Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (6. Senat) - 6 K 1314/12

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

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Nachdem mit Bescheiden vom 17. Februar 2012 zulasten der Klägerin Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide erlassen worden waren, beantragte die damals durch die Steuerberatungsgesellschaft ... vertretene Klägerin am 6. März 2012 eine Stundung der daraus resultierenden Steuernachzahlungen 2007 bis 2009. Gegen den ablehnenden Bescheid vom 15. März 2012 legte sie persönlich Einspruch ein und focht zugleich auch noch „alle unter dem Betreff angegebenen Steuerbescheide“ an bzw. begehrte die Feststellung von deren Nichtigkeit. Sodann beantragte die nunmehr durch Rechtsanwalt B. vertretene Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2012 hilfsweise, ihren Stundungsantrag in fristgemäße Einsprüche gegen die Steuerbescheide umzudeuten. Nachdem der Beklagte auf die seines Erachtens eingetretene Bestandskraft der Steuerbescheide und die Eindeutigkeit des Stundungsantrages hingewiesen und erfolglos um Rücknahme des Einspruchs gebeten hatte, wies er den Einspruch gegen die Stundung mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2012 als unzulässig zurück und gab die Entscheidung noch am gleichen Tag mit einfachem Brief zur Post.

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Daraufhin hat die weiterhin durch Rechtsanwalt B. vertretene Klägerin am 17. Dezember 2012  unter Beifügung der betreffenden Einspruchsentscheidung „wegen Ablehnung der Stundung für Einkommensteuer und Umsatzsteuer“ Klage erhoben, jedoch den Antrag angekündigt,
den Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2012 betreffend die Aussetzung der Vollziehung (Einspruch gegen den Bescheid vom 15. März 2012 über die Ablehnung der Stundung für Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2007 bis 2009 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 7. November 2012, zugestellt am 16. November 2012), aufzuheben und die beantragte Stundung zu bewilligen.

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Nach einem Hinweis der Berichterstatterin, dass eine auf „Aussetzung der Vollziehung“ gerichtete Klage wegen § 69 Abs. 7 Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig sei und dass ferner die im Klageantrag behauptete Zustellung der angefochtenen Stundungsablehnung „am 16. November 2012“ glaubhaft zu machen sei, hat die Klägerin ihre Klage ausdrücklich aufrecht erhalten und ihren bisher angekündigten Antrag um die Anträge erweitert,
festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Land Sachsen- Anhalt bzw. Finanzamt kein Rechtsverhältnis bestehe, nach dem die Klägerin verpflichtet ist, Umsatzsteuer und Einkommensteuer zu zahlen sowie
hilfsweise festzustellen, dass der Klägerin jedenfalls bis auf weiteres ein Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) zustehe, aufgrund dessen sie berechtigt ist, jegliche Steuerzahlung zurückzuhalten, bis in der Bundesrepublik Deutschland verfassungsgemäße Zustände nach dem GG, insbesondere der freiheitlich- demokratischen Grundordnung hergestellt sind.

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Darüber hinaus hat sie die Aussetzung der Vollziehung sämtlicher Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 beantragt. Daraufhin hat der Senat die Klage unter dem vorliegenden Aktenzeichen durch Gerichtsbescheid abgewiesen und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter dem Aktenzeichen 6 V 70/13 durch Beschluss vom 8. April 2013 abgelehnt, ohne die Beschwerde zuzulassen. Die zuständige Geschäftsstelle hat dann dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bzw. Klägerin wie dem Antragsgegner bzw. Beklagten jeweils einen Abdruck des Gerichtsbescheides zugestellt bzw. einen Abdruck des Beschlusses zugesandt. Daraufhin ist unter dem Aktenzeichen beider Verfahren fristgemäß ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden. Am Tag der mündlichen Verhandlung hat Rechtsanwalt B. sein Mandat niedergelegt und die Klägerin ist in Begleitung ihres Sohnes C. sowie des Verwaltungsangestellten D. erschienen, denen sie jeweils Terminsvollmacht erteilt hat. Nach Vortrag des Sachberichtes und Erörterung der daraus folgenden Sach- und Rechtslage hat die Klägerseite ihrer Klagebegründung zunächst vorausgeschickt, dass sie einen Anspruch auf Einsicht in die Gründungsurkunde des Landes Sachsen- Anhalt sowie die den Streitfall betreffenden Akten habe, darauf aber angesichts der ihr dafür angebotenen Vertagung aber letztlich verzichtet. Ferner hat sie angemerkt, dass die Bescheide des Beklagten nicht mit der deutschen Bundespost, sondern einem privaten Postservice versandt würden.

