Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 10 K 1693/21

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob für die Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (SolZ) für das Jahr 2020 und von Vorauszahlungen zum SolZ ab dem Jahr 2021 besteht und ob das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (Bundesgesetzblatt -BGBI- I 2002, 4130), ab dem Jahr 2021 i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Rückführung des SolZ (RückfSolZG) vom 10. Dezember 2019 (BGBl I 2019, 2115) und des 2. Familienentlastungsgesetz (FamEntlG) vom 1. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 2616), verfassungsgemäß ist.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018, in der sie Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten erklärten, reichten sie am 11. Dezember 2019 beim Beklagten ein.
Der Beklagte erließ am 1. April 2020 einen Bescheid für 2018 über Einkommensteuer und SolZ. Dabei folgte er im Wesentlichen den Angaben der Kläger.
Zudem setzte er Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum SolZ für das zweite bis vierte Quartal 2020 sowie für 2021 und weitere Jahre fest.
Gegen die Festsetzung von Vorauszahlungen für den SolZ legten die Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2020 durch ihre Prozessbevollmächtigte Einspruch ein und trugen vor, der SolZ stelle ab dem Jahr 2020 keine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz (GG) dar.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2021 erklärte der Beklagte die Festsetzung der Vorauszahlungen zum SolZ gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) für vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG. Er verwies auf eine beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1505/20) sowie auf ein beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängiges Revisionsverfahren (Az. IX R 15/20). Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 4. Januar 2021, Bundessteuerblatt (BStBI) I 2021, 49, führte er aus, der Vorläufigkeitsvermerk erfasse auch die Frage, ob die fortgeltende Erhebung des SolZ nach Auslaufen des Solidarpakts II zum 31. Dezember 2019 verfassungsgemäß sei (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. März 2022, BStBl I 2022, 203).
Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Das SolZG sei zeitlich nicht befristet und somit auch über den 31. Dezember 2019 hinaus anwendbar. Der Beklagte habe keine verfassungsrechtlichen Bedenken und sei darüber hinaus als Teil der Exekutive auch nicht befugt, im Rahmen einer teleologischen Reduktion Recht zu setzen. Zudem fehle es wegen der Vorläufigkeitserklärung am Rechtsschutzbedürfnis.
Hiergegen richtet sich die am 15. Juli 2021 beim Finanzgericht Baden-Württemberg eingegangene Klage.
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Im Laufe des Klageverfahrens ergingen geänderte Vorauszahlungsbescheide zum SolZ, zuletzt unter dem Datum 28. Januar 2022 für die Jahre 2021 bis 2023 und weitere Jahre. Die Festsetzungen erfolgten gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.
11 
Am 22. April 2022 erging ein Bescheid für 2020 über Einkommensteuer und SolZ. Der SolZ 2020 wurde wie folgt berechnet und festgesetzt:
12 
Einkommensteuer
XXX EUR 
Bemessungsgrundlage für den SolZ
XXX EUR 
davon 5,5 % SolZ
XXX EUR 
Berechnung des SolZ für Kapitalerträge, die nach § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) besteuert werden
        
Steuer nach § 32d EStG
XXX EUR 
        
davon 5,5 % SolZ
XXX EUR 
festzusetzender SolZ
XXX EUR 
13 
Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung. Die Festsetzung des SolZ erfolgte gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG. Nach den Erläuterungen erfasst die Vorläufigkeitserklärung sowohl die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind, als auch den Fall, dass das BVerfG oder der BFH die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet (BFH-Urteil vom 30. September 2010 III R 39/08, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 231, 7, BStBl II 2011, 11).
14 
Zur Begründung der Klage trägt die Prozessbevollmächtigte der Kläger im Wesentlichen vor, die Klage sei zulässig. Die beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1505/20) ließe das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Im vorliegenden Verfahren komme die Vorlage an das BVerfG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle in Betracht, die im Vergleich zu einer Verfassungsbeschwerde einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt habe. Zudem seien die Kläger durch ihr hohes Einkommen durch die Fortgeltung des SolZ besonders betroffen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen bedürften einer besonderen rechtlichen Würdigung, da die Erhebung des SolZ nicht vermindert worden sei. Zudem habe die anhängige Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen das SolZG i.d.F. des RückfSolZG richte, mangels unmittelbarer Betroffenheit und Rechtswegerschöpfung keine Erfolgsaussichten. Auch das beim BFH anhängige Revisionsverfahren (Az. IX R 15/20) lasse das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.
15 
Die Klage sei auch begründet. Für einen Eingriff in die Grundrechte der Kläger fehle es an einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage. Der SolZ sei seit Auslaufen des Solidarpakts II nicht mehr als Ergänzungsabgabe zu qualifizieren. Der sachliche Grund für dessen Einführung, nämlich die besonderen finanziellen Belastungen durch die Wiedervereinigung, bestehe nicht mehr. Sofern der Gesetzgeber geltend mache, dass weiterhin ein finanzieller Bedarf bestehe, könne jedenfalls nicht mehr von einer temporären Bedarfsspitze ausgegangen werden. Dass es sich bei den Leistungen auf Grundlage des Solidarpakts II um eine temporäre Bedarfsspitze handelte, habe der BFH aus dem bis 2019 stetig sinkenden Finanzbedarf gefolgert. Dieser Rückgang werde durch den Gesetzgeber mit dem Auslaufen des Solidarpakts II nicht mehr zum Ausdruck gebracht. Vielmehr handele es sich um einen dauerhaften Finanzbedarf, der nicht durch eine Ergänzungsabgabe gedeckt werden dürfe. Auch eine Umwidmung für andere Zwecke als die Finanzierung der Wiedervereinigung führe nicht zur Verfassungsmäßigkeit.
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Die selektive Abschaffung des SolZ durch das RückfSolZG verstoße darüber hinaus gegen die Kompetenzordnung des GG. Durch die Anhebung der Freigrenze werde der steuerliche Tarifverlauf verschoben und die von Bund und Ländern gemeinsam getroffene Belastungsentscheidung nicht fortgeführt. Vielmehr wandele sich der SolZ zu einer Reichensteuer. Diese dürfe als Teil der Einkommensteuer nur gemeinsam mit den Ländern eingeführt werden.
17 
Der SolZ verstoße aufgrund der durch das RückfSolZG eingefügten Freigrenze gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der horizontalen Steuergerechtigkeit. Ab dem Veranlagungszeitraum (VZ) 2021 seien nur noch etwa 900.000 Personen in voller Höhe belastet. Zudem werde der Zuschlag gleichheitswidrig und ungerechtfertigt in voller Höhe auf Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie auf die Körperschaftsteuer erhoben.Die hohe Belastung einer bestimmten Personenzahl sei gegenüber einer vollständigen Entlastung anderer Einkommensteuerpflichtiger willkürlich. Die durch den Gesetzgeber verfolgten Ziele hätten auch durch Freibeträge erreicht werden können. Das SolZG verstoße auch gegen Art. 6 Abs. 1 GG, da durch die Erhöhung der Freigrenzen in bestimmten Einkommensregionen ein Anreiz entstehe, die getrennte Veranlagung statt der Zusammenveranlagung zu wählen.
18 
Die Kläger beantragen,
den Bescheid für 2020 über SolZ vom 22. April 2022 aufzuheben,
die Bescheide über die Festsetzung von Vorauszahlungen zum SolZ für 2021 bis 2023 und weitere Jahre, zuletzt ergangen unter dem Datum 28. Januar 2022, aufzuheben,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
19 
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
20 
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Kläger machten keine besonderen Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art geltend, die das Rechtsschutzbedürfnis trotz Vorläufigkeitserklärung ausnahmsweise nicht entfallen ließe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Art. 3 Abs. 1 GG ausgerechnet dadurch verletzt sein sollte, dass dem SolZ alle Einkunftsarten unterlägen. Die Festsetzung eines SolZ auf Kapitalertragsteuer sei nicht Gegenstand des von den Klägern angefochtenen Verwaltungsakts und die in der Klagebegründung problematisierte Konstellation der Erhebung von SolZ auf Kapitalerträge trotz eines Gesamteinkommens unter der Freigrenze von 33.912 Euro liege bei den Klägern nicht vor. Sie würden bei der Festsetzung des SolZ auch nicht gegenüber Ehegatten mit gleichen Einkommen benachteiligt werden, die die Einzelveranlagung wählten. Da sich der Vorläufigkeitsvermerk auf Rechtsfragen beziehe und nicht auf einzelne anhängige Verfahren, gingen schließlich die Ausführungen zu den fehlenden Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1505/20) ins Leere.
21 
Der Senat führte am 16. Mai 2022 eine mündliche Verhandlung durch. Der Kläger führte in der mündlichen Verhandlung aus, er begehre mit seiner Klage eine faire und korrekte staatliche Behandlung. Es sei zu beanstanden, dass der SolZ ohne Plazet des Gesetzgebers für andere Zwecke verwendet werden solle. Des Weiteren sei er nicht damit einverstanden, dass der SolZ für eine gewisse Bürgergruppe entfallen solle, für eine andere jedoch nicht.
22 
Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
23 
Dem Senat lagen bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten vor (1 Bd. Rechtsbehelfsakten).

Entscheidungsgründe

 
24 
A. Die Klage ist zulässig.
25 
I. Der Bescheid für 2020 vom 22. April 2022 über SolZ wurde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens (§ 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Ein angefochtener Vorauszahlungsbescheid wird durch einen den gleichen Veranlagungszeitraum betreffenden Jahressteuerbescheid ersetzt (BFH-Urteil vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942; Gräber/Herbert, 9. Auflage 2019, FGO § 68 Rn. 30).
26 
Zudem wurden die im Laufe des Klageverfahrens ergangenen Bescheide über die Festsetzung von Vorauszahlungen zum SolZ für 2021 bis 2023 und weitere Jahre zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.
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II. Für die Kläger bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis.
28 
1. Werden gegen einen Steuerbescheid ausschließlich Einwände erhoben, die sich auf die Verfassungsmäßigkeit des ihm zugrundeliegenden Gesetzes beziehen, kann das Rechtsmittel nicht zur Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Steuerbescheides führen, solange das Gesetz, auf dem er beruht, nicht aufgehoben oder vom BVerfG für nichtig erklärt worden ist. Deshalb kann die Klage in diesem Fall in der Regel nur den Sinn haben, nach Erfüllung der Zugangsvoraussetzung des § 44 Abs.1 FGO das Finanzgericht (FG) und gegebenenfalls den BFH anrufen zu können, um das Gesetz im Verfahren nach Art.100 GG oder im Wege einer Verfassungsbeschwerde gegen die abschließende gerichtliche Entscheidung zu Fall zu bringen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506).
29 
2. Für die Anrufung des Gerichts mit diesem Ziel fehlt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Steuerbescheid in dem verfassungsrechtlichen Streitpunkt vorläufig ergangen ist, die verfassungsrechtliche Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleichgelagerter Verfahren (Massenverfahren) stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2007 III B 26/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2008, 374; vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506, m.w.N.). Der Steuerpflichtige erleidet auch keine unzumutbaren Rechtsnachteile, wenn die materiell-rechtliche Frage in dem Musterverfahren nicht in seinem Sinne oder überhaupt nicht geklärt wird. Denn er kann nach Erledigung des Musterverfahrens gemäß § 165 Abs. 2 Satz 4 AO beantragen, dass die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt wird und gegen die dann auch insoweit endgültige Festsetzung Einspruch einlegen und ggf. anschließend Klage erheben zur weiteren verfassungsrechtlichen Klärung, ohne dass dem § 351 Abs. 1 AO entgegensteht. Erklärt die Finanzbehörde die vorläufige Festsetzung für endgültig oder entfällt ein Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid, sind ebenfalls Einspruch und ggf. Klage möglich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11, m.w.N.).
30 
Nach der Rechtsprechung des BFH kann trotz vorläufiger Festsetzung wegen anhängiger Musterverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für das Klageverfahren anzunehmen sein, wenn besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden (z.B. BFH-Urteil in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11).
31 
a) Die Kläger machen im vorliegenden Streitfall die Verfassungswidrigkeit des SolZG ab dem VZ 2020 - ab dem VZ 2021 i.d.F. des RückfSolZG und des FamEntlG - geltend.
32 
Der Beklagte hat die Festsetzung der Vorauszahlungen zum SolZ in der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2021 gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG i.d.F. des RückfSolZG für vorläufig erklärt. Die Vorläufigkeitserklärung kann auch noch im Einspruchsverfahren hinzugefügt werden (BFH-Urteil vom 10. November 1993 X B 83/93, BFHE 172, 197, BStBl II 1994, 119). Zudem ist die Festsetzung einer Vorauszahlung stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 3 AO), so dass auch aufgrund der sich aus § 164 Abs. 2 AO ergebenden Änderungsbefugnis die nachträgliche Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks zulässig ist (vgl. Klein/Rüsken, AO, 15. Auflage 2020, § 165 Rn. 31a). Auch der SolZ kann vorläufig nach § 165 AO festgesetzt werden (Brandis/Heuermann/Lindberg, 159. EL Oktober 2021, SolZG 1995 § 1 Rn. 9).
33 
Auch der Bescheid für 2020 über Einkommensteuer und SolZ vom 22. April 2022 erging hinsichtlich der Festsetzung des SolZ gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.
34 
b) Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger ist durch die Vorläufigkeitserklärungen nicht entfallen.
35 
aa) Die Anforderungen für die Annahme eines von vornherein aussichtslosen Musterverfahrens, das beim BVerfG anhängig ist, dürfen für die Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, nicht überspannt werden, da sich die Erfolgsaussichten eines Prozesses wegen der Verletzung von Verfassungsrecht ohnehin nur schwer prognostizieren lassen (vgl. Koenig/Gercke, 4. Auflage 2021, AO § 165 Rn. 25).
36 
Nach diesem Maßstab stellt das beim BVerfG anhängige Verfahren Az. 2 BvR 1505/20 für die Beurteilung der Frage, ob bei den Klägern ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, nach Einschätzung des erkennenden Senats ein von vornherein aussichtsloses Musterverfahren dar. Es hat eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde zum Gegenstand, die sich ohne Rechtswegerschöpfung unmittelbar gegen die gesetzliche Neuregelung des SolZ durch das RückfSolZG richtet. Die Beschwerdeführer halten dies für zulässig, weil sich keine tatsächlichen Fragen stellten, die einer Aufklärung durch die Finanzgerichtsbarkeit bedürften. Die Verfassungsbeschwerde werfe ausschließlich verfassungsrechtliche Fragen auf (vgl. hierzu Steuer-Eildienst -StEd- 2020, 618 und Mitteilung des BVerfG über das anhängige Verfahren Az. 2 BvR 1505/20 vom 20. November 2020, juris).
37 
Das Verfassungsbeschwerdeverfahren könnte angesichts dessen wegen Verstoßes gegen Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG, § 90 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) unzulässig sein.
38 
Danach kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, falls ein solcher - wie hier an die Finanzgerichtsbarkeit - gegeben ist. Das BVerfG verlangt, dass grundsätzlich die Anwendung der Norm durch Behörden und Gerichte abzuwarten und anschließend dagegen der fachgerichtliche Rechtsschutz zu suchen ist (z.B. BVerfG-Beschluss vom 13. Juli 2016 1 BvR 1567/16, juris).
