Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 1519/18

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
[ ___  ].
Der Kläger schuldete erhebliche Einkommen- und Umsatzsteuer (einschließlich Nebenleistungen) i.H. von zuletzt 190.152,18 Euro (vgl. Auszug aus dem Konto der Finanzkasse des Beklagten vom 22. März 2019 (Gerichtsakte, Bl. 46 ff.).
Deshalb legte der Kläger folgenden Entwurf eines Schuldenbereinigungsplans vor (Anlage zum Schreiben vom 25. April 2014, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 77):
Gläubiger
Forderung
Sicherungsrechte
Angebotener Zahlungsbetrag
Prozentsatz der Forderung (Schuldenbereinigungsquote)
A       
2.197,24 EUR
        
755,63 EUR
34,39%
B       
2.276,40 EUR
        
782,85 EUR
34,39%
Finanzamt C
182.891,11 EUR
        
62.896,25 EUR
34,39%
Bank I
489.650,00 EUR
Besicherung durch erstrangige Grundschuld auf dem Grundstück …
(489.650,00 EUR)
        
Bank II
4.345,73 EUR
        
1.494,49 EUR
34,39%
Bank II
5.367,13 EUR
        
1.845,75 EUR
34,39%
Bank III
12.139,27 EUR
Gehaltsabtretung
4.174,69 EUR
34,39%
D GmbH
199.296,24 EUR
        
0,00 EUR
0%    
Vater 
14.000,00 EUR
                 
0%    
Summe 
912.163,12 EUR
                          
Angebotene Zahlung
1.000 x 12 x 6 = 72.000,00
beginnend ab 01.06.2014
        
Auszahlung an die Gläubiger in sechs Raten, beginnend am 1.6.2015 und endend am 1.6.2020 jeweils 1/6
        
Im Jahr 2016 schlossen die Beteiligten auf dieser Grundlage eine Vereinbarung zur Schuldenbereinigung (nachfolgend: Vereinbarung) mit folgendem Inhalt (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 121):
„1. Herr Kl [Kläger] zahlt für einen Zeitraum ab dem 01.01.2015 bis zum 01.12.2020 monatlich einen Betrag von 600,00 EUR.
2. Sollten Kl bis zum 31.12.2020 Erbschaften oder Pflichtteilsansprüche zufallen, so werden diese im Verhältnis der ursprünglichen Forderungen aller Gläubiger gemäß Schuldenplan vom 04.04.2014 zur Hälfte an das Finanzamt ausgekehrt.
3. Das Finanzamt behält sich während der Schuldenbereinigungsphase bis zum 31.12.2020 die Verrechnung mit Steuererstattungsansprüchen von Herrn Kl und der D GmbH vor.
4. Wenn die Vereinbarung zur Schuldenbereinigung eingehalten worden ist, werden nach deren Ablauf alle sonstigen, aus der Anlage mit Seite 1-5 beigefügten Aufstellungen ersichtlichen Forderungen erlassen. Das gilt auch für die bis dahin noch hinzugekommenen Säumniszuschläge.“
10 
Die in der Vereinbarung in Bezug genommene Anlage mit Seiten 1 bis 5 enthält Steuerrückstände zur Einkommen- und Umsatzsteuersteuer bis 2015 (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 105 ff.).
11 
Die Vereinbarung wurde vom Beklagten am 26. September 2016 und vom Kläger am 2. Oktober 2016 unterschrieben.
12 
Am 30. September 2016 verstarb der Vater des Klägers, [ ___ ]. Miterben je zur Hälfte sind der Kläger und sein Bruder, [ ___ ] (vgl. Erbschein vom 9. November 2016, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 124).
13 
Am 8. November 2016 schlossen der Kläger und sein Bruder einen notariellen Teilerbauseinandersetzungsvertrag, der eine Nachlassverteilung wie folgt vorsieht (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 126):
14 
Nr.     
Vermögensgegenstände
Wert in Euro
                          
1       
Aktien
2.300
2       
Geschäftsanteil bei der Bank IV
5.000
3       
Sparkonten und Geschäftsanteil bei der Bank III
60.923
4       
Darlehensforderung ggü. E
35.000
5       
Darlehensforderung ggü. D GmbH
15.000
6       
Genusskapital an der F GmbH
1.000
7       
Restsumme aus Darlehensforderung ggü. G
1.750
8       
Geschäftsanteil von 25 % an der H GbR
102.274
                          
