Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (9. Senat) - 9 B 29/14

Gründe

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Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

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Der Kläger möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

ob die Planrechtfertigung für die nachträgliche Zulassung bzw. Anordnung aktiver Schallschutzmaßnahmen bei unveränderter verkehrlicher Funktion und Leistungsfähigkeit der Straße auch dann gegeben sein kann, wenn damit weder ein Vorbehalt aus einem Ausgangsplanfeststellungsbeschluss abgearbeitet wird, noch die Voraussetzungen für nachträgliche Schutzauflagen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz gegeben sind, noch Lärmbeeinträchtigungen entgegengewirkt werden soll, die aktuell oder nach dem jeweiligen Prognosehorizont im Bereich bzw. jenseits der Sanierungsgrenzwerte entsprechend Ziff. 37.1 VLärmSchR 97 liegen, und für die Verwirklichung der Maßnahme auf privates Grundeigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG zugegriffen werden muss bzw. ob angesichts der Unanwendbarkeit der §§ 41 ff. BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV die Planrechtfertigung für solche Maßnahmen nicht prinzipiell ausscheidet.

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Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, weil sie ohne Weiteres anhand des Gesetzes und bereits vorliegender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden können. Das rechtliche Erfordernis einer Planrechtfertigung ergibt sich aus der Erwägung, dass eine hoheitliche Planung wegen der von ihr ausgehenden Auswirkungen auf die Rechte Dritter ihre Rechtfertigung nicht schon in sich trägt. Die Planrechtfertigung dient damit dem Zweck, Vorhaben, die nicht mit den Zielen des jeweiligen Fachrechts in Einklang stehen, bereits auf einer der Abwägung vorgelagerten und einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegenden Stufe auszuscheiden. Sie stellt eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit dar (Urteil vom 11. Juli 2001 - BVerwG 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <372 f.> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 19 S. 17 m.w.N.). Eine straßenrechtliche Planung hat daher Bestand, wenn sie auf die Verwirklichung der mit dem einschlägigen Fachgesetz generell verfolgten öffentlichen Belange ausgerichtet und vernünftigerweise geboten ist (Urteil vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <118 f.> = Buchholz 442.40 § 8 Nr. 2 S. 7 f.).

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Die von dem Träger der Straßenbaulast an einer Bundesfernstraße errichteten Lärmschutzwände sind Bestandteile der Bundesfernstraße (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 FStrG) und unterliegen daher dem Planfeststellungsvorbehalt des § 17 Satz 1 FStrG. Sie sind vom eigentlichen Vorhaben nicht isoliert zu betrachten, sondern stehen in einem untrennbaren planungsrechtlichen Zusammenhang mit diesem, und zwar auch dann, wenn sie erst nach Bestandskraft des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses in einem der Lärmsanierung dienenden Planänderungsverfahren planfestgestellt und errichtet werden (vgl. Urteil vom 14. September 1992 - BVerwG 4 C 34 - 38.89 - BVerwGE 91, 17 <19> = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 18 S. 24 f.). Daraus folgt, dass der Planänderungsbeschluss, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss anwächst und mit diesem zu einem einzigen Plan in der durch den Änderungsbeschluss erreichten Gestalt verschmilzt (Urteile vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 25.09 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 19 Rn. 24, vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 31.07 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 15 Rn. 23 f. und vom 8. Januar 2014 - BVerwG 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 15), an der Planrechtfertigung des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses teilnimmt. Einer gesteigerten Form der Rechtfertigung, etwa im Sinne einer Erforderlichkeit eines Änderungsvorhabens, bedarf es daher bei nachträglich planfestgestellten Lärmschutzwänden nicht (Urteil vom 14. September 1992 a.a.O. S. 29 ).

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Keine Frage der Planrechtfertigung, sondern eine Frage der Abwägung ist es dagegen, ob die für das Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelange von einem solchen Gewicht sind, dass sie das Bestandsinteresse des Eigentümers am Fortbestand seiner konkreten Eigentumsposition zu überwinden vermögen (vgl. Urteil vom 24. November 2011 - BVerwG 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 219 jeweils Rn. 64 ff., 67). Entgegen der Auffassung der Beschwerde gelten die vorgenannten Grundsätze auch in den Fällen, in denen der Träger der Straßenbaulast unterhalb der Schwellenwerte für drohende Gesundheitsgefahren „freiwillig“ Lärmschutzmaßnahmen ergreift. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jede mehr als nur geringfügig zunehmende Lärmbetroffenheit von Anwohnern eines auszubauenden Verkehrswegs in die Abwägung der Planfeststellungsbehörde einzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie unterhalb der Schwelle der Unzumutbarkeit bleibt und deshalb keine Schutzansprüche auslöst (Urteile vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 50 m.w.N. und vom 23. November 2005 - BVerwG 9 A 28.04 - BVerwGE 124, 334 <345> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 45 Rn. 45). Für nachträgliche Planänderungen, die bei bestehenden Verkehrswegen mit dem Ziel einer Reduzierung der von diesen ausgehenden Lärmbetroffenheiten vorgenommen werden, kann nichts anderes gelten.

