögen im Sinne der Disziplinarrechtsprechung (vgl. dazu Beschluss vom 8. Februar 2007 - BVerwG 2 B 9.07 - mit weiteren Nachweisen, juris).

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Ferner hat der Senat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Serverschrank, den sich der Soldat am 28. Februar 2008 unrechtmäßig zugeeignet hatte, damals wirtschaftlich nur noch etwa 50 € oder sogar weniger wert war. Den im Kern übereinstimmenden und damit glaubhaften Aussagen der Zeugen W., L. und Di. ist vielmehr Gegenteiliges zu entnehmen. Oberstleutnant W. von der damals vorgesetzten Dienststelle in ... hat in der Berufungshauptverhandlung erklärt, wenn ein Serverschrank nicht schwer beschädigt gewesen sei, sei er im Hinblick auf seine Weiterverwendbarkeit je nach dem noch etwa 400 bis 1.000 € wert gewesen, auf jeden Fall deutlich mehr als 50 €. Der Zeuge hatte während des truppendienstgerichtlichen Verfahrens Major L., damals noch Hauptmann, die Auskunft erteilt, er schätze den Zeitwert eines Serverschrankes auf etwa 300 €. Diese Auskunft, die der damalige Hauptmann L. zum Gegenstand seiner erstinstanzlichen Zeugenaussage gemacht hatte, wurde dann Grundlage des Urteils der Truppendienstkammer. Auch Oberleutnant Di., der die Schränke noch im Frühjahr 2010 in Mu. gesehen hatte, hat vor dem Senat mit Deutlichkeit erklärt, es habe sich keinesfalls um "Schrott" gehandelt. In E-Mails von Februar 2010, die der Bundeswehrdisziplinaranwalt in das Berufungsverfahren eingeführt hat, hatte er bereits angegeben, ausgehend von einem Neupreis im Jahr 2004 von 985 € und einer Wertminderung von 20 % habe der Restwert eines Serverschrankes 788 € betragen; jedenfalls sei schon nach dem Eindruck vom Zustand der Schränke die Bagatellgrenze von 50 € im Februar 2008 deutlich überschritten gewesen. Letzteres hat auch Major L. in der Berufungshauptverhandlung bestätigt. Zwar war Major G. vom Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik der Bundeswehr in einer schriftlichen Auskunft von Januar 2010, die der Bundeswehrdisziplinaranwalt ebenfalls in das Berufungsverfahren eingeführt hat, der Ansicht, der Zeitwert eines Serverschrankes könne aufgrund der schon im Jahr 2005/2006 erfolgten Aussonderung maximal mit dem möglichen Verwertungserlös, gegebenenfalls also nur mit dem Metallwert angesetzt werden. Im Verlauf seiner Aussage als Zeuge vor dem Senat hat Major G. jedoch ausdrücklich klargestellt, dass seine frühere schriftliche Auskunft für den vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Seine damalige Aussage habe sich selbstverständlich allein auf seinen Tätigkeitsbereich "Nutzungsleitung Führungsinformationssystem Luftwaffe" bezogen. Für seine Zwecke als Nutzungsleiter hätten die Serverschränke nur Metallwert besessen. Dies bedeute aber nicht, dass sie für die Luftwaffe oder für die Bundeswehr allgemein wertlos gewesen seien. Nach der Beschreibung der Schränke sei ein Serverschrank sicher noch ca. 200 bis 400 € wert gewesen.

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Die Richtigkeit des Ergebnisses der Beweiswürdigung wird schließlich nachvollziehbar bestätigt durch das Ergebnis einer fiktiven Berechnung des Schadens im Falle des Verlusts eines sachgleichen Serverschranks im Februar 2008. Nach Nr. 25 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 25b Abs. 2 und 3 der "Bestimmungen über die Bearbeitung von Schadensfällen in der Bundeswehr" vom 14. Februar 2006 (VMBl. 2006 S. 40 ff.), in Kraft seit 1. April 2006 (vgl. Nr. 56), ist für gebrauchtes Liegenschaftsmaterial der Beschaffungspreis bzw. Einzelrichtwert abzüglich der Abnutzung anzusetzen. Ist der Erhaltungszustand nicht bekannt und liegen auch keine Anhaltspunkte für die Ermittlung der Wertminderung vor, ist als Schadensbetrag der Beschaffungspreis bzw. der Einzelrichtwert abzüglich einer Wertminderung von 30 % anzusetzen. Dieser Schadensbetrag beliefe sich hier bei einem Beschaffungspreis (1999) von etwa 1.695 € noch auf über 1.000 €, bei einem Beschaffungspreis (2004) von etwa 985 € auf über 600 €. Jedenfalls läge er deutlich über der Bagatellgrenze von etwa 50 €.