39 
Zwar kann das BVerfG über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Darüber hinaus kann unmittelbar eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde eingelegt werden, wenn die Erschöpfung des Rechtswegs unzumutbar ist (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Walter, 95. EL Juli 2021, GG Art. 93 Rn. 384). Dies könnte sich daraus ergeben, dass das Ergebnis des fachgerichtlichen Verfahrens von vornherein feststeht, weil die betreffende Norm keinerlei Ermessens- oder Beurteilungsspielraum einräumt (BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000 1 BvR 539/96, Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 102, 197).
40 
Weitere Voraussetzung ist in diesem Fall aber, dass die fachgerichtliche Prüfung auch keine verbesserte Entscheidungsgrundlage für das BVerfG erwarten lässt. Denn grundsätzlich ist auch bei fehlendem Ermessen eine verfassungsgerichtliche Prüfung im fachgerichtlichen Verfahren über eine konkrete Normenkontrolle zu erreichen (BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148; Dürig/Herzog/Scholz/Walter, a.a.O., Art. 93 Rn. 384). Der Senat ist der Auffassung, dass nach diesen Maßstäben die Rechtssatzverfassungsbeschwerde unzulässig sein könnte und das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger an einer eigenen Rechtsverfolgung somit nicht entfallen lässt, um die Entscheidung sowohl der Fachgerichte als auch des BVerfG weitestgehend selbst beeinflussen zu können.
41 
bb) Das beim BFH anhängige Revisionsverfahren IX R 15/20 (Vorinstanz: FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, Entscheidungen der FG -EFG- 2020, 1771) kann ebenfalls nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Kläger führen. Zwar ist auch in jenem Verfahren streitig, ob die ab 2020 fortgeltende Erhebung des SolZ trotz des in 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verfassungswidrig ist. Bei verfassungsrechtlichen Streitigkeiten fehlt das Rechtsschutzbedürfnis aber erst, wenn das Musterverfahren bereits beim BVerfG anhängig ist. Denn anderenfalls bleibt unsicher, ob es überhaupt zu einer Klärung der Rechtsfrage durch das BVerfG kommen wird (vgl.BFH-Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II 1996). Dem Steuerpflichtigen darf dann nicht die Möglichkeit abgeschnitten werden, die verfassungsrechtlichen Bedenken in seinem eigenen Verfahren zu verfolgen (Seer in: Tipke/Kruse, AO § 165 Rn. 18; BeckOK AO/Specker, 19. Ed. 1.1.2022, AO § 165 Rn. 292; Koenig/Gercke, a.a.O., § 165 Rn. 63).
42 
Zwar kann aufgrund einer Vorläufigkeitserklärung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO das Rechtsschutzbedürfnis auch aufgrund eines vor dem BFH anhängigen Revisionsverfahrens entfallen (vgl. Koenig/Gercke, a.a.O., § 165 Rn. 63). Dies gilt jedoch nur für den Fall, wenn die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens beim BFH ist. Im vorliegenden Streitfall geht es jedoch nicht um „einfachgesetzliche“ Auslegungsfragen, zu denen auch die mögliche verfassungskonforme Auslegung eines Steuergesetzes gehört (Oellerich in: Gosch, AO/FGO, 1. Auflage 1995, 166. Lieferung, § 165 Rz. 72), sondern um dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Der Beklagte hat die Festsetzung demzufolge auch nur auf der Rechtsgrundlage des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO und nicht auch der Nr. 4 der Vorschrift für vorläufig erklärt.
43 
cc) Ein weiteres sog. Musterverfahren ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 6/14 anhängig und betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des SolZG im VZ 2007 (vorgehend: Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG vom 21. August 2013 7 K 143/08, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2014, 534).
44 
Gegen das Urteil des BFH vom 14. November 2018 II R 63/15, BFHE 266, 133, BFH/NV 2020, 259, in dem der SolZ auch für den VZ 2011 als verfassungsgemäß angesehen wurde, ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 1421/19 eine weitere Verfassungsbeschwerde anhängig.
45 
Auch diese Verfahren berühren das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht. Musterverfahren und Klageverfahren müssten hierfür dieselbe Vorschrift betreffen. Hieran fehlt es allerdings, wenn in dem Streitverfahren eine Fassung des Gesetzes anzuwenden ist, die in einem für die Entscheidung maßgeblichen Punkt nicht der zur Prüfung des BVerfG stehenden Fassung entspricht. Denn dann kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des BVerfG für die in dem Einspruchs- bzw. Klageverfahren anzuwendende Vorschrift gegebenenfalls Gesetzeskraft haben und eine eindeutige Antwort auf die dort strittige verfassungsrechtliche Streitfrage geben wird, so dass sich der verfassungsrechtliche Streit durch die Entscheidung in dem bereits beim BVerfG anhängigen Verfahren erledigen wird (BFH-Beschluss vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506).
46 
Im vorliegenden Klageverfahren, das die Streitjahre ab 2020 betrifft, sind die verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Auslaufens des Solidarpakts II mit Ablauf des Jahres 2019 von Bedeutung. Zudem ist zu beachten, dass das RückfSolZG ab dem VZ 2021 weitreichende Neuregelungen beinhaltet, die im Vergleich zu den vorherigen Fassungen des SolZG neue Streitfragen eröffnen.
47 
B. Die Klage ist unbegründet.
48 
Der Bescheid für 2020 über SolZ vom 22. April 2022 und die Bescheide über die Festsetzung von Vorauszahlungen zum SolZ für 2021 bis 2023 und weitere Jahre, zuletzt ergangen unter dem Datum 28. Januar 2022, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
49 
I. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass der gegenüber den Klägern festgesetzte SolZ für das Jahr 2020 ebenso wie die Vorauszahlungen zum SolZ den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entsprechen.
50 
Nach § 1 Abs. 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein SolZ als Ergänzungsabgabe erhoben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SolZG sind auf die Festsetzung und Erhebung des SolZ die Vorschriften des EStG bzw. Körperschaftsteuergesetzes (KStG) entsprechend anzuwenden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 SolZG sind die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag gleichzeitig mit den festgesetzten Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer zu entrichten. Der SolZ bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer vorzunehmen ist, nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Soweit Vorauszahlungen zur Einkommensteuer zu leisten sind, bestimmt sich der SolZ nach den Vorauszahlungen auf die Steuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SolZG). Der SolZ beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG). Die in 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SolZG i.d.F. des RückfSolZG mit Wirkung ab dem VZ 2021 (§ 6 Abs. 21 SolZG) neu geregelte Freigrenze bei zusammenveranlagten Ehegatten von 33.912 Euro (sog. Nullzone) war ebenso wie die in § 4 Satz 2 SolZG neu geschaffene sog. Milderungszone aufgrund der Höhe der Einkünfte der Kläger überschritten.
51 
II. Das SolZG ist auch ab dem VZ 2020 und in der Fassung durch das RückfSolZG und des FamEntlG ab dem VZ 2021 anzuwenden.
52 
Der erkennende Senat konnte nicht die erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der § 1 Abs. 1 und 4, § 3, § 4 SolZG gewinnen. Es war daher nicht geboten, das Klageverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
53 
1. Der heute gültige SolZ wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944 [975 f.]) mit Wirkung vom VZ 1995 an eingeführt.
54 
1.1. Ausweislich der Gesetzesbegründung diente das FKPG dazu, den neuen Ländern und ihren Gemeinden dauerhaft eine angemessene Finanzausstattung zu sichern und in vertretbarer Zeit zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten Deutschlands an die im Westen zu gelangen (Bundestags[BT]-Drucksache 12/4401, 45). Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands war ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlug deshalb einen - mittelfristig zu überprüfenden - Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen (z. B. sog. Kaskadeneffekt bei mehrstufigem Unternehmensaufbau) würden vermieden (BT-Drucksache 12/4401, 51).
55 
1.2. Im Rahmen des auf zehn Jahre konzipierten sog. Solidarpakt I (1995 bis 2004) verabredeten Bund und Länder eine weitreichende Reform der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen. An die neuen Bundesländer wurden danach insgesamt ca. 95 Mrd. Euro bezahlt (Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 28. August 2019 zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags, WD 4 - 3000 – 099/19, Seite 6; https://www.bundestag.de/resource/blob/655866/4410c74d5f58e7ccf5830b0c4c2 d3f39/WD-4-099-19-pdf-data.pdf; abgerufen am 4. Mai 2022).
56 
Nachdem absehbar war, dass die ostdeutschen Bundesländer weiterhin auf Finanzhilfen angewiesen sein würden, einigten sich Bund und Länder im Jahr 2001 zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten auf den ab 2005 und bis 2019 laufenden Solidarpakt II (Solidarpaktfortführungsgesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3955). Danach erhielten die „neuen“ Bundesländer zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft in der Zeit von 2005 bis 2019 Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen („Korb I“) von rd. 105 Mrd. Euro. Zusätzlich erhielten sie in diesem Zeitraum überproportionale Leistungen von 51 Mrd. Euro in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen in mit ihnen abgestimmten Politikfeldern („Korb II“; BT-Drucksache 19/6888, 591 ff.).
57 
1.3. Das BVerfG hat sich inhaltlich noch nicht zur Verfassungsmäßigkeit des SolZG geäußert.
58 
Der BFH hat bislang die Verfassungsmäßigkeit des SolZG als Ergänzungsabgabe aufgrund der fiskalischen Ausnahmesituation aufgrund der Wiedervereinigung bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 2011 II R 52/10, BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43; zum VZ 2007; II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685, zum VZ 2005; die Verfassungsbeschwerden wurden gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen; BVerfG-Beschlüsse vom 10. Juni 2013 2 BvR 2121/11und 2 BvR 1942/11). Es ist nach der Rechtsprechung des BFH verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des SolZ bei Fehlen gewerblicher Einkünfte ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 14. November 2018 II R 64/15, BFHE 263, 35, BStBl II 2019, 289; II R 63/15, BFHE 266, 133, BStBl II 2021, 184; beide zum VZ 2011; Verfassungsbeschwerde eingelegt: Az. des BVerfG: 2 BvR 1421/19; a. A. Niedersächsisches FG, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 21. August 2013 7 K 143/08, DStRE 2014, 534; zum VZ 2007; Az. BVerfG: 2 BvL 6/14). Die Nachsteuer gemäß § 34a Abs. 4 EStG erhöht die festzusetzende Einkommensteuer und damit die Bemessungsgrundlage für den SolZ (BFH-Urteil vom 10. November 2020 IX R 34/18, BFHE 271, 207, BStBl II 2021, 455; zum VZ 2014).
59 
2. Nach Abschluss des Solidarpakts II wird der Finanzausgleich seit dem Jahr 2020 wieder vor dem Hintergrund der finanzverfassungsrechtlichen Normallage vorgenommen. Unterstützungsempfänger sind finanzschwache Bundesländer in Ost- und Westdeutschland (vgl. Kube, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2017, 1792 [1793]).
60 
Das Auslaufen des Solidarpakts II steht der weiteren Erhebung des SolZ jedoch nicht entgegen (ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, EFG 2020, 1771, Az. BFH: IX R 15/20; a. A. Papier, Rechtswissenschaftliches Gutachten zur verfassungsgeschichtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020; https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2019-05/Papier_Soli-Gutachten.pdf; abgerufen am 4. Mai 2022; Hoch, DStR 2018, 2410; vgl. auch Kube, DStR 2017, 1792).
61 
2.1. Der SolZ ist eine Ergänzungsabgabe i. S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer. Eine Definition für den Begriff „Ergänzungsabgabe“ findet sich im GG nicht. Die Ergänzungsabgabe wurde durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I 1955, 817) in das GG eingeführt.
62 
Es handelt sich um eine Steuer, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungshoheit hat (Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG). Das Aufkommen steht ausschließlich dem Bund zu, während das Aufkommen aus der Einkommensteuer - nach Abzug des Gemeindeanteils (Art. 106 Abs. 5 GG) - nur hälftig dem Bund zufließt (Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG). Das SolZG bedarf gemäß Art. 105 Abs. 3 GG nicht der Zustimmung des Bundesrats.
63 
2.2. Der Gesetzgeber darf sich des Instruments der Ergänzungsabgabe bedienen.
64 
Die Anpassung der Steuerbeteiligungsquote (Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG) ist nicht vorrangig.
65 
Dies ist der Gesetzesbegründung zum Finanzverfassungsgesetz zu entnehmen (BT-Drucksache II/480, 72).
66 
Danach soll die Abgabe anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt decken, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes in begrenztem Rahmen eine elastische Finanzpolitik ermöglichen und das Steuerverteilungssystem im Verhältnis zwischen Bund und Ländern dadurch festigen, dass die Notwendigkeit einer Revision der Steuerbeteiligungsquoten auf solche Mehrbelastungen des Bundes beschränkt wird, die nicht aus dieser beweglichen Steuerreserve gedeckt werden können. Hieraus ergibt sich eine Vorrangigkeit der „Steuerreserve“ gegenüber der Anpassung der Steuerbeteiligungsquote.
67 
Darüber hinaus soll die Ergänzungsabgabe nach der Begründung zum Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359) die finanzpolitische Bedeutung haben, dass der Bund künftig - und zwar ohne dass er dazu der Zustimmung des Bundesrates bedarf - bei Zunahme seines Steuerbedarfs unter volks- und finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten zwischen einer Erhöhung der ihm zustehenden Verbrauchsteuern und der Erhebung einer Personalsteuer wählen kann (BT-Drucksache V/2861, Seite 21, Rn. 63). Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat die Ergänzungsabgabe die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Durch die Einführung der Ergänzungsabgabe sollte die allzu häufige Revision der Beteiligungsquote vermieden werden (BVerfG-Beschlüsse vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vom 19. November 1999 2 BvR 1167/96, HFR 2000, 134). Auch hieraus wird deutlich, dass die Anpassung der Steuerbeteiligungsquote nicht gegenüber einer Ergänzungsabgabe vorrangig ist.
68 
2.3. Die unterschiedlichen Ertragshoheiten erlauben nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Ergänzungsabgabe nur, wenn sie das finanzielle Ausgleichssystem nicht zulasten der Länder ändert und in ihrer Ausgestaltung - insbesondere in ihrer Höhe und Geltungsdauer - nicht die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer aushöhlt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Sollte der Typus der Ergänzungsabgabe verfehlt werden, wäre die Steuer verfassungswidrig, da es kein freies Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers außerhalb der in Art. 106 GG genannten Steuerarten und Steuern gibt (BVerfG-Beschluss vom 13. April 2017 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171).
69 
Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. Eine „Aushöhlung“ setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus. Der SolZ i. S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43; Kube, Steuer und Wirtschaft -StuW- 2022, 3). Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So belief sich im Haushaltsjahr 2020 das Kassenaufkommen des Bundes und der Länder aus Lohnsteuer auf 209,3 Mrd. Euro, aus veranlagter Einkommensteuer auf 59,0 Mrd. Euro, aus Körperschaftsteuer auf 24,3 Mrd. EUR, aus nicht veranlagter Steuer vom Ertrag auf 21,5 Mrd. Euro und aus Abgeltungsteuer auf 6,8 Mrd. Euro. Die Einnahmen des Bundes aus dem SolZ betrugen dagegen nur 18,7 Mrd. Euro (vgl.Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2020,Monatsbericht des BMF, Januar 2021;https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2021/01/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-4-steuereinnahmen-2020.html; abgerufen am 4. Mai 2022). Auch wenn der Bund mit dem SolZ erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt. Es kann daher auch nicht angenommen werden, dass der Bund das finanzverfassungsrechtliche System der Ertragsverteilung zu seinen Gunsten unterlaufen würde.
