Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (10. Senat) - 10 C 11/12

Tatbestand

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Die am 9. August 1993 geborene Klägerin, eine mongolische Staatsangehörige, begehrt ein Visum zum Familiennachzug zu ihrer in Deutschland lebenden Mutter. Sie lebt derzeit bei ihrer Großmutter in Ulan Bator.

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Die Mutter der Klägerin, die ebenfalls die mongolische Staatsangehörigkeit besitzt, heiratete im Januar 2008 einen deutschen Staatsangehörigen und lebt seitdem in Deutschland. Sie ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt bis zum 12. Mai 2013 verlängert wurde. Mit dem in der Mongolei lebenden Vater der Klägerin war die Mutter nicht verheiratet.

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Im Mai 2008 beantragte die Klägerin bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ulan Bator die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrer Mutter. Im August 2008 legte die Mutter der Ausländerbehörde der Beigeladenen das Urteil eines Zivilgerichts in Ulan Bator vom 19. Dezember 2007 vor. Darin wird verfügt, dass die Klägerin unter dem "alleinigen Sorgerecht ihrer Mutter" steht. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das mongolische Gericht u.a. an, dass der Vater aufgrund seiner Arbeitslosigkeit nicht in der Lage sei, für seine Tochter zu sorgen. Er sei mit der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter einverstanden.

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Die Botschaft der Beklagten in Ulan Bator lehnte den Visumantrag der Klägerin zuletzt mit Remonstrationsbescheid vom 6. Juli 2009 ab. Die Klägerin habe keinen Nachzugsanspruch nach § 32 Abs. 3 AufenthG, weil ihre Mutter nicht Inhaberin des alleinigen Sorgerechts sei. Bei der Visumbeantragung sei angegeben worden, dass das Sorgerecht gemeinsam mit dem Vater ausgeübt werde, obwohl angeblich bereits am 19. Dezember 2007 die Übertragung des Sorgerechts erfolgt sei. Für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf nicht miteinander verheiratete Eltern fehle im mongolischen Recht die Rechtsgrundlage. Eine Härte nach § 32 Abs. 4 AufenthG liege nicht vor. Die Betreuung der Klägerin sei auch während des langen Aufenthalts der Mutter in Deutschland gesichert gewesen.

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Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der Mutter der Klägerin sei das alleinige Sorgerecht durch das mongolische Gerichtsurteil nicht wirksam übertragen worden. Ausländische Sorgerechtsentscheidungen würden in Deutschland nach § 108 Abs. 1 FamFG zwar grundsätzlich anerkannt. Allerdings sei dieser Grundsatz nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG dann durchbrochen, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu einem Ergebnis führte, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Dies sei hier der Fall. Das mongolische Sorgerechtsurteil sei wegen der fehlenden Anhörung der Klägerin im Verfahren mit einem tragenden Verfahrensgrundsatz des deutschen Kindschaftsrechts nicht vereinbar.

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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin im Juli 2011 mitgeteilt, dass ein Zivilgericht in Ulan-Bator mit Entscheidung vom 13. Oktober 2010 - nunmehr nach persönlicher Anhörung - ihrer Mutter das Sorgerecht für sie und ihre jüngere Schwester zugesprochen habe. Weiter hat die Klägerin vorgetragen und im Termin zur mündlichen Verhandlung im Februar 2012 belegt, dass sie im 2. Studienjahr Germanistik studiere.

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Sein Urteil hat es im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Mutter der Klägerin sei durch das vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres ergangene Urteil vom 19. Dezember 2007 nicht Inhaberin des alleinigen Sorgerechts geworden, wie das § 32 Abs. 3 AufenthG erfordere. Denn das Urteil sei aufgrund eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht anerkennungsfähig. Der Klägerin sei keine Gelegenheit eingeräumt worden, sich zu der beantragten Sorgerechtsentscheidung zu äußern. Dies gebiete nicht nur das deutsche Recht, sondern auch die UN-Kinderrechtskonvention. Die Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG sei so schwerwiegend, dass nach der deutschen Rechtsordnung nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden könne. Eine Heilung durch eine nachträgliche Anhörung in dem zweiten, zum Urteil vom 13. Oktober 2010 führenden Sorgerechtsverfahren komme nicht in Betracht. Ein Anspruch nach § 32 Abs. 2 AufenthG bestehe ebenfalls nicht. Für die Beurteilung, ob die Altersgrenze erfüllt sei, komme es auf den Zeitpunkt der Stellung des Visumantrags an. Bei der Antragstellung sei die Klägerin noch keine 16 Jahre alt gewesen. Im Übrigen habe sie auch nicht nachgewiesen, dass sie zu dem maßgeblichen Zeitpunkt die erforderlichen Sprachkenntnisse besessen habe. Ebenso liege keine besondere Härte im Sinne des § 32 Abs. 4 AufenthG vor.