        
insgesamt
223.247
15 
Im Zuge der teilweisen Auseinandersetzung des Nachlasses erhielt der Kläger die Vermögensgegenstände Nr. 1 bis Nr. 7 und sein Bruder den Vermögensgegenstand Nr. 8.
16 
Beglaubige Abschriften übersandte der beurkundende Notar unter anderem an das Finanzamt (FA) X, das für die Festsetzung von Erbschaftsteuer zuständig ist, und am 11. November 2016 an die Grundstückwertstelle des FA Y (§ 9 des Teilerbauseinandersetzungsvertrages, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 168; Mitteilung des Beklagten vom 26. März 2019, Gerichtsakte, Bl. 45).
17 
Mit Schreiben vom 8. Februar 2018 bat der Beklagte das FA X, Informationen hinsichtlich des Nachlassvermögens und eine Mitteilung über die Erben mit ihren Erbteilsansprüchen zuzusenden (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 122). Daraufhin erhielt der Beklagte den Teilerbauseinandersetzungsvertrag und den Erbschein. Des Weiteren teilte das FA X mit, dass aufgrund der Freibeträge keine Erbschaftsteuer festgesetzt wurde (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 123).
18 
Mit Schreiben vom 23. Februar 2018 teilte der Beklagte dem Kläger sodann mit, dass er -der Kläger- nach Nr. 2 der Vereinbarung verpflichtet gewesen sei, zugefallene Erbschaften oder Pflichtteilsansprüche bis zum 31. Dezember 2020 im Verhältnis der ursprünglichen Forderungen aller Gläubiger gemäß dem Schuldenplan zur Hälfte an ihn --den Beklagten- auszukehren. Aus dem Erbschein vom 9. November 2016 sei ersichtlich, dass der Kläger eine nicht unerhebliche Summe geerbt habe. Er habe trotz der Vereinbarung die Erbschaft nicht mitgeteilt. Aus diesem Grund widerrufe der Beklagte die Vereinbarung. Zudem wurde der Kläger aufgefordert, den sich aus der beigefügten Aufstellung ersichtlichen Rückstand i.H. von 197.637,39 Euro bis zum 7. März 2018 an die Finanzkasse zu überweisen. Sollte der säumige Betrag nach Ablauf dieser Zahlungsfrist nicht eingegangen sein, werde ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 136).
19 
Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 widersprach der Kläger dem Widerruf. Die Vereinbarung enthalte keine Verpflichtung, den Beklagten frühzeitig von einer Erbschaft zu unterrichten. Darüber hinaus sei der Geldfluss aus der Erbschaft noch nicht abgeschlossen. Diesen erwarte er erst „im Frühjahr“. Nach dem Vorliegen aller Zahlungen werde er den Überweisungsbetrag berechnen und die Vereinbarung erfüllen (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 145).
20 
Der Beklagte gab mit Schreiben vom 5. März 2018 Gelegenheit zur Erläuterung. So solle der Kläger bis zum 30. März 2018 dazu Stellung nehmen, weshalb aus seiner Sicht keine Pflicht zur Anzeige der Erbschaft bestanden habe und weshalb er --obwohl es im Ergebnis nicht darauf ankomme- noch „keinen Geldfluss“ aus der Erbschaft erhalten habe. Der Kläger solle zu allen ererbten Vermögensgegenständen im Einzelnen Stellung nehmen und Unterlagen vorlegen (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 146).
21 
Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 20. März 2018 erneut, dass Nr. 2 der Vereinbarung keine ausdrückliche Regelung der Anzeigepflicht einer Erbschaft enthalte. Diese könne auch nicht hineingelesen werden. Überdies dürften nach der Vereinbarung Erstattungsbeträge des Klägers aus zu hohen Vorauszahlungen nicht mit den Altschulden verrechnet werden (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 147 f.).
22 
Mit Schreiben vom 21. März 2018 legte der Kläger außerdem den Entwurf einer tatsächlichen Verständigung vor, wonach Pfändungsmaßnahmen hinsichtlich von Steuerschulden, die zeitlich nicht von der Vereinbarung erfasst sind, „mit sofortiger Wirkung“ eingestellt werden sollten. Zudem solle Nr. 3 der Vereinbarung „ab sofort“ dergestalt ausgelegt werden, dass Erstattungsansprüche nicht mehr mit Altschulden verrechnet werden könnten (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 150 f.).
23 
Am 26. März 2018 fand auf Wunsch des Klägers ein Gespräch mit dem Vorsteher des Beklagten statt. Der Kläger führte nach einem Aktenvermerk des Beklagten aus, er habe nicht gewusst, dass er eine Erbschaft hätte anzeigen müssen. Außerdem habe er angegeben, dass er einen Großteil des Erbes bereits erhalten habe, wobei der Geschäftsanteil an der Bank IV noch fehle. Es sei vereinbart worden, dass der Kläger bis zum 10. April 2018 darlegen solle, wieviel er -nach seiner Berechnung- aufgrund der Erbschaft an den Beklagten auszukehren habe. Zudem habe der Beklagte in dem Gespräch mitgeteilt, dass er dem Entwurf einer tatsächlichen Verständigung nicht zustimme (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 154).
24 
Mit Schreiben vom 17. April 2018 teilte der Beklagte mit, dass er die Vereinbarung zur Schuldenbereinigung nunmehr „endgültig“ widerrufe. Gemäß der Vereinbarung hätte der Kläger jedenfalls einen Teil der Erbschaft auskehren müssen, was bislang nicht geschehen sei. Darüber hinaus sei der Kläger nicht den Aufforderungen vom 5. März und 26. März 2018 nachgekommen und habe „keine Unterlagen“ vorgelegt (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 159). Sollte nicht bis zum 27. April 2018 ein Betrag i.H. von 192.196,39 Euro eingehen, werde nunmehr zügig ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 1159 f.).
25 
Mit Schreiben vom 15. April 2018 (Eingang beim Beklagten am 17. April 2018; Ankündigung mit Fax vom 16. April 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 163) führte der Kläger aus, dass sich nach seinen Berechnungen ein auszukehrender Betrag i.H. von 11.330,75 Euro ergebe (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 170). Er habe davon einen Teilbetrag i.H. von 5.000 Euro „heute“ überwiesen. Da ihm rund die Hälfte der Erbschaft „nicht in Geld“ zur Verfügung stehe, bitte er, den restlichen Betrag in Raten von monatlich 300 Euro erbringen zu dürfen (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 164). Dem stimmte der Beklagte nicht zu.
26 
Mit Schreiben vom 20. April 2018 widersprach der Kläger erneut dem Widerruf (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 171). Der Beklagte führte mit Schreiben vom 25. April 2018 aus, dass er an dem Widerruf festhalte und verwies zur Begründung auf seinen bisherigen Schriftverkehr mit dem Kläger (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 172).
27 
Mit Schreiben vom 7. Mai 2018 teilte der Kläger mit, er gehe davon aus, dass die Vereinbarung weiterhin Bestand habe; ihm liege kein rechtsmittelfähiger Bescheid vor. Darüber hinaus sehe er keine Veranlassung, einen Tilgungsvorschlag -wie vom Beklagten mit Schreiben vom 25. April 2018 (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 172) erbeten- zu unterbreiten und über seine Vermögenslage „neue Formulare auszufüllen“, da sich nichts Wesentliches geändert habe. Die ererbten Vermögenswerte habe er zum Großteil in seine Existenz investiert (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176).
28 
Am 8. Mai 2018 erteilte der Beklagte u.a. Pfändungs- und Überweisungsverfügungen hinsichtlich der Konten des Klägers bei der Bank I, der Bank V und der Bank VI sowie am 29. Mai 2018 hinsichtlich dessen Konten bei der Bank VII und der Bank VIII (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 1 ff.).
29 
Der Kläger hat am 11. Juni 2018 Klage erhoben und beantragt:
                 
        
1. Es wird festgestellt, dass der Widerruf der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung zwischen dem Kläger und dem Beklagten vom 2. Oktober 2016 durch den Beklagten unwirksam ist und die Vereinbarung fortbesteht.
                 