70 
2.4. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben. Der Begriff Ergänzungsabgabe besagt lediglich, dass diese Abgabe die Einkommen- und Körperschaftsteuer, also auf Dauer angelegte Steuern, ergänzt, d. h. in einer gewissen Akzessorietät zu ihnen stehen soll. Aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern kann sich auch für längere Zeit ein Mehrbedarf allein des Bundes ergeben, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein kann, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder aus nicht erforderlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BVerfG-Beschluss vom 8. September 2010 2 BvL 3/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2010, 1231; ebenso BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692).
71 
2.5. Eine zeitliche Begrenzung einer unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass sie nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Begründung zum Entwurf eines Ergänzungsabgabengesetzes; BT-Drucksache II/484, 4; vgl. auch BT-Drucksache II/480, 229; s. BFH-Urteile in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43 und in BFH/NV 2011, 1685; Kube, StuW 2022, 3). Die Ergänzungsabgabe ist ein subsidiäres Finanzierungsmittel zur Deckung zusätzlicher konkreter Finanzbedarfe des Bundes (BeckOK GG/Kube, 49. Ed. 15.11.2021, GG Art. 106 Rn. 14; G. Kirchhof, Der Betrieb -DB- 2021, 1039 [1040]). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken (Kube, DStR 2017, 1792 [1798]; Hoch, DStR 2018, 2410 [2411]; Wernsmann, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2018, 916; a. A. Tappe, StuW 2022, 6 [7]). Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z. B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408: „wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen“).
72 
2.6. Das Auslaufen des Solidarpakts II führt nicht zu einer eindeutigen und offenkundigen Änderung der Verhältnisse, die die weitere Erhebung des SolZ verfassungswidrig machen würde.
73 
2.6.1. Aus den Gründen des BFH-Urteils in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43 ergibt sich dies nicht. Danach war von einer weiteren Rechtfertigung des SolZ im Hinblick auf den Solidarpakt II auszugehen. Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz -FAG-) vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3955, 3956 sei zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Daraus sei ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgehe. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf hätten sich jedenfalls im VZ 2007 keine Anhaltspunkte ergeben.
74 
Damit hat der BFH nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Erhebung des SolZ nach Auslaufen des Solidarpakts II auch dann nicht mehr gerechtfertigt sein könnte, wenn sich nach den Verhältnissen ab dem Jahr 2020 ein weiterer vorübergehender Finanzbedarf des Bundes herausstellen sollte.
75 
2.6.2. Es gibt auch keinen direkten rechtlichen Zusammenhang zwischen dem SolZ und dem Solidarpakt II. Die begriffliche Nähe lässt hierauf nicht schließen, weil die Ergänzungsabgabe, die 1991 anlässlich des „Golfkriegs“ (1990/91) eingeführt wurde, ebenfalls „Solidaritätszuschlag“ hieß. Erst das zweite SolZG 1995 hatte die Einbeziehung der „neuen Bundesländer“ in den Länderfinanzausgleich ab 1995 und das „Föderale Konsolidierungsprogramm“ zum Anlass. Es ist daher nicht überzeugend, den erst im Jahr 2001 beschlossenen Solidarpakt II zum zeitlichen Maßstab für die Dauer des SolZ zu machen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.; Tappe, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -NVwZ- 2020, 517 [519]).
76 
2.7. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RückfSolZG (vgl. BT-Drucksache 19/14103, 1) besteht weiterhin ein wiedervereinigungsbedingter zusätzlicher Finanzierungsbedarf des Bundes, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer (bisheriger Korb II des Solidarpakt II). Danach übersteigen die Mittel, die bisher zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendet wurden, das durch den SolZ erzielte Aufkommen. Das Aufkommen des SolZ von 1995 bis 2016 betrug etwa 275 Mrd. Euro. Hingegen beliefen sich allein die Ausgaben des Bundes aus den Solidarpakten I und II bis 2016, dem Bundesanteil für den „Fonds Deutsche Einheit“ und das vom Bund übernommene Defizit der Treuhandanstalt auf insgesamt 383 Mrd. Euro. Die Bundesregierung geht in der Gesetzesbegründung davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken werde. Wegen der aktuell weiterhin bestehenden finanziellen Lasten des Bundes aus der Wiedervereinigung wird der SolZ im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau in einem ersten Schritt zu Gunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt.
77 
Die Prognose des Gesetzgebers unterliegt einem weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Die verfassungsrechtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Wertung des Gesetzgebers - unter Beachtung des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums - noch vertretbar erscheint (BVerfG-Urteil vom 18. April 1989 2 BvF 1/82, BVerfGE 79, 311, 343 f.; BVerfG-Urteil vom 9. Juli 2007 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96, 140 f.). Nach diesen Maßstäben ist sie von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Mit seinen Angaben ist der Gesetzgeber seiner Darlegungspflicht (vgl. hierzu Woitok, StuW 2021, 17 [26]) ausreichend nachgekommen. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken. Es genügt, wenn die konkrete fiskalische Ausnahmelage hinreichend deutlich erkennbar ist (Kube, DStR 2017, 1792 [1796, Fn. 45]). Die Angaben legen dar, dass ein vorübergehender, sich abschmelzender Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten auch nach dem Ende des Solidarpakts II fortbesteht. Nach wie vor kann der Gesetzgeber im Rahmen seines politischen Ermessens besondere Aufgaben, z.B. auch in den neuen Bundesländern, die es zu finanzieren gilt, als hinreichend relevant erkennen, um eine solche Abgabe zu benötigen. Durch die konkrete Bezeichnung dieser Aufgabe und die Darlegung eines entsprechenden Mittelbedarfs kann die weitere Erhebung des SolZ über das Jahr 2019 hinaus für eine am Zweck der Aufgabe orientierte und damit grundsätzlich beschränkte Zeit gerechtfertigt werden. Die in der Gesetzesbegründung festgelegte „Abschmelzung“ des Solidaritätszuschlags ab dem VZ 2021 zeigt den politischen Willen des Gesetzgebers zur Abschaffung des SolZ. Nach der politischen Planung nimmt der Bedarf des Bundes verhältnismäßig ab und wird zum Teil anderweitig gedeckt (vgl. Loritz, BT-Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/14 vom 27. Juni 2018, 63; Tappe, NVwZ 2020, 517 [519]). Es dürfte von einer graduellen Verflüchtigung der Rechtfertigung für die Erhebung des SolZ auszugehen sein. In Korrespondenz dazu wird man jedenfalls eine Abschmelzung des SolZ über einen überschaubaren Zeitraum von einigen Jahren ab dem Jahr 2020 als verfassungsgemäß anzusehen haben (Kube, DStR 2017, 1792 [1800]).
78 
Würde man den SolZ zur Deckung des vornehmlich beim Bund entstehenden Finanzbedarfs in den Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuertarif einarbeiten, würde dies wegen der proportionalen Beteiligung der Länder am Steueraufkommen (Art. 106 Abs. 3 GG) zu einer überschießenden Belastung der Steuerpflichtigen führen. Demgegenüber ist somit die Erhebung des SolZ das „mildere“ Mittel. Weitere Alternative zur Deckung des Bedarfs des Bundes wäre die Erhöhung von Verbrauchsteuern, die ihm alleine zustehen. Braucht der Bund also Einnahmen und will nicht den Verbrauch belasten, sondern das Einkommen, ist die Ergänzungsabgabe das „richtige“ Mittel (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.; Tappe, NVwZ 2020, 517).
79 
Die Erhebung des SolZ setzt auch nicht zwingend voraus, dass der Zusatzbedarf allein beim Bund und nicht auch bei den Ländern entsteht (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, m.w.N.).
80 
2.8. Es ist unschädlich, dass in der Gesetzesbegründung die mit dem SolZ zu finanzierenden Aufgaben nicht genau bezeichnet werden. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).
81 
Grundsätzlich gilt für die Erhebung von Steuern das sog. Non-Affektationsprinzip (vgl. § 7 Haushaltsgrundsätzegesetz). Das Aufkommen aus den Steuern ist demgemäß im Allgemeinen für die Gesamtdeckung der öffentlichen Ausgaben heranzuziehen. Eine Zweckbindung bestimmter Steueraufkommen in dem Sinne, dass diese Aufkommen nur für spezifische Sonderzwecke verwendet werden dürfen, besteht von Rechts wegen nicht. Daher gilt auch für das Aufkommen aus dem SolZ, dass eine spezifische haushaltsrechtliche Zweckbindung von Rechts wegen nicht bestand und nicht besteht (vgl. Papier, a.a.O., 22; Tappe, StuW 2022, 6 [8]).
82 
2.9. Während des Laufes der Ergänzungsabgabe können sich zudem für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692; a. A. Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den Abbau des SolZ vom 4. Juni 2019, Gz.: I 2 – 90 08 04, S. 22: unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Kernbrennstoffsteuer wird eine Überdehnung der Bundeskompetenz gesehen; https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/gutachten-berichte-bwv/berichte/ langfassungen/2019 -bwv-gutachten-abbau-des-solidaritaetszuschlages-pdf;abgerufen am 4. Mai 2022). Es ist nicht erforderlich, dass der Bund zum Zeitpunkt der Weiterführung des SolZ einen Finanzbedarf aus den gleichen Gründen hat, die ihn zu dessen Einführung bewogen haben. Auch ein anderer Bedarf des Bundes kann die Ergänzungsabgabe weiter als sinnvoll erscheinen lassen (Tappe, StuW 2022, 6 [8]).
83 
2.9.1. Eine Rechtfertigung für die weitere Erhebung des SolZ ergibt sich aus den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und den hieraus resultierenden belastenden Folgen für die Staatsfinanzen, vor allem die des Bundes.
84 
Nach dem Finanzplan des Bundes 2021 bis 2025 (BT-Drucksache 19/31501, 9 ff.) sind weiterhin umfassende Stützungsmaßnahmen geboten. Hierzu gehört die Stabilisierung der Beiträge zu den durch die Corona-Pandemie erheblich belasteten Sozialversicherungen durch Zuschüsse des Bundes. Gleichzeitig bleiben umfangreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der unmittelbaren und mittelbaren Gefahren der Corona-Pandemie erforderlich. Zwar wird sich im Jahr 2022 und in den Folgejahren die Erholung der Steuereinnahmen im Einklang mit dem weiteren gesamtwirtschaftlichen Aufholprozess fortsetzen. Gleichwohl liegt das Niveau insgesamt weiterhin deutlich unter den noch im letzten Finanzplan vor der Corona-Pandemie für das Jahr 2022 erwarteten Steuereinnahmen. Neben wieder gestiegenen Zinsen führt auch die pandemiebedingt stark erhöhte Kreditaufnahme des Bundes zu höheren Zinsausgabenbelastungen des Bundes in den kommenden Jahren. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Bundeshaushalt sowie die aus der unterstützenden Finanzpolitik resultierenden Belastungen machen es im Haushaltsjahr 2022 erneut erforderlich, die Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG in Anspruch zu nehmen.Für den Haushalt 2022 sind neue Schulden im Umfang von rd. 99,7 Mrd. Euro – nach 240,2 Mrd. Euro in 2021 – vorgesehen (vgl. auch § 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2022 [Entwurf], BT-Drucksache 20/1000).
85 
Allein der Bund und seine Extrahaushalte zahlten in den ersten drei Quartalen 2021 rund 56,2 Mrd. Euro (plus 22,5 %) mehr Zuweisungen, Zuschüsse sowie Schuldendiensthilfen als im Vorjahreszeitraum. Darin sind Soforthilfen an Unternehmen ebenso enthalten wie zum Beispiel Zahlungen zur Unterstützung der Krankenhäuser. Die Ausgaben des Bundes beliefen sich von Januar bis September 2021 auf 408,0 Mrd. Euro und lagen damit vor allem aufgrund der höheren Zuweisungen und Zuschüsse infolge der Corona-Pandemie um 10,3 % (plus 38,0 Mrd. Euro) über dem Vorjahresniveau. Das Finanzierungsdefizit lag für den Bund bei 121,8 Mrd. Euro im Vergleich zu einem Defizit von 93,5 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. In den ersten drei Quartalen 2019 waren Ausgaben und Einnahmen des Bundes noch nahezu ausgeglichen. Bei Ländern (Januar bis September 2021: 3,3 Mrd. Euro) und Gemeinden (Januar bis September 2021: 6,0 Mrd. Euro) war das Finanzierungsdefizit vergleichsweise gering (vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 015 vom 12. Januar 2022; https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_015_711.html; abgerufen am 4. Mai 2022).
86 
Es ist daher gerechtfertigt, eine fiskalische Ausnahmelage infolge der COVID-19-Pandemie zu bejahen, die insbesondere vom Bund zu bewältigen ist. Der jährlichen Tilgungsverpflichtung nach Art. 115 Abs. 2 Satz 7 GG ab dem Jahr 2026 von voraussichtlich rd. 20,5 Mrd. Euro steht das zu erwartende Aufkommen des SolZ entgegen. Dies kann die weitere Erhebung des SolZ rechtfertigen (vgl. hierzu Woitok, StuW 2021, 17; Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Auflage 2021, Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung, Rz. 2.6; Kube, StuW 2022, 3 [4]; Kessler/Feurer/Schneider/Wardenberg, DStR 2021, 2929 [2937]).Ob die angekündigte endgültige Aufhebung des SolZG noch realistisch ist, erscheint angesichts der negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise eher unwahrscheinlich (vgl. Brandis/Heuermann/Lindberg, 159. EL Oktober 2021, SolZG 1995 § 1 Rn. 1a unter Verweis auf Papier, Solidaritätszuschlag und Finanzverfassung, in Festschrift Lehner, 2020, 511 ff.).
87 
Mit dem Ukraine-Konflikt ist neben der COVID-19-Pandemie eine weitere Ausnahmesituation hinzugekommen, die die weitere Erhebung des SolZ rechtfertigen könnte. Die Bundesregierung will ein im GG zu verankerndes Sondervermögen „Bundeswehr“ errichten und mit einer Kreditermächtigung in Höhe von 100 Mrd. Euro ausstatten, um in den kommenden Jahren die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Darüber hinaus plant die Bundesregierung derzeit ein zusätzliches Programm, um vor allem die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine abzufedern und ihre humanitären Anstrengungen in dessen Folge zu verstärken. Sie hat dazu einen Ergänzungshaushalt angekündigt, der zusammen mit dem Haushaltsgesetz 2022 beraten werden soll (vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/ Bundeshaushalt/ 2022/zweiter-regierungsentwurf-2022-eckwerte-2023.html; abgerufen am 4. Mai 2022). Bereits die erstmalige Einführung des SolZ im Jahr 1991 wurde auch mit einer „Mehrbelastung (…) aus dem Konflikt am Golf“ und einer „Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa“ begründet (BT-Drucksache 12/220, 6).
