Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 2137/21

Tenor

1. Die Kindergeldaufhebungsbescheide vom 10.3.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 Euro, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 Euro kann die Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von Dezember 2019 bis Juli 2021 (Streitzeitraum).
1. Der Sohn des Klägers, A (nachfolgend: Kind), geboren am xx.xx..1961, ist seit Ende 1980 aufgrund einer seelischen Störung behindert (vgl. Bescheinigung des behandelnden Psychiaters vom 13.11.2017, KiG-Akte, Bl. 38).
Mit Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen eines über 18 Jahre alten Kindes mit Behinderung für das Jahr 2016 vom 30.11.2017 teilte der Kläger mit, dass das Kind ab 1.2.2017 eine Rente von 1.000 Euro pro Monat beziehe (Ziffer 7 und 8, KiG-Akte, Bl. 33). Zudem findet sich als Anlage ein die näheren Umstände der Rente erläuternder handschriftlicher Vermerk des Klägers in der Kindergeldakte der Beklagten (Bl. 36 f.; Eingang bei der Beklagten am 6.12.2017). Gleichzeitig gab der Kläger an, dass das Kind --wie in den Vorjahren- Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt habe (Ziffer 6; KiG-Akte, Bl. 33).
2. Mit Bescheid (zuletzt) vom 30.1.2018 setzte die Beklagte Kindergeld ab Dezember 2018 fest und erläuterte, dass das Kind wegen einer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten und daher kindergeldrechtlich berücksichtigt werden könne (KiG-Akte, Bl. 40).
3. Mit Schreiben vom 22.7.2020 übermittelte die Bevollmächtigte auf Anforderung der Beklagten vom 28.5.2020 eine Mitteilung der X-Versicherung (nachfolgend: X-Versicherung), wonach das Kind seit 1.2.2017 eine monatliche Rente i.H. von 1.048,17 Euro erhalte (Stand 1.1.2020; KiG-Akte, Bl. 67). Zudem gab das Kind an, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu beziehen (Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen eines volljährigen Kindes mit Behinderung für das Jahr 2019 vom 20.7.2020, KiG-Akte, Bl. 80 ff.).
Nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts (soweit der Kläger Angaben machen konnte) stellen sich die Einkünfte und Bezüge des Kindes sowie dessen Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung wie folgt dar:
Einnahmen aus einer privaten Rentenversicherung
Jahr   
Betrag
Rentenbezugsmitteilung
                          
2019   
12.387,24 Euro
Gerichtsakte, Bl. 53
2020   
12.578,04 Euro
Gerichtsakte, Bl. 54
2021   
12.740,88 Euro
Gerichtsakte, Bl. 71
Kapitalerträge (ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrages)
Jahr   
Kapitalerträge
Steuerbescheinigung
                          
2019   
4.565,14 Euro
Gerichtsakte, Bl. 106
2020   
4.404,72 Euro
Gerichtsakte, Bl. 107
Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (xxx)
Jahr   
KV (Basis)
PV    
KV (Wahl)
Bescheinigung
                                            
2019   
450,96 Euro
184,32 Euro
96,36 Euro
Gerichtsakte, Bl. 64
2020   
507,75 Euro
285,60 Euro
97,41 Euro
Gerichtsakte, Bl. 65
2021   
593,65 Euro
356,28 Euro
100,07 Euro
Gerichtsakte, Bl. 72
10 
4. Mit Bescheid vom 10.3.2021 hob die Beklagte daraufhin die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von Dezember 2019 bis einschließlich März 2021 auf (KiG-Akte, Bl. 94 f.). Mit weiterem Bescheid -ebenfalls vom 10.3.2021- hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung zudem ab April 2021 auf (KiG-Akte, Bl. 97 f.).
11 
Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne ein Kind berücksichtigt werden, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Vorliegend sei das Kind jedoch durch eigene verfügbare finanzielle Mittel (private Rente und Kapitalerträge) in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
12 
5. Der Kläger legte hiergegen am 12.4.2021 Einsprüche ein (KiG-Akte, Bl. 101).
13 
Die Aufhebung oder Änderung eines Kindergeldbescheides sei nur bei einer Änderung der Verhältnisse möglich (Schreiben vom 21.4.2021, KiG-Akte, Bl. 106 ff.). Eine solche sei aber nicht gegeben. Das Kind beziehe schon seit längerem Leistungen aus einer privaten Rente und verfüge über Kapitalerträge. Dennoch sei das Kindergeld seit Jahren ohne Unterbrechung gewährt worden. Trotz gleichbleibender Verhältnisse sei nunmehr das Kindergeld erstmals ab Dezember 2019 versagt worden.
14 
Zudem setze der Anspruch auf Kindergeld Einkünfte und Bezüge voraus, die den „Jahresgrenzbetrag“ nicht überschreiten würden. Dabei seien nur Einkünfte aus den Einkunftsarten des EStG relevant.
15 
Sowohl Unterhaltsleistungen als auch Schenkungen und Erbschaften der Kindeseltern seien dagegen nicht zu berücksichtigen, da es sich nicht um „Zuflüsse von Außen“ handele. So sei die private Rente des Kindes aufgrund von Geldzuwendungen der verstorbenen Kindsmutter von Todes wegen erworben worden. Sie habe dem Kind testamentarisch einen Betrag i.H. von 379.820 Euro zugewandt, wobei diese Erbschaft zweckgebunden gewesen sei. So habe die Kindsmutter festgelegt, dass der vererbte Geldbetrag zum Abschluss einer privaten Rente zu verwenden sei. Aufgrund dessen sei dieser Betrag in eine private Rentenversicherung bei der X-Versicherung eingezahlt worden.
16 
Erbschaften oder Geldzuwendungen von Eltern zählten weder zu den Einkünften des § 2 EStG noch zu den Bezügen. Wenn aber schon unmittelbar ererbtes Vermögen nicht bei den Einkünften eines Kindes zu berücksichtigen sei, folge daraus, dass auch der Anteil der Rente, der aus ererbten Vermögen, d.h. aus dem von Todes wegen erworbenen Vermögensstamm, gezahlt werde, nicht zu den verfügbaren Mitteln des Kindes zähle. Anderenfalls entstünde eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Wäre nämlich das Vermögen der Kindsmutter nicht in eine private Rente überführt, sondern unmittelbar an das Kind vererbt worden, hätte sich das Kind lediglich die erwirtschafteten Zinsen als Einkünfte anrechnen lassen müssen, nicht dagegen das Kapital selbst. Es hätte vielmehr den Kapitalstamm verbrauchen können, ohne dass sich dies nachteilig auf die Kindergeldberechtigung ausgewirkt hätte. Entsprechendes müsse gelten, wenn das ererbte Vermögen -so wie vorliegend- in eine private Rente überführt werde. Daher sei lediglich der (steuerpflichtige) Ertragsanteil, nicht jedoch der Kapitalanteil der Rente als verfügbare Mittel des Kindes zu werten.
17 
6. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 als unbegründet zurückgewiesen (KiG-Akte, Bl. 122 ff.).
18 
Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt sei anhand eines Vergleichs des notwendigen Lebensbedarfes und der kindeseigenen Mittel zu prüfen. Dem Kind müsse es objektiv unmöglich sein, seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf durch eigene Mittel zu decken. Der notwendige Lebensbedarf des Kindes setze sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen.
19 
Als allgemeiner Lebensbedarf sei der jeweils geltende steuerliche Grundfreibetrag anzusetzen. Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehörten alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen. Belege der Steuerpflichtige diese nicht durch Einzelnachweise, sei der behinderungsbedingte Mehrbedarf anhand der Pauschbeträge für behinderte Menschen i.S.d. § 33b Abs. 3 EStG zu bemessen. Die Höhe des Pauschbetrags richte sich nach dem Grad der Behinderung (GdB). Im vorliegende Fall könne aber kein Behinderten-Pauschbetrag angesetzt werden, da kein GdB nachgewiesen worden sei.
20 
Daher entspreche der gesamte notwendige Lebensbedarf des Kindes im Streitfall dem Grundbedarf. Aufgrund des jeweils anzuwendenden Grundfreibetrags i.S.v. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG seien dies 9.168 Euro im Jahr 2019, 9.408 Euro im Jahr 2020 und 9.744 Euro im Jahr 2021.
21 
Bei der Bestimmung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel seien das verfügbare Einkommen des Kindes einschließlich der Leistungen Dritter zu berücksichtigen.
22 
Für die Ermittlung des verfügbaren Einkommens sei zunächst die Summe zu bilden aus:
-    
steuerpflichtigen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG,
-    
steuerfreien Einnahmen,
-    
Kapitalerträgen ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrags und
-    
Erstattungen von Steuern vom Einkommen.
23 
Davon seien abzuziehen:
-    
Vorsorgeaufwendungen (Sozialversicherungsbeiträge sowie Beiträge zur Basiskranken- und Pflegeversicherung) und
-    
gezahlte Steuern vom Einkommen.
24 
Renten- und Versorgungsbezüge seien stets in vollem Umfang einzubeziehen. Auch der über den steuerpflichtigen Ertragsanteil hinausgehende Rentenbezug gehöre zu den (zu berücksichtigenden) steuerfreien Einnahmen. Bei der Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte sei lediglich der Werbungskosten-Pauschbetrag i.H. von 102 Euro nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG und bei der Ermittlung der steuerfreien Einkünfte eine Kostenpauschale von 180 Euro abzuziehen.
25 
Vorliegend seien daher folgende Einkünfte und Bezüge des Kindes zu berücksichtigen (vgl. Prüfung der Fähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten - Berechnungsbogen für das volljährige Kind mit Behinderung für das Kalenderjahr 2020, KiG-Akte, Bl. 116 ff.):
26 
Art des verfügbaren Nettoeinkommens
Jahresbeträge
(steuerpflichtige) Nettorente nach Abzug von Werbungskosten- und Kostenpauschale
2.737 Euro
Steuerfreie Einnahmen
9.559,31 Euro
abzgl. gezahlter Steuern
- 678,96 Euro
Summe 
11.617,35 Euro
27 
Die dem Kind zufließenden Mittel würden daher -da sie über dem jeweiligen Grundbedarf lägen- ausreichen, den gesamten notwendigen Lebensbedarf des Kindes abzudecken.
28 
7. Hiergegen erhob der Kläger am 3.9.2021 die vorliegende Klage. Er ergänzt den bisherigen Sachvortrag (Schriftsatz vom 11.3.2022, Bl. 95 ff.) dahingehend, dass die Kindsmutter durch Verfügung von Todes wegen dem Kind insgesamt 379.825,58 Euro vererbt habe (vgl. Testament vom 29.3.2016, Gerichtsakte, Bl. 58 f.).
29 
Im Einzelnen setze sich der dem Kind von Todes wegen zugewandte Geldbetrag wie folgt zusammen:
30 
Bereits an die Kindsmutter ausgezahlte Versicherungssumme
149.395 Euro
Testament Ziffer 2 Buchst. a
Noch fällig werdende Beträge aus Versicherungen bei der X-Versicherung
        