        
2. Der Beklagte wird verpflichtet, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen.
                 
        
3. Hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Februar 2018 und 17. April 2018, mit welchen der Beklagte den Widerruf der Vereinbarung vom 2. Oktober 2016 erklärte, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen.
30 
Der Kläger bringt vor, der Beklagte vollstrecke aufgrund des Widerrufs der Vereinbarung derzeit Einkommen- und Umsatzsteuer, weil der Kläger den Anfall der Erbschaft nicht angezeigt habe. Diese Annahme sei unzutreffend. So sei die Vereinbarung mit dem Beklagten -Außenstelle Y- geschlossen worden. Ausweislich des Teilerbauseinandersetzungsvertrages sei aber eine Ausfertigung der Urkunde an das FA Y --und damit dem Beklagten-- übersandt worden. Der Beklagte sei somit vom Anfall der Erbschaft in Kenntnis gesetzt worden.
31 
Außerdem habe der Beklagte zur Begründung seines Widerrufs mit Schreiben vom 5. März 2018 ausgeführt, dass Nr. 2 der Vereinbarung aufgrund § 295 Abs. 1 Nr. 2 der Insolvenzordnung (InsO) eingefügt worden sei, weshalb die Regelungen und die Anzeigepflicht der InsO analog auf die Vereinbarung anzuwenden seien. Eine solche analoge Anwendung sei nicht zulässig. Eine Anzeigepflicht ergebe sich zunächst nicht unmittelbar aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Zwar sei allgemein anerkannt, dass der Insolvenzschuldner auch in dem Fall, dass er Vermögen von Todes wegen erwerbe, verpflichtet sei, den Treuhänder darüber zu informieren. Dem liege aber die Tatsache zugrunde, dass im Falle eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen könne. Vorliegend hingegen sei dies nicht möglich. Außerdem entspreche die Formulierung der Nr. 2 der Vereinbarung nicht dem Wortlaut von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, welcher vom „Erwerb von Todes wegen“ spreche; ebenso wenig werde entsprechend § 1942 BGB auf den „Anfall der Erbschaft“ Bezug genommen. Nr. 2 der Vereinbarung greife dagegen erst ein, wenn dem Kläger Erbschaften oder Pflichtteilsansprüche „zufallen“. Letztgenannter Begriff könne nur dahingehend verstanden werden, dass der Kläger tatsächlich Zugriff auf das Vermögen aus der Erbschaft haben müsse, ihm also Mittel tatsächlich zuflössen. Solange daher die Erbengemeinschaft noch ungeteilt fortbestehe, sei ein Zugriff des Klägers auf das Vermögen nicht möglich. Zwar hätten der Kläger und sein Bruder bereits am 8. November 2016 einen Teilerbauseinandersetzungsvertrag geschlossen. Zu einem Vermögenszufluss beim Kläger sei es aber erst „jetzt“ gekommen.
32 
Der Kläger habe deshalb erst mit Schreiben vom 15. April 2018 dem Beklagten eine Abrechnung des Vermögenszuflusses übermitteln und einen Betrag i.H. von 5.000 Euro an den Beklagte überweisen können. Der Kläger sei somit seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung nachgekommen, weshalb ein Widerrufsrecht des Beklagten nicht bestehe (Schriftsatz vom 8. Juni 2018, Gerichtsakte, Bl. 3 ff.).
33 
Überdies führt der Kläger aus, dass für den Widerruf keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei. Ein Widerrufsrecht des Beklagten bestehe nicht, da ein solches weder vereinbart worden noch gesetzlich vorgesehen sei. Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Anfechtung oder eine Kündigung sei nicht zulässig. Auch ein Rücktritt vom Vertrag nach § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) komme nicht in Betracht. So sei schon nicht ersichtlich, dass es sich bei der Frage, ob eine Erbschaft voll oder nur zur Hälfte angerechnet werde, um eine Geschäftsgrundlage der geschlossenen Vereinbarung handele. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde aber eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB lediglich zu einer Anpassung des Vertrages führen und nicht zu einem Rücktrittsrecht des Beklagten. Auch eine Unwirksamkeit der Vereinbarung nach § 779 BGB sei nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift sei ein Vergleich nur dann unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspreche und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setze also voraus, dass es bei Kenntnis des zutreffenden Sachverhalts schon keines Vergleichs bedurft hätte. Nicht ausreichend sei die Feststellung, dass die Parteien bei Kenntnis der Sachlage den Vergleich nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. Im Übrigen würde selbst die Anwendbarkeit von § 779 BGB über § 139 BGB lediglich zu einer Teilunwirksamkeit der Vereinbarung führen.
34 
Des Weiteren bestehe kein Recht zur Kündigung der Vereinbarung nach § 314 BGB bzw. zum Rücktritt vom Vertrag, da dies eine Fristsetzung durch den Beklagten voraussetze. Im Übrigen fehle es an einer Pflichtverletzung des Klägers. So habe der Beklagte -wie bereits ausgeführt- durch den vom Notar übersandten Teilerbauseinandersetzungsvertrag Kenntnis vom Erbfall erhalten. Für den Zugang einer Erklärung bei einer Behörde genüge es, dass sie bei der hierfür eingerichteten Stelle eingehe; die Weiterleitung an den zuständigen Amtsträger sei dagegen nicht entscheidend. Ein Versäumnis könne dem Kläger somit nicht zur Last gelegt werden. Im Übrigen sei der Widerruf unverhältnismäßig (Schriftsätze vom 27. Juni und vom 2. August 2018, Gerichtsakte zu 1 V 1446/18, Bl. 147 ff. und Bl. 167 ff.).
35 
Mit Schreiben vom 10. Juni 2018 errechnete der Kläger seinen Anteil am Gesamtwert des Nachlasses zuletzt mit 127.103,78 Euro („Geldvermögen gemäß Erbauseinandersetzung“ i. H. von 120.973 Euro zzgl. „sonstige, nicht vom Erbvertrag erfasste Werte“ i. H. von 6.130,78 Euro). Abzüglich eines Pauschalbetrages für die von ihm übernommenen Kosten für Bestattung und Grabpflege nach § 4 des Teilerbauseinandersetzungsvertrages i.H. von 10.300 Euro sei dem Kläger damit ein Vermögenswert i.H. von 122.934,55 Euro zugefallen. Der tatsächliche Wert betrage allerdings nur 111.371,34 Euro, wovon nur 60.371,34 Euro „bar verfügbar“ seien (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 178, womit die Berechnung des Klägers aus dem Schreiben vom 15. April 2018 -geringfügig- korrigiert wurde, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 170). Da der Beklagte nach dem Schuldenbereinigungsplan im Verhältnis zur Gesamtsumme aller Gläubigerforderungen Forderungen i.H. von 20,36% gehabt habe und der Kläger nur 50% der durch Erbschaft erworbenen Mittel zur Befriedigung einsetzen müsse, ergebe sich eine Zahllast von 11.339,16 Euro (Gerichtsakte, Bl. 26). Hierauf zahlte der Kläger am 23. April 2018 5.000 Euro, am 22. Juni 2018 1.446,55 Euro und am 27. Juli 2018 300 Euro. Zudem entrichtet der Kläger weiterhin monatlich 600 Euro nach Ziffer 1 der Vereinbarung (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 21. März 2019, Gerichtsakte, Bl. 39 ff.).