88 
2.9.2. In Teilen der Literatur wird eine erkennbare gesetzgeberische Entscheidung für erforderlich gehalten, die fortgesetzte Erhebung des SolZ auf die neue fiskalische Ausnahmelage aufgrund der COVID-19-Pandemie stützen zu wollen. Der besondere Finanzbedarf, der die Ergänzungsabgabe rechtfertigt, dürfe nicht einfach stillschweigend gewechselt werden (Kube, StuW 2022, 3 [4]; G. Kirchhof, DB 2021, 1039 [1040]; a. A. Tappe, StuW 2022, 6 [8]). Hierfür käme ein sog. schlichter Parlamentsbeschluss des Bundestags (Art. 42 Abs. 2 GG) in Betracht (Woitok, StuW 2021, 17 [27]; Kube, StuW 2022, 3 [4 f.]).
89 
Diesem Erfordernis könnte nach Auffassung des erkennenden Senats etwa im Haushaltsplan, der nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Haushaltsgesetzgeber festgestellt wird und einen staatsleitenden Hoheitsakt in Gesetzesform darstellt, entsprochen werden (vgl. BVerfG-Urteil vom 18. April 1989 2 BvF 1/82, BVerfGE 79, 311). Ein Corona-SolZG könnte im Wortlaut dem aktuell geltenden SolZG (weitestgehend) entsprechen (Kube, StuW 2022, 3 [5]).
90 
Vor diesem Hintergrund steht nach Auffassung des Senats die verfassungsrechtlich noch mögliche und realistische „Option zur Umwidmung“ einer Ergänzungsabgabe für noch laufende bzw. noch in der Zukunft liegende VZ ebenfalls der nötigen Überzeugungsbildung von der Verfassungswidrigkeit des SolZG ab 2020 entgegen (ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.).
91 
3. Das SolZG ist auch nach den Änderungen durch das RückfSolZG verfassungsgemäß.
92 
3.1. Hierdurch wurden mit Wirkung ab dem VZ 2021 (§ 6 Abs. 21 SolZG) die Freigrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG für die Einzelveranlagung von 972 Euro auf 16.956 Euro und für die Zusammenveranlagung von 1.944 Euro auf 33.912 Euro angehoben (sog. Nullzone). Die Beträge für den Lohnsteuerabzug in § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 - 3 SolZG wurden entsprechend angepasst.
93 
Zudem wurde eine sog. Milderungszone geschaffen, mit der für den Fall des Überschreitens der Freigrenzen die Durchschnittsbelastung durch den SolZ erst allmählich an die Normalbelastung von 5,5% der Bemessungsgrundlage herangeführt wird (§ 4 Satz 2 SolZG).Die Begrenzung der zusätzlichen Grenzbelastung in der Milderungszone auf 11,9 % führt zu deren Streckung. Ein kontinuierlicher Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und SolZ bleibt sichergestellt.
94 
Keine Abschaffung des SolZ erfolgte indes für Kapitalerträge. Für diese wird der SolZ weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erhoben (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG).
95 
Weiterhin bleibt der SolZ auch auf die Körperschaftsteuer in voller Höhe erhalten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG).
96 
Hiervon abweichend regelt § 3 Abs. 2 SolZG als lex specialis, dass Bemessungsgrundlage für den SolZ die nach § 2 Abs. 6 EStG festzusetzenden Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 32 EStG ist. D. h., für die Festsetzung des SolZ werden sowohl das Teileinkünfteverfahren als auch die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG in vollem Umfang mindernd berücksichtigt (Brandis/Heuermann/Lindberg, 159. EL Oktober 2021, SolZG 1995 § 1 Rn. 3).
97 
Das 2. Familienentlastungsgesetz (FamEntlG) vom 1. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 2616) hat § 3 Abs. 2a SolZG an die durch dasselbe Gesetz erhöhten Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG) angepasst (in Kraft seit 1. Januar 2021, Art. 6 Abs. 1 des 2. FamEntlG; zur Anwendung siehe § 6 Abs. 22 SolZG).
98 
3.2. Mit der Erhöhung der Freigrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG und der Schaffung einer sog. Milderungszone (§ 4 Satz 2 SolZG) durch das RückfSolZG verstößt der Gesetzgeber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
99 
Nach der Rechtsprechung des BVerfG gebietet der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Dezember 2021 2 BvL 1/13, DStR 2022, 19; m.w.N.).
100 
Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Dabei muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig i.S. von Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung oder Haushaltskonsolidierung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht als Rechtfertigungsgrund für Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestands anzuerkennen (BVerfG-Beschluss in DStR 2022, 19; m.w.N.).
101 
Ein solcher Grund kann dagegen in der Verfolgung von Förderungs- oder Lenkungszwecken liegen.In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Er darf Verschonungen von der Steuer vorsehen, sofern er ansonsten unerwünschte, dem Gemeinwohl unzuträgliche Effekte einer uneingeschränkten Steuererhebung befürchtet (BVerfG-Beschluss in DStR 2022, 19; m.w.N.).
102 
3.3. Mit dem RückfSolZG berücksichtigt der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise soziale Gesichtspunkte.
103 
3.3.1. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten. Deshalb konnte der Gesetzgeber auch bei der Einführung der Ergänzungsabgabe, die im Ergebnis eine Verschärfung der Einkommensteuer darstellt, solchen Erwägungen Rechnung tragen. Die Ergänzungsabgabe sollte mit der stärkeren Besteuerung der höheren Einkommen der Verteilung der zusätzlichen Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung tragen und ein Gegengewicht zur gleichzeitigen Erhöhung der Umsatzsteuer schaffen (Begründung zum Entwurf des Zweiten Steueränderungsgesetzes, BT-Drucksache V/2087, 8). Im Verhältnis zum Steuerzahler wäre es ohne weiteres zulässig gewesen, die Einkommensteuer zu erhöhen und dabei die unteren Einkommensstufen von der Erhöhung auszunehmen. Dann ist aber auch kein Grund dafür ersichtlich, die Ergänzungsabgabe als eine selbständige Steuer strenger an die Struktur der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu binden als eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer selbst (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39, zum Konjunkturzuschlag; BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66, BStBl II 1973, 878; zum Stabilitätszuschlag).
104 
3.3.2. Nach der Gesetzesbegründung zum RückfSolZG (BT-Drucksache 19/14103, 11 f.) soll durch den schrittweisen Abbau des SolZ in einem ersten Entlastungsschritt der Verteilung der zusätzlichen Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen werden. Hierbei seien sozialstaatliche Erwägungen maßgebend, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen als niedrigere Einkommen. Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte rechtfertige es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen nicht zu erfassen. Die „Milderungszone“ im Anschluss an die Freigrenze vermeide einen Belastungssprung und stelle einen kontinuierlichen Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und SolZ sicher. Im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des SolZ werde ab 2021 der Zuschlag in einem ersten Entlastungsschritt für niedrige und mittlere Einkommen zurückgeführt. So würden rund 90 % aller Zahler des SolZ zur Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer vom SolZ vollständig entlastet. Hierunter fallen nach Auskunft des BMF Alleinstehende mit einem Bruttojahreslohn von bis zu 73.874 Euro und (z.B.) Familien mit zwei Kindern mit einem Bruttojahreslohn von bis zu 151.990 Euro. Für weitere 6,5 % der Zahler entfällt der SolZ zumindest teilweise durch Schaffung einer sog Milderungszone, mit der für den Fall des Überschreitens der Freigrenzen die Durchschnittsbelastung durch den SolZ erst allmählich an die Normalbelastung von 5,5% der Bemessungsgrundlage herangeführt wird (§ 4 Satz 2 SolZG).
105 
Dies stelle zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen hätten eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d. h. sie seien typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben. Demgegenüber erhöhten Spitzenverdienende bei zusätzlichem Nettoeinkommen ganz überwiegend ihre Ersparnisse. Von einer Abschaffung des SolZ für die Spitzenverdienenden würde deshalb auch ein deutlich geringerer konjunktureller Impuls ausgehen als von der Abschaffung für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen.
106 
3.4. Diese Erwägungen des Gesetzgebers rechtfertigen eine Erhöhung der Freigrenzen, die sich nur auf einen bestimmten Kreis von Steuerpflichtigen entlastend auswirkt.
107 
3.4.1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG steht dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und des Steuersatzes ein weiter Spielraum zu (BVerfG-Beschluss vom 8. Juli 2021 1 BvR 2237/14, DStR 2021, 1934). Wenn der Gesetzgeber demnach ab dem Jahr 2021 von einem geminderten Finanzbedarf ausgeht und die Abschaffung des SolZ zunächst bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen beginnen möchte, steht dem nichts entgegen (vgl. auch Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, a.a.O., Ziffer 4.2.1.).
108 
Von Bedeutung ist auch, dass die Steuerbelastung bei Steuerpflichtigen mit hohen Einkünften seit der Einführung des jetzigen SolZ bereits abgemildert wurde. Zunächst betrug der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer 53 %. Derzeit liegen der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer bei 42 % bzw. 45 % für zu versteuernde Einkommen ab 277.826 Euro (§ 32a Abs. 1 EStG, ab VZ 2022), also einschließlich SolZ bei 44,3 % bzw. 47,5 %.
109 
3.4.2. Er erfolgt auch kein unzulässiger Eingriff in den Belastungsverlauf der Einkommensteuer (vgl. Wernsmann, NJW 2018, 916 [918]) bzw. ein Formenmissbrauch (vgl. Papier, a.a.O., 28). Bei dem SolZ als Ergänzungsabgabe handelt es sich um eine selbstständige Steuer vom Einkommen. Dieser knüpft technisch an die „zu ergänzende“ Steuer an und „teilt“ sich damit die Bemessungsgrundlage. Als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer muss der SolZ diese Steuern weiterführen. Der Steuersatz (und die Höhe des Zuschlags) ist jedoch notwendig von dem der Einkommen- und Körperschaftsteuer verschieden. Daher muss der Tarifverlauf des SolZ für sich betrachtet werden. Hier wertet das BVerfG die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte als „zulässig und geboten“ (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517; ders. StuW 2022, 6 [9]). Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht durch die nachfolgende Rechtsprechung des BVerfG zur gebotenen Freistellung des Existenzminimums (Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, BStBl II 1993, 413, BVerfGE 87, 153) und die nachfolgende deutliche Anhebung des Grundfreibetrags überholt (a.A. Kube, StuW 2022, 3 [5]; ders. Finanzrundschau -FR- 2018, 408 [409]; Wernsmann, NJW 2018, 916 [917]; ders. StuW 2018, 100 [110 f.]; Hoch, DStR 2018, 2410 [2415]). Der Rechtsprechung des BVerfG kann dies nicht entnommen werden. Sie hat sich bislang nicht von den Erwägungen imBVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 distanziert.
110 
Der „Progressionsknick” bei Erreichen der Einkommensgrenze des § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG wird durch die Übergangsregelung in § 4 Satz 2 SolZG (sog. Milderungszone) so abgemildert, dass die Erhebung des SolZ nicht zu einer unerträglichen Verzerrung der Besteuerung führt (zu dieser Erwägung zur Ergänzungsabgabe vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).
111 
3.4.3. Bei der Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, hier dem SolZ, geht es im Übrigen auch nicht in erster Linie um die Belastung der Steuerpflichtigen. Diese könnte man funktionsgleich durch eine Erhöhung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer erreichen. Es geht vielmehr um eine Verschiebung der (Steuer-)Einnahmen im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, d.h. den Verzicht auf eine höhere Einkommensteuer, wenn nur der Bund einen (relativen) Sonderbedarf hat, nicht aber auch die Länder und die Gemeinden. Die Frage, ob eine Ergänzungsabgabe erhoben werden soll, beantwortet sich vor allem danach, wie vonseiten des Gesetzgebers die alternativen Regelungsmöglichkeiten - Anpassung der Umsatzsteueranteile oder Ausweichen auf (Bundes-)Verbrauchsteuern - eingeschätzt werden (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]). Auch in dieser Frage steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
112 
3.4.4. Die fehlende Einbeziehung von Körperschaften in die - aus sozialstaatlichen Erwägungen geplante - Abschmelzung des SolZ ist zulässig. Es liegt keine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung (von wesentlich Gleichem) vor.
113 
Die Körperschaftsteuer verfügt über eine völlig andere Tarifstruktur als die Einkommen-steuer. Der BFH sah unter Hinweis auf den ohnehin niedrigeren Körperschaftsteuertarif (derzeit 15 %, § 23 Abs. 1 KStG) etwa keinen Gleichheitsverstoß darin, dass bei Inhabern von Personenunternehmen die Bemessungsgrundlage für den SolZ nach § 35 EStG durch die Gewerbesteuer vermindert wird, nicht aber bei Körperschaften (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43).
114 
Wenn der Tarif der Einkommensteuer aber ein gänzlich anderer sein kann als der Satz der Körperschaftsteuer, ist auch nicht ersichtlich, warum nicht auf die eine Steuer ein Zuschlag erhoben werden soll, auf die andere nicht (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]).
115 
Den Gesetzesmaterialien zum Finanzverfassungsgesetz 1955 (BT-Drucksache II/480, 212) kann entnommen werden, dass eine Verkoppelung der Zuschläge zur Einkommen-steuer und der Zuschläge zur Körperschaftsteuer nicht für erforderlich gehalten wurde. Der Bund sollte insoweit nicht gebunden sein (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]).
116 
Da das sozialstaatliche Argument bei einer schrittweisen Abschaffung für eine soziale Staffelung spricht, sozialstaatliche Erwägungen bezogen auf die Körperschaftsteuer aber keine Rolle spielen, erscheint ein Vorziehen der Entlastung (nur) für untere und mittlere Einkommen natürlicher Personen gut vertretbar. Ein solches Vorgehen liegt jedenfalls innerhalb des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]).
117 
Die Kläger als natürliche Personen wären zudem im Vergleich zu den Subjekten der Körperschaftsteuer nicht benachteiligt, sondern begünstigt. Die begünstigte Gruppe kann keinen Verfassungsverstoß rügen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.).
118 
3.4.5. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der SolZ weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erhoben wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG).
119 
Für private Kapitaleinkünfte gilt bereits ein günstiger Abgeltungsteuersatz von 25 %. Die Kapitaleinkünfte werden nicht bei der veranlagten (höheren) Einkommensteuer berücksichtigt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den SolZ weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erheben will.Dies liegt innerhalb des ihm zuzubilligenden Gestaltungsspielraums.
120 
Steuerpflichtige haben mit der sog. Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG darüber hinaus die Möglichkeit, dass die Kapitaleinkünfte mit dem niedrigeren individuellen Einkommensteuersatz besteuert werden. In diesem Fall werden die Kapitaleinkünfte bei der Ermittlung der veranlagten Einkommensteuer berücksichtigt, auf die die Freigrenze angewendet wird. Neben der vom Kapitalgläubiger zu viel einbehaltenen Kapitalertragsteuer wird dann auch der entsprechende SolZ erstattet (vgl. BT-Drucksache 19/14585).
121 
Schließlich liegt die in der Klagebegründung problematisierte Konstellation der Erhebung von SolZ auf Kapitalerträge trotz eines Gesamteinkommens unter der Freigrenze von 33.912 Euro bei den Klägern nicht vor.
122 
3.4.6. Es verstößt auch nicht gegen die Verfassung, dass bei Ehegatten, die zur Ausnutzung der sog. Null- bzw. Milderungszone die Einzelveranlagung (§ 26a EStG) wählen, die Höhe des SolZ bei gleichem zu versteuernden Einkommen nicht stets identisch ist, sondern durch die unterschiedlichen Beiträge der Ehepartner zum - rein rechnerisch einheitlich betrachteten - zu versteuernden Einkommen beeinflusst werden kann (vgl. hierzu Broer, Wirtschaftsdienst 2019, 697 [700 f.]).