Testament Ziffer 2 Buchst. b
                          
        
Nr. 281079140
72.205,36 Euro
Gerichtsakte, Bl. 96
        
Nr. 285401310
79.112,61 Euro
Gerichtsakte, Bl. 97
        
Nr. 285401320
79.112,61 Euro
Gerichtsakte, Bl. 98
                                   
Summe 
379.825,58 Euro
        
31 
Dieser Betrag sei nach dem Tod der Kindsmutter mit dem Verwendungszweck „xxx wg Erbsch. Testament“ am 9.11.2016 abgerundet i.H. von 379.820 Euro auf das Konto des Kindes überwiesen worden (Kontoauszug, Gerichtsakte, Bl. 60). Aufgestockt aus eigenen Mitteln i.H. von 20.180 Euro habe das Kind sodann am 2.1.2017 400.000 Euro an die X-Versicherung zur Begründung einer Rentenversicherung überwiesen. Die Rente sei erstmals am 1.2.2017 ausgezahlt worden (Rentenversicherung Nr. xxx - Sofort beginnende Rentenversicherung mit Beitragsrückgewähr abzüglich bereits gezahlter Renten im Todesfall [Tarif xxx: Bonusrente]; Versicherungsschein, Gerichtsakte, Bl. 73 ff. und Versicherungsbedingungen, Gerichtsakte, Bl. 78 ff.).
32 
Die Kindsmutter habe noch zu Lebzeiten (mündlich) gegenüber dem Kläger und dem Kind erklärt, dass der Geldbetrag von 379.825,58 Euro zur Absicherung des Kindes in eine Rentenversicherung einzuzahlen sei. Aus diesem Grunde habe die Kindsmutter noch vor ihrem absehbaren Ableben dafür Sorge getragen, dass der Kontakt zu einem Mitarbeiter der X-Versicherung --einem B- aufgenommen worden sei, um die Modalitäten der Rentenversicherung zu klären. Aus Sicht des Kindes sei dies keine „günstige Anlage“ gewesen. Da es den Geldbetrag jedoch zum Abschluss einer Rentenversicherung erhalten habe, habe es dies letzten Endes akzeptiert (Gerichtsakte, Bl. 57).
33 
8. Die X-Versicherung beschreibt den abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag wie folgt (Schreiben vom 7.12.2021, Gerichtsakte, Bl. 62):
34 
Bei diesem Vertrag handele es sich um eine lebenslängliche Rentenversicherung. Dafür sei zum Vertragsbeginn per 1.1.2017 ein Einmalbeitrag i.H. von 400.000 Euro entrichtet worden. Dieser Vertrag sei kein Sparbuch mit Kapitalverzehr, sondern so kalkuliert, dass der Einmalbeitrag in Höhe von 400.000 Euro zuzüglich einer Garantieverzinsung i.H. von 1,25 % ausreiche, um die garantierte Grundrente (monatlich 996,45 Euro) während der zu erwartenden Rentenbezugszeit zu sichern. Lebe das Kind länger, werde die Rente aus dem Kapital finanziert, welches beim vorzeitigen Ableben von Versicherten der Versichertengemeinschaft zugefallen sei. Ein über die Garantieverzinsung hinausgehender Zins (Überzins) werde in Form einer Überschussrente gezahlt.
35 
Als Überschussverwendung habe das Kind die Bonusrente gewählt. Das bedeute, die Überschüsse würden dazu verwendet, eine Zusatzrente zu bilden. Die Bonusrente sei in ihrer jeweiligen Höhe ebenfalls garantiert. Aktuell betrage diese 65,29 Euro monatlich. Insgesamt erhalte das Kind daher im Monat 1.061,74 Euro (Stand 7.12.2021).
36 
Die Rente werde ab dem Rentenzahlungsbeginn entsprechend der vereinbarten Rentenzahlweise bis zum Tode des Kindes gezahlt. Bei dessen Versterben werde ein Einmalbeitrag abzüglich bereits gezahlter Renten zurückgezahlt. Bezugsberechtigt seien in diesem Fall eine C zu 80 % und ein D zu 20 % (vgl. Versicherungsschein, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 74).
37 
9. Die Bevollmächtigte führt aus, dass das Kind nicht zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet sei. Daher lägen keine Steuerbescheide vor. Weitere Leistungen (außer der privaten Rente), wie z.B. SGB-Leistungen, Pflegegeld oder eine gesetzliche Rente der Deutschen Rentenversicherung, beziehe das Kind nicht (Schriftsatz vom 16.2.2022, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 57).
38 
10. Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 3.9.2021, S. 1, Gerichtsakte, Bl. 3),
die Einspruchsentscheidung aufzuheben und dem Kläger von Dezember 2019 bis März 2021 und ab April 2021 Kindergeld zu gewähren.
39 
11. Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 25.11.2021, S. 1, Gerichtsakte, Bl. 24),
die Klage abzuweisen.
40 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Die Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 sei laut Absendevermerk am 29.7.2021 zur Post aufgegeben worden (KiG-Akte, Bl. 122). Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gelte die Einspruchsentscheidung am 2.8.2021 als bekanntgegeben (Zugangsfiktion). Die Klagefrist laufe damit bis zum 2.9.2021. Die Klage sei aber erst am 3.9.2021 bei Gericht eingegangen.
41 
Rein vorsorglich führt die Beklagte aus, dass auch die materiellen Voraussetzungen der Berücksichtigung des Kindes nicht vorlägen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise sie auf die Begründung der Einspruchsentscheidung (Gerichtsakte, Bl. 25) und ihr Schreiben vom 29.4.2021 (KiG-Akte, Bl. 114).
42 
12. Der Kläger erwidert, dass die Zugangsfiktion nicht gelte, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, wobei im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen habe (Schriftsatz vom 13.12.2021, S. 1, Gerichtsakte, Bl. 27). Der Bevollmächtigten sei die Einspruchsentscheidung am 3.8.2021 „zugestellt“ worden. Auf dem Schriftstück befinde sich daher der 3.8.2021 als Eingangsdatum. Demzufolge sei im Terminbuch der 3.9.2021 als Fristablauf notiert worden. An diesem Tage sei die Klage auch beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg eingegangen.
43 
In der Sache sei er weiterhin der Auffassung, dass bei der Prüfung der Kindergeldberechtigung nur der Ertragsanteil, nicht dagegen der Kapitalanteil der privaten Rente zu berücksichtigen sei. Die Höhe des Ertragsanteils berechne sich nach dem vollendeten Lebensalter des Rentenberechtigten bei Beginn der Rente. Das Kind sei im Zeitpunkt des Rentenbeginns (1.2.2017) 55 Jahre alt gewesen. Damit betrage der steuerpflichtige Ertragsanteil der Rente 26 % (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG).
44 
Im Übrigen sei aufgrund der seelischen Störung des Kindes vom Landratsamt (LRA) Y nunmehr rückwirkend zum 1.1.2018 ein GdB von 80 festgestellt worden. Das Verwaltungsverfahren sei aber noch nicht abgeschlossen (Gerichtsakte, Bl. 28 und Teil-Abhilfebescheid vom 30.11.2021, Gerichtsakte, Bl. 45 f.).
45 
13. Auf Nachfrage des Berichterstatters teilte die Beklagte mit, dass die Einspruchsentscheidung nicht förmlich zugestellt worden sei (Schriftsatz vom 12.1.2022, S. 1, Gerichtsakte, Bl. 31).
46 
Im Übrigen erfolge der Postversand sämtlicher Schriftstücke der Beklagten am Standort Z durch den Briefdienstleister W-Post Service GmbH, [ ___ ] (nachfolgend: Post-Service), einer 100%igen Tochterfirma der W-Post (nachfolgend: W-Post).
47 
Die Poststelle der Beklagten befinde sich nicht in der ... straße xx --dem Ort der Sachbearbeitung-, sondern in der ... Allee xx in Z. Der Ausdruck der Einspruchsentscheidung sei am 28.7.2021 erfolgt. Der Sachbearbeiter habe hierbei als Absendedatum den Folgetag (29.7.2021) eingetragen, da die Post durch den Boten der x-Kurier, [ ___ ] (nachfolgend: X-Kurier) nur einmal am Tag, nämlich morgens zwischen 7:30 und 8:00 Uhr, abgeholt und von der ... straße xx in die ... Allee xx (zur Poststelle) gebracht werde. Bei Dienstschluss werde die am Schreibtisch gesammelte Post von den Sachbearbeitern selbst in das Postzimmer in der ... straße xx gebracht und in die dafür vorgesehene Postbox gelegt. Dort werde die gesamte zu versendende Post des Standortes gesammelt, damit diese am nächsten Morgen von X-Kurier abgeholt werden könne. Die Postbox werde morgens von der zuständigen Assistenzkraft vor Abholung geschlossen. Die Kombination der Schlösser kenne der Bote von X-Kurier nicht. Frau E, eine Mitarbeiterin der Poststelle, versichere, dass die vom Boten in die ... Allee xx gebrachte Sammelpost der Beklagten dann jeweils noch am selben Tag verschickt werde (Gerichtsakte, Bl. 31).
48 
In der Poststelle sei weder ein Absendevermerk über den Versand der Einspruchsentscheidung gefertigt worden noch werde in der Poststelle ein Postausgangsbuch geführt (Schriftsatz vom 29.3.2022, Gerichtsakte, Bl. 110). Bei einem durchschnittlichen Postaufkommen von rund 28.000 Briefen/Monat sei dies nicht praktikabel. Der Briefdienstleister Post-Service erbringe für die Arbeitsagenturen Z (und damit auch für die Beklagte) folgende Leistungen:
              
