Gerichtsbescheid vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 30/17

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie der im Rahmen der umsatzsteuerlichen Differenzbesteuerung für Versteigerungsumsätze eines Pfandleihers maßgebliche Einkaufspreis zu ermitteln ist.

2

Die Klägerin betreibt seit 1932 ein gewerbliches Pfandleihgeschäft an derzeit ... Standorten in der Bundesrepublik.

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Die geschäftliche Tätigkeit der Klägerin besteht darin, kurzfristige Darlehen auszureichen, bei denen als Sicherheit ein Pfand gegeben wird. Hierfür berechnet die Klägerin den Darlehensnehmern gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über den Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher (Pfandleiherverordnung -PfandlV-) Zinsen in Höhe von 1 % pro Monat und gemäß Nr. 2 der Vorschrift Kosten des Geschäftsbetriebs (Gebühren für die Aufbewahrung und Versicherung des Pfandes und die Schätzung seines Wertes, im Folgenden als Gebühren bezeichnet), deren Höhe sich gemäß der Anlage zur PfandlV nach dem Darlehensbetrag richtet.

4

Werden die Darlehen zuzüglich Zinsen und Gebühren bei Fälligkeit nicht zurückgezahlt, lässt die Klägerin die als Sicherheit gegebenen Pfandsachen von einem von ihr beauftragten öffentlich bestellten Auktionator in ihrem Namen versteigern. Dabei entstehen der Klägerin Kosten für den Transport des Pfandgegenstandes zum Versteigerungsort, für die Anzeigenschaltung und z. T. auch für die Saalmiete. Diese Kosten der Versteigerungen, bei denen jeweils ca. 250 Pfänder verwertet werden, werden im Verhältnis des Gesamterlöses zum Erlös für das einzelne Pfand aufgeteilt (§ 10 Abs. 5 PfandlV) und werden dem Verpfänder berechnet (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PfandlV).

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Entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV vereinbart die Klägerin mit ihren Kunden, dass sie sich wegen ihrer Forderungen auf Rückzahlung des Darlehens sowie auf Zahlung von Zinsen, Gebühren und Kosten nur aus dem Pfand befriedigen darf.

6

Am jeweiligen Ort des Vertragsschlusses hängen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin aus, die zusätzlich auf der Rückseite der Pfandscheine abgedruckt sind. In Ziffer 9 der AGB in der Fassung des Streitzeitraums war Folgendes geregelt:

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(1) Der Überschuss steht dem Auslösungsberechtigten zu und wird gegen Rückgabe des Pfandscheines ausgezahlt; (...).

8

(2) Überschuss ist derjenige Teil des Erlöses aus dem Pfand, der nach Abzug des Darlehens, der Zinsen, Unkostenvergütungen sowie der anteiligen Verwertungskosten, soweit diese nicht vom Käufer erhoben werden, verbleibt. (...)

9

Auf den weiteren Inhalt der AGB in der Fassung des Streitzeitraums wird Bezug genommen (...).

10

Auf den Antrag der Klägerin vom 21.04.1995 erteilte der Beklagte am 24.05.1995 antragsgemäß eine verbindliche Auskunft unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs für die Zukunft (...) betreffend die Anwendung der Differenzbesteuerung nach der zum 01.01.1995 eingeführten Regelung des § 25a des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Hierzu wurde ausgeführt:

11

"Mit der Versteigerung ergibt sich die für die Bemessungsgrundlage des § 25a UStG maßgebende Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis. Der Verkaufspreis ist der Versteigerungserlös. Der Einkaufspreis ergibt sich aus dem Versteigerungserlös abzüglich der Verwertungskosten (§ 10 (1) Nr. 3 PfandVO), weil diese ausschließlich mit der Lieferung des Pfandleihers an den Ersteigerer zusammenhängen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Versteigerungserlös ausreicht, sämtliche Forderungen des Pfandleihers aus dem Kreditgeschäft auszugleichen. Die Verwertungskosten sind soweit - abzüglich der darin enthaltenen USt - Bemessungsgrundlage für die auf die Differenz gemäß § 25 a UStG zu erhebende USt."

12

Am 21.09.2006 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2004 in der Weise, dass bei einer anteiligen oder vollständigen Unterdeckung der Verwertungskosten aus den Versteigerungserlösen nur der jeweilige Deckungsbetrag in die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei. Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens vor dem Finanzgericht Hamburg (Az. 6 K 128/08) sagte der Beklagte auf einen entsprechenden rechtlichen Hinweis des Berichterstatters hin eine antragsgemäße Änderung der Bescheide zu und die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

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Mit Bescheid vom 30.10.2015 nahm der Beklagte die verbindliche Auskunft vom 24.05.1995 mit Wirkung zum 01.01.2016 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Einkaufspreis ausschließlich das an den Verpfänder ausgezahlte Darlehen sei, nicht hingegen die Zinsen und Gebühren. Der Bescheid ist noch nicht bestandskräftig.