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Anschließend hat sie neben den angekündigten Klageanträgen fünf Schriftsätze mit ihren Rechtsansichten und zugehörigen Klageanträgen verlesen, die das Gericht - nach Fertigung einer Kopie für den Beklagten - als Blatt 78 bis 90 zu den Akten genommen hat, so dass wegen der Klagebegründung im Einzelnen auf diese Schriftsätze verwiesen wird.

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Darin beantragt die Klägerin,
1. zu bescheiden, ob es ein rechtskräftiges Steuergesetz nach dem Grundgesetz gebe,
2. zu bescheiden, ob die Abgabenordnung Gültigkeit habe,
3. zu bescheiden, dass zwischen ihr und der Firma Finanzamt Naumburg kein Rechtsverhältnis bestehe,
4. die Unwirksamkeit des Beschlusses 6 V 70/13 zu bescheiden und der Aussetzung der Vollziehung stattzugeben und
5. bei Zweifeln an der dargelegten Rechtslage ein Sachverständigengutachten einzuholen.

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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

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und hat auf eine Erwiderung zu diesen Schriftsätzen verzichtet.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig.

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Soweit die Klägerin mit den in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich gestellten Anträgen ihre ursprüngliche Klage vom 17. Dezember 2012 gegen die Ablehnung der Stundung, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 7. November 2012, zumindest konkludent aufrecht erhält, ist schon die Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 FGO nicht eingehalten. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Gemäß § 108 Abs. 3 AO endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Danach gilt die ausweislich der Akten am 7. November 2012 mit einfachem Brief zur Post gegebene Einspruchsentscheidung - weil der 10. November 2012 ein Samstag war - als am 12. November 2012 als zugegangen. Dieser Zugangszeitpunkt kann nicht mit einem bloßen Hinweis des Prozessbevollmächtigten, der Einspruchsbescheid sei am 16. November 2012 zugestellt worden, in Zweifel gezogen werden. Es sind nämlich weder Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische - Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post - ernstlich in Betracht zu ziehen ist oder die den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post in Zweifel ziehen, noch ist der Prozessbevollmächtigte der Aufforderung des Gerichts, seinen Vortrag im Rahmen des Möglichen zu substantiieren und glaubhaft zu machen, nachgekommen. Folglich kommt es schon gar nicht mehr darauf an, dass der Vortrag auch deshalb unplausibel erscheint, weil der Bescheid nach Aktenlage überhaupt nicht „zugestellt“, sondern durch einfachen Brief „zugesandt“ wurde. Ebenso wenig kann der Zugangszeitpunkt durch den bloßen Hinweis in der mündlichen Verhandlung, dass Bescheide des Beklagten mit einem privaten Postservice versandt würden, in Zweifel gezogen werden. Auch bei der Übermittlung eines Verwaltungsaktes durch einen privaten Briefdienstleister kann nämlich auf die Beweislastregel des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden (BFH- Beschlüsse vom 13. Februar 2008 IX B 218/07, BFH/ NV 2008, 742; BFH- Beschluss vom 11. August 2008 III B 141/07, BFH/ NV 2008, 1646). Folglich begann die Frist der Klage hinsichtlich der Stundung am 13. November 2012 und endete am 12. Dezember 2012, während die Klage erst am 17. Dezember 2012 bei Gericht eingegangen und somit verfristet ist.

