Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (9. Senat) - 9 KSt 6/14, 9 KSt 6/14 (9 A 14/12)

Gründe

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Über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist gemäß § 165 Satz 2, § 152 Abs. 2, § 151 VwGO durch den Senat in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern zu entscheiden (§ 10 Abs. 3 VwGO). Eine Entscheidungszuständigkeit des Berichterstatters „über Kosten“ gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO scheidet aus, weil die Entscheidung nicht „im vorbereitenden Verfahren“ ergeht. Vielmehr hat bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Spruchkörper (Senat) stattgefunden, aufgrund derer das Verfahren beendet worden ist (vgl. Beschluss vom 29. Dezember 2004 - BVerwG 9 KSt 6.04 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 40).

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Die Erinnerung der Kläger ist gemäß §§ 151, 165 VwGO zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

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Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erfassen die erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (Beschlüsse vom 3. Juli 2000 - BVerwG 11 KSt 2.99 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 35 S. 2 und vom 6. Oktober 2009 - BVerwG 4 KSt 1009.07 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 47 Rn. 34). Ausgehend davon hätte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Erstattungsfähigkeit der beantragten Kurierkosten von 418,03 €, die im Zusammenhang mit der Übermittlung der Planfeststellungsakten von der Anwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kläger an das Bundesverwaltungsgericht entstanden sind, in Höhe von 210 € anerkennen müssen; im Übrigen hat sie die Erstattungsfähigkeit zu Recht abgelehnt.

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Erstattungsfähig gemäß § 162 Abs. 1 VwGO sind u.a. die Auslagen eines Rechtsanwalts (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO), soweit sie für die Bearbeitung eines konkreten Mandats anfallen und daher nicht als allgemeine Geschäftskosten mit den Gebühren abgegolten sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses; vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, VV Vorbem 7 Rn. 4; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, VV Vorb. 7 Rn. 9). Zu den Auslagen, die in dem vorgenannten Sinne bei Ausführung des einzelnen Auftrages entstehen, zählen nach § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 7001 f. des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 RVG) Entgelte für Postdienstleistungen. Darunter fallen die allgemeinen Portokosten einschließlich derjenigen für Pakete (allgemeine Meinung: vgl. Hartmann a.a.O., VV 7000-7002 Rn. 1; Müller-Rabe a.a.O., VV 7001, 7002 Rn. 9; N. Schneider, in: Gebauer/Schneider, Anwaltkommentar RVG, 7. Aufl. 2014, VV 7001-7002 Rn. 6). Das gilt auch dann, wenn die Kosten für einen Paketversand anlässlich der Rücksendung von Akten entstehen, in die der Anwalt in seiner Kanzlei Einsicht genommen hat (OLG Hamm, Beschluss vom 19. Dezember 2005 - 2 Ws 300/05 - NJW 2006, 1076 <1077 f.>; AG Leipzig, Beschluss vom 18. Mai 2005 - 200 Gs Js 172/05 - juris Rn. 5; Hartmann a.a.O.).

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Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass der Rechtsanwalt, dem die Gerichtsakten auf seinen Antrag in seine Kanzlei zur Einsicht übersandt werden, für die Kosten und Auslagen der Rücksendung selbst aufzukommen hat (so OLG Naumburg, Beschluss vom 21. April 2008 - 6 W 35/08 - NJW-RR 2008, 1666; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 19. Dezember 2005 a.a.O. S. 1077). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9003 des Kostenverzeichnisses, wonach für die antragsgemäße Versendung (Hin- und Rücksendung) von Akten durch Gerichte pauschal (nur) 12 € je Sendung erhoben werden. Diese Aktenversendungspauschale lässt die zusätzlichen Versandkosten, die einem Prozessbeteiligten bzw. seinem Rechtsanwalt für die Rücksendung der Akten entstehen, unberührt, beinhaltet also keinen Anspruch auf unfreie Rücksendung der Akten. Denn sie deckt nur die Aufwendungen der Justiz für eine besondere Dienstleistung zugunsten dessen ab, der Akteneinsicht außerhalb des Gerichts begehrt (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. März 1996 - 2 BvR 386/96 - NJW 1996, 2222 <2223>). Sie betrifft daher ausschließlich das Verhältnis des Rechtsuchenden gegenüber dem Justizfiskus, nicht aber das Verhältnis des obsiegenden und mithin erstattungsberechtigten Prozessbeteiligten zu dem erstattungspflichtigen Beteiligten, welches sich nach § 162 VwGO in Verbindung mit den Auslagentatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zum RVG richtet.