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Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen die Verweigerung der Anerkennung der mongolischen Sorgerechtsentscheidung. Die möglicherweise fehlende Anhörung dürfe nicht zur Verweigerung der Anerkennung führen, weil die Entscheidung selbst dem Kindeswillen entspreche. Die Klägerin habe jedenfalls mit ihrem Visumantrag den Willen bekundet, zu ihrer Mutter zu ziehen. Im Übrigen ergebe sich der Visumanspruch auch aus § 32 Abs. 2 und 4 AufenthG.

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Im Verlauf des Revisionsverfahrens ist der mittlerweile dreizehnjährigen Schwester der Klägerin ein Visum zum Familiennachzug zu ihrer Mutter erteilt worden; sie lebt nunmehr in Trier.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Zwar hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug nach § 32 Abs. 3 AufenthG wegen der fehlenden Anerkennungsfähigkeit der mongolischen Sorgerechtsübertragung ohne Verstoß gegen revisibles Recht verneint (1.). Auch ein Nachzugsanspruch nach § 32 Abs. 4 AufenthG wurde zutreffend abgelehnt (2.). Das Berufungsgericht hat aber einen Anspruch der Klägerin nach § 32 Abs. 2 AufenthG mit einer Begründung verneint, die revisionsgerichtlicher Prüfung nicht standhält (3.). Insoweit beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AufenthG im Berufungsurteil kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zurückzuverweisen (4.).

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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren der Klägerin, ihr ein Visum zum Familiennachzug gemäß § 32 AufenthG zu ihrer in Deutschland lebenden Mutter zu erteilen. Alle Anspruchsgrundlagen des § 32 AufenthG stehen in Anspruchsnormenkonkurrenz zueinander; es liegen keine unterschiedlichen Streitgegenstände vor. Die Anspruchsgrundlagen des § 32 Abs. 1 bis 4 AufenthG beziehen sich auf unterschiedliche Fallgestaltungen auf Seiten der Eltern und Kinder (Sorgeberechtigung, Alter, Integrationsvoraussetzungen), sind aber alle ohne Unterschiede bei den Rechtsfolgen auf den Nachzug von Kindern zu ihren Eltern oder einem Elternteil gerichtet. Auch die Auffangvorschrift des Absatz 4 ("Im Übrigen") zeigt, dass in § 32 AufenthG ein einheitlicher Kindernachzugsanspruch mit unterschiedlichen Voraussetzungen für unterschiedliche Lebenssituationen der Betroffenen geregelt ist.

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Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10). Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es nunmehr anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279>). Daher ist der Nachzugsanspruch der Klägerin an dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) zu messen, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier einschlägigen Bestimmungen aber nicht geändert.

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1. Die Klägerin kann aus § 32 Abs. 3 AufenthG keinen Anspruch auf Kindernachzug zu ihrer in Deutschland lebenden Mutter ableiten. Nach dieser Bestimmung ist dem minderjährigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis - und vor der Ausreise gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG ein Visum - zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil u.a. eine Aufenthaltserlaubnis besitzen.

