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| 1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Widerruf der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung zwischen ihm und dem Beklagten vom 2. Oktober 2016 durch den Beklagten unwirksam ist und die Vereinbarung fortbesteht, ist die Klage unzulässig. |
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| Nach § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO). |
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| Letzteres ist der Fall, denn der Senat geht davon aus, dass der Beklagte mit der Vereinbarung zugleich einen (einstweiligen) Vollstreckungsaufschub i.S.v. § 258 der Abgabenordnung (AO) während der Schulbereinigungsphase bis zum 31. Dezember 2020 gewährte. Lediglich eine Verrechnung mit Steuererstattungsansprüchen des Klägers und der D GmbH sollte möglich sein (Nr. 3 der Vereinbarung). Durch die Vereinbarung erklärte der Beklagte, bei Einhaltung der vereinbarten Zusagen, die in Bezug genommenen Forderungen zum 31. Dezember 2020 zu erlassen (Nr. 4 der Vereinbarung). Bis zu diesem Zeitpunkt sollten keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr erfolgen. Diese Regelung war von dem Kläger nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auch so zu verstehen (vgl. Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 118 Rn. 27). Der Kläger hatte überdies neben dem -zunächst nur in Aussicht gestellten Erlass- ein erhebliches Eigeninteresse darin, bis zum 31. Dezember 2020 nicht durch weitere Vollstreckungsmaßnahmen belastet zu werden. Dies bringt er nicht zuletzt durch das vorliegende Klagebegehren zum Ausdruck. |
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| Dass es sich insoweit um einen Vollstreckungsaufschub (und keine Stundung oder Aussetzung der Vollziehung -AdV-) handelte, entnimmt der Senat Nr. 4 Satz 2 der Vereinbarung, wonach sich der zum 31. Dezember 2020 in Aussicht gestellte Erlass neben den bereits bestehenden Steuerschulden ausdrücklich auch auf die bis dahin noch hinzukommenden Säumniszuschläge erstrecken soll. Säumniszuschläge entstehen jedoch nach § 240 Abs. 1 AO nur bei fälligen Steuern. Daher sollten die geschuldeten Steuern des Klägers bis zum 31. Dezember 2020 gerade nicht nach § 222 AO gestundet werden, was die Fälligkeit hinausgeschoben hätte (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 222 Rn. 21). Überdies wurde die Vereinbarung auf Seiten des Beklagten von der damaligen Sachgebietsleiterin der Vollstreckungsstelle unterschrieben (Gerichtsakte, Bl. 45). Zudem wären im Fall einer -hier nicht vorliegenden- Stundung bis zum 31. Dezember 2020 Stundungszinsen nach § 234 AO angefallen, über deren Erhebung anderenfalls eine Regelung in der Vereinbarung nahegelegen hätte. Überdies hat der Beklagte keine AdV der den Steuerschulden zugrundeliegenden Steuerbescheide gewährt, da auch in diesem Fall keine Säumniszuschläge mehr angefallen wären, so dass es der Regelung in Nr. 4 Satz 2 der Vereinbarung ebenfalls so nicht bedurft hätte, sondern eine Vereinbarung über die anderenfalls anfallenden Aussetzungszinsen nach § 237 AO notwendig gewesen wäre (vgl. Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 240 Rn. 18; Werth, a.a.O., § 258 Rn. 3). |
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| Der Annahme eines Vollstreckungsaufschubs steht auch nicht entgegen, dass der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan der Gestaltungsfreiheit des Gläubigers und des Schuldners unterliegt. Dessen Rechtgrundlage ist in §§ 307 ff. InsO zu suchen, auch wenn das gerichtliche Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist (Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Februar 2019, § 251 Rn. 126). Zwar hat der angenommene Schuldenbereinigungsplan die materiell-rechtliche Wirkung eines Vergleichs i.S.v. § 794 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO (Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 251 Rn. 92). Dennoch kann der Schuldenbereinigungsplan --so wie vorliegend-- hoheitliche Maßnahmen wie einen Vollstreckungsaufschub enthalten, deren Voraussetzungen und Bestand im Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO überprüft werden können (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, Stand Februar 2019, § 251 Rn. 126) |