-    
arbeitstägliche Zustellung an die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Abholung der zu versendenden Briefsendungen aus den Dienststellen der BA zur weiteren Bearbeitung,
-    
Freimachen, Beförderung und Zustellung der aus den Dienststellen der BA abgeholten Briefsendungen,
-    
Beförderung und Zustellung von Briefsendungen mit Großempfänger-PLZ und
-    
Einhaltung der Standards zur Qualitätssicherung gem. DIN EN ISO 9001 (oder gleichwertig), zur Laufzeitmessung analog gem. DIN EN ISO 13850 (oder gleichwertig) sowie Umweltmanagement gem. DIN EN ISO 14001 (oder gleichwertig).
49 
Vertraglich festgeschrieben habe die BA mit Post-Service das Zustellziel E+2 i.H. von 95 %, d.h. die Zustellung der bereitgestellten Briefsendungen habe spätestens am zweiten auf die Abholung folgenden Werktag zu 95 % zu erfolgen. Eine Regelung zu E+1 sei bewusst nicht getroffen worden. Zudem sei eine „Erhaltsquote“ von 99 % Teil der Vereinbarung (vgl. Ziffern 4, 5.3.4 und 6.1 der Leistungsbeschreibung zum Vergabeverfahren, Gerichtsakte, Bl. 113 ff. und § 1 des Vertrages zwischen BA und Post-Service vom 25.2.2020, Gerichtsakte, Bl. 126 ff.).
50 
Post-Service stelle an allen Werktagen zu. Anlassbezogene Messungen zur Qualitätskontrolle durch einen unabhängigen Dritten seien möglich und würden im Regelfall mindestens einmal in der Vertragslaufzeit durchgeführt. Bisher sei eine solche Messung allerdings nicht in Auftrag gegeben worden. Dem internen Dienstbetrieb lägen so gut wie keine Reklamationen und Hinweise vor, dass das Zustellziel E+2 oder die Erhaltsquote von 99 % nicht erreicht werden würde.
51 
Der korrekte Beförderungsweg einer Sendung stelle sich wie folgt dar. Von der Postbox im Postzimmer in der ... straße xx in Z gelange die Sendung durch X-Kurier in die Poststelle in der ... Allee xx in Z. Der weitere Postlauf bis zur Empfängerin (vorliegend nach T) gehöre jedoch zu den „Interna der W-Post“ und sei „unbekannt“ (Gerichtsakte, Bl. 110). Die Frankierung übernehme Post-Service. Der jeweils aufgebrachte Poststempel bezeichne den Tag, an dem der Brief frankiert worden sei. Die Frankierung erfolge taggleich mit der Abholung in der Poststelle. Hiervon gebe es nur Ausnahmen, wenn betriebliche Gründe die taggleiche Frankierung unmöglich machen würden. Darüber würde die Poststelle aber stets informiert, was vorliegend aber nicht der Fall gewesen sei.
52 
X-Kurier sei kein Subunternehmer der W-Post oder von Post-Service, sondern Vertragspartner der BA. X-Kurier transportiere als Kurier-Dienstleister interne Unterlagen der Arbeitsagentur Z, u.a. die Ausgangspost von den einzelnen Geschäftsstellen zur Poststelle, wo die Übergabe an Post-Service erfolge. Die Kisten seien beim Transport verschlossen. X-Kurier habe keinen Zugriff auf die Unterlagen. Auf dem Transportweg könne daher nichts entfernt werden oder verloren gehen. Die Sendungen seien nicht von X-Kurier an Post-Service weitergeleitet, sondern von Post-Service durch eigene Fahrer bzw. Fahrer der W-Post in der Poststelle abgeholt worden. Die Einspruchsentscheidung habe „Post-Service (bzw. ein Briefträger der W-Post)“ in den Briefkasten der Bevollmächtigten in T eingelegt.
53 
14. Die Bevollmächtigte übermittelt die ihr zugegangene Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021, die den Eingangsstempel „03. Aug. 2021“ trägt (Anlage zum Schriftsatz vom 13.1.2022, Gerichtsakte, Bl. 37 ff.). Der Stempel sei von ihr selbst aufgebracht und als Fristablauf der 3.9.2021 im Terminbuch eingetragen worden. Eine beglaubigte Kopie des Eintrags lege sie vor (Anlage zum Schriftsatz vom 13.1.2022, Gerichtsakte, Bl. 43). Dass die Einspruchsentscheidung erst am 3.8.2021 bei ihr eingegangen sei, werde anwaltlich versichert. Der Briefumschlag, mit dem die Einspruchsentscheidung übermittelt worden sei und der vom Berichterstatter angefordert wurde, sei nicht mehr vorhanden. Ein Posteingangsbuch werde nicht geführt. Hierzu seien Rechtsanwälte auch nicht verpflichtet (Gerichtsakte, Bl. 34).
54 
Soweit die Beklagte mitteile, dass die Einspruchsentscheidung am 29.7.2021 zur Post gegeben worden sei, werde dies mit Nichtwissen bestritten. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, ändere dies nichts daran, dass die Einspruchsentscheidung, aus welchen Gründen auch immer, erst am 3.8.2021 zugegangen sei. Wäre die Einspruchsentscheidung früher eingegangen, wäre dies entsprechend notiert worden. Für die Bevollmächtigte hätte es im Übrigen überhaupt keinen Sinn gemacht, den Eingang falsch zu datieren (Schriftsatz vom 13.1.2022, Gerichtsakte, Bl. 34).
55 
15. Sowohl der Kläger (Schriftsatz vom 24.2.2022, Gerichtsakte, Bl. 70) als auch die Beklagte (Schriftsatz vom 18.2.2022, Gerichtsakte, Bl. 68) haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
56 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (KiG-Akte) und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
57 
Die Klage hat Erfolg.
58 
1. Die Klage ist zulässig.
59 
Sie ist innerhalb der Klagefrist erhoben worden.
60 
Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
61 
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (sog. Dreitagesfiktion), außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
62 
Die Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 AO ist im Streitfall allerdings nicht anwendbar, um den Tag der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zu bestimmen.
63 
a) Zwar geht der Senat davon aus, dass die Einspruchsentscheidung von der Beklagten am 29.7.2021 (Donnerstag) zur Post aufgegeben wurde.
64 
Bei Anwendung der Dreitagesfiktion hat das FG das Datum der tatsächlichen Aufgabe zur Post von Amts wegen zu ermitteln und darüber zu entscheiden, ob der Bescheid an dem von der Finanzbehörde angegebenen Tag zur Post gegeben wurde (Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 54 m.w.N.)
65 
Insofern obliegt der Finanzbehörde eine Beweisvorsorge. Sie ist grundsätzlich zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet. Die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle reichen ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Vielmehr ist regelmäßig ein Absendevermerk der Poststelle erforderlich.
66 
Liegt -wie im Streitfall- kein Absendevermerk vor, kann die Finanzbehörde aber darlegen, wie der Ablauf der Postversendung gestaltet war und welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Gewähr für die Aufgabe der Sendung zur Post zu bieten (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9.12.2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824, Rn. 28; Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.11.2015  9 K 215/14, rkr., EFG 2016, 433, Rn. 27 f.; Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 55).
67 
Das FG hat dann auf dieser Grundlage nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält oder nicht. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar (BFH-Beschluss vom 26.1.2010 X B 147/09, BFH/NV 2010, 1081, Rn. 3). Verbleibende Zweifel gehen zulasten der Finanzbehörde (Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 55).
68 
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist der Senat davon überzeugt, dass die Einspruchsentscheidung am 29.7.2021 zu Post aufgegeben wurde. Die Schilderungen, dass die Einspruchsentscheidung am 28.7.2021 ausgedruckt durch Ablage zunächst im Postzimmer und am nächsten Tag durch Abholen durch einen Kurier (X-Kurier) in einer verschlossenen Postbox zur Poststelle gebracht wurde, sind nachvollziehbar und entsprechend dem Vorgehen in zahlreichen Behörden, wenn sich die Poststelle außerhalb der Behörde befindet. Auch hat die Beklagte glaubhaft dargelegt, dass die Post, sobald sie vom Kurierdienst in die Poststelle gebracht wird, stets noch am selben Tag versandt wird. Abweichungen von diesem grundsätzlichen Vorgehen am 29.7.2021 sind nicht geschildert worden und hätten auch, falls beispielsweise die gesamte zur Beförderung verwendete Postbox verzögert befördert worden wäre, eine größere Anzahl von Schriftstücken betroffen. Dies war offensichtlich nicht der Fall.
69 
b) Trotz einer aus Sicht des Senats gesicherten Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post ist aber nicht vom Zugang der Einspruchsentscheidung bei der Bevollmächtigten am 2.8.2021 auszugehen, weil die Zugangsfiktion erschüttert ist und die Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die Einspruchsentscheidung bereits am 2.8.2021 zuging.
70 
Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erstreckt sich zwar im Grundsatz auch auf schriftliche Verwaltungsakte, die durch lizenzierte private Postdienstleister -zu denen auch Post-Service gehört-- übermittelt werden. Zu beachten ist aber, dass im Rahmen deren Lizenzierung die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft wird. Daher ist grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den bei dem privaten Postdienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn neben dem privaten Zustelldienst ein weiteres Dienstleistungsunternehmen zwischengeschaltet wird. Insoweit kann die Einschaltung privater Postdienstleister bei der Frage von Bedeutung sein, ob die Zugangsvermutung als widerlegt gilt, weil hierdurch möglicherweise ein längerer Postlauf die Folge ist (BFH-Urteil vom 14.6.2018 III R 27/17, BStBl II 2019, 16, Rn. 14; FG Münster, Urteil vom 15.5.2019  13 K 3280/18 Kg, EFG 2019, 1156; Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 55).
71 
Vor diesem Hintergrund vermochte der Senat nicht zu seiner Überzeugung festzustellen, dass die Zustellung durch Post-Service mit einer gleich hohen Verlässlichkeit zu erwarten war wie bei einer Versendung im Rahmen eines Postuniversaldienstes.
72 
Zunächst ist festzustellen, dass Post-Service nicht § 2 der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) und den darin beschriebenen Qualitätsmerkmalen der Briefbeförderungen unterfällt (vgl. § 2 Nr. 3 PUDLV). Darin ändert auch der Umstand, dass Post-Service eine 100 %ige Tochter der W-Post, einem Post-Universaldienstleister, ist, nichts. Auch wurden die Qualitätsanforderung nach PUDLV nur teilweise -kraft des zwischen der BA und Post-Service geschlossenen Dienstleistungsvertrages- auf privatrechtlicher Grundlage vereinbart. Überdies hat es bislang keine externe Qualitätskontrolle der Dienstleistungen von Post-Service gegeben, um zu verifizieren, ob das vereinbarte Zustellungsziel „E+2“ eingehalten wird. Besonders gegen eine Anwendung der Dreitagesfiktion spricht allerdings, dass sich der Zustellungsweg ab der Übergabe der Sendungen an Post-Service in der Poststelle der BA in Z nicht weiter aufklären lässt („Interna der W-Post“, weiterer Postlauf „unbekannt“, vgl. Gerichtsakte, Bl. 110). So bleibt im Unklaren, ob Post-Service den Einwurf in den Briefkasten der Empfängerin selbst oder über die W-Post bewirkt hat. Letzterenfalls wäre eine (weitere) Übergabe der Sendung von Post-Service an die W-Post erforderlich gewesen. Unter diesen Umständen einer möglichen weiteren Übergabe der Sendungen (von Post-Service an die W-Post) lässt sich ein längerer Postlauf als die in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgesehen drei Tage nicht ausschließen.
73 
Ein späterer tatsächlicher Zugang, d.h. vorliegend statt des 2.8.2021 am 3.8.2021, ist deshalb nach Umständen des Streitfalls jedenfalls möglich. Da mithin Zweifel an dem von § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO unterstellten typischen Geschehensablauf verbleiben, greift die Zugangsfiktion nicht ein.
74 
Daher ging die Einspruchsentscheidung der Bevollmächtigten ausweislich ihres Posteingangsstempels erst am 3.8.2021 (Dienstag) zu. Damit begann die Klagefrist am 4.8.2021 zu laufen (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) und endete nach § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2, 1. Halbs. BGB am 3.9.2021 (Freitag), dem Tag des Eingangs der Klage beim FG Baden-Württemberg.
75 
2. Die Klage ist begründet.
76 
Die Aufhebungsbescheide vom 10.3.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
77 
a) Der Aufhebungsbescheid, mit dem die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von Dezember 2019 bis einschließlich März 2021 (rückwirkend) aufgehoben wurde, ist bereits mangels Änderungsnorm materiell rechtswidrig.
78 
aa) Zunächst kann dieser Aufhebungsbescheide nicht auf § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG gestützt werde.
79 
Nach dieser Vorschrift ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nur aufzuheben oder zu ändern, wenn und soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst aber nur Änderungen, die nach Ergehen des (ursprünglichen) Bescheides vom 30.1.2018 eintreten (BFH-Beschluss vom 24.5.2000 VI B 251/99, BFH/NV 2000, 1204, Rn. 9; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 70 Rn. 6).
80 
Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall aber nicht vor. Vielmehr begann der Rentenbezug vorliegend bereits am 1.2.2017 und lag damit vor dem Ergehen des Kindgeldfestsetzungsbescheides am 30.1.2018.
81 
bb) Die rückwirkende Aufhebung des Bescheids (zuletzt) vom 30.1.2018 kann im Streitfall auch nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO basieren (vgl. BFH-Urteil vom 14.5.2002 VIII R 67/01, BFH/NV 2002, 1294, Rn. 20; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 70 Rn. 8 m.w.N. - keine Sperrwirkung von § 70 Abs. 2 EStG).