14

Am 04.05.2016 übermittelte die Klägerin elektronisch die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Vierteljahr 2016 an den Beklagten. Hierin ermittelte sie die Umsatzsteuer für die Versteigerung der von Nichtunternehmern angenommenen Pfandgüter, die keine Edelsteine oder Edelmetalle waren, im Wege der Differenzbesteuerung, wobei sie entsprechend der Rechtsauffassung des Beklagten als Einkaufspreis lediglich die ausgezahlten Darlehen zugrunde legte. Der Voranmeldung lagen die Versteigerungsabrechnungen für jede einzelne Versteigerung zugrunde. Hierin waren die einzelnen versteigerten Pfandgüter aufgeführt. Die Pfandgegenstände, die von Unternehmern eingeliefert worden waren oder bei denen es sich um lose Edelsteine oder Edelmetalle handelte, waren mit dem Abrechnungsbuchstaben C gekennzeichnet, die nach § 25c UStG steuerbefreiten Umsätze mit dem Abrechnungsbuchstaben B und die übrigen, der Differenzbesteuerung unterworfenen Versteigerungsumsätze mit dem Abrechnungsbuchstaben A. Wegen des Inhalts der Abrechnungen wird exemplarisch auf die Versteigerungsabrechnung vom 18.02.2016 der Filiale in A Bezug genommen (...).

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Mit Schreiben vom 01.06.2016, beim Beklagten eingegangen am Montag, dem 06.06.2016, legte die Klägerin Einspruch ein. In den Einkaufspreis seien neben den Darlehen auch die Zinsen und Gebühren einzubeziehen. Denn im Zeitpunkt der Versteigerung seien neben der Darlehensforderung auch die Zins- und Gebührenforderungen aufgelaufen, hinsichtlich derer sie, die Klägerin, sich nur aus dem Pfand befriedigen dürfe. Diese Forderungen würden somit eingesetzt, um die Verwertung des Pfandes durch Versteigerung durchführen zu können.

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Am 06.09.2016 reichte die Klägerin eine berichtigte Voranmeldung für denselben Zeitraum ein, in der sie steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 % in Höhe von ... € erklärte (Umsatzsteuer-Vorauszahlung: ... €).

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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31.01.2017 als unbegründet zurück. Bei der Pfandleihe komme es zu zwei Rechtsgeschäften: Das erste Rechtsgeschäft sei das Beleihungsgeschäft, also die Darlehensgewährung gegen Pfand. Dies sei eine umsatzsteuerfreie sonstige Leistung (§ 4 Nr. 8 UStG), die bis zum Zeitpunkt der Auslösung des Pfandes oder bis zu dessen Versteigerung dauere. Löse der Verpfänder das Pfand aus, zahle er die aufgelaufenen Zinsen und Gebühren; diese stünden somit nur in Zusammenhang mit dem ersten Rechtsgeschäft. Das zweite Rechtsgeschäft sei der Verkauf des Pfandes im Rahmen einer Auktion, der eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung des Pfandleihers an den Ersteigerer sei. Bestandteil des Einkaufspreises für dieses zweite Rechtsgeschäft sei allein die Darlehenssumme, während es sich bei den Zinsen und Gebühren nicht um Aufwendungen für den Erwerb des Pfandes handele. Vergleichbar sei die Situation bei gewerblichen Wiederverkäufern im Gebrauchtwagenhandel: Auch dort sei als Einkaufspreis nur der beim Ankauf des Pkw gezahlte Betrag anzusetzen, nicht jedoch die Aufbewahrungs- oder Reparaturkosten.

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Die Klägerin hat am 23.02.2017 Klage erhoben. Sie trägt vor:

19

Der im Rahmen der Differenzbesteuerung bzgl. der Versteigerungsumsätze maßgebliche Einkaufspreis sei das, was sie, die Klägerin, aufwende, um die Verfügungs- und Verwertungsbefugnis über den Pfandgegenstand zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des BFH sei dabei auf den Zeitpunkt der Versteigerung abzustellen, in dem es neben der Lieferung des Pfandgläubigers an den Erwerber auch zu einer Lieferung des Verpfänders an den Pfandgläubiger komme. Diese Ansicht werde auch in dem für den Beklagten bindenden Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vertreten.

20

Bis zum Zeitpunkt der Versteigerung seien bei ihr, der Klägerin, neben der Darlehensforderung auch Forderungen auf Zinsen und Gebühren aufgelaufen. Diesbezüglich könne sie sich nur aus dem Pfand befriedigen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 PfandlV). Diese Forderungen setze sie folglich ein, um die Versteigerung des Pfandes durchführen zu können. Sie seien deshalb in die Ermittlung des Einkaufspreises einzubeziehen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 09.07.1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645). Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es für die Qualifizierung als Aufwand nicht darauf an, ob monetäre Mittel abgeflossen seien. Sie, die Klägerin, setze die ihr zustehenden Forderungen unabhängig davon ein, ob durch die Versteigerung letztlich ein Erlös erzielt werde. Auch stellten die Zinsen das Entgelt für die steuerfreie Kreditgewährung dar, ohne dass es darauf ankomme, ob dieses Entgelt durch Zahlung oder durch Verrechnung mit dem Versteigerungserlös vereinnahmt werde.

21

Die abweichende Auffassung des Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Tatsächlich gehe es nicht um die von ihm in der Einspruchsentscheidung genannten zwei Rechtsgeschäfte, sondern allein um das zweite Rechtsgeschäft, das umsatzsteuerlich zwei Lieferungen umfasse. Dass dabei die Darlehensforderung in den Einkaufspreis des "zweiten Rechtsgeschäfts" einzubeziehen sein solle, die Forderungen auf Zinsen und Gebühren hingegen nicht, sei widersprüchlich und nicht überzeugend.