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1.1 Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin die altersbezogenen Voraussetzungen in § 32 Abs. 3 AufenthG erfüllt. Denn die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Stellung ihres Visumantrages im Mai 2008 das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet. Sind aufenthaltsrechtliche Ansprüche an eine Höchstaltersgrenze geknüpft - wie hier die Vollendung des 16. Lebensjahres -, ist für die Einhaltung der Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen (vgl. Urteil vom 7. April 2009 a.a.O.). Wenn die Altersgrenze im Laufe des Verfahrens überschritten wird, folgt daraus, dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen spätestens auch im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze vorgelegen haben müssen. Danach eingetretene Sachverhaltsänderungen zugunsten des Betroffenen können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Insoweit bedarf es mithin bei Anspruchsgrundlagen mit einer Höchstaltersgrenze, die der Betroffene - wie hier die Klägerin - im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung oder Entscheidung überschritten hat, einer auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogenen Doppelprüfung (Urteil vom 7. April 2009 a.a.O.).

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1.2 Das Berufungsgericht hat aber im Einklang mit Bundesrecht die alleinige Sorgeberechtigung der in Deutschland lebenden Mutter der Klägerin verneint.

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1.2.1 Der Begriff der alleinigen Personensorgeberechtigung ist mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl EG L 251 S. 12 vom 3. Oktober 2003) - sog. Familienzusammenführungsrichtlinie - unionsrechtlich auszulegen. Im Sinne dieser Bestimmung besitzt ein Elternteil das Sorgerecht nur, wenn er "allein" sorgeberechtigt ist, dem anderen Elternteil also bei der Ausübung des Sorgerechts keine substantiellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes (Urteil vom 7. April 2009 a.a.O. Rn. 16).

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1.2.2 Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da der Anerkennung der mongolischen Sorgerechtsentscheidung vom 19. Dezember 2007 der verfahrensrechtliche ordre public entgegensteht.

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Wem das Sorgerecht für ein Kind zusteht, beurteilt sich in Fällen mit Auslandsbezug anhand der Regelungen des Internationalen Privatrechts nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 21 EGBGB). Diese Kollisionsnorm, die die Auswahl des materiellrechtlichen Prüfungsmaßstabs bei einer anstehenden Sorgerechtsentscheidung steuert, tritt zurück, wenn bereits eine Sorgerechtsentscheidung einer ausländischen Stelle vorliegt und sich die verfahrensrechtliche Frage nach deren Anerkennung stellt.

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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass durch das Urteil des Zivilgerichts im Stadtbezirk Bayangol von Ulan Bator vom 19. Dezember 2007 der Mutter der Klägerin das bis dahin ihren Eltern gemeinsam zustehende Sorgerecht für die Klägerin übertragen wurde (UA S. 12). Es hat aber offen gelassen, ob die Übertragung wirksam war, weil eine Anerkennung der Sorgerechtsübertragung wegen Verstoßes gegen den deutschen ordre public nicht in Betracht komme (UA S. 8).

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Die Anerkennung ausländischer Urteile richtet sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 328 ZPO. Für die Anerkennung ausländischer Sorgerechtsentscheidungen enthält § 108 Abs. 1 i.V.m. § 109 FamFG allerdings eine Sonderregelung, die die Grundnorm des § 328 ZPO auch im Verwaltungsprozess verdrängt. Gemäß § 108 Abs. 1 FamFG ist für die Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen ausländischer Gerichte kein besonderes Verfahren vor deutschen Gerichten oder Behörden vorgesehen, sondern es gilt der Grundsatz der Inzidentanerkennung (OLG Köln, Beschluss vom 9. April 2010 - 4 UF 56/10 - NJW-RR 2010, 1225 <1226>). Nach § 97 Abs. 1 FamFG gehen zwar Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Vorschriften des FamFG vor. Zwischen Deutschland und der Mongolei bestehen jedoch keine derartigen zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl L 338, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2116/2004 des Rates vom 2. Dezember 2004 (ABl L 367, S. 1) geänderten Fassung regelt nur die Anerkennung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten (Art. 21). Die Anerkennung des mongolischen Sorgerechtsurteils vom 19. Dezember 2007 richtet sich somit nach § 108 Abs. 1 i.V.m. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