123 
Von einem Verstoß gegen das Schutzgebot der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) könnte nur dann gesprochen werden, wenn Ehegatten gegenüber Ledigen benachteiligt würden. Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG könnte daher hier lediglich unter Zugrundelegung des Vergleichstatbestandes Ehe - Nichtehe festgestellt werden. An einem unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG tauglichen Vergleichspaar fehlt es aber, wenn - wie hier - die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einzelveranlagung nicht aus der verschiedenen Steuerlast von Verheirateten zu Ledigen hergeleitet werden, sondern von Ehen im Verhältnis untereinander (BVerfG-Beschluss vom 14. April 1959 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57, BVerfGE 9, 237).
124 
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Das BVerfG hat in dem Beschluss vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, BStBl I 1957, 193 festgestellt, dass das Einkommensteuerrecht auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung beruht und auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Diesem Grundsatz wird § 26a EStG gerecht (Schmidt/Seeger, EStG, 41. Auflage 2022, § 26a Rn. 2). Beruht demnach das System der Einkommensteuer nicht auf der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare, sondern auf der der einzelnen Steuerpflichtigen, dann kann unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht die steuerliche Belastung von Ehepaaren, sondern nur von einzelnen Steuerpflichtigen miteinander verglichen werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 9, 237).
125 
Die in der Literatur (vgl. Broer, a.a.O.) untersuchte Sachverhaltskonstellation betrifft den Vergleich von einzelveranlagten Ehegatten. Hier kann es in Abhängigkeit von der Höhe der Einkünfte des jeweiligen Ehepartners zu unterschiedlichen Belastungen beim SolZ kommen. Dies macht aber eine Zusammenrechnung der Einkommen der Ehepartner zu einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen erforderlich. Dies ist jedoch bei der Einzelveranlagung, die auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung beruht, nicht zulässig. Bei dem gebotenen Vergleich des einzelnen Ehepartners mit einem anderen Steuerpflichtigen mit gleich hohem zu versteuernden Einkommen ergibt sich keine unterschiedliche Belastung mit SolZ.
126 
Letztlich würde es aufgrund der Höhe der Einkünfte der Kläger auch an deren Selbstbetroffenheit mangeln.
127 
C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.
128 
D. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).
129 
E. Da die Kosten des Verfahrens den Klägern auferlegt wurden, war über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) für das Vorverfahren nicht zu befinden.

Gründe

 
24 
A. Die Klage ist zulässig.
25 
I. Der Bescheid für 2020 vom 22. April 2022 über SolZ wurde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens (§ 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Ein angefochtener Vorauszahlungsbescheid wird durch einen den gleichen Veranlagungszeitraum betreffenden Jahressteuerbescheid ersetzt (BFH-Urteil vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942; Gräber/Herbert, 9. Auflage 2019, FGO § 68 Rn. 30).
26 
Zudem wurden die im Laufe des Klageverfahrens ergangenen Bescheide über die Festsetzung von Vorauszahlungen zum SolZ für 2021 bis 2023 und weitere Jahre zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.
27 
II. Für die Kläger bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis.
28 
1. Werden gegen einen Steuerbescheid ausschließlich Einwände erhoben, die sich auf die Verfassungsmäßigkeit des ihm zugrundeliegenden Gesetzes beziehen, kann das Rechtsmittel nicht zur Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Steuerbescheides führen, solange das Gesetz, auf dem er beruht, nicht aufgehoben oder vom BVerfG für nichtig erklärt worden ist. Deshalb kann die Klage in diesem Fall in der Regel nur den Sinn haben, nach Erfüllung der Zugangsvoraussetzung des § 44 Abs.1 FGO das Finanzgericht (FG) und gegebenenfalls den BFH anrufen zu können, um das Gesetz im Verfahren nach Art.100 GG oder im Wege einer Verfassungsbeschwerde gegen die abschließende gerichtliche Entscheidung zu Fall zu bringen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506).
29 
2. Für die Anrufung des Gerichts mit diesem Ziel fehlt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Steuerbescheid in dem verfassungsrechtlichen Streitpunkt vorläufig ergangen ist, die verfassungsrechtliche Streitfrage sich in einer Vielzahl im Wesentlichen gleichgelagerter Verfahren (Massenverfahren) stellt und bereits ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren beim BVerfG anhängig ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2007 III B 26/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2008, 374; vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506, m.w.N.). Der Steuerpflichtige erleidet auch keine unzumutbaren Rechtsnachteile, wenn die materiell-rechtliche Frage in dem Musterverfahren nicht in seinem Sinne oder überhaupt nicht geklärt wird. Denn er kann nach Erledigung des Musterverfahrens gemäß § 165 Abs. 2 Satz 4 AO beantragen, dass die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt wird und gegen die dann auch insoweit endgültige Festsetzung Einspruch einlegen und ggf. anschließend Klage erheben zur weiteren verfassungsrechtlichen Klärung, ohne dass dem § 351 Abs. 1 AO entgegensteht. Erklärt die Finanzbehörde die vorläufige Festsetzung für endgültig oder entfällt ein Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid, sind ebenfalls Einspruch und ggf. Klage möglich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11, m.w.N.).
30 
Nach der Rechtsprechung des BFH kann trotz vorläufiger Festsetzung wegen anhängiger Musterverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für das Klageverfahren anzunehmen sein, wenn besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden (z.B. BFH-Urteil in BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11).
31 
a) Die Kläger machen im vorliegenden Streitfall die Verfassungswidrigkeit des SolZG ab dem VZ 2020 - ab dem VZ 2021 i.d.F. des RückfSolZG und des FamEntlG - geltend.
32 
Der Beklagte hat die Festsetzung der Vorauszahlungen zum SolZ in der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2021 gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG i.d.F. des RückfSolZG für vorläufig erklärt. Die Vorläufigkeitserklärung kann auch noch im Einspruchsverfahren hinzugefügt werden (BFH-Urteil vom 10. November 1993 X B 83/93, BFHE 172, 197, BStBl II 1994, 119). Zudem ist die Festsetzung einer Vorauszahlung stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 3 AO), so dass auch aufgrund der sich aus § 164 Abs. 2 AO ergebenden Änderungsbefugnis die nachträgliche Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks zulässig ist (vgl. Klein/Rüsken, AO, 15. Auflage 2020, § 165 Rn. 31a). Auch der SolZ kann vorläufig nach § 165 AO festgesetzt werden (Brandis/Heuermann/Lindberg, 159. EL Oktober 2021, SolZG 1995 § 1 Rn. 9).
33 
Auch der Bescheid für 2020 über Einkommensteuer und SolZ vom 22. April 2022 erging hinsichtlich der Festsetzung des SolZ gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG.
34 
b) Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger ist durch die Vorläufigkeitserklärungen nicht entfallen.
35 
aa) Die Anforderungen für die Annahme eines von vornherein aussichtslosen Musterverfahrens, das beim BVerfG anhängig ist, dürfen für die Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, nicht überspannt werden, da sich die Erfolgsaussichten eines Prozesses wegen der Verletzung von Verfassungsrecht ohnehin nur schwer prognostizieren lassen (vgl. Koenig/Gercke, 4. Auflage 2021, AO § 165 Rn. 25).
36 
Nach diesem Maßstab stellt das beim BVerfG anhängige Verfahren Az. 2 BvR 1505/20 für die Beurteilung der Frage, ob bei den Klägern ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, nach Einschätzung des erkennenden Senats ein von vornherein aussichtsloses Musterverfahren dar. Es hat eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde zum Gegenstand, die sich ohne Rechtswegerschöpfung unmittelbar gegen die gesetzliche Neuregelung des SolZ durch das RückfSolZG richtet. Die Beschwerdeführer halten dies für zulässig, weil sich keine tatsächlichen Fragen stellten, die einer Aufklärung durch die Finanzgerichtsbarkeit bedürften. Die Verfassungsbeschwerde werfe ausschließlich verfassungsrechtliche Fragen auf (vgl. hierzu Steuer-Eildienst -StEd- 2020, 618 und Mitteilung des BVerfG über das anhängige Verfahren Az. 2 BvR 1505/20 vom 20. November 2020, juris).
37 
Das Verfassungsbeschwerdeverfahren könnte angesichts dessen wegen Verstoßes gegen Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG, § 90 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) unzulässig sein.
38 
Danach kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden, falls ein solcher - wie hier an die Finanzgerichtsbarkeit - gegeben ist. Das BVerfG verlangt, dass grundsätzlich die Anwendung der Norm durch Behörden und Gerichte abzuwarten und anschließend dagegen der fachgerichtliche Rechtsschutz zu suchen ist (z.B. BVerfG-Beschluss vom 13. Juli 2016 1 BvR 1567/16, juris).
39 
Zwar kann das BVerfG über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Darüber hinaus kann unmittelbar eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde eingelegt werden, wenn die Erschöpfung des Rechtswegs unzumutbar ist (vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Walter, 95. EL Juli 2021, GG Art. 93 Rn. 384). Dies könnte sich daraus ergeben, dass das Ergebnis des fachgerichtlichen Verfahrens von vornherein feststeht, weil die betreffende Norm keinerlei Ermessens- oder Beurteilungsspielraum einräumt (BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2000 1 BvR 539/96, Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 102, 197).
40 
Weitere Voraussetzung ist in diesem Fall aber, dass die fachgerichtliche Prüfung auch keine verbesserte Entscheidungsgrundlage für das BVerfG erwarten lässt. Denn grundsätzlich ist auch bei fehlendem Ermessen eine verfassungsgerichtliche Prüfung im fachgerichtlichen Verfahren über eine konkrete Normenkontrolle zu erreichen (BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148; Dürig/Herzog/Scholz/Walter, a.a.O., Art. 93 Rn. 384). Der Senat ist der Auffassung, dass nach diesen Maßstäben die Rechtssatzverfassungsbeschwerde unzulässig sein könnte und das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger an einer eigenen Rechtsverfolgung somit nicht entfallen lässt, um die Entscheidung sowohl der Fachgerichte als auch des BVerfG weitestgehend selbst beeinflussen zu können.
41 
bb) Das beim BFH anhängige Revisionsverfahren IX R 15/20 (Vorinstanz: FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, Entscheidungen der FG -EFG- 2020, 1771) kann ebenfalls nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Kläger führen. Zwar ist auch in jenem Verfahren streitig, ob die ab 2020 fortgeltende Erhebung des SolZ trotz des in 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verfassungswidrig ist. Bei verfassungsrechtlichen Streitigkeiten fehlt das Rechtsschutzbedürfnis aber erst, wenn das Musterverfahren bereits beim BVerfG anhängig ist. Denn anderenfalls bleibt unsicher, ob es überhaupt zu einer Klärung der Rechtsfrage durch das BVerfG kommen wird (vgl.BFH-Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II 1996). Dem Steuerpflichtigen darf dann nicht die Möglichkeit abgeschnitten werden, die verfassungsrechtlichen Bedenken in seinem eigenen Verfahren zu verfolgen (Seer in: Tipke/Kruse, AO § 165 Rn. 18; BeckOK AO/Specker, 19. Ed. 1.1.2022, AO § 165 Rn. 292; Koenig/Gercke, a.a.O., § 165 Rn. 63).
42 
Zwar kann aufgrund einer Vorläufigkeitserklärung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO das Rechtsschutzbedürfnis auch aufgrund eines vor dem BFH anhängigen Revisionsverfahrens entfallen (vgl. Koenig/Gercke, a.a.O., § 165 Rn. 63). Dies gilt jedoch nur für den Fall, wenn die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens beim BFH ist. Im vorliegenden Streitfall geht es jedoch nicht um „einfachgesetzliche“ Auslegungsfragen, zu denen auch die mögliche verfassungskonforme Auslegung eines Steuergesetzes gehört (Oellerich in: Gosch, AO/FGO, 1. Auflage 1995, 166. Lieferung, § 165 Rz. 72), sondern um dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Der Beklagte hat die Festsetzung demzufolge auch nur auf der Rechtsgrundlage des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO und nicht auch der Nr. 4 der Vorschrift für vorläufig erklärt.
43 
cc) Ein weiteres sog. Musterverfahren ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 6/14 anhängig und betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des SolZG im VZ 2007 (vorgehend: Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG vom 21. August 2013 7 K 143/08, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2014, 534).
44 
Gegen das Urteil des BFH vom 14. November 2018 II R 63/15, BFHE 266, 133, BFH/NV 2020, 259, in dem der SolZ auch für den VZ 2011 als verfassungsgemäß angesehen wurde, ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvR 1421/19 eine weitere Verfassungsbeschwerde anhängig.
45 
Auch diese Verfahren berühren das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht. Musterverfahren und Klageverfahren müssten hierfür dieselbe Vorschrift betreffen. Hieran fehlt es allerdings, wenn in dem Streitverfahren eine Fassung des Gesetzes anzuwenden ist, die in einem für die Entscheidung maßgeblichen Punkt nicht der zur Prüfung des BVerfG stehenden Fassung entspricht. Denn dann kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des BVerfG für die in dem Einspruchs- bzw. Klageverfahren anzuwendende Vorschrift gegebenenfalls Gesetzeskraft haben und eine eindeutige Antwort auf die dort strittige verfassungsrechtliche Streitfrage geben wird, so dass sich der verfassungsrechtliche Streit durch die Entscheidung in dem bereits beim BVerfG anhängigen Verfahren erledigen wird (BFH-Beschluss vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506).
46 
Im vorliegenden Klageverfahren, das die Streitjahre ab 2020 betrifft, sind die verfassungsrechtlichen Auswirkungen des Auslaufens des Solidarpakts II mit Ablauf des Jahres 2019 von Bedeutung. Zudem ist zu beachten, dass das RückfSolZG ab dem VZ 2021 weitreichende Neuregelungen beinhaltet, die im Vergleich zu den vorherigen Fassungen des SolZG neue Streitfragen eröffnen.
47 
B. Die Klage ist unbegründet.
48 
Der Bescheid für 2020 über SolZ vom 22. April 2022 und die Bescheide über die Festsetzung von Vorauszahlungen zum SolZ für 2021 bis 2023 und weitere Jahre, zuletzt ergangen unter dem Datum 28. Januar 2022, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
49 
I. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass der gegenüber den Klägern festgesetzte SolZ für das Jahr 2020 ebenso wie die Vorauszahlungen zum SolZ den einfachgesetzlichen Bestimmungen des SolZG entsprechen.
50 
Nach § 1 Abs. 1 SolZG wird zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ein SolZ als Ergänzungsabgabe erhoben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SolZG sind auf die Festsetzung und Erhebung des SolZ die Vorschriften des EStG bzw. Körperschaftsteuergesetzes (KStG) entsprechend anzuwenden. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 SolZG sind die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag gleichzeitig mit den festgesetzten Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer zu entrichten. Der SolZ bemisst sich, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer vorzunehmen ist, nach der nach § 3 Abs. 2 SolZG berechneten Einkommensteuer, vermindert um die anzurechnende oder vergütete Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG). Soweit Vorauszahlungen zur Einkommensteuer zu leisten sind, bestimmt sich der SolZ nach den Vorauszahlungen auf die Steuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SolZG). Der SolZ beträgt 5,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 4 Satz 1 SolZG). Die in 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SolZG i.d.F. des RückfSolZG mit Wirkung ab dem VZ 2021 (§ 6 Abs. 21 SolZG) neu geregelte Freigrenze bei zusammenveranlagten Ehegatten von 33.912 Euro (sog. Nullzone) war ebenso wie die in § 4 Satz 2 SolZG neu geschaffene sog. Milderungszone aufgrund der Höhe der Einkünfte der Kläger überschritten.