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Auch das Gebot, die mit der Prozessführung verbundenen Aufwendungen im Interesse des kostenpflichtigen Beteiligten so niedrig wie möglich zu halten, steht unter den hier vorliegenden Umständen der Erstattung von Rücksendungskosten nicht von vornherein entgegen. Wer Einsicht in die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten begehrt, hat zwar zu berücksichtigen, dass die Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO grundsätzlich in der Geschäftsstelle des Gerichts zu erfolgen hat. Dementsprechend ist die stattdessen ausnahmsweise vorgesehene Überlassung der Akten an Prozessbevollmächtigte bzw. ihre Übersendung in deren Geschäftsräume in das Ermessen des Vorsitzenden gestellt (§ 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Vor diesem Hintergrund kann ein Prozessbeteiligter bzw. sein Bevollmächtigter, dem die Einsichtnahme bei Gericht zumutbar ist, auch im Falle des Obsiegens regelmäßig nicht erwarten, dass sein unterlegener Prozessgegner für die Mehrkosten der Aktenversendung aufkommt (so zu Recht VG Hamburg, Beschluss vom 16. November 2007 - 8 K 1432/05 - JurBüro 2008, 153 = juris Rn. 9). Hier lagen aber besondere Umstände vor, aufgrund derer die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Akteneinsicht in ihren Kanzleiräumen für notwendig erachten durften. Diese Umstände lagen zum einen in der räumlichen Entfernung der in Hamburg ansässigen Rechtsanwaltskanzlei zum Gerichtsort Leipzig, zum anderen in der Menge des Aktenmaterials, bei dem es sich um 145 Ordner Planfeststellungsunterlagen handelte. Hätte der sachbearbeitende Rechtsanwalt umfassend Akteneinsicht beim Bundesverwaltungsgericht genommen, wären ihm Reisekosten (VV RVG Nr. 7003 ff.) entstanden, die in ihrer Höhe hinter den geltend gemachten Versandkosten jedenfalls nicht zurückgeblieben und ihrerseits erstattungsfähig gewesen wären (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 19. Juni 2014 - 14 KE 15.14 - juris Rn. 3 f.; Hartmann a.a.O., VV 7003-7006 Rn. 8). Schließlich mussten die Prozessbevollmächtigten der Kläger auch die (kostensparende) Alternative, Akteneinsicht in dem Gebäude eines in Hamburg ansässigen Gerichts zu erbitten, angesichts der Menge der Akten und der Komplexität des anwaltlich zu durchdringenden Streitstoffs nicht in Betracht ziehen.

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Erstattungsfähig sind allerdings nicht die geltend gemachten Kurierkosten in Höhe von netto 418,03 €, sondern lediglich Versandkosten in Höhe von 210 €, die nach Auskunft der Deutschen Post für die Übersendung der 145 Aktenordner in DHL-Paketen entstanden wären. Denn unabhängig davon, ob Expresskosten, die über die allgemeinen Portokosten hinausgehen und deshalb nicht unter Nr. 7001 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG fallen (Hartmann a.a.O., VV 7000-7002 Rn. 1; Müller-Rabe a.a.O., VV 7001, 7002 Rn. 11; N. Schneider a.a.O., VV 7001-7002 Rn. 6), unter besonderen Umständen dennoch erstattungsfähig im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO sein können (vgl. dazu Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 162 Rn. 26; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 28), haben die Kläger eine besondere Eilbedürftigkeit jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Erklärung, der Kurierversand sei mit Blick auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 6. Juni 2012 geboten gewesen, um eine fristgerechte Rücksendung der umfangreichen und 273 kg schweren Akten bis zum 4. Juli 2014 (gemeint ist ersichtlich der 4. Juli 2012) sicherzustellen, vermag die Erstattungsfähigkeit nicht zu rechtfertigen. Die unter dem genannten Datum in beiden - damals noch nicht verbundenen - Verfahren BVerwG 9 A 14.12 (N.) und BVerwG 9 A 15.12 (B.) erlassenen Eingangsverfügungen des Vorsitzenden trafen zwar Vorkehrungen für die Übersendung der betreffenden Akten. Dabei ging es um die Verwaltungsvorgänge im Original einschließlich der im Anhörungsverfahren entstandenen Vorgänge. Diese sollten - aufgrund von Akteneinsichtsgesuchen - aus Zweckmäßigkeitsgründen vom Beklagten zunächst an die Prozessbevollmächtigten in einem weiteren Parallelverfahren (BVerwG 9 A 9.12) und von dort in einer festgelegten Reihenfolge an die weiteren Prozessbevollmächtigten, die ebenfalls Akteneinsicht beantragt hatten, übermittelt werden. Aus den Verfügungen des Vorsitzenden lässt sich entgegen der Darstellung der Kläger aber nichts dafür entnehmen, dass die Akten zu einem bestimmten Termin an das Gericht übermittelt werden sollten. Allenfalls dann wäre aber die Einschaltung eines Express-Kurierdienstes gerechtfertigt gewesen. Vielmehr wurden die Prozessbevollmächtigten der Kläger im - damals noch nicht verbundenen - Verfahren BVerwG 9 A 14.12 (N.) lediglich gebeten, die betreffenden Akten nach Einsicht an den Bevollmächtigten im Verfahren BVerwG 9 A 15.12 (B.), Herrn Rechtsanwalt Dr. M., „gesichert zu übermitteln“, damit dieser „die Akteneinsicht bis zur 26. Kalenderwoche vornehmen“ könne. Rechtsanwalt Dr. M. wiederum wurde - als Letztem in der Übermittlungskette - nur mitgeteilt, dass die geplante Weitergabe möglichst so erfolgen solle, dass er „bis zur 26. Kalenderwoche Einsicht nehmen“ könne. Von einer fristgebundenen Rücksendung an das Gericht ist also keine Rede. Hiervon abgesehen kam es aufgrund der Mandatsniederlegung von Rechtsanwalt Dr. M. ohnehin nicht mehr zu der vorgesehenen Weiterleitung an diesen. Hierauf hat Rechtsanwalt N. bereits mit Schreiben vom 15. Juni 2012 - also schon in der 24. Kalenderwoche - im Zusammenhang mit der Anzeige der Mandatsübernahme im Verfahren BVerwG 9 A 15.12 hingewiesen. Auch dieser Umstand spricht gegen eine besondere Eilbedürftigkeit und damit gegen das Erfordernis der Beauftragung eines Kurierdienstes.

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Mithin sind die geltend gemachten Versandkosten auf 210 € - je Kläger 105 € - zu kürzen. Außerdem ist für jeden Kläger die geltend gemachte Postpauschale von 20 € (VV RVG Nr. 7002) von den erstattungsfähigen Beträgen abzuziehen. Denn die Pauschale kann in jeder Angelegenheit nur anstelle der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 und nicht neben ihnen gefordert werden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Entscheidung über Gerichtskosten und einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei ist.

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