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Zugleich ist damit nicht nur die ursprüngliche Klageerweiterung, nämlich auf Feststellung, dass zwischen der Klägerin und dem beklagten Land kein Rechtsverhältnis besteht, auf Grund dessen Umsatzsteuer und Einkommensteuer zu zahlen ist, unzulässig, sondern auch der demgegenüber in der mündlichen Verhandlung leicht abgewandelte Antrag auf Bescheidung, dass zwischen der Klägerin der „Firma Finanzamt ...“ kein Rechtsverhältnis besteht. Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO wird dem Steuerpflichtigen nämlich ein Feststellungsinteresse schon dann abgesprochen, wenn er seine Rechte durch Gestaltungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (Tipke in Tipke/ Kruse, Kommentar zur AO/ FGO, Erglfg. Oktober 2005, § 41 Rdnr. 14). Vorliegend hätte die Klägerin ihre dahinter stehenden Rechtsschutzziele jedoch ebenso gut durch Anfechtung der Steuerbescheide oder Verpflichtung zu einer Stundung oder einem Erlass erreichen können, wenn sie gegen die jeweiligen Steuerbescheide rechtzeitig Einspruch eingelegt oder aber gegen die Ablehnung der Stundung rechtzeitig Klage erhoben hätte. Nachdem die Klägerin sich dieser Möglichkeiten begeben hat, kann die versäumte Einspruchs- bzw. Klagefrist nicht durch die insoweit subsidiäre Feststellungsklage umgangen werden.

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Unzulässig ist der auf das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten abzielende Klageantrag aber auch, wenn die Klägerin ihre ursprünglich gegen die Ablehnung der Stundung gerichtete Klage nicht aufrecht erhalten und damit gerade kein mit einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Leistungsklage angestrebtes Ziel mehr verfolgt. In dem Fall würde ihr Antrag auf Bescheidung, dass zwischen der Klägerin und der „Firma Finanzamt ...“ kein Rechtsverhältnis besteht, nämlich gleichwohl als Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO zu interpretieren sein. Für eine solche ist jedoch nach  § 41 Abs. 1 FGO bzw. in entsprechender Anwendung des § 40 Abs. 2 FGO ein Feststellungsinteresse erforderlich. Hierfür müsste die Klägerin konkret und in sich schlüssig vorbringen, dass sie ein eigenes berechtigtes Interesse rechtlicher, ideeller oder wirtschaftlicher Art an der Feststellung speziell gegenüber dem Beklagten hat. Ausgehend davon, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Ablehnung der Stundung, den Erlass von Steuerbescheiden oder andere Beeinträchtigungen ihrer Rechte bzw. ihrer Vermögensverhältnisse in der Vergangenheit aber gerade nicht zum Gegenstand ihrer Klage gemacht hat, kann sich ein Feststellungsinteresse dann allenfalls noch aus künftig zu erwartenden Beeinträchtigungen ergeben (sog. vorbeugende Feststellungsklage). Eine Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis nicht bestehe, kann jedoch nicht auf Rechtsfolgen gestützt werden, die erst in Zukunft eintreten könnten (BFH, Urteil vom 8. April 1981 III R 47/79, BStBl. II 1981, 581). Genau das hat die Klägerin jedoch getan, indem sie zur Begründung ihres diesbezüglichen Antrages in der mündlichen Verhandlung lediglich darauf verwiesen hat, dass das „Unternehmen Finanzamt … bislang in keinster Weise ein Angebot zum Abschluss eines freiwilligen Vertrages zur Zahlung irgendwelcher Geldmittel durch die Klägerin unterbreitet“ habe und sie ihrerseits auch „jedwede Zahlung ablehne“ und nicht bereit sei „ein denkbares Angebot“ anzunehmen.