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bb) Durch die Zueignung des nicht geringwertigen Serverschranks - Hauptvorwurf im Anschuldigungspunkt 2 - hat der Soldat - wie angeschuldigt - vorsätzlich seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt. Diese Pflicht fordert von jedem Soldaten, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem durch das Grundgesetz festgelegten Auftrag schwächen würde. Zu dieser Pflicht zählt auch, das Eigentum und Vermögen des Dienstherrn zu schützen und alles zu tun, um den Eindruck zu vermeiden, die Bundeswehr sei ein "Selbstbedienungsladen" und Mittel des Verteidigungsetats würden vorschriftswidrig für private Zwecke verwendet (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 2 WD 12.95 - BVerwGE 103, 275 <276> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 6, S. 14). Darüber hinaus folgt aus § 7 SG die Loyalitätspflicht des Soldaten gegenüber der Rechtsordnung . Diese verlangt vom Soldaten vor allem die strikte Beachtung der Strafgesetze (vgl. Urteil vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 WD 16.08 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 43 Rn. 51 m.w.N.). Hiergegen hat dieser - ungeachtet der Einstellung des sachgleichen Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO - mit seinem strafrechtlich als Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) zu wertenden Verhalten - Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in rechtswidriger Zueignungsabsicht - vorsätzlich verstoßen.

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In der unrechtmäßigen Zueignung des Serverschrankes liegt zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).

40

cc) Durch die Nutzung des Dienstkraftfahrzeugs am 28. Februar 2008 zum Transport des Serverschranks zu privaten Zwecken hat der Soldat bewusst und gewollt gegen die Regelung in Nr. 102 Satz 1 der "Besonderen Anweisung zur ZDv 43/2 - Bestimmungen für den Kraftfahrbetrieb von Dienstfahrzeugen" verstoßen und dadurch seine Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG) - wie angeschuldigt - vorsätzlich verletzt. Kapitel 3 und 4 der bereits erwähnten ZDv 43/2 (Fassung September 1980) waren vom Bundesminister der Verteidigung, in Vertretung durch den Staatssekretär, am 22. Februar 2008 durch die vorstehend genannte "Besondere Anweisung" ersetzt worden. Nach deren Nr. 102 Satz 1 dürfen Dienstfahrzeuge außer zu dienstlichen Zwecken nur für die in dieser Anweisung genannten Ausnahmefälle der Nrn. 133, 144 und 170 eingesetzt werden. Ein solcher Ausnahmefall lag hier nicht vor. Es handelte sich auch insoweit um einen vorsätzlichen Verstoß des Soldaten gegen einen Befehl im Sinne des § 11 Abs. 1 SG. Da die Neuregelung in Nr. 102 Satz 1 der "Besonderen Anweisung" inhaltlich mit der Vorgängerreglung Nr. 301 ZDv 43/2 im Wesentlichen übereinstimmt, war es unschädlich, dass in der Anschuldigungsschrift dem Soldaten im Anschuldigungspunkt 2 fälschlich ein Verstoß gegen die sachgleiche Vorgängerregelung zur Last gelegt wird. Der missachtete Befehl, ein Dienstfahrzeug grundsätzlich nicht zu privaten Zwecken einzusetzen, war in der Anschuldigungsschrift deutlich erkennbar bezeichnet (vgl. dazu Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 <162 f.> = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1, S. 2).

41

In der unzulässigen Nutzung des Dienstkraftfahrzeugs liegt zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).

42

dd) Dadurch, dass der Soldat als Stabsfeldwebel den Stabsunteroffizier S. und den Obergefreiten K. veranlasst hatte, ihm beim Auf- und Abladen des elften Serverschrankes zu helfen und den Serverschrank mit dem Dienstkraftfahrzeug vorschriftswidrig zum Wohnhaus des Soldaten zu transportieren, hat der Soldat vorsätzlich gegen seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) verstoßen. Diese Pflicht gebietet dem Vorgesetzten, sich bei seinem Handeln vom Wohlwollen gegenüber Untergebenen leiten zu lassen und diese vor Schäden und Nachteilen zu bewahren. Beide Soldaten waren als Dienstkraftfahrer, Beifahrer und Helfer vom Soldaten pflichtwidrig veranlasst worden, ein Dienstkraftfahrzeug für private, wenn auch nicht eigene Zwecke zu nutzen und für den Soldaten während der Dienstzeit private Angelegenheiten zu erledigen. Stabsunteroffizier S. und Obergefreiter K. waren dadurch der Gefahr disziplinarischer Verfolgung ausgesetzt.