22

Der Hinweis des Beklagten auf den Gebrauchtwagenhandel gehe ebenfalls fehl. Dort fielen die Aufwendungen für Aufbewahrung und Reparatur erst nach dem Erwerb an und könnten den Einkaufspreis deshalb nicht mindern. Vorliegend fänden Ein- und Verkauf jedoch gleichzeitig statt, sodass es keine nach dem Erwerb anfallenden Kosten gebe.

23

Aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden seien lediglich die Verwertungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 PfandlV, die als in ihrem, der Klägerin, eigenen Interesse aufgewendet anzusehen seien. Zur Ermittlung der auf den jeweiligen Pfandgegenstand entfallenden Verwertungskosten würden die grundsätzlich für die Versteigerungen insgesamt anfallenden Verwertungskosten anteilig nach dem prozentualen Verhältnis der Versteigerungserlöse auf die einzelnen versteigerten Pfandgegenstände verteilt.

24

Auf die Frage, in welcher Höhe die Zins- und Gebührenforderungen durch den Versteigerungserlös getilgt würden und welche Tilgungsreihenfolge im Falle einer nicht vollständigen Tilgung aller Forderungen durch die Versteigerung maßgeblich sei, komme es nicht an. Im Zeitpunkt des Übergangs der Verfügungsmacht an dem Pfandgegenstand auf den Pfandleiher bestünden die Forderungen aus dem Pfandkredit auf Rückzahlung des Darlehens und Zahlung der Zinsen und Gebühren in vollem Umfang ohne Berücksichtigung der späteren Tilgung. Maßgebend für den Einkaufspreis sei allein der vertraglich vereinbarte Nennbetrag. Bei dem Doppelumsatz im Zeitpunkt der Versteigerung könne die Höhe des ersten Umsatzes nicht von dem durch den zweiten Umsatz realisierten Ergebnis abhängen. Anderenfalls schuldete der Pfandleiher die Umsatzsteuer auch bei einem "Minusgeschäft", etwa wenn der Versteigerungserlös lediglich die Verwertungskosten decke, was dem Sinn der Differenzbesteuerung widerspräche. Die Berücksichtigung der Zinsen und Gebühren zum Nennbetrag im Rahmen des Einkaufspreises liege auch der im Verfahren 6 K 128/08 getroffenen Verständigung zugrunde.

25

Aber selbst wenn man diese Forderungen nur in der Höhe berücksichtigen wollte, in der sie getilgt würden, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 PfandlV sehe eine von § 367 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abweichende Tilgungsreihenfolge vor. Zudem enthielten die von ihr, der Klägerin, verwendeten AGB in Ziffer 9 Abs. 2 ebenfalls eine von dieser dispositiven Bestimmung abweichende Regelung.

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Setze man mit dem Beklagten lediglich die Darlehenssumme als Einkaufspreis an, ergebe sich für den Streitzeitraum eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von ... € (...). Berücksichtige man zusätzlich die Zinsen und Gebühren jeweils mit ihrem Nennbetrag, ergebe sich eine Vorauszahlung von ... €. Die Differenz betrage somit ... €. Setze man als Bemessungsgrundlage stets die Verwertungskosten in voller Höhe abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer an, ergäben sich für den Streitzeitraum eine Gesamtbemessungsgrundlage in Höhe von ... € und eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von ... € (...).

27

Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Vierteljahr 2016 vom 06.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.01.2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € niedriger festgesetzt wird.

28

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

29

Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor:

30

Der Einkaufspreis nach § 25a UStG umfasse alles, was die Klägerin auf den Pfandgegenstand aufwende, und damit nur das an den Verpfänder ausgekehrte Darlehen. Nur dieser Geldbetrag werde bis zum Zeitpunkt der Versteigerung von der Klägerin an den Verpfänder tatsächlich ausgezahlt und damit aufgewendet.

31

Im Hinblick auf die Zinsforderung entgehe der Klägerin aufgrund der Nichtauslösung des Pfandes lediglich eine Einnahme. Ein Aufwand resultiere hieraus nicht. Die Zinsforderung werde von der Klägerin nicht dafür aufgewandt, das Pfandobjekt zu erhalten, sondern sei ihre Vergütung für die Ausreichung des Darlehens, die sie im Falle der Versteigerung ggf. nicht vollständig befriedigen könne. Die Zinsen unterlägen der Differenzbesteuerung, weil sie erst durch die zweite Lieferung, das Versteigerungsgeschäft, zuflössen, nämlich durch die Verwendung des erzielten Versteigerungserlöses, und nicht als Entgelt im Rahmen des Kreditgeschäftes.

32

Bei dem Anspruch auf Kostenersatz für die Verwahrung und Versicherung des Pfandobjektes handele es sich um anteiligen Ersatz für Aufwendungen des laufenden Geschäftsbetriebs, die unabhängig vom einzelnen Pfandgegenstand anfielen und auch nicht zwingend gegenüber dem Verpfänder geltend gemacht würden.

33

Die zivilrechtlich entstandene Entlastung des Verpfänders um Zinsen und Gebühren sei steuerlich nicht zu berücksichtigen, weil der Verpfänder diese Beträge nach der Auktion unabhängig vom tatsächlich erzielten Versteigerungserlös nicht mehr zahlen müsse und der Pfandleiher sie tatsächlich auch nicht an ihn gezahlt und damit aufgewandt habe. Allein durch die Versteigerung werde aus diesen Forderungen kein Aufwand. Auch stehe im Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht endgültig fest, ob und in welcher Höhe diese Forderungen aus dem Versteigerungserlös befriedigt werden könnten. Durch die Verwendung des Versteigerungserlöses für diese Forderungen realisiere die Klägerin nur ihr zustehende Einnahmen.