82 
Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide (nur) aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden (§ 155 Abs. 5 AO). Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG).
83 
Im Streitfall hat die Beklagte aber nicht nachträglich, d.h. erst nach Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 30.1.2018, sondern zuvor von der Rente des Kindes Kenntnis erlangt. Bereits mit Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen eines über 18 Jahre alten Kindes mit Behinderung für das Jahr 2016 vom 30.11.2017 hatte der Kläger mitgeteilt, dass das Kind seit 1.2.2017 eine Rente von 1.000 Euro pro Monat beziehe (Ziffern 7 und 8, KiG-Akte, Bl. 33). Zudem findet sich als Anlage eine die näheren Umstände der Rente erläuternder handschriftlicher Vermerk des Klägers in der Kindergeldakte, die bei der Beklagten jeweils bereits am 6.12.2017 eingegangen waren (Bl. 36 f.). Gleichzeitig hatte der Kläger ferner angegeben, dass das Kind --wie in den Vorjahren- Einnahmen aus Kapitalvermögen vereinnahmt habe (Ziffer 6; KiG-Akte, Bl. 33).
84 
Damit ist der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid bereits aufgrund einer fehlenden Änderungsnorm rechtswidrig und aufzuheben.
85 
Im Übrigen ist dieser Aufhebungsbescheid aber auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger im Streitzeitraum kindergeldberechtigt war (vgl. im Folgenden).
86 
b) Der Bescheid, mit dem die Kindergeldfestsetzung ab April 2021 (für die Zukunft) aufgehoben wurde, ist ebenfalls rechtswidrig.
87 
Materielle Fehler der letzten Festsetzung können zwar nach § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat (und damit für die Zukunft) beseitigt werden. Der Kläger hat vielmehr gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Kalendermonate Dezember 2019 bis Juli 2021 (dem Streitzeitraum) Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn.
88 
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG wird ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (vgl. § 52 Abs. 32 Satz 1 EStG).
89 
aa) Der im Streitfall maßgebliche Streitzeitraum umfasst deshalb die Kalendermonate Dezember 2019 bis Juli 2021, weil die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Dezember 2019 und die folgenden Kalendermonate aufgehoben hat. Da die Familienkasse im Falle eines Aufhebungsbescheids eine Regelung des Kindergeldanspruchs aber längstens bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung -im Streitfall: im Juli 2021- treffen kann, endet der Streitzeitraum Ende Juli 2021 (BFH-Urteil vom 22.12.2011 III R 41/07, BStBl II 2012, 681, Rn. 41 und Rn. 44).
90 
bb) Unstreitig ist das Kind seelisch behindert. Die Behinderung trat vor Vollendung des 25. Lebensjahres -vorliegend vor Vollendung des 20. Lebensjahres- ein. Aufgrund dessen ist es nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten.
91 
Vor Vollendung des 25. Lebensjahres muss nur die Behinderung, nicht jedoch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt eingetreten sein (BFH-Urteil vom 9.6.2011 III R 61/08, BStBl II 2012, 141, Rn. 11 ff.). Ob sich ein Kind selbst unterhalten kann, wird anhand einer monatsweise durchzuführenden Vergleichsrechnung ermittelt (BFH-Urteil vom 27.11.2019 III R 28/17, BStBl II 2021, 807, Rn. 16 und vom 8.8.2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rn. 15).
92 
Hierbei sind zwei Bezugsgrößen gegenüberzustellen, nämlich einerseits der gesamte existenzielle Lebensbedarf des behinderten Kindes, welcher sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammensetzt, und andererseits die verfügbaren finanziellen Mittel des Kindes, zu welchen nicht nur dessen Einkünfte und Bezüge, sondern auch Leistungen Dritter gehören. Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit der Mittel ist, dass sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet sind (BFH-Urteile vom 27.11.2019 III R 28/17, BStBl II 2021, 807, Rn. 16 und 13.4.2016 III R 28/15, BStBl II 2016, 648, Rn. 17).
93 
cc) Danach sind im Streitfall auf der Bedarfsseite des Kindes folgende Positionen anzusetzen:
94 
(1) Zunächst ist der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, denn zur Bemessung des Grundbedarfs ist aufgrund des sich am Existenzminimum orientierenden Unterhaltsbedarfs des Kindes an diesen anzuknüpfen (BFH-Urteil vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl II 2016, 648, Rn. 12).
95 
Das waren im Veranlagungszeitraum 2019 9.168 Euro (monatlich 764 Euro), im Veranlagungszeitraum 2020 9.408 Euro (monatlich 784 Euro) und im Veranlagungszeitraum 2021 9.744 Euro (monatlich 812 Euro).
96 
(2) Der zusätzliche behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu zählen insbesondere auch solche für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens. Zu diesen gehören alle mit einer Behinderung unmittelbar und typischerweise zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung und Erschwernisaufwendungen (BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, Rn. 15). Erbringt der Steuerpflichtige -so wie vorliegend der Kläger-- keinen Einzelnachweis dieser Aufwendungen, kann der jeweils maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 EStG als Anhaltspunkt für den behinderungsbedingten Mehrbedarf dienen (BFH-Urteil vom 19.11.2008 III R 105/07, BStBl II 2010, 1057, Rn. 16).
97 
Aufgrund der rückwirkenden Feststellung eines GdB des Kindes seit dem 1.1.2018 i.H. von 80 (Gerichtsakte, Bl. 45) findet in den Jahren 2019 und 2020 ein Behinderten-Pauschbetrag von 1.060 Euro (monatlich 88,33 Euro) und in 2021 von 2.120 Euro (monatlich 176,67 Euro) Anwendung.
98 
dd) Auf der Seite der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel ist nach Auffassung des Senats (neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen (a.A. BZSt, DA-KG vom 17.9.2021, BStBl I 2021, 1599, A 19.5.3 Abs. 3 Satz 3).
99 
Hinsichtlich der in die Vergleichsrechnung einzustellenden, dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel wird -in Anlehnung an die in § 32 Abs. 4 Satz 2 a.F. EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung verwendeten Begriffe-- auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes abgestellt (Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand Februar 2022, § 32 Rn. 118 m.w.N.) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist dessen Vermögen nicht zu berücksichtigen. Hätte der Gesetzgeber die Einbeziehung von Kindesvermögen im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG beabsichtigt, hätte es nahe gelegen, dies -wie in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG geschehen- in der Vorschrift selbst unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen und zugleich zu regeln, unter welchen Voraussetzungen das Vermögen berücksichtigt werden soll (BFH-Urteile vom 19.8.2002 VIII R 17/02, BStBl II 2003, 88, Rn. 19 ff. und VIII R 51/01, BStBl II 2003, 91; Bundeszentralamt für Steuern -BZSt-, Dienstanweisung zum Kindergeld vom 17.9.2021 -DA-KG-, BStBl I 2021, 1599, A 19.4 Abs. 2 Satz 3, Halbs. 2).
100 
Zum (unschädlichen) eigenen Kindesvermögen zählen auch laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter Seite, die der Kapitalanlage dienen (BFH-Urteil vom 28.1.2004 VIII R 21/02, BStBl II 2004, 555; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand Februar 2022, § 32 Rn. 118; Bauhaus in Korn, EStG, Stand Mai 2017, § 32 Rn. 74; Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, § 32 Rn. 21). Auch wenn ein behindertes Kind Arbeitslohn von einer Kapitalgesellschaft erhält, bei der der Kindsvater als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig ist, so kann der Teil des Arbeitslohnes, den ein fremder Dritter in der Situation des Kindes bei entsprechender Anstellung bei der Kapitalgesellschaft nicht erhalten hätte, eine verdeckte Gewinnausschüttung sein. Dieser Betrag ist dann nicht zu den Einkünften und Bezügen des Kindes zu rechnen, sondern stellt eine unbeachtliche unentgeltliche Zuwendung dar (BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, Rn. 18). Zudem ist eine einmalige Kapitalleistung aus einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht bei der Prüfung, ob das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ebenfalls nicht zu berücksichtigen, wenn es sich nicht um eine Zuwendung von dritter Seite, sondern um eine Vermögensübertragung von Eltern auf ihre Kinder handelt (FG München, Urteil vom 21.7.2020  12 K 2928/19, juris - Revision beim BFH unter III R 48/20 - im Urteilsfall hatte die Mutter für ihr behindertes Kind eine Rentenversicherung abgeschlossen und die Versicherungsbeiträge getragen; Loschelder in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 32 Rn. 52).
101 
Generell sind Unterhaltsleistungen und Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder unbeachtlich, weil insofern keine Geldzuflüsse „von außen" vorliegen. Dies gilt insbesondere für Schenkungen und Zuwendungen der Eltern von Todes wegen. Dieses Ergebnis vermeidet rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn der Nachlass keine oder nur geringe liquide Mittel enthält, die das Kind für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einsetzen könnte. Es braucht daher nicht im Einzelfall entschieden zu werden, in welchem Umfang ein Kind gehalten ist, ererbte liquide Mittel zu verbrauchen, ebenso wenig, ob es verpflichtet ist, nicht liquide Nachlassgegenstände zu verwerten (BFH-Urteil vom 4.8.2011 III R 22/10, BStBl II 2012, 337, Rn. 11 bis 13 zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.).
102 
c) Vor diesem Hintergrund darf es im Hinblick auf die Kindergeldberechtigung keinen Unterschied machen, wie das Kind mit ererbten Vermögen verfährt. Hätte das Kind im Streitfall die von Todes wegen zugewandten 379.825,58 Euro sukzessive (von seinem Konto) verbraucht, hätte die Kindergeldberechtigung -auch aus Sicht der Beklagten- nicht in Zweifel gestanden. Lediglich die laufenden Kapitalerträge aus einer möglichen Verzinsung durch die kontoführende Bank wären als zur Verfügung stehende Mittel des Kindes zu berücksichtigen gewesen.
103 
Nichts anderes kann gelten, wenn das Kind vorliegend den von der Kindsmutter zugewandten Geldbetrag von (abgerundet) 379.820 Euro aufgestockt um eigene Mittel i.H. von 20.180 Euro in eine private Rentenversicherung einzahlt. Denn diese Gestaltung dient lediglich dazu, um einer Festlegung der Kindsmutter zu entsprechen und aufgrund der kontinuierlichen Zahlungen eine bessere Planbarkeit der finanziellen Situation des Kindes sicherzustellen. Die monatlichen Rentenzahlungen stellen, soweit sie deren (steuerpflichtigen) Ertragsanteil übersteigen, lediglich eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Insofern beruhen sie nämlich auf der bloßen Auszahlung des zuvor eingezahlten Kapitalstammes der zum Großteil durch die Kindsmutter (aufgrund einer unbeachtlichen unentgeltlichen Vermögensübertragung von der Mutter auf das Kind) und im Übrigen durch das Kind bereitgestellt wurde. Nur soweit aus der Vermögensanlage Erträge erzielt werden, liegen berücksichtigungsfähige Einkünfte vor. Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG beträgt der Ertragsanteil 26 %, da das Kind bei Beginn der Rentenzahlungen (1.2.2017) das 55. Lebensjahr vollendet hatte. Der Ertragsanteil wird einmalig zum Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Rente ermittelt und in den Folgejahren unverändert bis zum Ende der Zahlungen fortgeführt. Erhöhungen der Rentenzahlung bei geplanter Überschussbeteiligung (Bonusrente) sind Erträge dieser Rente und kein neuer Ertragsanteil (BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 47/09, BStBl II 2013, 158; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 22 Rn. 96).
104 
Der zu berücksichtigende Ertragsanteil ist um den Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG i. H. von 102 Euro (monatlich 8,50 Euro) zu kürzen, da es sich im Umfang des Ertragsanteils um sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG handelt (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2019 III R 28/17, BStBl II 2021, 807, Rn. 22 m.w.N.).
105 
d) Die Kapitalerträge des Kindes sind um den Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG i.H. von 801 Euro zu mindern. Der Sparer-Pauschbetrag ist eine zulässige Typisierung dergestalt, dass in unteren Einkommensgruppen in der Regel keine höheren Werbungskosten anfallen und dadurch der ausgeschlossene Werbungskostenabzug kompensiert wird (BFH-Urteil vom 1.7.2014 VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975, Rn. 11). Vor diesem Hintergrund muss er --ebenso wie die Werbungskosten-Pauschbeträge nach § 9a EStG bei den entsprechenden Einkünften des Kindes zu berücksichtigen sind-- bei der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte des Kindes aus Kapitalvermögen abgezogen werden (a.A. BZSt, DA-KG vom 17.9.2021, BStBl I 2021, 1599, A 19.5 Satz 1, drittes Tiret).
106 
e) Demnach stellen sich der Bedarf und die zur Verfügung stehenden Mittel des Kindes wie folgt dar. Dabei kann der Senat von einer monatsweisen Darstellung absehen, da sich sowohl die Einkünfte und Bezüge als auch die notwendigen Aufwendungen des Kindes gleichmäßig auf die Monate der jeweiligen Jahre verteilen:
107 
Notwendiger Lebensbedarf
Kindeseigene Mittel
                                   