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| Dieser Vollstreckungsaufschub wurde durch den Beklagten mit Schreiben vom 23. Februar 2018 und vom 17. April 2018 widerrufen. Der Widerruf stellt als actus contrarius zum (hoheitlich gewährten) Vollstreckungsaufschub ebenfalls einen Steuerverwaltungsakt dar. Zudem bediente sich der Beklagten in seinen Schreiben vom 23. Februar und 17. April 2018 ausdrücklich des Rechtsinstituts des Widerrufs, der in § 131 AO vom Gesetzgeber dafür vorgesehen ist, wenn die Finanzbehörde die Regelungswirkung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes beseitigen möchte. In der Begründung des Widerrufs wies der Beklagte überdies darauf hin, dass die Zusagen des Klägers aus der Vereinbarung nicht eingehalten wurden und deshalb nicht daran festgehalten werden könne. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung kann zwar bei Würdigung der Gesamtumstände ein Indiz gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sein (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Juni 1997 I R 72/96, BStBl II 1997, 660 Rn. 14), nimmt für sich allein -wie der Regelung in § 356 Abs. 2 AO e contrario zu entnehmen ist- einem Verwaltungsakt aber nicht den Regelungscharakter (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 28). |
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| Vorliegend bietet daher die Gestaltungsklage zur Wahrung der Rechtsposition des Klägers im Vergleich zur Feststellungsklage einen gleichwertigen Rechtsschutz, so dass die Feststellungsklage unzulässig ist (Levedag in Gräber, FGO, 8. Aufl., 2015, § 41 Rn. 32 m.w.N). |
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| Soweit der Kläger vorträgt, dass eine Feststellungsklage deshalb gerechtfertigt sei, weil nur so festgestellt werden könne, dass der Beklagte auch für die Zukunft an die getroffene Vereinbarung gebunden sei (Schriftsatz vom 26. März 2019, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 62), folgt dem der Senat nicht. Denn darüber, ob zum 31. Dezember 2020 ein Anspruch des Klägers auf einen vollständigen Erlass der Steuerschulden einschließlich der Säumniszuschläge nach § 227 AO auf der Grundlage von Nr. 4 der Vereinbarung besteht, ist erst in einem künftigen Erlassverfahren zu entscheiden. |
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| 2. Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen, ist die Klage unbegründet. |
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| Ein Anspruch auf einen Vollstreckungsaufschub besteht nicht. |
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| Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie nach § 258 AO einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben. |
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| a) Eine Unbilligkeit in diesem Sinne ist grundsätzlich nur gegeben, wenn die Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Vollstreckungsschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte (BFH-Beschluss vom 15. Januar 2003 V S 17/02, BFH/NV 2003, 738). Von einem „kurzfristigen" Zuwarten kann jedoch nicht mehr ausgegangen werden, wenn eine vollständige Begleichung des Steuerrückstands erst nach mehreren Jahren zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 21. April 2009 I B 178/08, BFH/NV 2009, 1596 Rn. 8). Der Zeitraum, in dem die Rückstände getilgt werden können, muss absehbar sein. Dies wurde vorliegend weder vom Kläger vorgetragen noch finden sich entsprechende Anhaltspunkte in den Akten. |
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| Auch liegt nach Auffassung des Senats keine Unbilligkeit in diesem Sinne bereits deshalb vor, weil der Beklagte trotz eines gewährten Vollstreckungsaufschubs -vorliegend bis zum 31. Dezember 2020- Vollstreckungsmaßnahmen ergreift und sich damit in Widerspruch zu seinem eigenen Erklärungsverhalten setzen würde. Denn vorliegend ist die Wirkung des Vollstreckungsaufschubs durch die Nichtbefolgung der in Nr. 2 getroffenen Vereinbarung durch den Kläger (ex nunc) entfallen. |
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| Nach Nr. 2 der Vereinbarung sagte der Kläger zu, ihm bis zum 31. Dezember 2020 zufallende Erbschaften oder Pflichtteilsansprüche im Verhältnis der ursprünglichen Forderung aller Gläubiger zur Hälfte an den Beklagten auszukehren. |
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| Dem ist der Kläger nicht nachgekommen. |
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| Vorliegend wurde der Kläger nämlich mit dem Ableben seines Vaters am 30. September 2016 gemeinsam mit seinem Bruder jeweils zur Hälfte Miterbe. Nach dem zeitnah geschlossenen Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 8. November 2016 hatte der Teilnachlass einen Gesamtwert von 223.247 Euro, wovon der Kläger Vermögensgegenstände im Wert von 120.973 Euro erhielt (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 126). Zudem fielen dem Kläger -wie von ihm erklärt- weitere Vermögenswerte i.H. von 6.130,58 Euro zu (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 170). Selbst wenn den eigenen Berechnungen des Klägers zu folgen wäre -was der Senat offenlassen kann-, hätte er (mindestens) 11.330,75 Euro an den Beklagten auskehren müssen. Dies hat er nicht getan, sondern bislang lediglich 6.746,55 Euro an die Finanzkasse des Beklagten überwiesen. |