51 
II. Das SolZG ist auch ab dem VZ 2020 und in der Fassung durch das RückfSolZG und des FamEntlG ab dem VZ 2021 anzuwenden.
52 
Der erkennende Senat konnte nicht die erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der § 1 Abs. 1 und 4, § 3, § 4 SolZG gewinnen. Es war daher nicht geboten, das Klageverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
53 
1. Der heute gültige SolZ wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944 [975 f.]) mit Wirkung vom VZ 1995 an eingeführt.
54 
1.1. Ausweislich der Gesetzesbegründung diente das FKPG dazu, den neuen Ländern und ihren Gemeinden dauerhaft eine angemessene Finanzausstattung zu sichern und in vertretbarer Zeit zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten Deutschlands an die im Westen zu gelangen (Bundestags[BT]-Drucksache 12/4401, 45). Zur Finanzierung der Vollendung der Einheit Deutschlands war ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen unausweichlich. Die Bundesregierung schlug deshalb einen - mittelfristig zu überprüfenden - Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer für alle Steuerpflichtigen vor. Dies sei auch unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit der richtige Lösungsweg. Der Zuschlag ohne Einkommensgrenzen belaste alle Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit. Mehrfachbelastungen (z. B. sog. Kaskadeneffekt bei mehrstufigem Unternehmensaufbau) würden vermieden (BT-Drucksache 12/4401, 51).
55 
1.2. Im Rahmen des auf zehn Jahre konzipierten sog. Solidarpakt I (1995 bis 2004) verabredeten Bund und Länder eine weitreichende Reform der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen. An die neuen Bundesländer wurden danach insgesamt ca. 95 Mrd. Euro bezahlt (Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 28. August 2019 zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags, WD 4 - 3000 – 099/19, Seite 6; https://www.bundestag.de/resource/blob/655866/4410c74d5f58e7ccf5830b0c4c2 d3f39/WD-4-099-19-pdf-data.pdf; abgerufen am 4. Mai 2022).
56 
Nachdem absehbar war, dass die ostdeutschen Bundesländer weiterhin auf Finanzhilfen angewiesen sein würden, einigten sich Bund und Länder im Jahr 2001 zum Ausgleich der teilungsbedingten Sonderlasten auf den ab 2005 und bis 2019 laufenden Solidarpakt II (Solidarpaktfortführungsgesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3955). Danach erhielten die „neuen“ Bundesländer zum Abbau der bestehenden Infrastrukturlücke sowie zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft in der Zeit von 2005 bis 2019 Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen („Korb I“) von rd. 105 Mrd. Euro. Zusätzlich erhielten sie in diesem Zeitraum überproportionale Leistungen von 51 Mrd. Euro in Form von besonders aufbauwirksamen Programmen und Maßnahmen in mit ihnen abgestimmten Politikfeldern („Korb II“; BT-Drucksache 19/6888, 591 ff.).
57 
1.3. Das BVerfG hat sich inhaltlich noch nicht zur Verfassungsmäßigkeit des SolZG geäußert.
58 
Der BFH hat bislang die Verfassungsmäßigkeit des SolZG als Ergänzungsabgabe aufgrund der fiskalischen Ausnahmesituation aufgrund der Wiedervereinigung bejaht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 2011 II R 52/10, BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43; zum VZ 2007; II R 50/09, BFH/NV 2011, 1685, zum VZ 2005; die Verfassungsbeschwerden wurden gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen; BVerfG-Beschlüsse vom 10. Juni 2013 2 BvR 2121/11und 2 BvR 1942/11). Es ist nach der Rechtsprechung des BFH verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des SolZ bei Fehlen gewerblicher Einkünfte ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 14. November 2018 II R 64/15, BFHE 263, 35, BStBl II 2019, 289; II R 63/15, BFHE 266, 133, BStBl II 2021, 184; beide zum VZ 2011; Verfassungsbeschwerde eingelegt: Az. des BVerfG: 2 BvR 1421/19; a. A. Niedersächsisches FG, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 21. August 2013 7 K 143/08, DStRE 2014, 534; zum VZ 2007; Az. BVerfG: 2 BvL 6/14). Die Nachsteuer gemäß § 34a Abs. 4 EStG erhöht die festzusetzende Einkommensteuer und damit die Bemessungsgrundlage für den SolZ (BFH-Urteil vom 10. November 2020 IX R 34/18, BFHE 271, 207, BStBl II 2021, 455; zum VZ 2014).
59 
2. Nach Abschluss des Solidarpakts II wird der Finanzausgleich seit dem Jahr 2020 wieder vor dem Hintergrund der finanzverfassungsrechtlichen Normallage vorgenommen. Unterstützungsempfänger sind finanzschwache Bundesländer in Ost- und Westdeutschland (vgl. Kube, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2017, 1792 [1793]).
60 
Das Auslaufen des Solidarpakts II steht der weiteren Erhebung des SolZ jedoch nicht entgegen (ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, EFG 2020, 1771, Az. BFH: IX R 15/20; a. A. Papier, Rechtswissenschaftliches Gutachten zur verfassungsgeschichtlichen Beurteilung der Erhebung des Solidaritätszuschlags ab 2020; https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2019-05/Papier_Soli-Gutachten.pdf; abgerufen am 4. Mai 2022; Hoch, DStR 2018, 2410; vgl. auch Kube, DStR 2017, 1792).
61 
2.1. Der SolZ ist eine Ergänzungsabgabe i. S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer. Eine Definition für den Begriff „Ergänzungsabgabe“ findet sich im GG nicht. Die Ergänzungsabgabe wurde durch das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I 1955, 817) in das GG eingeführt.
62 
Es handelt sich um eine Steuer, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungshoheit hat (Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG). Das Aufkommen steht ausschließlich dem Bund zu, während das Aufkommen aus der Einkommensteuer - nach Abzug des Gemeindeanteils (Art. 106 Abs. 5 GG) - nur hälftig dem Bund zufließt (Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG). Das SolZG bedarf gemäß Art. 105 Abs. 3 GG nicht der Zustimmung des Bundesrats.
63 
2.2. Der Gesetzgeber darf sich des Instruments der Ergänzungsabgabe bedienen.
64 
Die Anpassung der Steuerbeteiligungsquote (Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG) ist nicht vorrangig.
65 
Dies ist der Gesetzesbegründung zum Finanzverfassungsgesetz zu entnehmen (BT-Drucksache II/480, 72).
66 
Danach soll die Abgabe anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt decken, den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes in begrenztem Rahmen eine elastische Finanzpolitik ermöglichen und das Steuerverteilungssystem im Verhältnis zwischen Bund und Ländern dadurch festigen, dass die Notwendigkeit einer Revision der Steuerbeteiligungsquoten auf solche Mehrbelastungen des Bundes beschränkt wird, die nicht aus dieser beweglichen Steuerreserve gedeckt werden können. Hieraus ergibt sich eine Vorrangigkeit der „Steuerreserve“ gegenüber der Anpassung der Steuerbeteiligungsquote.
67 
Darüber hinaus soll die Ergänzungsabgabe nach der Begründung zum Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I 1969, 359) die finanzpolitische Bedeutung haben, dass der Bund künftig - und zwar ohne dass er dazu der Zustimmung des Bundesrates bedarf - bei Zunahme seines Steuerbedarfs unter volks- und finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten zwischen einer Erhöhung der ihm zustehenden Verbrauchsteuern und der Erhebung einer Personalsteuer wählen kann (BT-Drucksache V/2861, Seite 21, Rn. 63). Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat die Ergänzungsabgabe die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der Verbrauchsteuern zu decken. Durch die Einführung der Ergänzungsabgabe sollte die allzu häufige Revision der Beteiligungsquote vermieden werden (BVerfG-Beschlüsse vom 9. Februar 1972 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vom 19. November 1999 2 BvR 1167/96, HFR 2000, 134). Auch hieraus wird deutlich, dass die Anpassung der Steuerbeteiligungsquote nicht gegenüber einer Ergänzungsabgabe vorrangig ist.
68 
2.3. Die unterschiedlichen Ertragshoheiten erlauben nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Ergänzungsabgabe nur, wenn sie das finanzielle Ausgleichssystem nicht zulasten der Länder ändert und in ihrer Ausgestaltung - insbesondere in ihrer Höhe und Geltungsdauer - nicht die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer aushöhlt (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408). Sollte der Typus der Ergänzungsabgabe verfehlt werden, wäre die Steuer verfassungswidrig, da es kein freies Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers außerhalb der in Art. 106 GG genannten Steuerarten und Steuern gibt (BVerfG-Beschluss vom 13. April 2017 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171).
69 
Das BVerfG hat bisher noch nicht die Grenze festgelegt, bei der eine Ergänzungsabgabe eine verfassungswidrige Aushöhlung der Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 2 GG gemeinschaftlich zustehenden Steuern bewirken würde. Eine „Aushöhlung“ setzt aber schon vom Begriff her eine schwerwiegende Belastung durch die dem Bund allein zustehende Ergänzungsabgabe voraus. Der SolZ i. S. des § 4 Satz 1 SolZG in Höhe von 5,5 % ist keine solche Belastung. Er steht in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und ist damit verfassungsgemäß (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43; Kube, Steuer und Wirtschaft -StuW- 2022, 3). Dies belegen auch die kassenmäßigen Steuereinnahmen nach der Verteilung auf Bund, Länder und Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 GG). So belief sich im Haushaltsjahr 2020 das Kassenaufkommen des Bundes und der Länder aus Lohnsteuer auf 209,3 Mrd. Euro, aus veranlagter Einkommensteuer auf 59,0 Mrd. Euro, aus Körperschaftsteuer auf 24,3 Mrd. EUR, aus nicht veranlagter Steuer vom Ertrag auf 21,5 Mrd. Euro und aus Abgeltungsteuer auf 6,8 Mrd. Euro. Die Einnahmen des Bundes aus dem SolZ betrugen dagegen nur 18,7 Mrd. Euro (vgl.Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2020,Monatsbericht des BMF, Januar 2021;https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2021/01/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-4-steuereinnahmen-2020.html; abgerufen am 4. Mai 2022). Auch wenn der Bund mit dem SolZ erhebliche Einnahmen erhält, werden dadurch die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht ausgehöhlt. Es kann daher auch nicht angenommen werden, dass der Bund das finanzverfassungsrechtliche System der Ertragsverteilung zu seinen Gunsten unterlaufen würde.
70 
2.4. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben. Der Begriff Ergänzungsabgabe besagt lediglich, dass diese Abgabe die Einkommen- und Körperschaftsteuer, also auf Dauer angelegte Steuern, ergänzt, d. h. in einer gewissen Akzessorietät zu ihnen stehen soll. Aus der Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern kann sich auch für längere Zeit ein Mehrbedarf allein des Bundes ergeben, dessen Deckung durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Steuerpflichtigen unnötig belasten und konjunkturpolitisch unerwünscht sein kann, wenn eine Erhöhung der steuerlichen Gesamtbelastung vom Standpunkt der Länder aus nicht erforderlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BVerfG-Beschluss vom 8. September 2010 2 BvL 3/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2010, 1231; ebenso BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692).
71 
2.5. Eine zeitliche Begrenzung einer unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass sie nach ihrem Charakter den Zweck hat, einen vorübergehenden aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren, und sie damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf (vgl. Begründung zum Entwurf eines Ergänzungsabgabengesetzes; BT-Drucksache II/484, 4; vgl. auch BT-Drucksache II/480, 229; s. BFH-Urteile in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43 und in BFH/NV 2011, 1685; Kube, StuW 2022, 3). Die Ergänzungsabgabe ist ein subsidiäres Finanzierungsmittel zur Deckung zusätzlicher konkreter Finanzbedarfe des Bundes (BeckOK GG/Kube, 49. Ed. 15.11.2021, GG Art. 106 Rn. 14; G. Kirchhof, Der Betrieb -DB- 2021, 1039 [1040]). Ein dauerhafter Finanzbedarf ist regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsabgabe zu decken (Kube, DStR 2017, 1792 [1798]; Hoch, DStR 2018, 2410 [2411]; Wernsmann, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2018, 916; a. A. Tappe, StuW 2022, 6 [7]). Deshalb kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgebend waren, grundlegend ändern, z. B. weil der mit der Erhebung verfolgte Zweck erreicht ist und die Ergänzungsabgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden soll oder weil insoweit eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Ergänzungsabgabe wird in diesen Fällen aber erst zweifelhaft, wenn die Änderung der Verhältnisse eindeutig und offensichtlich feststeht, etwa weil die dem Bund im vertikalen Finanzausgleich zufallenden Steuern, möglicherweise nach einer grundsätzlichen Steuer- und Finanzverfassungsreform, zur Erfüllung seiner Aufgaben für die Dauer offensichtlich ausreichen (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408: „wenn die Voraussetzungen für die Erhebung dieser Abgabe evident entfielen“).
72 
2.6. Das Auslaufen des Solidarpakts II führt nicht zu einer eindeutigen und offenkundigen Änderung der Verhältnisse, die die weitere Erhebung des SolZ verfassungswidrig machen würde.
73 
2.6.1. Aus den Gründen des BFH-Urteils in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43 ergibt sich dies nicht. Danach war von einer weiteren Rechtfertigung des SolZ im Hinblick auf den Solidarpakt II auszugehen. Aus § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz -FAG-) vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3955, 3956 sei zu entnehmen, dass sich die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen seit 2005 von Jahr zu Jahr mindern. Daraus sei ersichtlich, dass der Bund von einem sinkenden Finanzbedarf ausgehe. Für einen dauernden, nicht mehr durch eine Ergänzungsabgabe abdeckbaren Finanzbedarf hätten sich jedenfalls im VZ 2007 keine Anhaltspunkte ergeben.
74 
Damit hat der BFH nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Erhebung des SolZ nach Auslaufen des Solidarpakts II auch dann nicht mehr gerechtfertigt sein könnte, wenn sich nach den Verhältnissen ab dem Jahr 2020 ein weiterer vorübergehender Finanzbedarf des Bundes herausstellen sollte.
75 
2.6.2. Es gibt auch keinen direkten rechtlichen Zusammenhang zwischen dem SolZ und dem Solidarpakt II. Die begriffliche Nähe lässt hierauf nicht schließen, weil die Ergänzungsabgabe, die 1991 anlässlich des „Golfkriegs“ (1990/91) eingeführt wurde, ebenfalls „Solidaritätszuschlag“ hieß. Erst das zweite SolZG 1995 hatte die Einbeziehung der „neuen Bundesländer“ in den Länderfinanzausgleich ab 1995 und das „Föderale Konsolidierungsprogramm“ zum Anlass. Es ist daher nicht überzeugend, den erst im Jahr 2001 beschlossenen Solidarpakt II zum zeitlichen Maßstab für die Dauer des SolZ zu machen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.; Tappe, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -NVwZ- 2020, 517 [519]).