34

Da die Zinsen von der Klägerin erst im Zusammenhang mit der Versteigerung und somit nicht mehr im Rahmen des Kreditgeschäftes vereinnahmt würden, seien sie nicht gemäß § 4 Nr. 8 UStG umsatzsteuerfrei. Bezöge man die Zinsen und Kosten entsprechend der Auffassung der Klägerin in den Einkaufspreis des Versteigerungserlöses ein, führte dies im Ergebnis zu einer nicht vorgesehenen umsatzsteuerfreien Vereinnahmung dieser Beträge. Eine derartige Privilegierung der Pfandleiher gegenüber anderen Wiederverkäufern lasse sich aus dem UStG jedoch nicht herleiten.

35

Lediglich im Falle der Einforderung und Auskehrung eines Übererlöses an den Verpfänder wäre die Bemessungsgrundlage des § 25a UStG gemäß § 17 UStG um die Zinsen und Gebühren zu korrigieren.

36

In Bezug auf die Frage der Tilgungsreihenfolge sei der Klägerin darin zuzustimmen, dass diese nur bei der Verwendung des Versteigerungserlöses relevant werde. Auf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage im Verhältnis der Klägerin zu ihm, dem Beklagten, könne sie keinen Einfluss haben. Aus der PfandlV ergebe sich keine zwingende Tilgungsreihenfolge. Die AGB der Klägerin gälten im Verhältnis zu ihm, dem Beklagten, nicht, weil er kein Vertragspartner sei. Somit sei auf die Regelung in § 367 BGB abzustellen. Dann wäre der Versteigerungserlös aber zunächst zur Tilgung der Verwertungskosten zu verwenden und diese, abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer, als Bemessungsgrundlage der Differenzbesteuerung anzusetzen. Damit stelle sich wieder die im Verfahren 6 K 128/08 geklärte Rechtsfrage.

37

Auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins vom 08.06.2017 (...) wird Bezug genommen.

...

Entscheidungsgründe

38

Der Senat entscheidet gemäß § 90a Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid, nachdem die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten im Erörterungstermin am 08.06.2017 erörtert worden ist.

39

Die Klage ist zulässig und begründet.

40

I. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der angefochtene Bescheid war bei Klageerhebung nicht bereits bestandskräftig (1.). Der Beklagte hat die Umsatzsteuer im Rahmen der Differenzbesteuerung zu hoch festgesetzt (2.).

41

1. Die Klägerin hat den Einspruch gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Vierteljahr 2016 rechtzeitig eingelegt. Die Klage ist daher nicht wegen Unzulässigkeit des Einspruchs und Bestandskraft des Bescheides unbegründet.

42

Der Einspruch war nach § 355 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz AO innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung beim Beklagten einzulegen. Die Klägerin hat die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Vierteljahr 2016 dem Beklagten am 04.05.2016 übermittelt, sodass die Einspruchsfrist am 05.05.2016 begann und am Montag, dem 06.06.2016, endete (§ 108 Abs. 3 Abgabenordnung -AO-), dem Tag, an dem der Einspruch der Klägerin beim Beklagten einging.

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2. Die Klägerin führte im Streitzeitraum durch die Pfandversteigerungen umsatzsteuerpflichtige Lieferungen aus (a.), die sie zu Recht der Differenzbesteuerung unterwarf (b.). Die Bemessungsgrundlage für die Versteigerungsumsätze ist entsprechend der dem Klagantrag zugrunde liegenden Auffassung der Klägerin zu ermitteln (c.).

44

a) Im Rahmen der Pfandversteigerungen führt die Klägerin umsatzsteuerbare Lieferungen i. S. des § 3 Abs. 1 UStG an die Ersteher aus.

45

Bei der Pfandverwertung durch den Pfandgläubiger kommt es neben der Lieferung des Verpfänders an den Pfandgläubiger zeitgleich auch zu einer Lieferung des Pfandgläubigers an den Erwerber (BFH-Urteil vom 16.04.1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585; Abschn. 1.2 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Der Pfandgläubiger verschafft dem Ersteher die Verfügungsmacht über den Pfandgegenstand. Sobald die Forderung des Pfandgläubigers gegenüber dem Verpfänder fällig ist, ist der Pfandgläubiger gemäß § 1228 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1235 Abs. 1 BGB zum Verkauf des Pfandes im Wege öffentlicher Versteigerung berechtigt und der Kaufvertrag mit dem Ersteher kommt mit dem Zuschlag zustande (§ 156 Satz 1 BGB). Als Folge der rechtmäßigen Veräußerung erlangt der Erwerber das Eigentum an dem Pfand (§ 1242 Abs. 1 Satz 1 BGB; BFH-Urteil vom 16.04.1997 XI R 87/96, BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585).

46

b) Die Voraussetzungen für eine Differenzbesteuerung der von der Klägerin im Rahmen der Pfandversteigerungen getätigten Umsätze liegen vor.

47

Gemäß § 25a Abs. 1 UStG ist für die Lieferung beweglicher körperlicher Gegenstände die Differenzbesteuerung anzuwenden, wenn der Unternehmer ein Wiederverkäufer ist (Nr. 1 Satz 1), die Gegenstände keine Edelsteine oder Edelmetalle sind (Nr. 3) und an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert wurden (Nr. 2 Satz 1) und für diese Lieferung Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wurde (Nr. 2 Satz 2).