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Abzustellen ist dabei nicht auf Art. 6 EGBGB, sondern auf den anerkennungsrechtlichen ordre public international (vgl. nur BGH, Urteile vom 18. Oktober 1967 - VIII ZR 145/66 - BGHZ 48, 327 und vom 21. April 1998 - XI ZR 377/97 - BGHZ 138, 331 <334>). Mit diesem ist eine ausländische Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter - hätte er die zur Anerkennung stehende Entscheidung getroffen - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Ergebnis zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint. Prüfungsmaßstab sind dabei vor allem die Grundrechte. Die ausländische Entscheidung ist nicht auf ihre Rechtmäßigkeit am Maßstab des ausländischen Rechts zu überprüfen (Verbot der révision au fond). Bei der Anerkennung ausländischer Sorgerechtsentscheidungen liegt in materieller Hinsicht ein Verstoß gegen den ordre public erst dann vor, wenn die Hinnahme der Entscheidung wegen ihres Inhalts im Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Familien- und Kindschaftsrechts offensichtlich unvereinbar ist (materiellrechtlicher ordre public). Dabei steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt der Prüfung. Jede Regelung des Sorgerechts wirkt sich auf das Wohl des Kindes aus und muss daher das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen. Ein Verstoß gegen den ordre public kann sich auch aus dem der anzuerkennenden Entscheidung vorangegangenen Verfahren ergeben, also der Art und Weise ihres Zustandekommens. Dies ist der Fall, wenn die ausländische Entscheidung aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass sie nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (verfahrensrechtlicher ordre public). Eine am Kindeswohl orientierte Sorgerechtsentscheidung erfordert daher auch eine Verfahrensgestaltung, die eine hinreichende Berücksichtigung der grundrechtlichen Stellung des betroffenen Kindes garantiert (siehe etwa Art. 12 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 5. November 1980 - 1 BvR 349/80 - BVerfGE 55, 171 <182> und vom 14. Juli 2010 - 1 BvR 3189/09 - BVerfGK 17, 407 Rn. 19). Das Sorgerechtsverfahren ist unter Berücksichtigung des Alters des Kindes, seines Entwicklungsstandes und seiner seelischen Verfassung so zu gestalten, dass der Entscheidungsträger möglichst zuverlässig die Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen kann. Das erfordert jedenfalls bei Jugendlichen grundsätzlich eine persönliche Anhörung und bei jüngeren Kindern zumindest ein funktionales Äquivalent, durch das ihnen Gelegenheit gegeben wird, ihre Interessen auf altersgerechte Weise zu formulieren und in das Verfahren einzubringen.

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Nach diesen Maßstäben steht der verfahrensrechtliche ordre public der Anerkennung des Urteils des Zivilgerichts im Stadtbezirk Bayangol von Ulan Bator vom 19. Dezember 2007 entgegen (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der damals 14-jährigen Klägerin in dem Sorgerechtsverfahren vor der Übertragung des bis dahin ihren Eltern gemeinsam zustehenden Sorgerechts auf die Mutter keine Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt wurde. Bei einer Jugendlichen in diesem Alter ist grundsätzlich eine persönliche Anhörung geboten. Gründe, hiervon im vorliegenden Fall abzuweichen, liegen nicht vor. Für das Gebot einer Anhörung der Klägerin im gerichtlichen Verfahren genügt nicht, dass sie gegenüber ihrer Mutter und deren Ehemann bekundet haben soll, bei ihrer Mutter in Deutschland leben zu wollen. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine Äußerung im Sorgerechtsverfahren, die von einer dafür zuständigen staatlichen Stelle überprüft und hinterfragt werden kann. Auch kommt eine Heilung des Verfahrensfehlers durch eine nachträgliche Anhörung in dem zweiten, zum Urteil vom 13. Oktober 2010 führenden Sorgerechtsverfahren nicht in Betracht. Diese wirkt nicht zurück. Zudem muss die Gelegenheit zur Äußerung in dem konkreten Verfahren vor der Entscheidung des Gerichts bestanden haben, um deren Entscheidungsgrundlage sein zu können.