43

Durch dieses Verhalten hat der Soldat auch vorsätzlich seine Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) verletzt. Nach dieser Vorschrift sind alle Soldaten verpflichtet, die Würde, die Ehre und die Rechte der Kameraden zu achten. Diese Verpflichtung gilt umfassend, d.h. inner- wie außerdienstlich. Der Verstoß gegen § 12 Satz 2 SG steht gleichrangig neben dem Verstoß gegen § 10 Abs. 3 SG (vgl. Urteil vom 21. Juli 1994 - BVerwG 2 WD 6.94 - BVerwGE 103, 143 <147> mit weiteren Nachweisen).

44

Ferner stellt die Verstrickung der beiden Soldaten S. und K. in das Fehlverhalten des Soldaten zugleich eine vorsätzliche Verletzung seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) dar.

45

Ein Verstoß gegen die Pflicht des Soldaten zum treuen Dienen (§ 7 SG) liegt nicht vor. Die hier verletzten Dienstpflichten beziehen sich auf bestimmte soldatische Pflichtenregelungen wie insbesondere § 10 Abs. 3 und § 12 Satz 2 SG. Diese Bestimmungen stellen insoweit Spezialvorschriften gegenüber § 7 SG dar (vgl. Urteil vom 20. Mai 1981 - BVerwG 2 WD 9.80 - BVerwGE 73, 187 <191>).

46

b) Bemessung der Disziplinarmaßnahme

47

Durch die überwiegend vorsätzliche, im Übrigen fahrlässige Verletzung seiner Dienstpflichten gemäß § 7, § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 1, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG hat der Soldat ein einheitliches schwerwiegendes Dienstvergehen im Sinne der § 18 Abs. 2 WDO, § 23 Abs. 1 SG begangen, das die erstinstanzliche Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels rechtfertigt; der Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme kommt nicht in Betracht.

48

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 = DokBer 2009, 15 mit weiteren Nachweisen). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

49

aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten schwer.

50

Der Schwerpunkt der Verfehlung liegt zunächst in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat in der Regel schon deshalb erhebliches Gewicht.

51

Die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG fordert allgemein von dem Soldaten, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem durch das Grundgesetz festgelegten Auftrag schwächen würde. Zu dieser Pflicht zählt auch, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen. Insbesondere bei solchen dienstlichen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, ist die Pflicht zum treuen Dienen von erheblicher Bedeutung. Vor allem beim Umgang mit Geld und Gut ist die Bundeswehr auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen. Dies gilt nicht nur für die Bereiche der Beschaffung und Materialbewirtschaftung (vgl. zuletzt Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09), sondern auch für die Bereiche der Aussonderung und Verwertung von Material der Streitkräfte. Gerade in diesem Zusammenhang muss vom Soldaten - auch im Rahmen seiner Loyalitätspflicht gegenüber dem Dienstherrn - nicht nur die strikte Beachtung der Strafgesetze - im Anschuldigungspunkt 2 hat der Soldat einen Diebstahl begangen -, sondern auch der einschlägigen Dienstvorschriften (Anschuldigungspunkt 1) verlangt werden, um Manipulationsmöglichkeiten an Bundeswehrmaterial zu vermeiden. Die Pflicht zum Schutz des Vermögens des Dienstherrn ist hier schließlich noch unter einem anderen Gesichtspunkt für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung. Da die Bundeswehr ihren Verfassungsauftrag nur dann erfüllen kann, wenn ihre Angehörigen und ihr Gerät jederzeit präsent und voll einsatzbereit sind, dürfen weder ihr Personal noch ihr Material für nichtdienstliche Zwecke - hier zum privaten Vorteil - eingesetzt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil vom 20. Mai 2010 - BVerwG 2 WD 12.09 - mit weiteren Nachweisen) und auch dann, wenn das Material der Bundeswehr - wie vorliegend das Kfz - von Dritten zur Nutzung (entgeltlich) überlassen worden ist. Auch dagegen verstoßen zu haben, belastet den Soldaten erheblich.