48

§ 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG ist richtlinienkonform auszulegen (BFH-Urteil vom 29.06.2011 XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839, m. w. N.). Unionsrechtliche Grundlage für die Differenzbesteuerung sind Art. 311 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie -MwStSystRL-).

49

aa) Die von der Klägerin veräußerten Pfandgüter sind taugliche Liefergegenstände für die Differenzbesteuerung.

50

aaa) Nach Art. 313 Abs. 1 MwStSystRL wenden die Mitgliedstaaten auf die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten durch steuerpflichtige Wiederverkäufer eine Sonderregelung zur Besteuerung der von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielten Differenz (Handelsspanne) an. Nach Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL sind Gebrauchtgegenstände bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten und keine Edelmetalle oder Edelsteine im Sinne der Definition der Mitgliedstaaten sind und die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind.

51

bbb) Bei den von der Klägerin im Streitzeitraum versteigerten Pfandgütern handelte es sich, soweit die Umsätze der Differenzbesteuerung unterworfen wurden, um bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Edelsteine oder Edelmetalle waren (§ 25a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Da es sich bei den Pfandgütern um Gebrauchtgegenstände i.S. der MwStSystRL handelt, führt die vom nationalen Recht abweichende, engere Fassung des Unionsrechts im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis.

52

bb) Die Klägerin ist eine Wiederverkäuferin.

53

aaa) Als Wiederverkäufer gilt nach § 25a Nr. 1 Satz 2 UStG, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

54

Nach Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL ist ein Wiederverkäufer jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft, seinem Unternehmen zuordnet oder einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags für fremde Rechnung handelt. "Zum Zwecke des Wiederverkaufs" erworben werden Gegenstände auch dann, wenn der Wiederverkauf ein zweitrangiges und untergeordnetes Ziel ist, also zumindest nachrangig beabsichtigt wurde, und der Wiederverkauf aufgrund seiner Häufigkeit zur normalen Tätigkeit des Unternehmens gehört (EuGH-Urteil vom 08.12.2005 - Jyske Finans - C-280/04, IStR 2006, 58; BFH-Urteil vom 29.06.2011 XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839).

55

bbb) Die Klägerin versteigert die Pfandgegenstände öffentlich und im eigenen Namen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 UStG). Wie dargelegt (s. oben 2. a.), erwirbt die Klägerin die Pfandgüter nur im Falle ihrer Versteigerung und auch erst im Zeitpunkt der Versteigerung. Die Pfandgegenstände werden also auch allein zum Zwecke des Wiederverkaufs i.S. des Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL erworben. Im Übrigen gehören die Versteigerungen aufgrund ihrer Häufigkeit aber auch zur normalen Tätigkeit der Klägerin.

56

cc) Für die Lieferungen der Pfandgegenstände an die Klägerin wurde keine Umsatzsteuer geschuldet, weil die Pfandkreditnehmer, soweit die Umsätze der Differenzbesteuerung unterworfen wurden, Privatpersonen und damit kein Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG waren.

57

dd) Schließlich hat die Klägerin die besonderen Aufzeichnungspflichten bei der Differenzbesteuerung erfüllt.

58

aaa) Der Umsatz i. S. des § 25a Abs. 3 UStG ist für jeden vom Wiederkäufer gelieferten Gegenstand einzeln zu bestimmen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift und wird durch den Umkehrschluss aus § 25a Abs. 4 UStG bestätigt. Die Steuerbemessungsgrundlage, die nach der Differenzbesteuerung bestimmt wurde, muss sich aus Aufzeichnungen ergeben, die es ermöglichen zu überprüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regelung erfüllt sind (EuGH-Urteil vom 18.01.2017 - Sjelle Autogenbrug - C-471/15, HFR 2017, 266; BFH-Urteil vom 23.02.2017 V R 37/15, DB 2017, 1562). Aus den Aufzeichnungen müssen gemäß § 25a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG die Verkaufspreise, die Einkaufspreise und die Bemessungsgrundlagen zu ersehen sein. Wendet der Wiederverkäufer neben der Differenzbesteuerung die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften an, hat er getrennte Aufzeichnungen zu führen (Satz 2 der Vorschrift).

59

bbb) Die Aufzeichnungen der Klägerin genügen diesen Anforderungen. In der von der Klägerin beispielhaft eingereichten Versteigerungsabrechnung vom 18.02.2016 (...) sind die einzelnen Pfandgegenstände mit den jeweiligen Darlehen, Zinsen, Gebühren, Kosten und Versteigerungserlösen aufgeführt und die Umsätze, die die Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung nicht erfüllen, weil sie nach § 25c UStG steuerfrei sind, die Pfandgüter von Unternehmern eingeliefert wurden oder es sich um Edelsteine oder Edelmetalle handelte, mit den Abrechnungsbuchstaben B und C gekennzeichnet. Aus den Aufzeichnungen der Klägerin lässt sich die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung mithin für jeden einzelnen Versteigerungsumsatz entnehmen.

60

c) Die Klägerin hat die Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung bei der Berechnung des Klageantrags zutreffend ermittelt, während sie in der korrigierten Umsatzsteuer-Voranmeldung zu hoch angesetzt war.

61

aa) aaa) Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei der Differenzbesteuerung nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt, wobei die Umsatzsteuer nicht zur Bemessungsgrundlage gehört (Satz 3).