36 
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
37 
Aus der Vereinbarung ergebe sich nicht nur eine Verpflichtung des Klägers, über Erbschaften zu informieren, sondern auch die Verpflichtung, Zahlungen an das FA zu leisten. Dem Kläger stehe insofern kein Zurückbehaltungsrecht zu. Der Kläger sei zudem vor dem endgültigen Widerruf am 17. April 2018 mehrfach angehört worden und habe dabei kein Entgegenkommen gezeigt. Er sei weder geneigt noch gewillt gewesen, die Vereinbarung zu erfüllen. Der Kläger sei überhaupt nur aufgrund der Nachfrage durch den Beklagten tätig geworden (Gerichtsakte zu 1 V 1446/18, Bl. 136 ff.).
38 
Am 2. Juli 2018 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert (Niederschrift, Gerichtsakte zu 1 V 1446/18, Bl. 157 f.).
39 
Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018 beantragte der Kläger, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung die Vollstreckung einstweilen einzustellen. Mit Beschluss vom 14. September 2018 lehnte der 1. Senat des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg diesen Antrag unter dem Aktenzeichen 1 V 1446/18 ab. Die Gerichtsakten dieses Verfahrens wurden beigezogen.
40 
Des Weiteren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. März 2019 beantragt, die Vollziehung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vor dem FG Baden-Württemberg erhobene Klage ohne Sicherheitsleistung auszusetzen (Aktenzeichen 1 V 623/19).
41 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (Vollstreckungsakten) und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
42 
1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Widerruf der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung zwischen ihm und dem Beklagten vom 2. Oktober 2016 durch den Beklagten unwirksam ist und die Vereinbarung fortbesteht, ist die Klage unzulässig.
43 
Nach § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO).
44 
Letzteres ist der Fall, denn der Senat geht davon aus, dass der Beklagte mit der Vereinbarung zugleich einen (einstweiligen) Vollstreckungsaufschub i.S.v. § 258 der Abgabenordnung (AO) während der Schulbereinigungsphase bis zum 31. Dezember 2020 gewährte. Lediglich eine Verrechnung mit Steuererstattungsansprüchen des Klägers und der D GmbH sollte möglich sein (Nr. 3 der Vereinbarung). Durch die Vereinbarung erklärte der Beklagte, bei Einhaltung der vereinbarten Zusagen, die in Bezug genommenen Forderungen zum 31. Dezember 2020 zu erlassen (Nr. 4 der Vereinbarung). Bis zu diesem Zeitpunkt sollten keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr erfolgen. Diese Regelung war von dem Kläger nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auch so zu verstehen (vgl. Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 118 Rn. 27). Der Kläger hatte überdies neben dem -zunächst nur in Aussicht gestellten Erlass- ein erhebliches Eigeninteresse darin, bis zum 31. Dezember 2020 nicht durch weitere Vollstreckungsmaßnahmen belastet zu werden. Dies bringt er nicht zuletzt durch das vorliegende Klagebegehren zum Ausdruck.
45 
Dass es sich insoweit um einen Vollstreckungsaufschub (und keine Stundung oder Aussetzung der Vollziehung -AdV-) handelte, entnimmt der Senat Nr. 4 Satz 2 der Vereinbarung, wonach sich der zum 31. Dezember 2020 in Aussicht gestellte Erlass neben den bereits bestehenden Steuerschulden ausdrücklich auch auf die bis dahin noch hinzukommenden Säumniszuschläge erstrecken soll. Säumniszuschläge entstehen jedoch nach § 240 Abs. 1 AO nur bei fälligen Steuern. Daher sollten die geschuldeten Steuern des Klägers bis zum 31. Dezember 2020 gerade nicht nach § 222 AO gestundet werden, was die Fälligkeit hinausgeschoben hätte (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 222 Rn. 21). Überdies wurde die Vereinbarung auf Seiten des Beklagten von der damaligen Sachgebietsleiterin der Vollstreckungsstelle unterschrieben (Gerichtsakte, Bl. 45). Zudem wären im Fall einer -hier nicht vorliegenden- Stundung bis zum 31. Dezember 2020 Stundungszinsen nach § 234 AO angefallen, über deren Erhebung anderenfalls eine Regelung in der Vereinbarung nahegelegen hätte. Überdies hat der Beklagte keine AdV der den Steuerschulden zugrundeliegenden Steuerbescheide gewährt, da auch in diesem Fall keine Säumniszuschläge mehr angefallen wären, so dass es der Regelung in Nr. 4 Satz 2 der Vereinbarung ebenfalls so nicht bedurft hätte, sondern eine Vereinbarung über die anderenfalls anfallenden Aussetzungszinsen nach § 237 AO notwendig gewesen wäre (vgl. Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 240 Rn. 18; Werth, a.a.O., § 258 Rn. 3).
46 
Der Annahme eines Vollstreckungsaufschubs steht auch nicht entgegen, dass der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan der Gestaltungsfreiheit des Gläubigers und des Schuldners unterliegt. Dessen Rechtgrundlage ist in §§ 307 ff. InsO zu suchen, auch wenn das gerichtliche Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist (Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Februar 2019, § 251 Rn. 126). Zwar hat der angenommene Schuldenbereinigungsplan die materiell-rechtliche Wirkung eines Vergleichs i.S.v. § 794 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO (Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 251 Rn. 92). Dennoch kann der Schuldenbereinigungsplan --so wie vorliegend-- hoheitliche Maßnahmen wie einen Vollstreckungsaufschub enthalten, deren Voraussetzungen und Bestand im Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO überprüft werden können (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Februar 2019, § 251 Rn. 126)
47 