52

Auch der Gehorsamsverstoß des Soldaten wiegt schwer. Die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG) gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten. Alle Streitkräfte beruhen auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar (Urteil vom 16. Dezember 2004 a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Fehlt die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr in Frage gestellt sein.

53

Von Gewicht ist auch der Verstoß des Soldaten gegen seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG). Diese beinhaltet die Pflicht jedes militärischen Vorgesetzten, Untergebene nach Recht und Gesetz zu behandeln. Der Untergebene muss u.a. das - berechtigte - Gefühl haben, dass er vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet wird, sondern dass dieser sich bei allen Handlungen und Maßnahmen vom Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Soldaten leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 22. April 2009 - BVerwG 2 WD 12.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 28 mit weiteren Nachweisen). Hier belastet den Soldaten als Stabsfeldwebel vor allem der Umstand, dass er sich bei seinem dienstpflichtwidrigen Verhalten der Hilfe Untergebener bedient und diese dadurch fürsorgewidrig in eine äußerst schwierige Situation gebracht hat, Nein sagen zu können. Zudem hat er beide Soldaten der Gefahr disziplinarischer Verfolgung ausgesetzt.

54

Ferner belastet den Soldaten die Verletzung der Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG). Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr, das Bewusstsein, sich jederzeit, vor allem in Krisen- und Notzeiten, aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe; zugleich disqualifiziert er sich in seiner Vorgesetztenstellung (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 25. November 2010 - BVerwG 2 WD 28.09 - mit weiteren Nachweisen).

55

Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter - wie hier -, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 13. Januar 2011 a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Das war vorliegend der Fall.

56

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier schließlich auch dadurch bestimmt, dass es sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten des Soldaten gehandelt hat - dieser hat innerhalb von vier Wochen zweimal versagt - und dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Stabsfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 SG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine erhöhte Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. dazu Urteil vom 13. Januar 2011 a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

57

bb) Die Auswirkungen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich belasten den Soldaten in mehrfacher Hinsicht. Zunächst hatte das Fehlverhalten für die Personalplanung und -führung insoweit negative Auswirkungen, als die ursprünglich geplante Versetzung zum NATO-Hauptquartier B. nach Auftreten des Tatverdachts unterbleiben musste. Der Soldat konnte aber auch in seiner bisherigen Dienststelle nicht mehr verbleiben. Wie Major L. in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt hat, hatte sein damaliger Vertreter aus Anlass der Ermittlungen gegen den Soldaten diesem die Ermächtigung zum Zugang zum Sperrbezirk entzogen. Er durfte den Sicherheitsbereich nicht mehr betreten und wird daraufhin seit Oktober 2008 in der nicht sicherheitsempfindlichen Abteilung G 6 des ...kommandos, ..., als IT-Feldwebel verwendet.

58

Der Vermögensschaden des Dienstherrn hat den Bagatellbereich von etwa 50 € insgesamt deutlich überschritten.

59

cc) Der Soldat handelte allein aus privatem Eigennutz; dies belastet ihn.

60

dd) Das Maß der Schuld wird vor allem dadurch bestimmt, dass der Soldat ganz überwiegend vorsätzlich, im Übrigen fahrlässig gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte oder Milderungsgründe in den Tatumständen die Schuld des Soldaten mindern könnten, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Es handelt sich um ein wiederholtes Fehlverhalten, das vom Soldaten jeweils planvoll durchgeführt worden ist. Bis zum endgültigen Zurücklegen der beiden Umwegstrecken von ca. 10 km und dem Abladen der Materialien zu Hause hatte er genügend Zeit, von seinem pflichtwidrigen Verhalten Abstand zu nehmen; dies hat er nicht getan.

61

ee) Im Hinblick auf die Zumessungserwägungen "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelasteten Soldaten seine ihm in den Beurteilungen vom 10. März 2005 (Durchschnittsbewertung "5,92" bei möglicher Bestnote "7") und vom 13. Oktober 2009 (Durchschnittsbewertung "6,38" bei möglicher Bestnote "9") attestierten überdurchschnittlichen Leistungen. Major L., früherer Sektorchef und Disziplinarvorgesetzter des Soldaten zur Tatzeit, hat als Leumundszeuge vor dem Senat ausgesagt, der Soldat habe bei seiner Zuversetzung im Oktober 2007 einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Er habe sehr souverän gewirkt, mit seiner Lebenserfahrung frischen Wind ins Rechenzentrum gebracht und den Fachleuten den "militärischen Hintergrund wieder mehr ins Bewusstsein gerückt". Der Soldat habe im Abgesetzten Bereich die Dienstaufsicht geführt. Die militärische Disziplin habe sich daraufhin gebessert. Er, der Leumundszeuge, habe "es nicht glauben können", als er damals einen Anruf wegen der Vorfälle bekommen habe. Oberstleutnant T., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten seit 20. Januar 2009, hat als Leumundszeuge in der Berufungshauptverhandlung erklärt, der Soldat sei geradlinig und pflichtbewusst. Leistungsmäßig gehöre er in der Abteilung G 6 zum ersten Drittel der Unteroffiziere mit Portepee.

