Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 104/13

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. September 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf Divergenz und Verfahrensmängel gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg (§ 132 Abs. 2 VwGO und § 69

BDG).

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1. Der 1973 geborene Beklagte steht als Postobersekretär (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Dienst der Klägerin. Er war in einer Filiale der Postbank tätig. Als Schalterbeamten war ihm die besondere Aufgabe übertragen worden, die Masterkasse der Filiale zu führen. Zwischen Oktober 2007 und Juli 2008 führte er zahlreiche Transferaktionen unter Angabe von Daten tatsächlich nicht existenter Personen durch. Mit im Januar 2010 rechtskräftig gewordenem Urteil verhängte das Amtsgericht gegen den Beklagten wegen Urkundenfälschung in elf Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen.

3

Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Oberverwaltungsgericht das auf Zurückstufung des Beklagten in das Eingangsamt eines Postsekretärs (A 6 BBesO) erkennende Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und ihn aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Beklagte habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Auch wenn der Postbank durch das eigennützige Fehlverhalten des Beklagten kein realer Vermögensschaden entstanden sei, weil er das Girokonto ausgeglichen und den Kredit zurückgezahlt habe, habe er wiederholt und vorsätzlich im Kernbereich seines Dienstpostens als Schalterbeamter versagt. Die angemessene Disziplinarmaßnahme bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. In der Rechtsprechung anerkannte besondere Milderungsgründe lägen nicht vor. Die zu Gunsten des Beklagten sprechenden Umstände - Einräumung der Verfehlungen unmittelbar nach ihrer Entdeckung, Rückzahlung der zu Unrecht erhaltenen Beträge, kein Vermögensschaden der Postbank, schwierige familiäre und finanzielle Situation nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau, Überwindung der kritischen Lebensphase - überwögen auch in der Gesamtwürdigung durch die zu seinen Lasten sprechenden Umstände - Versagen im Kernbereich seiner Aufgaben unter Ausnutzung seiner Dienststellung über einen Zeitraum von mehreren Monaten bei hoher krimineller Energie.

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2. Die Divergenzrüge greift nicht durch (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

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Der Beklagte macht geltend, das Berufungsurteil beruhe auf einer Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Februar 2001 - 1 D 67.99 - (Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 24). Das Oberverwaltungsgericht sei von dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, wonach die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme bei Pflichtwidrigkeiten im Bar-und Abhebungsverkehr nur dann angezeigt ist, wenn besondere Umstände dem Missbrauch des Abhebungsverfahrens zusätzliches Gewicht verleihen.

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Eine Divergenzrüge ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

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Die Disziplinarmaßnahme ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung zu bemessen. Für das Kriterium der Schwere des Dienstvergehens hat das Bundesverwaltungsgericht in dem vom Beklagten angeführten Urteil vom 6. Februar 2001 - 1 D 67.99 - (Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 24 S. 12) für Schalterbeamte im Bar- und Abhebungsverfahren ausgeführt, dass hier Pflichtwidrigkeiten in den unterschiedlichsten Formen denkbar sind, die für ihre disziplinare Bewertung so erhebliche Verschiedenheiten aufweisen, dass sie sich genereller Regelungen für das Disziplinarmaß weitgehend entziehen.

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Die Beschwerde räumt zwar ein, dass das Oberverwaltungsgericht von dem genannten Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen ist, meint aber, dass es das Oberverwaltungsgericht in seiner Begründung unterlassen habe darzustellen, welche besonderen Umstände im konkreten Einzelfall der Pflichtwidrigkeit ein die Verhängung der Höchstmaßnahme rechtfertigendes Gewicht verliehen haben sollen.

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Dieser Vortrag ist nicht geeignet, eine Divergenz im Sinn von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen, sondern behauptet lediglich eine unzutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall. Im Übrigen hat sich das Oberverwaltungsgericht in seiner Gesamtwürdigung ausführlich mit den den Beklagten entlastenden und belastenden Umständen auseinander gesetzt und diese gegeneinander abgewogen und insbesondere ins Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt.

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3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel des angegriffenen Urteils aufgezeigt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 69 BDG).

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a) Die Rüge eines Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO greift nicht durch.

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Die Beschwerde genügt insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie legt weder dar, mit welchem Beweismittel hätte aufgeklärt werden sollen noch dass der anwaltlich vertretene Beklagte die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt hat oder dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen zu den bezeichneten Fragen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zum Darlegungserfordernis: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26, S. 14 f.). Die Verfahrensrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 7 B 43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 26).

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Unabhängig davon ist auch in der Sache nicht zu erkennen, dass die von der Beschwerde behaupteten Aufklärungsmängel vorliegen. Gemäß § 58 Abs. 1 BDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Pflicht, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Die Aufklärungspflicht verlangt dagegen nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil es nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits darauf nicht ankommt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwG 106, 115 <119> und vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 25).

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Die Beschwerde rügt als Aufklärungsmangel, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Beklagten, er sei durch die schwierige familiäre Situation und die finanziellen Probleme zur Tat veranlasst worden, vernachlässigt und diesen Sachverhalt deshalb nicht näher aufgeklärt habe. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Vielmehr berücksichtigt das Oberverwaltungsgericht durchaus die schwierige Situation des Beklagten nach der Trennung von seiner ersten Ehefrau, die auch zu finanziellen Problemen geführt habe. Aber es wertet sie aus mehreren Gründen nicht als unverschuldete wirtschaftliche Notlage, nämlich weil der Beklagte seine Verschuldung durch den Verkauf des Eigentumsanteils des mit seiner Großmutter gehaltenen Hausgrundstücks deutlich habe herunterfahren können, er bereits damals seine Unterhaltsverpflichtungen seiner Leistungsfähigkeit hätte anpassen können, ferner weil nicht erkennbar sei, dass der Beklagte die zu Unrecht erlangten Gelder zur Sicherung des notwendigen Lebensbedarfs verwendet habe, und der Beklagte Barabhebungen offenbar zur Finanzierung einer Urlaubsreise getätigt habe. Warum sich unter diesen Umständen die von der Beschwerde vermisste weitere Sachaufklärung dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen sollen, legt die Beschwerde nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.

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b) Dem Beschwerdevorbringen ist schließlich auch kein Verstoß gegen die Grundsätze der rechtlichen Würdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu entnehmen.

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Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 21. Mai 2013 - 2 B 67.12 - juris Rn. 18 m.w.N.). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschluss vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19).

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Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie begnügt sich vielmehr damit, ihre Sichtweise an die Stelle derjenigen des Gerichts zu setzen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat beachtet, dass in der Person des Beklagten sonstige, sein Dienstvergehen mildernde Umstände - wie dargestellt - vorliegen und es hat diese bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme berücksichtigt. Damit hat es sämtliche, den Beklagten entlastenden Umstände bei seiner Entscheidung eingestellt. Dass es auf dieser Grundlage bei der Gesamtwürdigung des Dienstvergehens zu einer anderen Bemessung der Disziplinarmaßnahme gekommen ist als der Beklagte für angemessen hält, beruht auf einer Rechtsanwendung im Einzelfall, die mit der Verfahrensrüge nicht angreifbar ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren betragsgenau festgelegt ist (§ 85 Abs. 12 Satz 1 und 2, § 78 Satz 1 BDG i.V.m. Nr. 10 und 62 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu diesem Gesetz).

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