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| Wenn der Kläger nunmehr einwendet, dass er bis zum 31. Dezember 2020 Zeit habe, die Restsumme an den Beklagten zu leisten, geht er in dieser Annahme fehl. Zwar findet sich in Nr. 2 der Vereinbarung über die Auskehrung der hälftigen Erbschaft keine ausdrückliche zeitliche Bestimmung. Dennoch ergibt sich aus dem Zusammenhang der geschlossenen Vereinbarung, dass die Auskehrung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfall der Erbschaft zu erfolgen hat. Jedenfalls mit der Untätigkeit von mehr als einem Jahr seit dem Abschluss des Teilerbauseinandersetzungsvertrages hat der Kläger gegen Nr. 2 der Vereinbarung verstoßen. |
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| Überdies trägt der Kläger selbst vor, dass er das ererbte Vermögen zum Großteil „in seine Existenz“ investiert habe (Schreiben vom 7. Mai 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176). Aus diesem Grund ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger die auszukehrende Summe noch bis 31. Dezember 2020 erbringen wird. Überdies bestritt der Kläger zuletzt, überhaupt eine Zahlung aufgrund der Erbschaft an den Beklagten leisten zu müssen (Schreiben vom 10. Juni 2018, S. 2, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 178 f.). |
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| Vorliegend geht der Senat des Weiteren davon aus, dass der Beklagte den Vollstreckungsaufschub nur unter der (auflösenden) Bedingung der Nichteinhaltung der Verpflichtungen des Klägers aus der Vereinbarung i.S.v. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO gewährt hat (BFH-Urteile vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 26 und vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279 Rn. 28; Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 131 Rn. 9). Denn dem Beklagten war für den Kläger erkennbar daran gelegen, dass die Vollstreckung nur solange aufgeschoben wird, wie die unter Nr. 2 der Vereinbarung vorgesehene Zusagen durch den Kläger eingehalten wird. |
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| Daher war der Vollstreckungsaufschub zunächst voll wirksam. Dessen begünstigende Wirkung entfiel aber mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) als die (auflösende) Bedingung eintrat. Eines Widerrufs des Vollstreckungsaufschubs hätte es vor diesem Hintergrund nicht bedurft (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 120 Rn. 80; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 33; Ratschow in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 120 Rn. 6 m.w.N.). |
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| Wird der Verwaltungsakt allerdings -so wie vorliegend- trotzdem klarstellend aufgehoben, handelt es sich bei dem Aufhebungsbescheid um einen selbständigen Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 20/01, BStBl II 2002, 842 Rn. 28). Es ist im Rahmen dieses deklaratorischen Widerrufs keine erneute Ermessensentscheidung zu treffen, so dass die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides nur vom Eintritt der auflösenden Bedingung abhängt (BFH-Urteil vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279 Rn. 22). |
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| b) Selbst wenn Nr. 2 der Vereinbarung als Auflage zu dem gewährten Vollstreckungsaufschub zu verstehen sein sollte, wäre der Widerruf rechtmäßig. |
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| aa) Nach § 131 Abs. 2 Nr. 2 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage i.S.v. § 120 Abs. 2 Nr. 4 AO verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. § 130 Abs. 3 AO gilt dann entsprechend (§ 131 Abs. 2 Satz 2 AO). Erhält die Finanzbehörde demnach von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt (§ 131 Abs. 2 Satz 3 AO). |
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| Sollte Nr. 2 der Vereinbarung nicht schon als (auflösende) Bedingung zu verstehen sein, wäre der Vollstreckungsaufschub für den Kläger erkennbar jedenfalls nur unter der Auflage erfolgt, dass er sich an seine Zusagen in Nr. 2 der Vereinbarung hält. Die Auflage wäre auch rechtmäßig gewesen (§ 120 Abs. 2 Nr. 4 AO). |
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| bb) Wie oben vom Senat festgestellt, hat der Kläger gegen die Verpflichtung zur zeitnahen Auskehrung der hälftigen Erbschaft verstoßen. |
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| Einer Fristsetzung bedurfte es angesichts seiner beharrlichen Weigerung zur Zahlung nicht. Die Teilerfüllung der Auflage steht der Nichterfüllung gleich. Aus welchen Gründen der Betroffene die Auflage nicht oder nicht fristgerecht erfüllt, also ob insbesondere ihn oder seinen Vertreter ein zurechenbares Verschulden trifft, ist ohne Bedeutung. Es kommt allein auf die tatsächliche Nicht- oder zu späte Erfüllung der Auflage an (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 29). |