23

Die mittlerweile volljährige Klägerin kann auch nicht durch eine nachträgliche Zustimmung zur Sorgerechtsübertragung deren Anerkennung in Deutschland erreichen. Eine Sorgerechtsentscheidung, die in einem Verfahren zustande gekommen ist, das den ordre public verletzt, kann vielmehr nur dann ausnahmsweise anerkannt werden, wenn die Nichtanerkennung das Kindeswohl gefährdet. Diese Ausnahme vom Grundsatz der Nichtanerkennung ist geboten, weil im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen elementare Wertvorstellungen der deutschen Rechtsordnung mögliches kollidierendes Verfassungsrecht (hier: Art. 6 Abs. 2 GG) zu berücksichtigen ist. Damit ist keine vollständige Prüfung des Kindeswohls gefordert, sondern allein als Grenze der Nichtanerkennung die Gefährdung des Kindeswohls zu beachten. Im vorliegenden Fall sind keine Gesichtspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls der Klägerin ersichtlich, und zwar weder zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts. Welcher dieser Zeitpunkte insoweit maßgeblich ist, kann daher offenbleiben.

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2. Das Berufungsgericht hat auch einen Nachzugsanspruch nach § 32 Abs. 4 AufenthG mit Recht verneint. Nach dieser Vorschrift kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es aufgrund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Die Norm dient der Sicherstellung des Kindeswohls (§ 32 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Es kann offen bleiben, ob sich die Klägerin nach Eintritt der Volljährigkeit - wie hier - noch auf eine Gefährdung des Kindeswohls berufen kann (bejahend Urteil vom 18. November 1997 - BVerwG 1 C 22.96 - Buchholz 402.240 § 20 AuslG 1990 Nr. 4 S. 22 zu § 20 Abs. 4 AuslG 1990). Denn im vorliegenden Fall sind - wie bereits dargelegt (Rn. 23 = Ziffer 1.2.2 letzter Absatz) - keine Gesichtspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls der Klägerin ersichtlich, und zwar weder zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts.

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3. Das Berufungsgericht hat aber einen Anspruch der Klägerin nach § 32 Abs. 2 AufenthG mit einer Begründung verneint, die revisionsgerichtlicher Prüfung nicht standhält. Nach § 32 Abs. 2 AufenthG hat das minderjährige ledige Kind, welches das 16. Lebensjahr vollendet hat, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn es die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und beide Eltern oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen.

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Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht, weil es einen Nachzugsanspruch der Klägerin aus § 32 Abs. 2 AufenthG schon deswegen ablehnt, weil sie ihren Visumantrag vor Vollendung ihres 16. Lebensjahres und nicht danach gestellt hat. Einer erneuten Antragstellung bedurfte es jedoch nicht. Vielmehr bezog sich ihr Visumantrag zum Kindernachzug vom Mai 2008 auf alle zu diesem Streitgegenstand gehörenden Anspruchsgrundlagen. Da ein auf § 32 Abs. 3 AufenthG gestützter Anspruch die Antragstellung vor Vollendung des 16. Lebensjahres voraussetzt, muss ein diese Höchstaltersgrenze wahrender Antrag auch den Anforderungen des § 32 Abs. 2 AufenthG genügen. Diese Vorschrift setzt nämlich nur voraus, dass die Antragstellung vor Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgte; ein Mindestalter verlangt sie hingegen nicht. Das Berufungsgericht kann sich für seine gegenteilige Rechtsauffassung nicht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 1997 - BVerwG 1 C 22.96 - (a.a.O.) stützen. Dieses ist zur Vorgängervorschrift des § 32 Abs. 3 AufenthG ergangen, betrifft also den Familiennachzug eines Kindes, das zum Zeitpunkt der Antragstellung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wohl aber im Verlauf des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens. Für diese Anspruchsgrundlage (damals § 20 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass es der Schutz des Minderjährigen gebiete, für das Merkmal der Vollendung des 16. Lebensjahres auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen (a.a.O. S. 18 f.). Aus dem Urteil kann gerade nicht abgeleitet werden, dass es zur Erfüllung der Voraussetzungen des Nachzugsanspruchs für 16- bis 18-Jährige einer erneuten Antragstellung bedarf. Vielmehr hat es das Bundesverwaltungsgericht in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil für einen Anspruch nach der Vorgängervorschrift des § 32 Abs. 2 AufenthG (damals: § 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG 1990) ausreichen lassen, dass das Kind den Nachzugsantrag vor Erreichen der Volljährigkeit gestellt hat (a.a.O. S. 22). Das ist hier erfolgt.