62

Unionsrechtliche Grundlage dafür ist Art. 315 MwStSystRL. Nach Art. 315 Satz 1 MwStSystRL ist die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen nach Art. 314 MwStSystRL die von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielte Differenz abzüglich des Betrags der auf diese Spanne erhobenen Mehrwertsteuer. Die Differenz (Handelsspanne) des steuerpflichtigen Wiederverkäufers entspricht nach Art. 315 Satz 2 MwStSystRL dem Unterschied zwischen dem von ihm geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis des Gegenstands.

63

bbb) Die Regelung bewirkt, dass der Wiederverkäufer durch den Abzug des Vorumsatzes im Ergebnis so gestellt wird, als hätte ihm aus dem Erwerb der Ware ein Vorsteuerabzug zugestanden. Die Vorschrift bezweckt zwar keine Gleichstellung von Händlern mit privaten Anbietern, die die Gegenstände ohne Umsatzsteuer veräußern können, soll jedoch die umsatzsteuerrechtliche Benachteiligung unternehmerischer Wiederverkäufer gegenüber Privatverkäufern dadurch verringern, dass nur der erwirtschaftete Mehrwert der Besteuerung unterworfen wird (BFH-Urteile vom 29.06.2011 XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839; vom 23.04.2009 V R 52/07, BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860).

64

bb) Auszugehen ist zunächst vom Verkaufspreis. Nach Art. 312 Nr. 1 MwStSystRL ist der Verkaufspreis die gesamte Gegenleistung, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer vom Erwerber oder von einem Dritten erhält oder zu erhalten hat.

65

Der Verkaufspreis entspricht im Streitfall dem Versteigerungserlös, den die Klägerin von den Erstehern erhält. Ob hiervon der an den Verpfänder auszukehrende Überschuss abzuziehen ist, wie die Klägerin meint, kann offen bleiben (vgl. hierzu unten unter cc. eee.).

66

cc) Vom Verkaufspreis abzuziehen ist der Einkaufspreis, wobei die Bemessungsgrundlage bei einem negativen Unterschiedsbetrag 0 € beträgt (UStAE Abschn. 25a.1. Abs. 11 Satz 3). Entgegen der der streitgegenständlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung der Klägerin zugrunde liegenden Auffassung des Beklagten sind bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung die Zinsen und Gebühren neben der Darlehenssumme in den Einkaufspreis einzubeziehen.

67

aaa) Dies folgt allerdings nicht bereits aus der verbindlichen Auskunft des Beklagten vom 24.05.1995, da der Beklagte diese mit Bescheid vom 30.10.2015 Wirkung zum 01.01.2016 und damit auch für den Streitzeitraum widerrufen hat. Auch im gerichtlichen Verfahren 6 K 128/08 wurde keine den Beklagten für die Zukunft bindende tatsächliche Verständigung getroffen und keine derartige Zusage erteilt.

68

bbb) Nach Art. 312 Nr. 2 MwStSystRL ist der Einkaufspreis die gesamte Gegenleistung gemäß Nr. 1 der Vorschrift, die der Lieferer von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erhält oder zu erhalten hat.

69

Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, den Wiederverkäufer so zu stellen, als habe ihm ein Vorsteuerabzug zugestanden, indem nur der Mehrwert besteuert wird, ergibt sich, dass der Einkaufspreis mit dem bei Unternehmern als Lieferanten anzusetzenden Entgelt i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG gleichgesetzt werden kann. Entgelt ist danach alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Ein "Aufwand" in diesem Sinne liegt nicht nur vor, wenn der Leistungsempfänger Geld oder andere geldwerte Güter aus seinem Vermögen hingibt, sondern auch, wenn er auf ihm anderweitig gegenüber dem Lieferanten zustehende Forderungen verzichtet (vgl. BFH-Urteil vom 10.02.2005 V R 31/04, BFHE 211, 551, BStBl II 2007, 183).

70

ccc) Dem Pfandleiher stehen gegenüber dem Verpfänder vor der Versteigerung vier Forderungen zu: auf Rückzahlung des Darlehensbetrages und auf Zahlung der Zinsen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV), der Gebühren (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV) und Verwertungskosten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PfandlV). Im Falle der Auslösung des Pfandes hat der Verpfänder das Darlehen zurückzuzahlen und die Zinsen und Gebühren zu tragen, während der Pfandleiher sich wegen aller vier Forderungen nur aus dem Pfand befriedigen darf (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV). Entsteht bei der Versteigerung ein Überschuss, ist dieser an den Verpfänder auszukehren (vgl. § 1247 Satz 2 BGB; Ziffer 9 der AGB der Klägerin).

71

Wäre der Verpfänder Unternehmer, wäre bei der Versteigerung des Pfandes sein Entgelt für die Lieferung des Pfandes an den Pfandleiher der Preis, den er für die Aufgabe seiner Pfandscheinrechte erlangt, zuzüglich der Pfandsumme (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 10 Rz. 321, für den Pfandscheinverkauf). Für die Aufgabe der Pfandscheinrechte erlangt der Verpfänder den Anspruch auf Auskehrung eines Verwertungsüberschusses. Die Pfandsumme setzt sich zusammen aus dem Darlehensbetrag, den Zinsen und den Gebühren (BFH-Urteil vom 09.07.1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645). Die Gegenleistung des Pfandleihers für die Lieferung des Pfandes besteht somit in dem Verwertungsüberschuss zuzüglich Darlehenssumme, Zinsen und Gebühren.