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Auch die Frage,

ob bei einem Abwägungsausfall nicht stets von einer Erheblichkeit des Abwägungsmangels auszugehen ist,

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Auch diese Frage lässt sich ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten. Ergebnisrelevanz i.S.d. § 17e Abs. 6 FStrG liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Abwägungsmangel eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht. Insoweit ist der Abwägungsvorgang in all seinen Phasen in den Blick zu nehmen (Urteile vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <379 f.> und vom 24. November 2011 a.a.O. Rn. 68). Danach kann auch für den Fall, dass sich die Planfeststellungsbehörde - wie hier - fälschlicherweise rechtlich zur Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens verpflichtet sah, eine Fehlerheilung in Betracht kommen. Dem steht nicht die Aussage des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 - BVerwG 7 A 20.11 - (DVBl 2013, 1453 Rn. 12) entgegen, wonach ein Abwägungsausfall dann erheblich ist und eine Prüfung der Ergebnisrelevanz ausscheidet, wenn eine vorgeschriebene fachplanerische Abwägung völlig fehlt. Eine vergleichbare Situation eines Totalausfalls der Abwägung, in der das Gericht „als Ersatzplaner“ selbst abzuwägen hätte, ist im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben. Ausweislich des angefochtenen Urteils (UA Rn. 33) hat die Planfeststellungsbehörde die für die Errichtung der Lärmschutzwand erforderliche Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange vorgenommen und eine eigene Abwägungsentscheidung getroffen. Dass sie hierbei aufgrund der angenommenen Verpflichtung zur Einleitung eines Planänderungsverfahrens die betroffenen Belange bei ihrer Abwägungsentscheidung unzutreffend bewertet und gewichtet hätte, wird von der Beschwerde nicht dargetan, hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich; ein solcher Abwägungsmangel - sein Vorliegen unterstellt - würde im Übrigen einen Fehler darstellen, der von der Regelung des § 17e Abs. 6 FStrG a.F. erfasst wird.

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Die Frage,

ob es mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist, dass bei der Abarbeitung von Lärmschutzvorbehalten an einer Bundesstraße auch für solche Streckenabschnitte, für die kein Vorbehalt besteht, aktive Lärmschutzmaßnahmen zu Lasten des betroffenen Grundstückseigentümers in gleicher Dimensionierung vorgenommen werden, während an anderen Bundesfernstraßen Lärmschutzmaßnahmen gänzlich unterbleiben oder nur nach Maßgabe der Richtlinien für Lärmsanierung vorgenommen werden,

rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Soweit die Frage auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen und von der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen einer generellen und abstrakten Klärung zugänglich ist, fehlt es an jeder Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), warum sie sich nicht auf der Grundlage der bereits zu Art. 3 GG vorliegenden umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts beantworten ließe und inwiefern der vorliegende Rechtsstreit Gelegenheit zur Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung geben könnte.

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2. Auch die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greifen nicht durch.

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Soweit die Beschwerde hinsichtlich der Planrechtfertigung eine Abweichung des angegriffenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht, ist eine solche aus den oben zu 1. dargelegten Gründen nicht gegeben.

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Eine weitere Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sieht die Beschwerde in der Abhandlung der Grundrechtsbetroffenheit des Klägers durch das Oberverwaltungsgericht. Eine Divergenz besteht jedoch auch insoweit nicht. Ein abstrakter Rechtssatz, dass die freiwillige Ergänzung von Lärmschutzmaßnahmen unabhängig vom ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss zu beurteilen und eine absolute Grenze erreicht ist, wenn sich die planfestgestellte Maßnahme zu Lasten anderer Anlieger auswirkt, lässt sich dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Februar 1995 - BVerwG 4 C 26.93 - (BVerwGE 97, 367 <372 f.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 7 S. 6) nicht entnehmen. Die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Gebot der Gleichbehandlung verletzt würde, wenn die staatliche Maßnahme, die zum Vorteil des einen bestimmt ist, dem anderen zusätzliche Nachteile aufbürdet, bezieht sich erkennbar auf die Umstände des damals zu entscheidenden Falles. Dieser war dadurch gekennzeichnet, dass die vorgesehene Lärmsanierung an der Westseite der Bundesstraße wegen der mit der Lärmschutzwand verbundenen Reflexionen zu einer Erhöhung der Lärmbelastung an der östlichen Straßenseite geführt hätte. Für diese Fallgestaltung hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, dass die Lärmsanierung für die einen Straßenanlieger nicht zu einer Verschlechterung der Lärmsituation für andere Straßenanlieger führen dürfe. Eine vergleichbare Fallkonstellation ist hier nicht gegeben. Dass auch für die Durchführung einer Lärmsanierung nach rechtsfehlerfreier Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange in Rechte Dritter eingegriffen werden kann, ist bereits zu der entsprechenden Grundsatzrüge unter 1. ausgeführt worden. Hierauf wird verwiesen.

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Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht nach Auffassung der Beschwerde ferner darin, dass das Oberverwaltungsgericht von einer Maßgeblichkeit der Immissionsgrenzwerte gemäß der Lärmschutzverordnung (16. BImSchV) ausgegangen sei (UA Rn. 31), während nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Februar 1995 - BVerwG 4 C 26.93 - (a.a.O. S. 373 und S. 7) die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung nur im Fall einer Änderung einer Straße i.S.d. § 41 Abs. 1 BImSchG Anwendung finden könnten. Eine Divergenz ergibt sich hieraus jedoch nicht. Denn aus der von dem Kläger angeführten Passage der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geht hervor, dass die Werte der Lärmschutzverordnung auch dann, wenn keine Änderung einer Straße vorliegt, als Orientierungswerte Anwendung finden können. Nichts anderes hat das Oberverwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, wenn es auf die Überschreitung der maßgeblichen Grenzwerte der Lärmschutzverordnung abstellt und ausführt, dass die Lärmbetroffenen zwar keinen Anspruch auf Lärmschutz aus dem Vorbehalt im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss haben, die Beklagte in dieser Situation aber befugt gewesen sei, den Planfeststellungsbeschluss zu ändern und um aktive Lärmschutzmaßnahmen zu ergänzen.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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