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Entsprechend unzulässig sind, soweit die Klägerin ihren ursprünglichen Verpflichtungsklage nicht aufrecht erhalten hat, aber auch die beiden in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, zu bescheiden, ob es ein rechtskräftiges Steuergesetz nach dem Grundgesetz gebe bzw. ob die Abgabenordnung Gültigkeit habe. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg zwar in öffentlich rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten eröffnet, soweit diese der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Jedoch kann nach § 40 Abs. 1 FGO Gegenstand einer Anfechtungsklage nur die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes, Gegenstand einer Verpflichtungsklage nur die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes und Gegenstand einer allgemeinen Leistungsklage nur die Verurteilung einer anderen Leistung sein, was die Klägerin mit den beiden oben genannten Anträgen aber gerade nicht bezweckt. Ansonsten kann nach § 41 Abs. 1 FGO Gegenstand einer Feststellungsklage zwar auch das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, nicht aber die davon losgelöste Feststellung der Rechtswidrigkeit oder Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm (BFH-Urteil vom 14. Januar 1986 VII R 137/82, BFH/ NV 1986, 426 a.E.), wie sie die Klägerin hier begehrt.

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Soweit sich die Klage des Weiteren darauf richtet, das Finanzgericht möge die Unwirksamkeit seines Beschlusses 6 V 70/13 bescheiden und der Aussetzung der Vollziehung stattgeben, ist diese Klage nach § 69 Abs. 7 FGO unzulässig. Danach kann das Gericht, wenn die zuständige Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat, nur nach den Absätzen 3 und 5 des § 69 FGO, mithin durch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und nicht etwa durch eine Klage, wie sie die Klägerin hier erhoben hat, angerufen werden. Überdies ist dem Senat – angesichts entsprechender Ausführungen im Gerichtsbescheid und des gleichwohl aufrecht erhaltenen Klagebegehrens bezüglich der Aussetzung der Vollziehung – auch die Umdeutung des zweiten Teils dieses Klageantrages in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verwehrt. Insofern kommt es schon gar nicht mehr darauf an, dass ein solcher Antrag mangels eines „angefochtenen“ Verwaltungsaktes i.S.d. § 69 Abs. 1 FGO und überdies mangels schlüssig dargelegter „veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände“ unzulässig ist. Soweit die Klägerin in dem Zusammenhang darauf verweist, dass Urteile und Beschlüsse nach § 317 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) den Parteien vom Richter unterschrieben zugestellt werden müssten, ist daher lediglich anzumerken, dass nicht etwa § 317 Abs. 1 ZPO sondern allenfalls § 315 Abs. 1 ZPO die Unterschrift der mitwirkenden Richter auf dem Urteil selbst vorsieht, während gerade § 317 ZPO in seinem Absatz 4 - der über § 329 ZPO insoweit auch für Beschlüsse anwendbar ist - für die den Beteiligten anschließend übersandte Ausfertigung bzw. den entsprechenden Ausdruck sogar ausdrücklich auf eine höchstpersönliche Unterzeichnung durch den oder die Richter verzichtet. Dementsprechend hat sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dann auch persönlich davon überzeugt, dass der Beschluss vom 8. April 2013 6 V 70/13 auf Blatt 15 der Verfahrensakte, auf die verwiesen wird, die erforderlichen Unterschriften aufweist.