72

ddd) Nicht zur Gegenleistung und damit zum Einkaufspreis gehören dagegen die Verwertungskosten. Diese wendet der Pfandleiher im eigenen Interesse auf, um die Lieferung an den Ersteigerer durchführen zu können (BFH-Urteil vom 09.07.1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25a Rz. 145; Abschn. 10.1 Abs. 3 Satz 15 UStAE; ebenso allgemein für die Bemessung des Entgelts bei der Verwertung von Sicherungsgut BFH-Urteile vom 04.06.1987 V R 57/79, BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741; vom 31.05.1972 V R 121/71, BFHE 106, 383, BStBl II 1972, 809; Wäger in Birkenfeld Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, § 236 Rz. 77).

73

eee) Übersteigt der Versteigerungserlös die Forderungen des Pfandleihers, entsteht ein Überschuss, der an den Verpfänder auszukehren ist. Dieser Übererlös ist sowohl Teil des Verkaufs- als auch des Einkaufspreises, sodass er sich auf die Differenz, die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer, nicht auswirkt (Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25a Rz. 128, 146).

74

fff) Als Einkaufspreis abzuziehen sind folglich die Darlehenssumme, die Zinsen und die Gebühren (BFH-Urteil vom 09.07.1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25a Rz. 145). Ein Grund für die Auffassung des Beklagten, dass der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Darlehens Teil des Einkaufspreises sein soll, der Anspruch auf Zahlung der Zinsen und Gebühren hingegen nicht, obwohl der Pfandleiher sich wegen all dieser Ansprüche nur noch aus dem Pfand befriedigen kann, ist nicht ersichtlich. Die Beurteilung ist vergleichbar mit der Veräußerung von Sicherungseigentum durch den Sicherungsnehmer wegen Nichterfüllung der Forderungen durch den Sicherungsgeber: Auch dort wird nicht danach unterschieden, ob der Versteigerungserlös auf die Darlehenssumme oder auf Nebenforderungen verrechnet wird (vgl. z. B. BMF-Schreiben vom 30.04.2014, BStBl I 2014, 816, I. 1. und 2).

75

Der vom Beklagten vorgenommene Vergleich mit Reparatur- und Aufbewahrungskosten im Gebrauchtwagenhandel geht fehl. Derartige Kosten fließen deshalb nicht in den Einkaufspreis ein, weil sie erst nach dem Erwerb des Gegenstands anfallen (Stadie, UStG, 3. Aufl., § 25a Rz. 38; UStAE Abschn. 25a.1. Abs. 8 Satz 2). Die Zinsen und Gebühren gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 PfandlV fallen jedoch vor dem Erwerb der Pfandgegenstände durch die Klägerin an, der erst im Zeitpunkt der Versteigerung stattfindet (s. oben 2. a.).

76

ggg) Die Bemessungsgrundlage ergibt sich demnach aus der Differenz zwischen dem Versteigerungserlös einerseits und Darlehenssumme, Zinsen, Gebühren und Überschuss andererseits. Sie entspricht folglich den Verwertungskosten abzüglich der Umsatzsteuer (§ 25a Abs. 3 Satz 3 UStG).

77

dd) Der Senat folgt der Klägerin darin, dass der Einkaufspreis auch dann aus dem Darlehensbetrag, den Zinsen und den Gebühren in voller Höhe des jeweiligen Nennbetrages besteht, wenn bei der Versteigerung kein an den Verpfänder auszukehrender Überschuss entsteht, sondern eine Unterdeckung, wenn die genannten Forderungen und die Verwertungskosten durch den Versteigerungserlös also nicht vollumfänglich getilgt werden (ebenso Damrau, Pfandleiherverordnung, 2. Aufl, § 11 Rz. 1; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 25a Rz. 146), mit dem Ergebnis, dass sich die Bemessungsgrundlage - die Verwertungskosten - um den Betrag der Unterdeckung vermindert.

78

aaa) Zwar wurde auch insoweit im Verfahren 6 K 128/08 keine bindende tatsächliche Verständigung getroffen. Die dort zugrunde gelegte Berechnungsweise ist aber zutreffend.

79

bbb) Insofern unterscheidet sich die Rechtslage von der Verwertung von Sicherungseigentum. Dort wird übereinstimmend vertreten, dass die Gegenleistung für die Lieferung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer im Falle der Verwertung der Betrag ist, in dessen Höhe der der Sicherungsgeber gegenüber dem Sicherungsgeber von seiner Schuld befreit wird, also in Höhe der Tilgung der Schuld durch den Verwertungserlös (BMF-Schreiben vom 30.04.2014, BStBl I 2014, 816, II. 1.; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 187). Dass das Entgelt bei der Verwertung von Sicherungsgut nur in der Höhe angenommen wird, in der die Forderungen des Sicherungsnehmers durch den Verwertungserlös getilgt werden, ist zutreffend, weil die Forderungen in der nicht getilgten Höhe fortbestehen und weiterhin gegen den Sicherungsgeber und Schuldner geltend gemacht werden können.