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| cc) Die Ermessensbetätigung, die zum Widerruf führte, erfolgte aus Sicht des Senats fehlerfrei. |
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| Insbesondere setzt der Widerruf aufgrund einer Auflage nicht voraus, dass zunächst versucht wird, die Auflage mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Der Widerruf wegen der Nichterfüllung einer Auflage ist nicht gegenüber dem Einsatz von Zwangsmitteln subsidiär. Insofern kann die Finanzbehörde zwischen beiden Alternativen frei wählen. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, sich durch Erfüllung der Auflage die Begünstigung weiter zu sichern. Die Behörde muss nicht den umständlichen und kostenintensiven Weg der Zwangsmittel wählen, wenn der Betroffene durch das Vorhandensein der Auflage weiß, dass davon der Fortbestand seiner Begünstigung abhängt (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Stand November 2018, § 131 AO Rn. 32). |
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| dd) Auch die Jahresfrist wäre von dem Beklagten eingehalten worden (§ 130 Abs. 3 i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 2 AO). |
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| Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. |
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| Die Frist wird allerdings nicht schon durch die bloße Tatsachenerkenntnis in Lauf gesetzt. Voraussetzung ist vielmehr, ab welchem Zeitpunkt sich die Behörde der Widerrufsmöglichkeit bewusst ist. Es handelt sich um eine bloße Entscheidungsfrist (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 131 Rn. 13). Maßgeblich ist, wann der zur Entscheidung berufene Bearbeiter die Widerrufsmöglichkeit erkannt hat. Eine Wissenszurechnung erfolgt nicht (Rüsken in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 130 Rn. 55 m.w.N.). |
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| Vorliegend ermittelte der Sachbearbeiter der Vollstreckungsstelle des Beklagten zunächst mit Schreiben vom 8. Februar 2018 den Sachverhalt, indem beim FA X weitere Unterlagen angefordert wurden (Vollstreckungsakten Band III, Bl. 122). Erst als diese daraufhin vorgelegt wurden, gelangte der Sachbearbeiter zur Erkenntnis der Möglichkeit des Widerrufs. Sodann wurde bereits mit Schreiben vom 23. Februar 2018 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so dass die Jahresfrist gewahrt ist. |
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| c) Im Übrigen ist eine Unbilligkeit i.S.v. § 258 AO ist auch dann nicht gegeben, wenn die Vollstreckung möglicherweise unangemessene nachteilige Folgen hat, z.B. auch dann nicht, wenn durch die Vollstreckung die Gefahr der Insolvenz erhöht wird oder diese nach sich zieht (BFH-Urteil vom 31. Mai 2005 VII R 62/04, BFH/NV 2005, 1743, Orientierungssatz 2), da die aktuelle wirtschaftliche Situation des Vollstreckungsschuldners nicht maßgeblich ist (BFH-Beschluss vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199 Rn. 11; Werth in Klein, AO, 14. Aufl., 2018, § 258 Rn. 9). Allgemein können daher Umstände nicht berücksichtigt werden, die zu einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung führen, denn Voraussetzung für den Anspruch nach § 258 AO ist nicht nur, dass die Zwangsvollstreckung unbillig ist, sondern auch, dass sie "einstweilen" eingestellt werden soll (BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1990 VII B 166/90, BFH/NV 1991, 758 und vom 15. April 1992 VII B 29/92, BFH/NV 1993, 660). |
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| Der Kläger hat darüber hinaus weder dargelegt noch ergibt sich aus den Akten, dass er durch ein kurzfristiges Zuwarten weniger beeinträchtigt ist, der Beklagte aber dennoch wegen seiner Steuerforderungen zur Befriedigung gelangen würde. Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub nach § 258 AO liegen demnach nicht vor. |
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| Vielmehr hat es der Antragsteller ausdrücklich abgelehnt, hinsichtlich der ausstehenden Steuerschulden i.H. von zuletzt 190.152,18 Euro überhaupt einen Tilgungsvorschlag zu unterbreiten (Schreiben vom 7. Mai 2018, Vollstreckungsakten Band III, Bl. 176). |
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| 3. Soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Februar 2018 und 17. April 2018, mit welchen der Beklagte den Widerruf der Vereinbarung vom 2. Oktober 2016 erklärte, die Vollstreckung aus den der Vereinbarung zur Schuldenbereinigung vom 2. Oktober 2016 zugrundeliegenden Bescheiden einzustellen, ist die Klage auch insofern unbegründet. |
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| Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Ausführungen unter 2. |
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