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Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zuletzt den Antrag stellt, bei Zweifeln an der von ihr dargelegten Rechtslage ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist überhaupt kein Rechtsschutzziel mehr erkennbar. Weder hat die Klägerin erläutert, weshalb ihre umfangreich dargestellten Ansichten zur Nachkriegsgeschichte einer Überprüfung speziell durch das Finanzgericht bedürfen, noch hat sie auch nur ansatzweise dargetan, weshalb oder wofür es erforderlich sein könnte, dass auch sie persönlich die Ergebnisse der bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung als rechtskonform betrachtet. Dass aus ihren Ansichten kein Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG abzuleiten ist oder gar das Recht, die Zahlung von Steuern aus Gewissensgründen abzulehnen, folgt bereits daraus, dass die Verfassung vom Leitbild der Demokratie ausgeht, in der die Gesetze von den gewählten Repräsentanten erlassen werden, und nur dort ein Widerstandsrecht einräumt, wo "andere Abhilfe nicht möglich ist". Folglich mag sich derjenige, der damit nicht einverstanden ist bzw. bestimmte staatliche Aktivitäten nicht mit seinen Steuergeldern finanziert wissen will, aktiv oder passiv politisch engagieren oder aber publizistisch gegen diese Aktivitäten vorgehen, muss aber – bevor er den Weg über Art 20 Abs. 4 GG geht - alle Möglichkeiten dieses Systems bis hin zu einer möglichen Abwahl der Regierung erschöpfen, was die Klägerin nicht getan hat. Soweit die Klägerin mit diesem Antrag – wie ihre Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erläutert haben – endlich einmal materiell- zutreffende Ausführungen eines Gerichts zu den von ihr angesprochenen Streitpunkten erlangen wollten, ist ihr – abgesehen vom oben bereits dargestellten fehlenden Rechtsschutzbedürfnis - noch entgegen zu halten, dass nach § 82 FGO i.V.m. §§ 402 und 373 ZPO nur Tatsachen, nicht aber Rechtsfragen einem Sachverständigenbeweis zugänglich sind, so dass der erkennende Senat jedenfalls bei der vorliegenden unzulässigen Klage und angesichts der dabei auch nur aufgeworfenen reinen Rechtsfragen kein Sachverständigengutachten einzuholen braucht.

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Darüber hinaus wäre die Klage bei unterstellter Zulässigkeit auch unbegründet.

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Soweit die Klägerin in der Begründung ihres Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und die Legitimität des Grundgesetzes bestreitet, verkennt sie die faktisch bestehende Verfassungswirklichkeit. Da es sowohl völkerrechtlich als auch staatsrechtlich kein geregeltes Verfahren gibt, durch welches die Betätigung der verfassungsgebenden Gewalt gebunden wäre, konnte die verfassungsgebende Gewalt in Deutschland sowohl das Grundgesetz beschließen und damit die Bundesrepublik Deutschland gründen, als auch den Beitritt der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland regeln. Die Legitimität dieser Handlungen ergibt sich daraus, dass sie mit den überwiegend im Volke bestehenden Wert-, Gerechtigkeits- und Sicherheitsvorstellungen übereinstimmt, dieser Konsens seit Jahrzehnten „gelebt“ wird und schwerlich angenommen werden kann, es entspreche dem mutmaßlichen Willen des Verfassungsgebers, dass seither bzw. seit dem Beitritt der neuen Länder nach Art. 23 GG alter Fassung die Möglichkeit einer Gesetzgebung zum Erliegen gekommen sei, so dass die tatsächliche Staatspraxis des Erlasses von Gesetzen auf der Grundlage des Grundgesetzes außer Acht zu lassen und auf deren Grundlage erlassene Vollzugsakte als rechtswidrig zu verwerfen sind (vgl. zuletzt FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2013 5 K 1027/11, EFG 2013,1158 mit zahlreichen w.N.).

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Diese Tatsachen werden auch nicht durch den von der Klägerin zur Begründung ihres Antrages auf Feststellung eines zwischen ihr und dem Finanzamt nicht bestehenden Rechtsverhältnisses angeführten „UPIK-Datensatz“ in Frage gestellt wird. Die Klägerseite übersieht dabei nämlich, dass die unter der Internetadresse www.upik.de im Internet ermittelbaren Datensätze schon nach den Angaben auf der Eingangsseite des Anbieters bzw. Betreibers dieser Seiten keine Aussagen zur Rechtsstellung der dort nachgewiesenen „Firmen“ enthalten. Vielmehr wurde dort lediglich eine gemeinsame Datensammlung des Verbandes der Automobilindustrie und der Chemischen Industrie gemeinsam mit ... Deutschland aufgebaut, der ausschließlich auf eine effiziente Abwicklung des Geschäftsverkehrs abzielt und das Finanzamt deshalb keineswegs auch rechtlich als Unternehmen der Privatwirtschaft qualifiziert (vgl. dazu ebenfalls FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2013 5 K 1027/11, EFG 2013,1158 m. w.N.).