2019   
                          
                                   
Grundbedarf
9.168 Euro
Rente (Ertragsanteil)
3.220,68 Euro
                 
WK-PB 
- 102 Euro
Mehrbedarf
1.060 Euro
Kapitaleinkünfte (mit Abzug des Sparer-PB)
3.764,14 Euro
                 
KV/PV (Basisabsicherung)
- 635,28 Euro
                                   
Summe 
10.228 Euro
        
6.247,54 Euro
                                   
2020   
                          
                                   
Grundbedarf
9.408 Euro
Rente (Ertragsanteil)
3.411,48 Euro
                 
WK-PB 
- 102 Euro
Mehrbedarf
1.060 Euro
Kapitaleinkünfte (mit Abzug des Sparer-PB)
3.603,72 Euro
                 
KV/PV (Basisabsicherung)
- 793,35 Euro
                                   
Summe 
10.468 Euro
        
6.119,85 Euro
                                   
2021   
                          
                                   
Grundbedarf
9.744 Euro
Rente (Ertragsanteil)
3.574,32 Euro
                 
WK-PB 
- 102 Euro
Mehrbedarf
2.120 Euro
Kapitaleinkünfte (mit Abzug Sparer-PB) - geschätzt
3.599 Euro
                 
KV/PV (Basisabsicherung)
- 949,93 Euro
                                   
Summe 
11.864 Euro
        
6.121,39 Euro
108 
Der existenzielle Lebensbedarf des Kindes wird damit im Streitzeitraum nicht durch die zur Verfügung stehenden Mittel gedeckt, so dass das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheidet unstreitig aufgrund der vorliegenden Behinderung des Kindes aus.
109 
3. Durch die gerichtliche Kassation der Aufhebungsbescheide vom 10.3.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 lebt der Bescheid vom 30.1.2018, in dem Kindergeld ab Dezember 2018 festgesetzt wurde, wieder auf (BFH-Urteil vom 3.7.2014 III R 53/13, BStBl II 2015, 282, Rn. 10).
110 
4. Der Senat entscheidet aufgrund des Einverständnisses des Beteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
111 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
112 
6. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob der Bezug einer privaten Rente, deren Kapitalstamm mit Zuwendungen der Kindsmutter und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert wurde, in voller Höhe oder nur mit dem steuerpflichtigen Ertragsanteil bei den kindeseigenen Mitteln im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist (vgl. auch FG München, Urteil vom 21.7.2020 12 K 2928/19, juris - Revision beim BFH unter III R 48/20).