62

Dem insgesamt sehr positiven Leistungsbild des Soldaten steht allerdings sein Persönlichkeitsbild gegenüber, das nur mit Einschränkung als positiv beschrieben werden kann. Der Soldat war zwar von Anfang an geständig und hat sich vor dem Truppendienstgericht und dem Senat verbal für sein Fehlverhalten entschuldigt, jedoch allein im Hinblick auf seine fehlende Vorbildfunktion für seine Kameraden und deren Verstrickung in seine Dienstpflichtverletzungen; er hat zu keinem Zeitpunkt Einsicht und Reue im Hinblick auf sein Verhalten im Umgang mit den Bundeswehr-Materialien erkennen lassen. Bereits hinsichtlich der damaligen Änderung der Verwendungsplanung wegen "charakterlicher Nichteignung zur Versetzung nach B." hatte der Soldat mit Schreiben vom 5. Juni 2008 zu seiner "Rechtfertigung" u.a. vorgebracht, die ihm vorgeworfene Zueignung von Bundeswehr-Materialien betreffe 30 Jahre alte Plexiglasscheiben, einen vor Jahren ausgesonderten Serverschrank und ein Stück Holz. Durch die nicht vorgenommene Entsorgung habe er dem Dienstherrn auch die Kosten für die Lagerung auf der Müllhalde erspart. Noch in der Berufungshauptverhandlung - einschließlich seinem "letzten Wort" - hat der Soldat wiederholt geäußert, er habe die Sachen für wertlosen Abfall gehalten. Damit hat er bis zuletzt fehlende Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens gezeigt.

63

ff) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannter be- und entlastender Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO zulässigen - Degradierung des Soldaten zum Hauptfeldwebel erforderlich und angemessen. Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme, wie mit der Berufung beantragt, kommt nicht in Betracht.

64

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 13. Januar 2011 a.a.O. mit weiteren Nachweisen) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

65

(1) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

66

Das Schwergewicht des Dienstvergehens liegt in der unrechtmäßigen Zueignung des nicht geringwertigen und noch funktionsfähigen Serverschranks (Anschuldigungspunkt 2). Vergreift sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich an Eigentum oder Vermögen seines Dienstherrn, so indiziert ein solches schweres Fehlverhalten nach der Senatsrechtsprechung (vgl. zum Diebstahl z.B. Urteil vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 9.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 4 mit weiteren Nachweisen, zur versuchten oder vollendeten Schädigung bzw. Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn durch Betrug z.B. Urteil vom 11. Juni 2008 a.a.O. mit weiteren Nachweisen) regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung. Erfolgt der vorsätzliche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Soldaten (z.B. Entwendung "anvertrauten" dienstlichen Geldes oder Gutes), so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise in der Regel die Entfernung aus dem Dienstverhältnis Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. z.B. Urteil vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 mit weiteren Nachweisen).

67

Ein solches besonders schweres Dienstvergehen, das den Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme indizieren könnte, liegt hier jedoch nicht vor. Dem Soldaten war der Serverschrank nicht dienstlich zur Verwahrung und Verwaltung anvertraut. Materialverantwortlicher war damals Stabsunteroffizier - jetzt Feldwebel - H.; er hatte auch die Altgeräte übernommen. Dies hatte Feldwebel H. als Zeuge vor dem Truppendienstgericht bestätigt. Im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen kommt danach (nur) eine Dienstgradherabsetzung in Betracht.

68

(2) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.