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Dann aber ist - entgegen der Begründung der beiden verbliebenen Anträge der Klägerin auf Feststellung eines Steuergesetzes und einer gültigen Abgabenordnung - auch gegen die Wirksamkeit der einfachgesetzlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nichts zu erinnern. Zunächst sind weder die AO noch die Einzelsteuergesetze – wie von der Klägerin gerügt – wegen einer Verletzung des sog. Zitiergebotes des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG unwirksam. Zunächst gilt dieses Zitiergebot nur für solche Grundrechte, die vom Grundgesetz her unter einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt gestellt sind, wie etwa die Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG), den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 3 GG), den Schutz der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 2 GG) sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 2 GG), der Freizügigkeit im Bundesgebiet (Art. 11 Abs. 2 GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 7 GG) oder den Schutz vor Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG), was übrigens die Regelung des § 413 AO erklärt. Zudem würde eine eventuelle Verletzung des Zitiergebotes auch nur zur Nichtigkeit der betroffenen Einzelregelung führen und nicht etwa zur Unwirksamkeit des ganzen Gesetzes, in dem die betroffene Vorschrift enthalten ist (vgl. dazu insgesamt wiederum FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2013 5 K 1027/11, EFG 2013,1158 m.w.N.). Folglich ist im vorliegenden Fall die Wirksamkeit der AO wie auch der Einzelsteuergesetze nicht in Frage gestellt. Davon abgesehen sind weder das beklagte Finanzamt noch das von der Klägerin angerufene Finanzgericht berufen, wegen einer eventuellen Verfassungswidrigkeit einzelner Normen der Abgabenordnung oder des Einkommensteuergesetzes verbindlich über die Nichtigkeit einer gegenüber der Klägerin ergangenen Steuerfestsetzung oder anderweitiger Verwaltungs- oder Realakte des Beklagten zu entscheiden. Ein Akt der staatlichen Gewalt trägt grundsätzlich die Vermutung seiner Gültigkeit in sich (BVerwG- Urteil vom 11. Februar 1966 VII CB 149.64, BVerwGE 23, S. 237) und kann daher nicht allein deshalb als nichtig angesehen werden, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt (BFH- Beschluss vom 01. Oktober 1981 IV B 13/81, BStBl. II 1982, S. 133), solange diese noch nicht für verfassungswidrig erklärt wurde. Insofern hat das Finanzgericht allenfalls dann - wenn es im Rahmen einer zulässigen Klage das als Rechtsgrundlage herangezogene Gesetz für verfassungswidrig hält – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes herbeiführen, nicht aber schon dann, wenn – wie im Streitfall - nur die Klägerin die gesetzlichen Grundlagen für verfassungswidrig hält. Soweit die Klägerin bei dieser Gelegenheit noch bemängelt, dass die Abgabenordnung nicht einmal definiere, wer Steuerpflichtiger ist, ist ihr der in § 1 AO geregelten Anwendungsbereich nebst den jeweiligen Einzelsteuergesetzen, wie beispielsweise § 1 EStG oder § 2 UStG, entgegen zu halten. Soweit die Klägerin ferner eine Auskunft über das Inkrafttreten der AO begehrt, ist sie auf die Fußnote zu § 415 AO zu verweisen, laut der die ursprüngliche Fassung am 1. Januar 1977 in Kraft getreten ist und das Inkrafttreten späterer Änderungen – wie bei Änderungsgesetzen üblich und unvermeidlich – aus dem jeweiligen Änderungsgesetz zu ersehen ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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