Dieser Vollstreckungsaufschub wurde durch den Beklagten mit Schreiben vom 23. Februar 2018 und vom 17. April 2018 widerrufen. Der Widerruf stellt als actus contrarius zum (hoheitlich gewährten) Vollstreckungsaufschub ebenfalls einen Steuerverwaltungsakt dar. Zudem bediente sich der Beklagten in seinen Schreiben vom 23. Februar und 17. April 2018 ausdrücklich des Rechtsinstituts des Widerrufs, der in § 131 AO vom Gesetzgeber dafür vorgesehen ist, wenn die Finanzbehörde die Regelungswirkung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes beseitigen möchte. In der Begründung des Widerrufs wies der Beklagte überdies darauf hin, dass die Zusagen des Klägers aus der Vereinbarung nicht eingehalten wurden und deshalb nicht daran festgehalten werden könne. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung kann zwar bei Würdigung der Gesamtumstände ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sein (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Juni 1997 I R 72/96, BStBl II 1997, 660 Rn. 14), nimmt für sich allein -wie der Regelung in § 356 Abs. 2 AO e contrario zu entnehmen ist- einem Verwaltungsakt aber nicht den Regelungscharakter (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 28).
48 
Vorliegend bietet daher die Gestaltungsklage zur Wahrung der Rechtsposition des Klägers im Vergleich zur Feststellungsklage einen gleichwertigen Rechtsschutz, so dass die Feststellungsklage unzulässig ist (Levedag in Gräber, FGO, 8. Aufl., 2015, § 41 Rn. 32 m.w.N).
49 
Soweit der Kläger vorträgt, dass eine Feststellungsklage deshalb gerechtfertigt sei, weil nur so festgestellt werden könne, dass der Beklagte auch für die Zukunft an die getroffene Vereinbarung gebunden sei (Schriftsatz vom 26. März 2019, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 62), folgt dem der Senat nicht. Denn darüber, ob zum 31. Dezember 2020 ein Anspruch des Klägers auf einen vollständigen Erlass der Steuerschulden einschließlich der Säumniszuschläge nach § 227 AO auf der Grundlage von Nr. 4 der Vereinbarung besteht, ist erst in einem künftigen Erlassverfahren zu entscheiden.
50 
2. Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen, ist die Klage unbegründet.
51 
Ein Anspruch auf einen Vollstreckungsaufschub besteht nicht.
52 
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie nach § 258 AO einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
53 
a) Eine Unbilligkeit in diesem Sinne ist grundsätzlich nur gegeben, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte (BFH-Beschluss vom 15. Januar 2003 V S 17/02, BFH/NV 2003, 738). Von einem „kurzfristigen" Zuwarten kann jedoch nicht mehr ausgegangen werden, wenn eine vollständige Begleichung des Steuerrückstands erst nach mehreren Jahren zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 21. April 2009 I B 178/08, BFH/NV 2009, 1596 Rn. 8). Der Zeitraum, in dem die Rückstände getilgt werden können, muss absehbar sein. Dies wurde vorliegend weder vom Kläger vorgetragen noch finden sich entsprechende Anhaltspunkte in den Akten.
54 
Auch liegt nach Auffassung des Senats keine Unbilligkeit in diesem Sinne bereits deshalb vor, weil der Beklagte trotz eines gewährten Vollstreckungsaufschubs -vorliegend bis zum 31. Dezember 2020- Vollstreckungsmaßnahmen ergreift und sich damit in Widerspruch zu seinem eigenen Erklärungsverhalten setzen würde. Denn vorliegend ist die Wirkung des Vollstreckungsaufschubs durch die Nichtbefolgung der in Nr. 2 getroffenen Vereinbarung durch den Kläger (ex nunc) entfallen.
55 
Nach Nr. 2 der Vereinbarung sagte der Kläger zu, ihm bis zum 31. Dezember 2020 zufallende Erbschaften oder Pflichtteilsansprüche im Verhältnis der ursprünglichen Forderung aller Gläubiger zur Hälfte an den Beklagten auszukehren.
56 
Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.
57 
Vorliegend wurde der Kläger nämlich mit dem Ableben seines Vaters am 30. September 2016 gemeinsam mit seinem Bruder jeweils zur Hälfte Miterbe. Nach dem zeitnah geschlossenen Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 8. November 2016 hatte der Teilnachlass einen Gesamtwert von 223.247 Euro, wovon der Kläger Vermögensgegenstände im Wert von 120.973 Euro erhielt (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 126). Zudem fielen dem Kläger -wie von ihm erklärt- weitere Vermögenswerte i.H. von 6.130,58 Euro zu (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 170). Selbst wenn den eigenen Berechnungen des Klägers zu folgen wäre -was der Senat offenlassen kann-, hätte er (mindestens) 11.330,75 Euro an den Beklagten auskehren müssen. Dies hat er nicht getan, sondern bislang lediglich 6.746,55 Euro an die Finanzkasse des Beklagten überwiesen.
58 
Wenn der Kläger nunmehr einwendet, dass er bis zum 31. Dezember 2020 Zeit habe, die Restsumme an den Beklagten zu leisten, geht er in dieser Annahme fehl. Zwar findet sich in Nr. 2 der Vereinbarung über die Auskehrung der hälftigen Erbschaft keine ausdrückliche zeitliche Bestimmung. Dennoch ergibt sich aus dem Zusammenhang der geschlossenen Vereinbarung, dass die Auskehrung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall der Erbschaft zu erfolgen hat. Jedenfalls mit der Untätigkeit von mehr als einem Jahr seit dem Abschluss des Teilerbauseinandersetzungsvertrages hat der Kläger gegen Nr. 2 der Vereinbarung verstoßen.
59 
Überdies trägt der Kläger selbst vor, dass er das ererbte Vermögen zum Großteil „in seine Existenz“ investiert habe (Schreiben vom 7. Mai 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176). Aus diesem Grund ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger die auszukehrende Summe noch bis 31. Dezember 2020 erbringen wird. Überdies bestritt der Kläger zuletzt, überhaupt eine Zahlung aufgrund der Erbschaft an den Beklagten leisten zu müssen (Schreiben vom 10. Juni 2018, S. 2, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 178 f.).
60 
Vorliegend geht der Senat des Weiteren davon aus, dass der Beklagte den Vollstreckungsaufschub nur unter der (auflösenden) Bedingung der Nichteinhaltung der Verpflichtungen des Klägers aus der Vereinbarung i.S.v. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO gewährt hat (BFH-Urteile vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 26 und vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279 Rn. 28; Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 131 Rn. 9). Denn dem Beklagten war für den Kläger erkennbar daran gelegen, dass die Vollstreckung nur solange aufgeschoben wird, wie die unter Nr. 2 der Vereinbarung vorgesehene Zusagen durch den Kläger eingehalten wird.
61 