Gründe

 
57 
Die Klage hat Erfolg.
58 
1. Die Klage ist zulässig.
59 
Sie ist innerhalb der Klagefrist erhoben worden.
60 
Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
61 
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (sog. Dreitagesfiktion), außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
62 
Die Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 AO ist im Streitfall allerdings nicht anwendbar, um den Tag der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zu bestimmen.
63 
a) Zwar geht der Senat davon aus, dass die Einspruchsentscheidung von der Beklagten am 29.7.2021 (Donnerstag) zur Post aufgegeben wurde.
64 
Bei Anwendung der Dreitagesfiktion hat das FG das Datum der tatsächlichen Aufgabe zur Post von Amts wegen zu ermitteln und darüber zu entscheiden, ob der Bescheid an dem von der Finanzbehörde angegebenen Tag zur Post gegeben wurde (Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 54 m.w.N.)
65 
Insofern obliegt der Finanzbehörde eine Beweisvorsorge. Sie ist grundsätzlich zu einer wirksamen Postausgangskontrolle verpflichtet. Die einfache Zuleitung oder kommentarlose Übergabe des jeweiligen Schriftstücks an die amtsinterne Postausgangsstelle reichen ebenso wenig aus wie ein bloßer Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet. Vielmehr ist regelmäßig ein Absendevermerk der Poststelle erforderlich.
66 
Liegt -wie im Streitfall- kein Absendevermerk vor, kann die Finanzbehörde aber darlegen, wie der Ablauf der Postversendung gestaltet war und welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Gewähr für die Aufgabe der Sendung zur Post zu bieten (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9.12.2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824, Rn. 28; Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.11.2015  9 K 215/14, rkr., EFG 2016, 433, Rn. 27 f.; Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 55).
67 
Das FG hat dann auf dieser Grundlage nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu beurteilen, ob es die rechtzeitige Absendung für nachgewiesen hält oder nicht. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar (BFH-Beschluss vom 26.1.2010 X B 147/09, BFH/NV 2010, 1081, Rn. 3). Verbleibende Zweifel gehen zulasten der Finanzbehörde (Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 55).
68 
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist der Senat davon überzeugt, dass die Einspruchsentscheidung am 29.7.2021 zu Post aufgegeben wurde. Die Schilderungen, dass die Einspruchsentscheidung am 28.7.2021 ausgedruckt durch Ablage zunächst im Postzimmer und am nächsten Tag durch Abholen durch einen Kurier (X-Kurier) in einer verschlossenen Postbox zur Poststelle gebracht wurde, sind nachvollziehbar und entsprechend dem Vorgehen in zahlreichen Behörden, wenn sich die Poststelle außerhalb der Behörde befindet. Auch hat die Beklagte glaubhaft dargelegt, dass die Post, sobald sie vom Kurierdienst in die Poststelle gebracht wird, stets noch am selben Tag versandt wird. Abweichungen von diesem grundsätzlichen Vorgehen am 29.7.2021 sind nicht geschildert worden und hätten auch, falls beispielsweise die gesamte zur Beförderung verwendete Postbox verzögert befördert worden wäre, eine größere Anzahl von Schriftstücken betroffen. Dies war offensichtlich nicht der Fall.
69 
b) Trotz einer aus Sicht des Senats gesicherten Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post ist aber nicht vom Zugang der Einspruchsentscheidung bei der Bevollmächtigten am 2.8.2021 auszugehen, weil die Zugangsfiktion erschüttert ist und die Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass die Einspruchsentscheidung bereits am 2.8.2021 zuging.
70 
Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO erstreckt sich zwar im Grundsatz auch auf schriftliche Verwaltungsakte, die durch lizenzierte private Postdienstleister -zu denen auch Post-Service gehört-- übermittelt werden. Zu beachten ist aber, dass im Rahmen deren Lizenzierung die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft wird. Daher ist grundsätzlich zu ermitteln, ob nach den bei dem privaten Postdienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn neben dem privaten Zustelldienst ein weiteres Dienstleistungsunternehmen zwischengeschaltet wird. Insoweit kann die Einschaltung privater Postdienstleister bei der Frage von Bedeutung sein, ob die Zugangsvermutung als widerlegt gilt, weil hierdurch möglicherweise ein längerer Postlauf die Folge ist (BFH-Urteil vom 14.6.2018 III R 27/17, BStBl II 2019, 16, Rn. 14; FG Münster, Urteil vom 15.5.2019  13 K 3280/18 Kg, EFG 2019, 1156; Ratschow in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 122 Rn. 55).
71 
Vor diesem Hintergrund vermochte der Senat nicht zu seiner Überzeugung festzustellen, dass die Zustellung durch Post-Service mit einer gleich hohen Verlässlichkeit zu erwarten war wie bei einer Versendung im Rahmen eines Postuniversaldienstes.
72 
Zunächst ist festzustellen, dass Post-Service nicht § 2 der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) und den darin beschriebenen Qualitätsmerkmalen der Briefbeförderungen unterfällt (vgl. § 2 Nr. 3 PUDLV). Darin ändert auch der Umstand, dass Post-Service eine 100 %ige Tochter der W-Post, einem Post-Universaldienstleister, ist, nichts. Auch wurden die Qualitätsanforderung nach PUDLV nur teilweise -kraft des zwischen der BA und Post-Service geschlossenen Dienstleistungsvertrages- auf privatrechtlicher Grundlage vereinbart. Überdies hat es bislang keine externe Qualitätskontrolle der Dienstleistungen von Post-Service gegeben, um zu verifizieren, ob das vereinbarte Zustellungsziel „E+2“ eingehalten wird. Besonders gegen eine Anwendung der Dreitagesfiktion spricht allerdings, dass sich der Zustellungsweg ab der Übergabe der Sendungen an Post-Service in der Poststelle der BA in Z nicht weiter aufklären lässt („Interna der W-Post“, weiterer Postlauf „unbekannt“, vgl. Gerichtsakte, Bl. 110). So bleibt im Unklaren, ob Post-Service den Einwurf in den Briefkasten der Empfängerin selbst oder über die W-Post bewirkt hat. Letzterenfalls wäre eine (weitere) Übergabe der Sendung von Post-Service an die W-Post erforderlich gewesen. Unter diesen Umständen einer möglichen weiteren Übergabe der Sendungen (von Post-Service an die W-Post) lässt sich ein längerer Postlauf als die in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgesehen drei Tage nicht ausschließen.
73 
Ein späterer tatsächlicher Zugang, d.h. vorliegend statt des 2.8.2021 am 3.8.2021, ist deshalb nach Umständen des Streitfalls jedenfalls möglich. Da mithin Zweifel an dem von § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO unterstellten typischen Geschehensablauf verbleiben, greift die Zugangsfiktion nicht ein.
74 
Daher ging die Einspruchsentscheidung der Bevollmächtigten ausweislich ihres Posteingangsstempels erst am 3.8.2021 (Dienstag) zu. Damit begann die Klagefrist am 4.8.2021 zu laufen (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) und endete nach § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2, 1. Halbs. BGB am 3.9.2021 (Freitag), dem Tag des Eingangs der Klage beim FG Baden-Württemberg.
75 
2. Die Klage ist begründet.
76 
Die Aufhebungsbescheide vom 10.3.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
77 
a) Der Aufhebungsbescheid, mit dem die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von Dezember 2019 bis einschließlich März 2021 (rückwirkend) aufgehoben wurde, ist bereits mangels Änderungsnorm materiell rechtswidrig.
78 
aa) Zunächst kann dieser Aufhebungsbescheide nicht auf § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG gestützt werde.
79 
Nach dieser Vorschrift ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nur aufzuheben oder zu ändern, wenn und soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst aber nur Änderungen, die nach Ergehen des (ursprünglichen) Bescheides vom 30.1.2018 eintreten (BFH-Beschluss vom 24.5.2000 VI B 251/99, BFH/NV 2000, 1204, Rn. 9; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 70 Rn. 6).
80 
Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall aber nicht vor. Vielmehr begann der Rentenbezug vorliegend bereits am 1.2.2017 und lag damit vor dem Ergehen des Kindgeldfestsetzungsbescheides am 30.1.2018.
81 
bb) Die rückwirkende Aufhebung des Bescheids (zuletzt) vom 30.1.2018 kann im Streitfall auch nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO basieren (vgl. BFH-Urteil vom 14.5.2002 VIII R 67/01, BFH/NV 2002, 1294, Rn. 20; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 70 Rn. 8 m.w.N. - keine Sperrwirkung von § 70 Abs. 2 EStG).
82 
Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide (nur) aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden (§ 155 Abs. 5 AO). Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG).
83 
Im Streitfall hat die Beklagte aber nicht nachträglich, d.h. erst nach Festsetzung des Kindergeldes mit Bescheid vom 30.1.2018, sondern zuvor von der Rente des Kindes Kenntnis erlangt. Bereits mit Erklärung zum verfügbaren Nettoeinkommen eines über 18 Jahre alten Kindes mit Behinderung für das Jahr 2016 vom 30.11.2017 hatte der Kläger mitgeteilt, dass das Kind seit 1.2.2017 eine Rente von 1.000 Euro pro Monat beziehe (Ziffern 7 und 8, KiG-Akte, Bl. 33). Zudem findet sich als Anlage eine die näheren Umstände der Rente erläuternder handschriftlicher Vermerk des Klägers in der Kindergeldakte, die bei der Beklagten jeweils bereits am 6.12.2017 eingegangen waren (Bl. 36 f.). Gleichzeitig hatte der Kläger ferner angegeben, dass das Kind --wie in den Vorjahren- Einnahmen aus Kapitalvermögen vereinnahmt habe (Ziffer 6; KiG-Akte, Bl. 33).
84 
Damit ist der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid bereits aufgrund einer fehlenden Änderungsnorm rechtswidrig und aufzuheben.
85 
Im Übrigen ist dieser Aufhebungsbescheid aber auch deshalb rechtswidrig, weil der Kläger im Streitzeitraum kindergeldberechtigt war (vgl. im Folgenden).
86 
b) Der Bescheid, mit dem die Kindergeldfestsetzung ab April 2021 (für die Zukunft) aufgehoben wurde, ist ebenfalls rechtswidrig.
87 
Materielle Fehler der letzten Festsetzung können zwar nach § 70 Abs. 3 Satz 1 EStG durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat (und damit für die Zukunft) beseitigt werden. Der Kläger hat vielmehr gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Kalendermonate Dezember 2019 bis Juli 2021 (dem Streitzeitraum) Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn.
88 
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG wird ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (vgl. § 52 Abs. 32 Satz 1 EStG).
89 
aa) Der im Streitfall maßgebliche Streitzeitraum umfasst deshalb die Kalendermonate Dezember 2019 bis Juli 2021, weil die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Dezember 2019 und die folgenden Kalendermonate aufgehoben hat. Da die Familienkasse im Falle eines Aufhebungsbescheids eine Regelung des Kindergeldanspruchs aber längstens bis zu dem Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung -im Streitfall: im Juli 2021- treffen kann, endet der Streitzeitraum Ende Juli 2021 (BFH-Urteil vom 22.12.2011 III R 41/07, BStBl II 2012, 681, Rn. 41 und Rn. 44).