76 
2.7. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum RückfSolZG (vgl. BT-Drucksache 19/14103, 1) besteht weiterhin ein wiedervereinigungsbedingter zusätzlicher Finanzierungsbedarf des Bundes, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer (bisheriger Korb II des Solidarpakt II). Danach übersteigen die Mittel, die bisher zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung aufgewendet wurden, das durch den SolZ erzielte Aufkommen. Das Aufkommen des SolZ von 1995 bis 2016 betrug etwa 275 Mrd. Euro. Hingegen beliefen sich allein die Ausgaben des Bundes aus den Solidarpakten I und II bis 2016, dem Bundesanteil für den „Fonds Deutsche Einheit“ und das vom Bund übernommene Defizit der Treuhandanstalt auf insgesamt 383 Mrd. Euro. Die Bundesregierung geht in der Gesetzesbegründung davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken werde. Wegen der aktuell weiterhin bestehenden finanziellen Lasten des Bundes aus der Wiedervereinigung wird der SolZ im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau in einem ersten Schritt zu Gunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt.
77 
Die Prognose des Gesetzgebers unterliegt einem weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Die verfassungsrechtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Wertung des Gesetzgebers - unter Beachtung des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums - noch vertretbar erscheint (BVerfG-Urteil vom 18. April 1989 2 BvF 1/82, BVerfGE 79, 311, 343 f.; BVerfG-Urteil vom 9. Juli 2007 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96, 140 f.). Nach diesen Maßstäben ist sie von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Mit seinen Angaben ist der Gesetzgeber seiner Darlegungspflicht (vgl. hierzu Woitok, StuW 2021, 17 [26]) ausreichend nachgekommen. Die Anforderungen an die Begründung sind insoweit nicht zu hoch zu stecken. Es genügt, wenn die konkrete fiskalische Ausnahmelage hinreichend deutlich erkennbar ist (Kube, DStR 2017, 1792 [1796, Fn. 45]). Die Angaben legen dar, dass ein vorübergehender, sich abschmelzender Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der Lasten auch nach dem Ende des Solidarpakts II fortbesteht. Nach wie vor kann der Gesetzgeber im Rahmen seines politischen Ermessens besondere Aufgaben, z.B. auch in den neuen Bundesländern, die es zu finanzieren gilt, als hinreichend relevant erkennen, um eine solche Abgabe zu benötigen. Durch die konkrete Bezeichnung dieser Aufgabe und die Darlegung eines entsprechenden Mittelbedarfs kann die weitere Erhebung des SolZ über das Jahr 2019 hinaus für eine am Zweck der Aufgabe orientierte und damit grundsätzlich beschränkte Zeit gerechtfertigt werden. Die in der Gesetzesbegründung festgelegte „Abschmelzung“ des Solidaritätszuschlags ab dem VZ 2021 zeigt den politischen Willen des Gesetzgebers zur Abschaffung des SolZ. Nach der politischen Planung nimmt der Bedarf des Bundes verhältnismäßig ab und wird zum Teil anderweitig gedeckt (vgl. Loritz, BT-Finanzausschuss Protokoll-Nr. 19/14 vom 27. Juni 2018, 63; Tappe, NVwZ 2020, 517 [519]). Es dürfte von einer graduellen Verflüchtigung der Rechtfertigung für die Erhebung des SolZ auszugehen sein. In Korrespondenz dazu wird man jedenfalls eine Abschmelzung des SolZ über einen überschaubaren Zeitraum von einigen Jahren ab dem Jahr 2020 als verfassungsgemäß anzusehen haben (Kube, DStR 2017, 1792 [1800]).
78 
Würde man den SolZ zur Deckung des vornehmlich beim Bund entstehenden Finanzbedarfs in den Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuertarif einarbeiten, würde dies wegen der proportionalen Beteiligung der Länder am Steueraufkommen (Art. 106 Abs. 3 GG) zu einer überschießenden Belastung der Steuerpflichtigen führen. Demgegenüber ist somit die Erhebung des SolZ das „mildere“ Mittel. Weitere Alternative zur Deckung des Bedarfs des Bundes wäre die Erhöhung von Verbrauchsteuern, die ihm alleine zustehen. Braucht der Bund also Einnahmen und will nicht den Verbrauch belasten, sondern das Einkommen, ist die Ergänzungsabgabe das „richtige“ Mittel (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.; Tappe, NVwZ 2020, 517).
79 
Die Erhebung des SolZ setzt auch nicht zwingend voraus, dass der Zusatzbedarf allein beim Bund und nicht auch bei den Ländern entsteht (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43, m.w.N.).
80 
2.8. Es ist unschädlich, dass in der Gesetzesbegründung die mit dem SolZ zu finanzierenden Aufgaben nicht genau bezeichnet werden. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).
81 
Grundsätzlich gilt für die Erhebung von Steuern das sog. Non-Affektationsprinzip (vgl. § 7 Haushaltsgrundsätzegesetz). Das Aufkommen aus den Steuern ist demgemäß im Allgemeinen für die Gesamtdeckung der öffentlichen Ausgaben heranzuziehen. Eine Zweckbindung bestimmter Steueraufkommen in dem Sinne, dass diese Aufkommen nur für spezifische Sonderzwecke verwendet werden dürfen, besteht von Rechts wegen nicht. Daher gilt auch für das Aufkommen aus dem SolZ, dass eine spezifische haushaltsrechtliche Zweckbindung von Rechts wegen nicht bestand und nicht besteht (vgl. Papier, a.a.O., 22; Tappe, StuW 2022, 6 [8]).
82 
2.9. Während des Laufes der Ergänzungsabgabe können sich zudem für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 VII B 324/05, BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692; a. A. Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den Abbau des SolZ vom 4. Juni 2019, Gz.: I 2 – 90 08 04, S. 22: unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Kernbrennstoffsteuer wird eine Überdehnung der Bundeskompetenz gesehen; https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/gutachten-berichte-bwv/berichte/ langfassungen/2019 -bwv-gutachten-abbau-des-solidaritaetszuschlages-pdf;abgerufen am 4. Mai 2022). Es ist nicht erforderlich, dass der Bund zum Zeitpunkt der Weiterführung des SolZ einen Finanzbedarf aus den gleichen Gründen hat, die ihn zu dessen Einführung bewogen haben. Auch ein anderer Bedarf des Bundes kann die Ergänzungsabgabe weiter als sinnvoll erscheinen lassen (Tappe, StuW 2022, 6 [8]).
83 
2.9.1. Eine Rechtfertigung für die weitere Erhebung des SolZ ergibt sich aus den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und den hieraus resultierenden belastenden Folgen für die Staatsfinanzen, vor allem die des Bundes.
84 
Nach dem Finanzplan des Bundes 2021 bis 2025 (BT-Drucksache 19/31501, 9 ff.) sind weiterhin umfassende Stützungsmaßnahmen geboten. Hierzu gehört die Stabilisierung der Beiträge zu den durch die Corona-Pandemie erheblich belasteten Sozialversicherungen durch Zuschüsse des Bundes. Gleichzeitig bleiben umfangreiche Maßnahmen zur Bekämpfung der unmittelbaren und mittelbaren Gefahren der Corona-Pandemie erforderlich. Zwar wird sich im Jahr 2022 und in den Folgejahren die Erholung der Steuereinnahmen im Einklang mit dem weiteren gesamtwirtschaftlichen Aufholprozess fortsetzen. Gleichwohl liegt das Niveau insgesamt weiterhin deutlich unter den noch im letzten Finanzplan vor der Corona-Pandemie für das Jahr 2022 erwarteten Steuereinnahmen. Neben wieder gestiegenen Zinsen führt auch die pandemiebedingt stark erhöhte Kreditaufnahme des Bundes zu höheren Zinsausgabenbelastungen des Bundes in den kommenden Jahren. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Bundeshaushalt sowie die aus der unterstützenden Finanzpolitik resultierenden Belastungen machen es im Haushaltsjahr 2022 erneut erforderlich, die Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG in Anspruch zu nehmen.Für den Haushalt 2022 sind neue Schulden im Umfang von rd. 99,7 Mrd. Euro – nach 240,2 Mrd. Euro in 2021 – vorgesehen (vgl. auch § 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2022 [Entwurf], BT-Drucksache 20/1000).
85 
Allein der Bund und seine Extrahaushalte zahlten in den ersten drei Quartalen 2021 rund 56,2 Mrd. Euro (plus 22,5 %) mehr Zuweisungen, Zuschüsse sowie Schuldendiensthilfen als im Vorjahreszeitraum. Darin sind Soforthilfen an Unternehmen ebenso enthalten wie zum Beispiel Zahlungen zur Unterstützung der Krankenhäuser. Die Ausgaben des Bundes beliefen sich von Januar bis September 2021 auf 408,0 Mrd. Euro und lagen damit vor allem aufgrund der höheren Zuweisungen und Zuschüsse infolge der Corona-Pandemie um 10,3 % (plus 38,0 Mrd. Euro) über dem Vorjahresniveau. Das Finanzierungsdefizit lag für den Bund bei 121,8 Mrd. Euro im Vergleich zu einem Defizit von 93,5 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. In den ersten drei Quartalen 2019 waren Ausgaben und Einnahmen des Bundes noch nahezu ausgeglichen. Bei Ländern (Januar bis September 2021: 3,3 Mrd. Euro) und Gemeinden (Januar bis September 2021: 6,0 Mrd. Euro) war das Finanzierungsdefizit vergleichsweise gering (vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 015 vom 12. Januar 2022; https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_015_711.html; abgerufen am 4. Mai 2022).
86 
Es ist daher gerechtfertigt, eine fiskalische Ausnahmelage infolge der COVID-19-Pandemie zu bejahen, die insbesondere vom Bund zu bewältigen ist. Der jährlichen Tilgungsverpflichtung nach Art. 115 Abs. 2 Satz 7 GG ab dem Jahr 2026 von voraussichtlich rd. 20,5 Mrd. Euro steht das zu erwartende Aufkommen des SolZ entgegen. Dies kann die weitere Erhebung des SolZ rechtfertigen (vgl. hierzu Woitok, StuW 2021, 17; Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Auflage 2021, Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung, Rz. 2.6; Kube, StuW 2022, 3 [4]; Kessler/Feurer/Schneider/Wardenberg, DStR 2021, 2929 [2937]).Ob die angekündigte endgültige Aufhebung des SolZG noch realistisch ist, erscheint angesichts der negativen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise eher unwahrscheinlich (vgl. Brandis/Heuermann/Lindberg, 159. EL Oktober 2021, SolZG 1995 § 1 Rn. 1a unter Verweis auf Papier, Solidaritätszuschlag und Finanzverfassung, in Festschrift Lehner, 2020, 511 ff.).
87 
Mit dem Ukraine-Konflikt ist neben der COVID-19-Pandemie eine weitere Ausnahmesituation hinzugekommen, die die weitere Erhebung des SolZ rechtfertigen könnte. Die Bundesregierung will ein im GG zu verankerndes Sondervermögen „Bundeswehr“ errichten und mit einer Kreditermächtigung in Höhe von 100 Mrd. Euro ausstatten, um in den kommenden Jahren die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Darüber hinaus plant die Bundesregierung derzeit ein zusätzliches Programm, um vor allem die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine abzufedern und ihre humanitären Anstrengungen in dessen Folge zu verstärken. Sie hat dazu einen Ergänzungshaushalt angekündigt, der zusammen mit dem Haushaltsgesetz 2022 beraten werden soll (vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/ Bundeshaushalt/ 2022/zweiter-regierungsentwurf-2022-eckwerte-2023.html; abgerufen am 4. Mai 2022). Bereits die erstmalige Einführung des SolZ im Jahr 1991 wurde auch mit einer „Mehrbelastung (…) aus dem Konflikt am Golf“ und einer „Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa“ begründet (BT-Drucksache 12/220, 6).
88 
2.9.2. In Teilen der Literatur wird eine erkennbare gesetzgeberische Entscheidung für erforderlich gehalten, die fortgesetzte Erhebung des SolZ auf die neue fiskalische Ausnahmelage aufgrund der COVID-19-Pandemie stützen zu wollen. Der besondere Finanzbedarf, der die Ergänzungsabgabe rechtfertigt, dürfe nicht einfach stillschweigend gewechselt werden (Kube, StuW 2022, 3 [4]; G. Kirchhof, DB 2021, 1039 [1040]; a. A. Tappe, StuW 2022, 6 [8]). Hierfür käme ein sog. schlichter Parlamentsbeschluss des Bundestags (Art. 42 Abs. 2 GG) in Betracht (Woitok, StuW 2021, 17 [27]; Kube, StuW 2022, 3 [4 f.]).
89 
Diesem Erfordernis könnte nach Auffassung des erkennenden Senats etwa im Haushaltsplan, der nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Haushaltsgesetzgeber festgestellt wird und einen staatsleitenden Hoheitsakt in Gesetzesform darstellt, entsprochen werden (vgl. BVerfG-Urteil vom 18. April 1989 2 BvF 1/82, BVerfGE 79, 311). Ein Corona-SolZG könnte im Wortlaut dem aktuell geltenden SolZG (weitestgehend) entsprechen (Kube, StuW 2022, 3 [5]).
90 
Vor diesem Hintergrund steht nach Auffassung des Senats die verfassungsrechtlich noch mögliche und realistische „Option zur Umwidmung“ einer Ergänzungsabgabe für noch laufende bzw. noch in der Zukunft liegende VZ ebenfalls der nötigen Überzeugungsbildung von der Verfassungswidrigkeit des SolZG ab 2020 entgegen (ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.).
91 
3. Das SolZG ist auch nach den Änderungen durch das RückfSolZG verfassungsgemäß.
92 
3.1. Hierdurch wurden mit Wirkung ab dem VZ 2021 (§ 6 Abs. 21 SolZG) die Freigrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG für die Einzelveranlagung von 972 Euro auf 16.956 Euro und für die Zusammenveranlagung von 1.944 Euro auf 33.912 Euro angehoben (sog. Nullzone). Die Beträge für den Lohnsteuerabzug in § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 - 3 SolZG wurden entsprechend angepasst.
93 
Zudem wurde eine sog. Milderungszone geschaffen, mit der für den Fall des Überschreitens der Freigrenzen die Durchschnittsbelastung durch den SolZ erst allmählich an die Normalbelastung von 5,5% der Bemessungsgrundlage herangeführt wird (§ 4 Satz 2 SolZG).Die Begrenzung der zusätzlichen Grenzbelastung in der Milderungszone auf 11,9 % führt zu deren Streckung. Ein kontinuierlicher Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und SolZ bleibt sichergestellt.
94 
Keine Abschaffung des SolZ erfolgte indes für Kapitalerträge. Für diese wird der SolZ weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erhoben (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG).
95 
Weiterhin bleibt der SolZ auch auf die Körperschaftsteuer in voller Höhe erhalten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG).
96 
Hiervon abweichend regelt § 3 Abs. 2 SolZG als lex specialis, dass Bemessungsgrundlage für den SolZ die nach § 2 Abs. 6 EStG festzusetzenden Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 32 EStG ist. D. h., für die Festsetzung des SolZ werden sowohl das Teileinkünfteverfahren als auch die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG in vollem Umfang mindernd berücksichtigt (Brandis/Heuermann/Lindberg, 159. EL Oktober 2021, SolZG 1995 § 1 Rn. 3).