Daher war der Vollstreckungsaufschub zunächst voll wirksam. Dessen begünstigende Wirkung entfiel aber mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) als die (auflösende) Bedingung eintrat. Eines Widerrufs des Vollstreckungsaufschubs hätte es vor diesem Hintergrund nicht bedurft (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 120 Rn. 80; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 33; Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 120 Rn. 6 m.w.N.).
62 
Wird der Verwaltungsakt allerdings -so wie vorliegend- trotzdem klarstellend aufgehoben, handelt es sich bei dem Aufhebungsbescheid um einen selbständigen Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 28). Es ist im Rahmen dieses deklaratorischen Widerrufs keine erneute Ermessensentscheidung zu treffen, so dass die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides nur vom Eintritt der auflösenden Bedingung abhängt (BFH-Urteil vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279 Rn. 22).
63 
b) Selbst wenn Nr. 2 der Vereinbarung als Auflage zu dem gewährten Vollstreckungsaufschub zu verstehen sein sollte, wäre der Widerruf rechtmäßig.
64 
aa) Nach § 131 Abs. 2 Nr. 2 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage i.S.v. § 120 Abs. 2 Nr. 4 AO verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. § 130 Abs. 3 AO gilt dann entsprechend (§ 131 Abs. 2 Satz 2 AO). Erhält die Finanzbehörde demnach von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt (§ 131 Abs. 2 Satz 3 AO).
65 
Sollte Nr. 2 der Vereinbarung nicht schon als (auflösende) Bedingung zu verstehen sein, wäre der Vollstreckungsaufschub für den Kläger erkennbar jedenfalls nur unter der Auflage erfolgt, dass er sich an seine Zusagen in Nr. 2 der Vereinbarung hält. Die Auflage wäre auch rechtmäßig gewesen (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 AO).
66 
bb) Wie oben vom Senat festgestellt, hat der Kläger gegen die Verpflichtung zur zeitnahen Auskehrung der hälftigen Erbschaft verstoßen.
67 
Einer Fristsetzung bedurfte es angesichts seiner beharrlichen Weigerung zur Zahlung nicht. Die Teilerfüllung der Auflage steht der Nichterfüllung gleich. Aus welchen Gründen der Betroffene die Auflage nicht oder nicht fristgerecht erfüllt, also ob insbesondere ihn oder seinen Vertreter ein zurechenbares Verschulden trifft, ist ohne Bedeutung. Es kommt allein auf die tatsächliche Nicht- oder zu späte Erfüllung der Auflage an (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 29).
68 
cc) Die Ermessensbetätigung, die zum Widerruf führte, erfolgte aus Sicht des Senats fehlerfrei.
69 
Insbesondere setzt der Widerruf aufgrund einer Auflage nicht voraus, dass zunächst versucht wird, die Auflage mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Der Widerruf wegen der Nichterfüllung einer Auflage ist nicht gegenüber dem Einsatz von Zwangsmitteln subsidiär. Insofern kann die Finanzbehörde zwischen beiden Alternativen frei wählen. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, sich durch Erfüllung der Auflage die Begünstigung weiter zu sichern. Die Behörde muss nicht den umständlichen und kostenintensiven Weg der Zwangsmittel wählen, wenn der Betroffene durch das Vorhandensein der Auflage weiß, dass davon der Fortbestand seiner Begünstigung abhängt (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 32).
70 
dd) Auch die Jahresfrist wäre von dem Beklagten eingehalten worden (§ 130 Abs. 3 i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 2 AO).
71 
Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.
72 
Die Frist wird allerdings nicht schon durch die bloße Tatsachenerkenntnis in Lauf gesetzt. Voraussetzung ist vielmehr, ab welchem Zeitpunkt sich die Behörde der Widerrufsmöglichkeit bewusst ist. Es handelt sich um eine bloße Entscheidungsfrist (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 131 Rn. 13). Maßgeblich ist, wann der zur Entscheidung berufene Bearbeiter die Widerrufsmöglichkeit erkannt hat. Eine Wissenszurechnung erfolgt nicht (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 130 Rn. 55 m.w.N.).
73 
Vorliegend ermittelte der Sachbearbeiter der Vollstreckungsstelle des Beklagten zunächst mit Schreiben vom 8. Februar 2018 den Sachverhalt, indem beim FA X weitere Unterlagen angefordert wurden (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 122). Erst als diese daraufhin vorgelegt wurden, gelangte der Sachbearbeiter zur Erkenntnis der Möglichkeit des Widerrufs. Sodann wurde bereits mit Schreiben vom 23. Februar 2018 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Jahresfrist gewahrt ist.
74 
c) Im Übrigen ist eine Unbilligkeit i.S.v. § 258 AO ist auch dann nicht gegeben, wenn die Vollstreckung möglicherweise unangemessene nachteilige Folgen hat, z.B. auch dann nicht, wenn durch die Vollstreckung die Gefahr der Insolvenz erhöht wird oder diese nach sich zieht (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743, Orientierungssatz 2), da die aktuelle wirtschaftliche Situation des Vollstreckungsschuldners nicht maßgeblich ist (BFH-Beschluss vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199 Rn. 11; Werth in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 258 Rn. 9). Allgemein können daher Umstände nicht berücksichtigt werden, die zu einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung führen, denn Voraussetzung für den Anspruch nach § 258 AO ist nicht nur, dass die Zwangsvollstreckung unbillig ist, sondern auch, dass sie "einstweilen" eingestellt werden soll (BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1990 VII B 166/90, BFH/NV 1991, 758 und vom 15. April 1992 VII B 29/92, BFH/NV 1993, 660).
75 
Der Kläger hat darüber hinaus weder dargelegt noch ergibt sich aus den Akten, dass er durch ein kurzfristiges Zuwarten weniger beeinträchtigt ist, der Beklagte aber dennoch wegen seiner Steuerforderungen zur Befriedigung gelangen würde. Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO liegen demnach nicht vor.
76 
Vielmehr hat es der Antragsteller ausdrücklich abgelehnt, hinsichtlich der ausstehenden Steuerschulden i.H. von zuletzt 190.152,18 Euro überhaupt einen Tilgungsvorschlag zu unterbreiten (Schreiben vom 7. Mai 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176).
77 
3. Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Februar 2018 und 17. April 2018, mit welchen der Beklagte den Widerruf der Vereinbarung vom 2. Oktober 2016 erklärte, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen, ist die Klage auch insofern unbegründet.
78 
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Ausführungen unter 2.
79 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe

 
42 
1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Widerruf der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung zwischen ihm und dem Beklagten vom 2. Oktober 2016 durch den Beklagten unwirksam ist und die Vereinbarung fortbesteht, ist die Klage unzulässig.
43 
Nach § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO).
44 
Letzteres ist der Fall, denn der Senat geht davon aus, dass der Beklagte mit der Vereinbarung zugleich einen (einstweiligen) Vollstreckungsaufschub i.S.v. § 258 der Abgabenordnung (AO) während der Schulbereinigungsphase bis zum 31. Dezember 2020 gewährte. Lediglich eine Verrechnung mit Steuererstattungsansprüchen des Klägers und der D GmbH sollte möglich sein (Nr. 3 der Vereinbarung). Durch die Vereinbarung erklärte der Beklagte, bei Einhaltung der vereinbarten Zusagen, die in Bezug genommenen Forderungen zum 31. Dezember 2020 zu erlassen (Nr. 4 der Vereinbarung). Bis zu diesem Zeitpunkt sollten keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr erfolgen. Diese Regelung war von dem Kläger nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auch so zu verstehen (vgl. Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 118 Rn. 27). Der Kläger hatte überdies neben dem -zunächst nur in Aussicht gestellten Erlass- ein erhebliches Eigeninteresse darin, bis zum 31. Dezember 2020 nicht durch weitere Vollstreckungsmaßnahmen belastet zu werden. Dies bringt er nicht zuletzt durch das vorliegende Klagebegehren zum Ausdruck.
45 
Dass es sich insoweit um einen Vollstreckungsaufschub (und keine Stundung oder Aussetzung der Vollziehung -AdV-) handelte, entnimmt der Senat Nr. 4 Satz 2 der Vereinbarung, wonach sich der zum 31. Dezember 2020 in Aussicht gestellte Erlass neben den bereits bestehenden Steuerschulden ausdrücklich auch auf die bis dahin noch hinzukommenden Säumniszuschläge erstrecken soll. Säumniszuschläge entstehen jedoch nach § 240 Abs. 1 AO nur bei fälligen Steuern. Daher sollten die geschuldeten Steuern des Klägers bis zum 31. Dezember 2020 gerade nicht nach § 222 AO gestundet werden, was die Fälligkeit hinausgeschoben hätte (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 222 Rn. 21). Überdies wurde die Vereinbarung auf Seiten des Beklagten von der damaligen Sachgebietsleiterin der Vollstreckungsstelle unterschrieben (Gerichtsakte, Bl. 45). Zudem wären im Fall einer -hier nicht vorliegenden- Stundung bis zum 31. Dezember 2020 Stundungszinsen nach § 234 AO angefallen, über deren Erhebung anderenfalls eine Regelung in der Vereinbarung nahegelegen hätte. Überdies hat der Beklagte keine AdV der den Steuerschulden zugrundeliegenden Steuerbescheide gewährt, da auch in diesem Fall keine Säumniszuschläge mehr angefallen wären, so dass es der Regelung in Nr. 4 Satz 2 der Vereinbarung ebenfalls so nicht bedurft hätte, sondern eine Vereinbarung über die anderenfalls anfallenden Aussetzungszinsen nach § 237 AO notwendig gewesen wäre (vgl. Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 240 Rn. 18; Werth, a.a.O., § 258 Rn. 3).
46 
Der Annahme eines Vollstreckungsaufschubs steht auch nicht entgegen, dass der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan der Gestaltungsfreiheit des Gläubigers und des Schuldners unterliegt. Dessen Rechtgrundlage ist in §§ 307 ff. InsO zu suchen, auch wenn das gerichtliche Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist (Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Februar 2019, § 251 Rn. 126). Zwar hat der angenommene Schuldenbereinigungsplan die materiell-rechtliche Wirkung eines Vergleichs i.S.v. § 794 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO (Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 251 Rn. 92). Dennoch kann der Schuldenbereinigungsplan --so wie vorliegend-- hoheitliche Maßnahmen wie einen Vollstreckungsaufschub enthalten, deren Voraussetzungen und Bestand im Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO überprüft werden können (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Februar 2019, § 251 Rn. 126)
47 
Dieser Vollstreckungsaufschub wurde durch den Beklagten mit Schreiben vom 23. Februar 2018 und vom 17. April 2018 widerrufen. Der Widerruf stellt als actus contrarius zum (hoheitlich gewährten) Vollstreckungsaufschub ebenfalls einen Steuerverwaltungsakt dar. Zudem bediente sich der Beklagten in seinen Schreiben vom 23. Februar und 17. April 2018 ausdrücklich des Rechtsinstituts des Widerrufs, der in § 131 AO vom Gesetzgeber dafür vorgesehen ist, wenn die Finanzbehörde die Regelungswirkung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes beseitigen möchte. In der Begründung des Widerrufs wies der Beklagte überdies darauf hin, dass die Zusagen des Klägers aus der Vereinbarung nicht eingehalten wurden und deshalb nicht daran festgehalten werden könne. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung kann zwar bei Würdigung der Gesamtumstände ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sein (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Juni 1997 I R 72/96, BStBl II 1997, 660 Rn. 14), nimmt für sich allein -wie der Regelung in § 356 Abs. 2 AO e contrario zu entnehmen ist- einem Verwaltungsakt aber nicht den Regelungscharakter (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 28).
48 
Vorliegend bietet daher die Gestaltungsklage zur Wahrung der Rechtsposition des Klägers im Vergleich zur Feststellungsklage einen gleichwertigen Rechtsschutz, so dass die Feststellungsklage unzulässig ist (Levedag in Gräber, FGO, 8. Aufl., 2015, § 41 Rn. 32 m.w.N).
49 
Soweit der Kläger vorträgt, dass eine Feststellungsklage deshalb gerechtfertigt sei, weil nur so festgestellt werden könne, dass der Beklagte auch für die Zukunft an die getroffene Vereinbarung gebunden sei (Schriftsatz vom 26. März 2019, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 62), folgt dem der Senat nicht. Denn darüber, ob zum 31. Dezember 2020 ein Anspruch des Klägers auf einen vollständigen Erlass der Steuerschulden einschließlich der Säumniszuschläge nach § 227 AO auf der Grundlage von Nr. 4 der Vereinbarung besteht, ist erst in einem künftigen Erlassverfahren zu entscheiden.
50 
2. Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen, ist die Klage unbegründet.
51 
Ein Anspruch auf einen Vollstreckungsaufschub besteht nicht.
52 
Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie nach § 258 AO einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.
53 
a) Eine Unbilligkeit in diesem Sinne ist grundsätzlich nur gegeben, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte (BFH-Beschluss vom 15. Januar 2003 V S 17/02, BFH/NV 2003, 738). Von einem „kurzfristigen" Zuwarten kann jedoch nicht mehr ausgegangen werden, wenn eine vollständige Begleichung des Steuerrückstands erst nach mehreren Jahren zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 21. April 2009 I B 178/08, BFH/NV 2009, 1596 Rn. 8). Der Zeitraum, in dem die Rückstände getilgt werden können, muss absehbar sein. Dies wurde vorliegend weder vom Kläger vorgetragen noch finden sich entsprechende Anhaltspunkte in den Akten.
54 
Auch liegt nach Auffassung des Senats keine Unbilligkeit in diesem Sinne bereits deshalb vor, weil der Beklagte trotz eines gewährten Vollstreckungsaufschubs -vorliegend bis zum 31. Dezember 2020- Vollstreckungsmaßnahmen ergreift und sich damit in Widerspruch zu seinem eigenen Erklärungsverhalten setzen würde. Denn vorliegend ist die Wirkung des Vollstreckungsaufschubs durch die Nichtbefolgung der in Nr. 2 getroffenen Vereinbarung durch den Kläger (ex nunc) entfallen.
55 
Nach Nr. 2 der Vereinbarung sagte der Kläger zu, ihm bis zum 31. Dezember 2020 zufallende Erbschaften oder Pflichtteilsansprüche im Verhältnis der ursprünglichen Forderung aller Gläubiger zur Hälfte an den Beklagten auszukehren.
56 
Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.
57 
Vorliegend wurde der Kläger nämlich mit dem Ableben seines Vaters am 30. September 2016 gemeinsam mit seinem Bruder jeweils zur Hälfte Miterbe. Nach dem zeitnah geschlossenen Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 8. November 2016 hatte der Teilnachlass einen Gesamtwert von 223.247 Euro, wovon der Kläger Vermögensgegenstände im Wert von 120.973 Euro erhielt (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 126). Zudem fielen dem Kläger -wie von ihm erklärt- weitere Vermögenswerte i.H. von 6.130,58 Euro zu (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 170). Selbst wenn den eigenen Berechnungen des Klägers zu folgen wäre -was der Senat offenlassen kann-, hätte er (mindestens) 11.330,75 Euro an den Beklagten auskehren müssen. Dies hat er nicht getan, sondern bislang lediglich 6.746,55 Euro an die Finanzkasse des Beklagten überwiesen.
58 