90 
bb) Unstreitig ist das Kind seelisch behindert. Die Behinderung trat vor Vollendung des 25. Lebensjahres -vorliegend vor Vollendung des 20. Lebensjahres- ein. Aufgrund dessen ist es nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten.
91 
Vor Vollendung des 25. Lebensjahres muss nur die Behinderung, nicht jedoch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt eingetreten sein (BFH-Urteil vom 9.6.2011 III R 61/08, BStBl II 2012, 141, Rn. 11 ff.). Ob sich ein Kind selbst unterhalten kann, wird anhand einer monatsweise durchzuführenden Vergleichsrechnung ermittelt (BFH-Urteil vom 27.11.2019 III R 28/17, BStBl II 2021, 807, Rn. 16 und vom 8.8.2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rn. 15).
92 
Hierbei sind zwei Bezugsgrößen gegenüberzustellen, nämlich einerseits der gesamte existenzielle Lebensbedarf des behinderten Kindes, welcher sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammensetzt, und andererseits die verfügbaren finanziellen Mittel des Kindes, zu welchen nicht nur dessen Einkünfte und Bezüge, sondern auch Leistungen Dritter gehören. Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit der Mittel ist, dass sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet sind (BFH-Urteile vom 27.11.2019 III R 28/17, BStBl II 2021, 807, Rn. 16 und 13.4.2016 III R 28/15, BStBl II 2016, 648, Rn. 17).
93 
cc) Danach sind im Streitfall auf der Bedarfsseite des Kindes folgende Positionen anzusetzen:
94 
(1) Zunächst ist der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, denn zur Bemessung des Grundbedarfs ist aufgrund des sich am Existenzminimum orientierenden Unterhaltsbedarfs des Kindes an diesen anzuknüpfen (BFH-Urteil vom 13.4.2016 III R 28/15, BStBl II 2016, 648, Rn. 12).
95 
Das waren im Veranlagungszeitraum 2019 9.168 Euro (monatlich 764 Euro), im Veranlagungszeitraum 2020 9.408 Euro (monatlich 784 Euro) und im Veranlagungszeitraum 2021 9.744 Euro (monatlich 812 Euro).
96 
(2) Der zusätzliche behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu zählen insbesondere auch solche für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens. Zu diesen gehören alle mit einer Behinderung unmittelbar und typischerweise zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Wäsche, Hilfeleistungen, Erholung und Erschwernisaufwendungen (BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, Rn. 15). Erbringt der Steuerpflichtige -so wie vorliegend der Kläger-- keinen Einzelnachweis dieser Aufwendungen, kann der jeweils maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 EStG als Anhaltspunkt für den behinderungsbedingten Mehrbedarf dienen (BFH-Urteil vom 19.11.2008 III R 105/07, BStBl II 2010, 1057, Rn. 16).
97 
Aufgrund der rückwirkenden Feststellung eines GdB des Kindes seit dem 1.1.2018 i.H. von 80 (Gerichtsakte, Bl. 45) findet in den Jahren 2019 und 2020 ein Behinderten-Pauschbetrag von 1.060 Euro (monatlich 88,33 Euro) und in 2021 von 2.120 Euro (monatlich 176,67 Euro) Anwendung.
98 
dd) Auf der Seite der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel ist nach Auffassung des Senats (neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen (a.A. BZSt, DA-KG vom 17.9.2021, BStBl I 2021, 1599, A 19.5.3 Abs. 3 Satz 3).
99 
Hinsichtlich der in die Vergleichsrechnung einzustellenden, dem Kind zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel wird -in Anlehnung an die in § 32 Abs. 4 Satz 2 a.F. EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung verwendeten Begriffe-- auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes abgestellt (Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand Februar 2022, § 32 Rn. 118 m.w.N.) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist dessen Vermögen nicht zu berücksichtigen. Hätte der Gesetzgeber die Einbeziehung von Kindesvermögen im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG beabsichtigt, hätte es nahe gelegen, dies -wie in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG geschehen- in der Vorschrift selbst unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen und zugleich zu regeln, unter welchen Voraussetzungen das Vermögen berücksichtigt werden soll (BFH-Urteile vom 19.8.2002 VIII R 17/02, BStBl II 2003, 88, Rn. 19 ff. und VIII R 51/01, BStBl II 2003, 91; Bundeszentralamt für Steuern -BZSt-, Dienstanweisung zum Kindergeld vom 17.9.2021 -DA-KG-, BStBl I 2021, 1599, A 19.4 Abs. 2 Satz 3, Halbs. 2).
100 
Zum (unschädlichen) eigenen Kindesvermögen zählen auch laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter Seite, die der Kapitalanlage dienen (BFH-Urteil vom 28.1.2004 VIII R 21/02, BStBl II 2004, 555; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand Februar 2022, § 32 Rn. 118; Bauhaus in Korn, EStG, Stand Mai 2017, § 32 Rn. 74; Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, § 32 Rn. 21). Auch wenn ein behindertes Kind Arbeitslohn von einer Kapitalgesellschaft erhält, bei der der Kindsvater als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig ist, so kann der Teil des Arbeitslohnes, den ein fremder Dritter in der Situation des Kindes bei entsprechender Anstellung bei der Kapitalgesellschaft nicht erhalten hätte, eine verdeckte Gewinnausschüttung sein. Dieser Betrag ist dann nicht zu den Einkünften und Bezügen des Kindes zu rechnen, sondern stellt eine unbeachtliche unentgeltliche Zuwendung dar (BFH-Urteil vom 14.12.2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090, Rn. 18). Zudem ist eine einmalige Kapitalleistung aus einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht bei der Prüfung, ob das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ebenfalls nicht zu berücksichtigen, wenn es sich nicht um eine Zuwendung von dritter Seite, sondern um eine Vermögensübertragung von Eltern auf ihre Kinder handelt (FG München, Urteil vom 21.7.2020  12 K 2928/19, juris - Revision beim BFH unter III R 48/20 - im Urteilsfall hatte die Mutter für ihr behindertes Kind eine Rentenversicherung abgeschlossen und die Versicherungsbeiträge getragen; Loschelder in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 32 Rn. 52).
101 
Generell sind Unterhaltsleistungen und Vermögensübertragungen von Eltern auf ihre Kinder unbeachtlich, weil insofern keine Geldzuflüsse „von außen" vorliegen. Dies gilt insbesondere für Schenkungen und Zuwendungen der Eltern von Todes wegen. Dieses Ergebnis vermeidet rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn der Nachlass keine oder nur geringe liquide Mittel enthält, die das Kind für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einsetzen könnte. Es braucht daher nicht im Einzelfall entschieden zu werden, in welchem Umfang ein Kind gehalten ist, ererbte liquide Mittel zu verbrauchen, ebenso wenig, ob es verpflichtet ist, nicht liquide Nachlassgegenstände zu verwerten (BFH-Urteil vom 4.8.2011 III R 22/10, BStBl II 2012, 337, Rn. 11 bis 13 zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.).
102 
c) Vor diesem Hintergrund darf es im Hinblick auf die Kindergeldberechtigung keinen Unterschied machen, wie das Kind mit ererbten Vermögen verfährt. Hätte das Kind im Streitfall die von Todes wegen zugewandten 379.825,58 Euro sukzessive (von seinem Konto) verbraucht, hätte die Kindergeldberechtigung -auch aus Sicht der Beklagten- nicht in Zweifel gestanden. Lediglich die laufenden Kapitalerträge aus einer möglichen Verzinsung durch die kontoführende Bank wären als zur Verfügung stehende Mittel des Kindes zu berücksichtigen gewesen.
103 
Nichts anderes kann gelten, wenn das Kind vorliegend den von der Kindsmutter zugewandten Geldbetrag von (abgerundet) 379.820 Euro aufgestockt um eigene Mittel i.H. von 20.180 Euro in eine private Rentenversicherung einzahlt. Denn diese Gestaltung dient lediglich dazu, um einer Festlegung der Kindsmutter zu entsprechen und aufgrund der kontinuierlichen Zahlungen eine bessere Planbarkeit der finanziellen Situation des Kindes sicherzustellen. Die monatlichen Rentenzahlungen stellen, soweit sie deren (steuerpflichtigen) Ertragsanteil übersteigen, lediglich eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Insofern beruhen sie nämlich auf der bloßen Auszahlung des zuvor eingezahlten Kapitalstammes der zum Großteil durch die Kindsmutter (aufgrund einer unbeachtlichen unentgeltlichen Vermögensübertragung von der Mutter auf das Kind) und im Übrigen durch das Kind bereitgestellt wurde. Nur soweit aus der Vermögensanlage Erträge erzielt werden, liegen berücksichtigungsfähige Einkünfte vor. Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG beträgt der Ertragsanteil 26 %, da das Kind bei Beginn der Rentenzahlungen (1.2.2017) das 55. Lebensjahr vollendet hatte. Der Ertragsanteil wird einmalig zum Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen Rente ermittelt und in den Folgejahren unverändert bis zum Ende der Zahlungen fortgeführt. Erhöhungen der Rentenzahlung bei geplanter Überschussbeteiligung (Bonusrente) sind Erträge dieser Rente und kein neuer Ertragsanteil (BFH-Urteil vom 22.8.2012 X R 47/09, BStBl II 2013, 158; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 41. Aufl., 2022, § 22 Rn. 96).
104 
Der zu berücksichtigende Ertragsanteil ist um den Werbungskostenpauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG i. H. von 102 Euro (monatlich 8,50 Euro) zu kürzen, da es sich im Umfang des Ertragsanteils um sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG handelt (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2019 III R 28/17, BStBl II 2021, 807, Rn. 22 m.w.N.).
105 
d) Die Kapitalerträge des Kindes sind um den Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG i.H. von 801 Euro zu mindern. Der Sparer-Pauschbetrag ist eine zulässige Typisierung dergestalt, dass in unteren Einkommensgruppen in der Regel keine höheren Werbungskosten anfallen und dadurch der ausgeschlossene Werbungskostenabzug kompensiert wird (BFH-Urteil vom 1.7.2014 VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975, Rn. 11). Vor diesem Hintergrund muss er --ebenso wie die Werbungskosten-Pauschbeträge nach § 9a EStG bei den entsprechenden Einkünften des Kindes zu berücksichtigen sind-- bei der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte des Kindes aus Kapitalvermögen abgezogen werden (a.A. BZSt, DA-KG vom 17.9.2021, BStBl I 2021, 1599, A 19.5 Satz 1, drittes Tiret).
106 
e) Demnach stellen sich der Bedarf und die zur Verfügung stehenden Mittel des Kindes wie folgt dar. Dabei kann der Senat von einer monatsweisen Darstellung absehen, da sich sowohl die Einkünfte und Bezüge als auch die notwendigen Aufwendungen des Kindes gleichmäßig auf die Monate der jeweiligen Jahre verteilen:
107 
Notwendiger Lebensbedarf
Kindeseigene Mittel
                                   