80

Bei der Pfandleihe ist die rechtliche Situation jedoch anders. Denn der Pfandleiher verzichtet gegenüber dem Verpfänder bei Abschluss des Darlehensvertrages von vornherein auf die Zwangsvollstreckung bzgl. des Rückzahlungsanspruchs und der Ansprüche auf Zinsen und Gebühren in andere Vermögensgegenstände als das Pfandgut (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV). Im Zeitpunkt der Verwertung steht daher endgültig fest, dass das Pfand nicht mehr gegen Zahlung dieser Forderungen ausgelöst wird und deren Erfüllung ausgeschlossen ist, soweit sie nicht durch die Pfandverwertung eintritt. Dieser Umstand ist in umsatzsteuerlicher Hinsicht einem Erlöschen der Forderungen durch Tilgung oder Verzicht auch in der nicht getilgten Höhe gleichzustellen.

81

ccc) Der von vornherein erklärte Verzicht des Pfandleihers auf die Zwangsvollstreckung außerhalb der Pfandverwertung ändert andererseits nichts daran, dass diese Ansprüche zunächst existieren; so ist der Rückzahlungsanspruch schuldrechtliche Grundlage des Pfandrechts (§ 1204 BGB) und die Forderungen sind vom Verpfänder als Voraussetzung für die Auslösung des Pfandes zu erfüllen (vgl. (BFH-Urteil vom 09.07.1970 V R 32/70, BFHE 99, 325, BStBl II 1970, 645). Der Verpfänder ist zur Erfüllung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, nur die Möglichkeit zur zwangsweisen Durchsetzung der Ansprüche ist für den Pfandleiher auf die Verwertung des Pfandes beschränkt. Daher stellt der endgültige Wegfall dieser Forderungen für den Pfandleiher in voller Höhe einen Aufwand dar, den er als Gegenleistung für die Lieferung des Pfandgutes an den Verpfänder erbringt.

82

ddd) Der Ansatz des Darlehens und der Zinsen und Gebühren im Rahmen des Einkaufspreises lediglich in der durch den Versteigerungserlös getilgten Höhe statt in Höhe des Nennbetrages führte im Übrigen nur dann zu einem von der dem Klagantrag zugrunde liegenden Berechnung der Klägerin abweichenden Ansatz, wenn der Versteigerungserlös zuerst auf die Verwertungskosten anzurechnen wäre. Dann wären die Verwertungskosten bei einem diese übersteigenden Versteigerungserlös immer in voller Höhe als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wie es zwischen den Beteiligten auf der Grundlage der verbindlichen Auskunft vor der Abhilfe im Klageverfahren 6 K 128/08 zunächst gehandhabt wurde und der Berechnung der Klägerin gemäß Anlage K 10 (...) entspricht. Dies widerspräche indes sowohl dem Sinn und Zweck der Differenzbesteuerung ((1)) als auch der vertraglichen Regelung ((2)).

83

(1) Die vorrangige Verrechnung des Versteigerungserlöses auf die Verwertungskosten führte in dem von der Klägerin angeführten extremen Beispiel, dass lediglich ein Versteigerungserlös in Höhe der auf diese Versteigerung entfallenden, anteiligen Verwertungskosten erzielt wird, dazu, dass die Verwertungskosten vollumfänglich als Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung zugrunde zu legen wären, obwohl die Klägerin aus der Versteigerung einen Mindererlös in Höhe der vollen Darlehenssumme zuzüglich Zinsen und Vergütungen erzielt hätte. Besteuert werden soll bei der Differenzbesteuerung jedoch nur der Mehrwert (die Handelsspanne).

84

(2) Aufgrund der zwischen der Klägerin und ihren Kunden vereinbarten Tilgungsreihenfolge waren die Versteigerungserlöse zuletzt auf die Verwertungskosten anzurechnen mit der Folge, dass die Verwertungskosten bei Unterdeckungen nicht bzw. nur anteilig als Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung heranzuziehen waren und die Berechnung der Klägerin für den Klageantrag (...) zutreffend ist (vgl. ebenso Fachinfosystem Bp NRW vom 15.04.2004, III. 1. 4., juris).

85

(a) Nach § 367 Abs. 1 BGB wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistungen angerechnet. Die Vorschrift gilt zwar grundsätzlich auch im Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. BSG-Urteil vom 07.10.2009 B 11 AL 18/08 R, ZIP 2010, 1257). Sie ist aber dispositiv, sodass die Parteien eine abweichende Anrechnung vereinbaren können (OLG Stuttgart, Urteil vom 14.11.2012 14 U 12/12, WM 2013, 750; Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl., § 367 Rz. 2).

86

(b) Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin im vorliegenden Fall dadurch Gebrauch gemacht, dass sie in ihren AGB eine abweichende Tilgungsreihenfolge vorgegeben und die AGB durch Aushang am Ort des jeweiligen Vertragsschlusses und zusätzlich durch Abdruck auf der Rückseite der Pfandscheine (vgl. § 6 Abs. 2 PfandlV) zum jeweiligen Vertragsbestandteil gemacht hat (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Regelung in Ziffer 9 Abs. 2 der AGB, wonach der Überschuss als derjenige Teil des Erlöses aus dem Pfand definiert ist, der nach Abzug des Darlehens, der Zinsen, Unkostenvergütungen sowie der anteiligen Verwertungskosten verbleibt, soweit diese nicht vom Käufer erhoben werden, gibt die Reihenfolge vor, in der der Versteigerungserlös auf die Forderungen des Pfandleihers verrechnet wird. Danach entfällt der Erlös zuletzt auf die Verwertungskosten, die bei einem zur Deckung aller Forderungen des Pfandleihers nicht ausreichenden Versteigerungserlös durch den Kreditnehmer nicht oder nur zum Teil getilgt werden.

87

II. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

88

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708, 711 Zivilprozessordnung.

89

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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