97 
Das 2. Familienentlastungsgesetz (FamEntlG) vom 1. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 2616) hat § 3 Abs. 2a SolZG an die durch dasselbe Gesetz erhöhten Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG) angepasst (in Kraft seit 1. Januar 2021, Art. 6 Abs. 1 des 2. FamEntlG; zur Anwendung siehe § 6 Abs. 22 SolZG).
98 
3.2. Mit der Erhöhung der Freigrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG und der Schaffung einer sog. Milderungszone (§ 4 Satz 2 SolZG) durch das RückfSolZG verstößt der Gesetzgeber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
99 
Nach der Rechtsprechung des BVerfG gebietet der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Dezember 2021 2 BvL 1/13, DStR 2022, 19; m.w.N.).
100 
Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Dabei muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig i.S. von Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung oder Haushaltskonsolidierung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht als Rechtfertigungsgrund für Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestands anzuerkennen (BVerfG-Beschluss in DStR 2022, 19; m.w.N.).
101 
Ein solcher Grund kann dagegen in der Verfolgung von Förderungs- oder Lenkungszwecken liegen.In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Er darf Verschonungen von der Steuer vorsehen, sofern er ansonsten unerwünschte, dem Gemeinwohl unzuträgliche Effekte einer uneingeschränkten Steuererhebung befürchtet (BVerfG-Beschluss in DStR 2022, 19; m.w.N.).
102 
3.3. Mit dem RückfSolZG berücksichtigt der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise soziale Gesichtspunkte.
103 
3.3.1. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten. Deshalb konnte der Gesetzgeber auch bei der Einführung der Ergänzungsabgabe, die im Ergebnis eine Verschärfung der Einkommensteuer darstellt, solchen Erwägungen Rechnung tragen. Die Ergänzungsabgabe sollte mit der stärkeren Besteuerung der höheren Einkommen der Verteilung der zusätzlichen Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung tragen und ein Gegengewicht zur gleichzeitigen Erhöhung der Umsatzsteuer schaffen (Begründung zum Entwurf des Zweiten Steueränderungsgesetzes, BT-Drucksache V/2087, 8). Im Verhältnis zum Steuerzahler wäre es ohne weiteres zulässig gewesen, die Einkommensteuer zu erhöhen und dabei die unteren Einkommensstufen von der Erhöhung auszunehmen. Dann ist aber auch kein Grund dafür ersichtlich, die Ergänzungsabgabe als eine selbständige Steuer strenger an die Struktur der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu binden als eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer selbst (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559/70, BVerfGE 29, 402, BStBl II 1971, 39, zum Konjunkturzuschlag; BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 1973 1 BvR 345/73, BVerfGE 36, 66, BStBl II 1973, 878; zum Stabilitätszuschlag).
104 
3.3.2. Nach der Gesetzesbegründung zum RückfSolZG (BT-Drucksache 19/14103, 11 f.) soll durch den schrittweisen Abbau des SolZ in einem ersten Entlastungsschritt der Verteilung der zusätzlichen Steuerlast nach der Leistungsfähigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen werden. Hierbei seien sozialstaatliche Erwägungen maßgebend, da höhere Einkommen einer stärkeren Besteuerung unterliegen sollen als niedrigere Einkommen. Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte rechtfertige es auch, einen Teil der Einkommensteuerpflichtigen nicht zu erfassen. Die „Milderungszone“ im Anschluss an die Freigrenze vermeide einen Belastungssprung und stelle einen kontinuierlichen Anstieg der Gesamtbelastung durch Einkommensteuer und SolZ sicher. Im Hinblick auf einen späteren vollständigen Abbau des SolZ werde ab 2021 der Zuschlag in einem ersten Entlastungsschritt für niedrige und mittlere Einkommen zurückgeführt. So würden rund 90 % aller Zahler des SolZ zur Lohnsteuer und veranlagten Einkommensteuer vom SolZ vollständig entlastet. Hierunter fallen nach Auskunft des BMF Alleinstehende mit einem Bruttojahreslohn von bis zu 73.874 Euro und (z.B.) Familien mit zwei Kindern mit einem Bruttojahreslohn von bis zu 151.990 Euro. Für weitere 6,5 % der Zahler entfällt der SolZ zumindest teilweise durch Schaffung einer sog Milderungszone, mit der für den Fall des Überschreitens der Freigrenzen die Durchschnittsbelastung durch den SolZ erst allmählich an die Normalbelastung von 5,5% der Bemessungsgrundlage herangeführt wird (§ 4 Satz 2 SolZG).
105 
Dies stelle zudem eine wirksame Maßnahme zur Stärkung der Arbeitsanreize, Kaufkraft und Binnenkonjunktur dar. Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen hätten eine deutlich höhere Konsumquote als Spitzenverdienende, d. h. sie seien typischerweise gezwungen, deutlich mehr von ihrem Einkommen für Güter und Dienstleistungen auszugeben. Demgegenüber erhöhten Spitzenverdienende bei zusätzlichem Nettoeinkommen ganz überwiegend ihre Ersparnisse. Von einer Abschaffung des SolZ für die Spitzenverdienenden würde deshalb auch ein deutlich geringerer konjunktureller Impuls ausgehen als von der Abschaffung für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren und niedrigen Einkommen.
106 
3.4. Diese Erwägungen des Gesetzgebers rechtfertigen eine Erhöhung der Freigrenzen, die sich nur auf einen bestimmten Kreis von Steuerpflichtigen entlastend auswirkt.
107 
3.4.1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG steht dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und des Steuersatzes ein weiter Spielraum zu (BVerfG-Beschluss vom 8. Juli 2021 1 BvR 2237/14, DStR 2021, 1934). Wenn der Gesetzgeber demnach ab dem Jahr 2021 von einem geminderten Finanzbedarf ausgeht und die Abschaffung des SolZ zunächst bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen beginnen möchte, steht dem nichts entgegen (vgl. auch Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, a.a.O., Ziffer 4.2.1.).
108 
Von Bedeutung ist auch, dass die Steuerbelastung bei Steuerpflichtigen mit hohen Einkünften seit der Einführung des jetzigen SolZ bereits abgemildert wurde. Zunächst betrug der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer 53 %. Derzeit liegen der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer bei 42 % bzw. 45 % für zu versteuernde Einkommen ab 277.826 Euro (§ 32a Abs. 1 EStG, ab VZ 2022), also einschließlich SolZ bei 44,3 % bzw. 47,5 %.
109 
3.4.2. Er erfolgt auch kein unzulässiger Eingriff in den Belastungsverlauf der Einkommensteuer (vgl. Wernsmann, NJW 2018, 916 [918]) bzw. ein Formenmissbrauch (vgl. Papier, a.a.O., 28). Bei dem SolZ als Ergänzungsabgabe handelt es sich um eine selbstständige Steuer vom Einkommen. Dieser knüpft technisch an die „zu ergänzende“ Steuer an und „teilt“ sich damit die Bemessungsgrundlage. Als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer muss der SolZ diese Steuern weiterführen. Der Steuersatz (und die Höhe des Zuschlags) ist jedoch notwendig von dem der Einkommen- und Körperschaftsteuer verschieden. Daher muss der Tarifverlauf des SolZ für sich betrachtet werden. Hier wertet das BVerfG die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte als „zulässig und geboten“ (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408; vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517; ders. StuW 2022, 6 [9]). Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht durch die nachfolgende Rechtsprechung des BVerfG zur gebotenen Freistellung des Existenzminimums (Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5/91, BStBl II 1993, 413, BVerfGE 87, 153) und die nachfolgende deutliche Anhebung des Grundfreibetrags überholt (a.A. Kube, StuW 2022, 3 [5]; ders. Finanzrundschau -FR- 2018, 408 [409]; Wernsmann, NJW 2018, 916 [917]; ders. StuW 2018, 100 [110 f.]; Hoch, DStR 2018, 2410 [2415]). Der Rechtsprechung des BVerfG kann dies nicht entnommen werden. Sie hat sich bislang nicht von den Erwägungen imBVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408 distanziert.
110 
Der „Progressionsknick” bei Erreichen der Einkommensgrenze des § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG wird durch die Übergangsregelung in § 4 Satz 2 SolZG (sog. Milderungszone) so abgemildert, dass die Erhebung des SolZ nicht zu einer unerträglichen Verzerrung der Besteuerung führt (zu dieser Erwägung zur Ergänzungsabgabe vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 32, 333, BStBl II 1972, 408).
111 
3.4.3. Bei der Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, hier dem SolZ, geht es im Übrigen auch nicht in erster Linie um die Belastung der Steuerpflichtigen. Diese könnte man funktionsgleich durch eine Erhöhung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer erreichen. Es geht vielmehr um eine Verschiebung der (Steuer-)Einnahmen im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, d.h. den Verzicht auf eine höhere Einkommensteuer, wenn nur der Bund einen (relativen) Sonderbedarf hat, nicht aber auch die Länder und die Gemeinden. Die Frage, ob eine Ergänzungsabgabe erhoben werden soll, beantwortet sich vor allem danach, wie vonseiten des Gesetzgebers die alternativen Regelungsmöglichkeiten - Anpassung der Umsatzsteueranteile oder Ausweichen auf (Bundes-)Verbrauchsteuern - eingeschätzt werden (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]). Auch in dieser Frage steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
112 
3.4.4. Die fehlende Einbeziehung von Körperschaften in die - aus sozialstaatlichen Erwägungen geplante - Abschmelzung des SolZ ist zulässig. Es liegt keine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung (von wesentlich Gleichem) vor.
113 
Die Körperschaftsteuer verfügt über eine völlig andere Tarifstruktur als die Einkommen-steuer. Der BFH sah unter Hinweis auf den ohnehin niedrigeren Körperschaftsteuertarif (derzeit 15 %, § 23 Abs. 1 KStG) etwa keinen Gleichheitsverstoß darin, dass bei Inhabern von Personenunternehmen die Bemessungsgrundlage für den SolZ nach § 35 EStG durch die Gewerbesteuer vermindert wird, nicht aber bei Körperschaften (BFH-Urteil in BFHE 234, 250, BStBl II 2012, 43).
114 
Wenn der Tarif der Einkommensteuer aber ein gänzlich anderer sein kann als der Satz der Körperschaftsteuer, ist auch nicht ersichtlich, warum nicht auf die eine Steuer ein Zuschlag erhoben werden soll, auf die andere nicht (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]).
115 
Den Gesetzesmaterialien zum Finanzverfassungsgesetz 1955 (BT-Drucksache II/480, 212) kann entnommen werden, dass eine Verkoppelung der Zuschläge zur Einkommen-steuer und der Zuschläge zur Körperschaftsteuer nicht für erforderlich gehalten wurde. Der Bund sollte insoweit nicht gebunden sein (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]).
116 
Da das sozialstaatliche Argument bei einer schrittweisen Abschaffung für eine soziale Staffelung spricht, sozialstaatliche Erwägungen bezogen auf die Körperschaftsteuer aber keine Rolle spielen, erscheint ein Vorziehen der Entlastung (nur) für untere und mittlere Einkommen natürlicher Personen gut vertretbar. Ein solches Vorgehen liegt jedenfalls innerhalb des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums (vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 [521]).
117 
Die Kläger als natürliche Personen wären zudem im Vergleich zu den Subjekten der Körperschaftsteuer nicht benachteiligt, sondern begünstigt. Die begünstigte Gruppe kann keinen Verfassungsverstoß rügen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2020 3 K 1098/19, a.a.O.).
118 
3.4.5. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der SolZ weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erhoben wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG).
119 
Für private Kapitaleinkünfte gilt bereits ein günstiger Abgeltungsteuersatz von 25 %. Die Kapitaleinkünfte werden nicht bei der veranlagten (höheren) Einkommensteuer berücksichtigt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den SolZ weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erheben will.Dies liegt innerhalb des ihm zuzubilligenden Gestaltungsspielraums.
120 
Steuerpflichtige haben mit der sog. Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG darüber hinaus die Möglichkeit, dass die Kapitaleinkünfte mit dem niedrigeren individuellen Einkommensteuersatz besteuert werden. In diesem Fall werden die Kapitaleinkünfte bei der Ermittlung der veranlagten Einkommensteuer berücksichtigt, auf die die Freigrenze angewendet wird. Neben der vom Kapitalgläubiger zu viel einbehaltenen Kapitalertragsteuer wird dann auch der entsprechende SolZ erstattet (vgl. BT-Drucksache 19/14585).
121 
Schließlich liegt die in der Klagebegründung problematisierte Konstellation der Erhebung von SolZ auf Kapitalerträge trotz eines Gesamteinkommens unter der Freigrenze von 33.912 Euro bei den Klägern nicht vor.
122 
3.4.6. Es verstößt auch nicht gegen die Verfassung, dass bei Ehegatten, die zur Ausnutzung der sog. Null- bzw. Milderungszone die Einzelveranlagung (§ 26a EStG) wählen, die Höhe des SolZ bei gleichem zu versteuernden Einkommen nicht stets identisch ist, sondern durch die unterschiedlichen Beiträge der Ehepartner zum - rein rechnerisch einheitlich betrachteten - zu versteuernden Einkommen beeinflusst werden kann (vgl. hierzu Broer, Wirtschaftsdienst 2019, 697 [700 f.]).
123 
Von einem Verstoß gegen das Schutzgebot der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) könnte nur dann gesprochen werden, wenn Ehegatten gegenüber Ledigen benachteiligt würden. Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG könnte daher hier lediglich unter Zugrundelegung des Vergleichstatbestandes Ehe - Nichtehe festgestellt werden. An einem unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG tauglichen Vergleichspaar fehlt es aber, wenn - wie hier - die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einzelveranlagung nicht aus der verschiedenen Steuerlast von Verheirateten zu Ledigen hergeleitet werden, sondern von Ehen im Verhältnis untereinander (BVerfG-Beschluss vom 14. April 1959 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57, BVerfGE 9, 237).
124 
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Das BVerfG hat in dem Beschluss vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, BStBl I 1957, 193 festgestellt, dass das Einkommensteuerrecht auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung beruht und auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Diesem Grundsatz wird § 26a EStG gerecht (Schmidt/Seeger, EStG, 41. Auflage 2022, § 26a Rn. 2). Beruht demnach das System der Einkommensteuer nicht auf der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare, sondern auf der der einzelnen Steuerpflichtigen, dann kann unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht die steuerliche Belastung von Ehepaaren, sondern nur von einzelnen Steuerpflichtigen miteinander verglichen werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 9, 237).
125 
Die in der Literatur (vgl. Broer, a.a.O.) untersuchte Sachverhaltskonstellation betrifft den Vergleich von einzelveranlagten Ehegatten. Hier kann es in Abhängigkeit von der Höhe der Einkünfte des jeweiligen Ehepartners zu unterschiedlichen Belastungen beim SolZ kommen. Dies macht aber eine Zusammenrechnung der Einkommen der Ehepartner zu einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen erforderlich. Dies ist jedoch bei der Einzelveranlagung, die auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung beruht, nicht zulässig. Bei dem gebotenen Vergleich des einzelnen Ehepartners mit einem anderen Steuerpflichtigen mit gleich hohem zu versteuernden Einkommen ergibt sich keine unterschiedliche Belastung mit SolZ.
126 
Letztlich würde es aufgrund der Höhe der Einkünfte der Kläger auch an deren Selbstbetroffenheit mangeln.
127 
C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.
128 
D. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).
129 
E. Da die Kosten des Verfahrens den Klägern auferlegt wurden, war über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) für das Vorverfahren nicht zu befinden.

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