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Das Berufungsurteil verstößt auch insoweit gegen Bundesrecht, als es die Tatbestandsvoraussetzung des § 32 Abs. 2 AufenthG, dass die Klägerin die deutsche Sprache beherrscht, auf zu schmaler Tatsachengrundlage verneint hat. Zwar hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgewiesen, dass sie zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung ihres 18. Lebensjahres die deutsche Sprache beherrschte. Dafür ist der Nachweis von Sprachkenntnissen erforderlich, die dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entsprechen (§ 2 Abs. 11 AufenthG). Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Vorlage eines entsprechenden Zertifikats einer akkreditierten Stelle keine notwendige, sondern nur eine hinreichende Voraussetzung für den Nachweis der entsprechenden Sprachkompetenz. Entscheidend ist, dass die entsprechenden Sprachkenntnisse tatsächlich vorliegen. Die Klägerin hat aber Tatsachen vorgetragen, die Anlass für eine weitere Aufklärung des Gerichts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) hätten geben müssen. So hatte die Mutter der Klägerin bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. Januar 2010 erklärt, ihre Tochter habe einen einjährigen Sprachkurs besucht, und zwar mehrmals wöchentlich (VG-Akte Bl. 66). Ferner hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 23. Februar 2012 eine Bescheinigung der Mongolischen Staatlichen Universität vom 14. Februar 2012 vorgelegt, aus der sich ausweislich des Sitzungsprotokolls ergibt, dass die Klägerin dort im 2. Studienjahr Germanistik studierte (VG-Akte Bl. 296 R). Daraus folgt aber, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung ihres 18. Lebensjahres (August 2011) bereits die Aufnahmevoraussetzungen für das Deutschstudium an der Universität erfüllt und einige Zeit studiert hatte. Dieses Vorbringen der Klägerin hätte das Berufungsgericht dazu veranlassen müssen, mittels geeigneter Maßnahmen aufzuklären, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 18. Lebensjahres über Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte, die dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entsprachen.

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4. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AufenthG im Berufungsurteil kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zurückzuverweisen.

29

Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung prüfen müssen, ob die Klägerin die Voraussetzungen für den Nachzugsanspruch nach § 32 Abs. 2 AufenthG erfüllt. Dabei wird es zu untersuchen haben, ob der Mutter der Klägerin durch das Urteil des Zivilgerichts im Stadtbezirk Bayanzurkh von Ulan Bator vom 13. Oktober 2010 wirksam das alleinige Sorgerecht für die Klägerin übertragen wurde. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Klägerin - wie sie vorträgt - in diesem gerichtlichen Verfahren vor Erlass der Entscheidung angehört worden ist. Hierfür spricht die vorgelegte Übersetzung des Urteils. Auch die Beklagte geht von einer erfolgten Anhörung durch das Gericht jedenfalls insoweit aus, als es die Schwester der Klägerin betrifft, denn ihr wurde mittlerweile auf der Grundlage dieses Urteils das Visum zum Familiennachzug erteilt. Eine für den Anspruch nach § 32 Abs. 2 AufenthG beachtliche Sorgerechtsübertragung konnte zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vom 13. Oktober 2010 erfolgen, denn die Klägerin hatte damals das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet.

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Ferner wird das Berufungsgericht aufzuklären haben, ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 18. Lebensjahres über Kenntnisse der deutschen Sprache verfügte, die dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entsprachen. Der Senat weist darauf hin, dass ein entsprechender Nachweis im vorliegenden Fall nicht notwendigerweise durch eine Bescheinigung im Sinne von Ziffer 32.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl 2009, 878) erfolgen muss. Zwar könnten durchaus Rückschlüsse aus einer aktuell abgelegten Sprachprüfung gezogen werden, die dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens entspricht. Als geeigneter Nachweis könnte aber möglicherweise auch die Bescheinigung einer geeigneten und zuverlässigen in- oder ausländischen Stelle in Betracht kommen, dass etwa die bei Zulassung zum Deutschstudium in Ulan-Bator der Klägerin abverlangten Deutschkenntnisse dem geforderten Niveau C 1 entsprachen.

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