Wenn der Kläger nunmehr einwendet, dass er bis zum 31. Dezember 2020 Zeit habe, die Restsumme an den Beklagten zu leisten, geht er in dieser Annahme fehl. Zwar findet sich in Nr. 2 der Vereinbarung über die Auskehrung der hälftigen Erbschaft keine ausdrückliche zeitliche Bestimmung. Dennoch ergibt sich aus dem Zusammenhang der geschlossenen Vereinbarung, dass die Auskehrung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall der Erbschaft zu erfolgen hat. Jedenfalls mit der Untätigkeit von mehr als einem Jahr seit dem Abschluss des Teilerbauseinandersetzungsvertrages hat der Kläger gegen Nr. 2 der Vereinbarung verstoßen.
59 
Überdies trägt der Kläger selbst vor, dass er das ererbte Vermögen zum Großteil „in seine Existenz“ investiert habe (Schreiben vom 7. Mai 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176). Aus diesem Grund ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger die auszukehrende Summe noch bis 31. Dezember 2020 erbringen wird. Überdies bestritt der Kläger zuletzt, überhaupt eine Zahlung aufgrund der Erbschaft an den Beklagten leisten zu müssen (Schreiben vom 10. Juni 2018, S. 2, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 178 f.).
60 
Vorliegend geht der Senat des Weiteren davon aus, dass der Beklagte den Vollstreckungsaufschub nur unter der (auflösenden) Bedingung der Nichteinhaltung der Verpflichtungen des Klägers aus der Vereinbarung i.S.v. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO gewährt hat (BFH-Urteile vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 26 und vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279 Rn. 28; Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 131 Rn. 9). Denn dem Beklagten war für den Kläger erkennbar daran gelegen, dass die Vollstreckung nur solange aufgeschoben wird, wie die unter Nr. 2 der Vereinbarung vorgesehene Zusagen durch den Kläger eingehalten wird.
61 
Daher war der Vollstreckungsaufschub zunächst voll wirksam. Dessen begünstigende Wirkung entfiel aber mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) als die (auflösende) Bedingung eintrat. Eines Widerrufs des Vollstreckungsaufschubs hätte es vor diesem Hintergrund nicht bedurft (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 120 Rn. 80; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 33; Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 120 Rn. 6 m.w.N.).
62 
Wird der Verwaltungsakt allerdings -so wie vorliegend- trotzdem klarstellend aufgehoben, handelt es sich bei dem Aufhebungsbescheid um einen selbständigen Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 28). Es ist im Rahmen dieses deklaratorischen Widerrufs keine erneute Ermessensentscheidung zu treffen, so dass die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides nur vom Eintritt der auflösenden Bedingung abhängt (BFH-Urteil vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279 Rn. 22).
63 
b) Selbst wenn Nr. 2 der Vereinbarung als Auflage zu dem gewährten Vollstreckungsaufschub zu verstehen sein sollte, wäre der Widerruf rechtmäßig.
64 
aa) Nach § 131 Abs. 2 Nr. 2 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage i.S.v. § 120 Abs. 2 Nr. 4 AO verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. § 130 Abs. 3 AO gilt dann entsprechend (§ 131 Abs. 2 Satz 2 AO). Erhält die Finanzbehörde demnach von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt (§ 131 Abs. 2 Satz 3 AO).
65 
Sollte Nr. 2 der Vereinbarung nicht schon als (auflösende) Bedingung zu verstehen sein, wäre der Vollstreckungsaufschub für den Kläger erkennbar jedenfalls nur unter der Auflage erfolgt, dass er sich an seine Zusagen in Nr. 2 der Vereinbarung hält. Die Auflage wäre auch rechtmäßig gewesen (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 AO).
66 
bb) Wie oben vom Senat festgestellt, hat der Kläger gegen die Verpflichtung zur zeitnahen Auskehrung der hälftigen Erbschaft verstoßen.
67 
Einer Fristsetzung bedurfte es angesichts seiner beharrlichen Weigerung zur Zahlung nicht. Die Teilerfüllung der Auflage steht der Nichterfüllung gleich. Aus welchen Gründen der Betroffene die Auflage nicht oder nicht fristgerecht erfüllt, also ob insbesondere ihn oder seinen Vertreter ein zurechenbares Verschulden trifft, ist ohne Bedeutung. Es kommt allein auf die tatsächliche Nicht- oder zu späte Erfüllung der Auflage an (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 29).
68 
cc) Die Ermessensbetätigung, die zum Widerruf führte, erfolgte aus Sicht des Senats fehlerfrei.
69 
Insbesondere setzt der Widerruf aufgrund einer Auflage nicht voraus, dass zunächst versucht wird, die Auflage mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Der Widerruf wegen der Nichterfüllung einer Auflage ist nicht gegenüber dem Einsatz von Zwangsmitteln subsidiär. Insofern kann die Finanzbehörde zwischen beiden Alternativen frei wählen. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, sich durch Erfüllung der Auflage die Begünstigung weiter zu sichern. Die Behörde muss nicht den umständlichen und kostenintensiven Weg der Zwangsmittel wählen, wenn der Betroffene durch das Vorhandensein der Auflage weiß, dass davon der Fortbestand seiner Begünstigung abhängt (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 32).
70 
dd) Auch die Jahresfrist wäre von dem Beklagten eingehalten worden (§ 130 Abs. 3 i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 2 AO).
71 
Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.
72 
Die Frist wird allerdings nicht schon durch die bloße Tatsachenerkenntnis in Lauf gesetzt. Voraussetzung ist vielmehr, ab welchem Zeitpunkt sich die Behörde der Widerrufsmöglichkeit bewusst ist. Es handelt sich um eine bloße Entscheidungsfrist (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 131 Rn. 13). Maßgeblich ist, wann der zur Entscheidung berufene Bearbeiter die Widerrufsmöglichkeit erkannt hat. Eine Wissenszurechnung erfolgt nicht (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 130 Rn. 55 m.w.N.).
73 
Vorliegend ermittelte der Sachbearbeiter der Vollstreckungsstelle des Beklagten zunächst mit Schreiben vom 8. Februar 2018 den Sachverhalt, indem beim FA X weitere Unterlagen angefordert wurden (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 122). Erst als diese daraufhin vorgelegt wurden, gelangte der Sachbearbeiter zur Erkenntnis der Möglichkeit des Widerrufs. Sodann wurde bereits mit Schreiben vom 23. Februar 2018 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Jahresfrist gewahrt ist.
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c) Im Übrigen ist eine Unbilligkeit i.S.v. § 258 AO ist auch dann nicht gegeben, wenn die Vollstreckung möglicherweise unangemessene nachteilige Folgen hat, z.B. auch dann nicht, wenn durch die Vollstreckung die Gefahr der Insolvenz erhöht wird oder diese nach sich zieht (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743, Orientierungssatz 2), da die aktuelle wirtschaftliche Situation des Vollstreckungsschuldners nicht maßgeblich ist (BFH-Beschluss vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199 Rn. 11; Werth in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 258 Rn. 9). Allgemein können daher Umstände nicht berücksichtigt werden, die zu einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung führen, denn Voraussetzung für den Anspruch nach § 258 AO ist nicht nur, dass die Zwangsvollstreckung unbillig ist, sondern auch, dass sie "einstweilen" eingestellt werden soll (BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1990 VII B 166/90, BFH/NV 1991, 758 und vom 15. April 1992 VII B 29/92, BFH/NV 1993, 660).
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Der Kläger hat darüber hinaus weder dargelegt noch ergibt sich aus den Akten, dass er durch ein kurzfristiges Zuwarten weniger beeinträchtigt ist, der Beklagte aber dennoch wegen seiner Steuerforderungen zur Befriedigung gelangen würde. Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO liegen demnach nicht vor.
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Vielmehr hat es der Antragsteller ausdrücklich abgelehnt, hinsichtlich der ausstehenden Steuerschulden i.H. von zuletzt 190.152,18 Euro überhaupt einen Tilgungsvorschlag zu unterbreiten (Schreiben vom 7. Mai 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176).
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3. Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Februar 2018 und 17. April 2018, mit welchen der Beklagte den Widerruf der Vereinbarung vom 2. Oktober 2016 erklärte, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen, ist die Klage auch insofern unbegründet.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Ausführungen unter 2.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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