2019   
                          
                                   
Grundbedarf
9.168 Euro
Rente (Ertragsanteil)
3.220,68 Euro
                 
WK-PB 
- 102 Euro
Mehrbedarf
1.060 Euro
Kapitaleinkünfte (mit Abzug des Sparer-PB)
3.764,14 Euro
                 
KV/PV (Basisabsicherung)
- 635,28 Euro
                                   
Summe 
10.228 Euro
        
6.247,54 Euro
                                   
2020   
                          
                                   
Grundbedarf
9.408 Euro
Rente (Ertragsanteil)
3.411,48 Euro
                 
WK-PB 
- 102 Euro
Mehrbedarf
1.060 Euro
Kapitaleinkünfte (mit Abzug des Sparer-PB)
3.603,72 Euro
                 
KV/PV (Basisabsicherung)
- 793,35 Euro
                                   
Summe 
10.468 Euro
        
6.119,85 Euro
                                   
2021   
                          
                                   
Grundbedarf
9.744 Euro
Rente (Ertragsanteil)
3.574,32 Euro
                 
WK-PB 
- 102 Euro
Mehrbedarf
2.120 Euro
Kapitaleinkünfte (mit Abzug Sparer-PB) - geschätzt
3.599 Euro
                 
KV/PV (Basisabsicherung)
- 949,93 Euro
                                   
Summe 
11.864 Euro
        
6.121,39 Euro
108 
Der existenzielle Lebensbedarf des Kindes wird damit im Streitzeitraum nicht durch die zur Verfügung stehenden Mittel gedeckt, so dass das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheidet unstreitig aufgrund der vorliegenden Behinderung des Kindes aus.
109 
3. Durch die gerichtliche Kassation der Aufhebungsbescheide vom 10.3.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.7.2021 lebt der Bescheid vom 30.1.2018, in dem Kindergeld ab Dezember 2018 festgesetzt wurde, wieder auf (BFH-Urteil vom 3.7.2014 III R 53/13, BStBl II 2015, 282, Rn. 10).
110 
4. Der Senat entscheidet aufgrund des Einverständnisses des Beteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
111 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
112 
6. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob der Bezug einer privaten Rente, deren Kapitalstamm mit Zuwendungen der Kindsmutter und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert wurde, in voller Höhe oder nur mit dem steuerpflichtigen Ertragsanteil bei den kindeseigenen Mitteln im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist (vgl. auch FG München, Urteil vom 21.7.2020 12 K 2928/19, juris - Revision beim BFH unter III R 48/20).

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