69

Das ist hier aber nicht der Fall. Im Rahmen der Gesamtwürdigung mangelt es an weiteren durchgreifenden mildernden oder entlastenden Umständen, sodass es bei der erstinstanzlichen Degradierung des Soldaten zum Hauptfeldwebel verbleibt. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

70

Der disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastete Soldat kann sich lediglich mit Erfolg auf sein insgesamt sehr positives Leistungsbild berufen. Weitere durchgreifende Milderungsgründe stehen ihm nicht zur Seite. Dies kann anstelle der an sich verwirkten Dienstgradherabsetzung nicht den Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Die Anforderungen, die an entlastende Umstände zu stellen sind, werden durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt. Daran gemessen werden diese Anforderungen hier nicht erfüllt. Denn im Grunde kann von jedem Soldaten erwartet werden, dass er sich inner- wie außerdienstlich gesetzestreu verhält und beanstandungsfreie dienstliche Leistungen erbringt (vgl. zum Beamtendisziplinarrecht Urteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D 15.04 - § 77 BBG Nr. 24> mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen sind der Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Festigkeit und Lauterkeit unteilbar. Ein im Charakter deutlich werdender Persönlichkeitsmangel kann nicht dadurch relativiert oder sogar kompensiert werden, dass der Soldat sonst im dienstlichen Bereich die erforderliche Disziplin wahrt, sich tadelfrei führt und in seinen dienstlichen Leistungen die Erwartungen des Dienstherrn erfüllt oder sogar übertrifft (Urteil vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 WD 16.08 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 43).

71

Die Dienstgradherabsetzung wäre aber auch dann die angemessene Disziplinarmaßnahme, wenn der Serverschrank zur Tatzeit unter die allgemeine Bagatellwertgrenze von etwa 50 € gefallen wäre, sodass dem Soldaten dieser Umstand mildernd zugute gehalten werden könnte (vgl. dazu Urteil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - mit weiteren Nachweisen). Denn der Soldat hat über die Zueignung des Serverschranks hinaus weitere, überwiegend vorsätzliche Pflichtverletzungen begangen, indem er als Vorgesetzter im zweitobersten Dienstgrad der Portepee-Unteroffiziere wiederholt Dienstfahrzeuge zu privaten Zwecken genutzt und in einem Fall auch dienstgradniedrigere Soldaten dafür in Anspruch genommen hat. Eine solche Verfehlung eines Vorgesetzten ist schon wegen ihrer negativen Vorbildfunktion und der Verstrickung von Kameraden in das eigene Fehlverhalten innerhalb und außerhalb der Truppe in hohem Maße ansehensschädigend. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt deshalb allein im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Personal und Material der Bundeswehr zu privaten Zwecken je nach dem Gewicht dieser Verfehlungen eine Gehaltskürzung und/oder ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine Herabsetzung um einen oder mehrerer Dienstgrade in Betracht (vgl. z.B. Urteil vom 20. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 12.09 - mit weiteren Nachweisen). Hier wäre wegen dieser wiederholten Pflichtwidrigkeiten zusätzlich ein Beförderungsverbot verwirkt, sodass der - lediglich unterstellte - Umstand der Zueignung eines geringwertigen Serverschrankes am Ausspruch der Dienstgradherabsetzung im Ergebnis nichts ändern würde.

72

Eine mildere Beurteilung ist letztlich auch nicht deshalb geboten, weil das gegen den Soldaten geführte sachgleiche Strafverfahren hinsichtlich der Vorwürfe im Anschuldigungspunkt 2 nach § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung von 300 € eingestellt worden ist. Der durch die Erfüllung der Auflage bewirkte Fortfall des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung sagt - ungeachtet der fortbestehenden strafprozessualen Unschuldsvermutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90, NJW 1991, 1530 <1531 f>) - nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang das öffentliche Interesse daneben noch eine disziplinarische Ahndung gebietet. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO (Verhältnis der Disziplinarmaßnahmen zu Strafen und Ordnungsmaßnahmen) der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt (vgl. Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 - BVerwGE 113, 108 <111> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 33, vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen und vom 6. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 35.09 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5).

73

Im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den Zweck des Wehrdisziplinarrechts, aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz vorgesehene Disziplinarmaßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, ist daher die Degradierung zum Hauptfeldwebel zu bestätigen. Neben spezialpräventiven Erwägungen ist die Dienstgradherabsetzung insbesondere deshalb geboten, weil diese Maßnahme über ihren (engeren) Zweck hinaus bekanntermaßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Angehörigen der Bundeswehr im Allgemeinen hat (Generalprävention). Der Soldat hat nicht nur als Vorgesetzter seinen Untergebenen wiederholt ein schlechtes Beispiel gegeben, sondern hat auch im letzten Viertel seines Dienstverhältnisses als Berufssoldat schwer versagt.

74

Da die Berufung des Soldaten nach alledem ohne Erfolg bleibt, hat er gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.

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