Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 18/16

Tatbestand

1

Die Klägerin, deren Klage ursprünglich auf die Erstattung von Antidumpingzoll in drei gleich gelagerten Fällen abzielte, begehrt, nachdem die Erstattung erfolgt ist, die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

2

Die A GmbH (A) meldete am 25. März 2015 als direkte Vertreterin der Klägerin die Überführung von keramischen Currywurstschalen aus China in den zollrechtlich freien Verkehr beim Zollamt B an. Solche Waren der TARIC-Codenummer 6912 0050 10 waren 2015 nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 412/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Geschirr und anderen Artikeln aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch mit Ursprung in der Volksrepublik China (Abl. L 131, 1) mit einem unternehmensspezifischen Antidumpingzoll belegt. In der Zollanmeldung gab A die Warennummer mit dem TARIC-Zusatzcode "B999" an. Dieser Zusatzcode steht nach der DVO Nr. 412/2013 für "alle übrigen Unternehmen", die den höchsten Antidumpingzollsatz von 36,1 % zu zahlen haben. Unter der Codierung N380 verwies sie auf eine Handelsrechnung mit der Nr. YY-1 vom 18. März 2015.

3

Der Beklagte nahm die Zollanmeldung wie angemeldet an, setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25. März 2015 (XXX-1) unter Heranziehung eines Zollsatzes von 36,1 % Antidumpingzoll i.H.v. ... € fest und überließ die Waren nach Entrichtung der Einfuhrabgaben in den freien Verkehr.

4

Mit am 15. April 2015 beim Beklagten eingegangenen Schreiben legte A im Auftrag der Klägerin Einspruch gegen den Abgabenbescheid ein und bat um die anteilige Erstattung des Antidumpingzolls. Zum Zeitpunkt der Abfertigung habe ihr keine Handelsrechnung mit unterzeichneter Herstellererklärung vorgelegen. A legte u.a. eine zweite Ausfertigung der Handelsrechnung Nr. YY-1 vor, auf der bescheinigt wird, dass Hersteller der Keramikwaren die "C ... Co., Ltd." aus China sei. Für Waren dieses Unternehmens gilt nach der DVO Nr. 412/2013 ein ermäßigter unternehmensspezifischer Antidumpingzollsatz von 17,9 %.

5

Der Beklagte wertete den Einspruch als Antrag auf Erstattung des gezahlten Antidumpingzolls, soweit dieser mehr als 17,9 % betragen habe und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. April 2015 (XXX-2) ab. Voraussetzung für die Anwendung eines unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatzes sei, dass bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Handelsrechnung mit besonderer Erklärung (sog. Verpflichtungsrechnung) vorgelegt werde. Zudem müsse die Zollanmeldung den TARIC-Zusatzcode und die Codierung D008 (Handelsrechnung besonderer Erklärung) enthalten. Der individuelle Antidumpingzollsatz könne nur dann gewährt werden, wenn den Zollstellen bereits zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung eine den Vorgaben entsprechende Handelsrechnung vorliege. Dies schließe nicht nur die Nachreichung von Handelsrechnungen aus, sofern die ursprünglich vorgelegte Rechnung aufgrund von Mängeln nicht anerkannt werden könne, sondern auch die nachträgliche Beantragung eines ermäßigten Antidumpingzollsatzes. Überdies fehle bei der nachgereichten Handelsrechnung der Name des Unterzeichnenden.

6

Mit E-Mail vom 22. Mai 2015 legte A Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid und gegen die zwei weiteren Bescheide, mit denen der Beklagte eine entsprechende Erstattung in den zwei Parallelverfahren abgelehnt hatte, ein. In allen drei Fällen habe im Rahmen der Zollanmeldung keine Handelsrechnung mit besonderer Erklärung (D008) vorgelegt werden können.

7

Mit E-Mail vom 25. August 2015 bat A darum, die weitere Korrespondenz in allen drei Fällen über das ... Büro zu führen.

8

Mit Hinweisschreiben vom 26. August 2015, das auf alle drei Einfuhrvorgänge Bezug nahm, legte der Beklagte seine Rechtsauffassung dar. Im Rahmen der Zollanmeldung sei die erforderliche Unterlagencodierung D008 und der für den Hersteller maßgebende TARIC-Zusatzcode "B451" nicht angemeldet worden. Daher sei der unternehmensspezifische Zollsatz nicht angewendet worden und dies könne auch nicht nachträglich geschehen, da der Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung insoweit maßgeblich sei. Das Schreiben wurde nach einem Ab-Vermerk am 27. August 2015 zur Post gegeben und an das ... Büro von A versandt.

9

Da hierauf keine Reaktion erfolgte, wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2015 (xxx-1) zurück. Die Entscheidung war an das Büro der A in ... adressiert. Nach einem Ab-Vermerk wurde sie am 26. November 2015 als einfacher Brief zur Post gegeben.

10

Der zweite streitgegenständliche Einfuhrvorgang lief gleich ab. Mit weiterer Zollanmeldung vom 25.03.2015 meldete A erneut die Überführung von keramischen Currywurstschalen in den freien Verkehr an. Der Beklagte setzte entsprechend den Angaben in der Zollanmeldung unter Heranziehung eines Zollsatzes von 36,1 % im Einfuhrabgabenbescheid vom 25. März 2015 (XXX-3) Antidumpingzoll i.H.v. ... € fest und überließ nach Entrichtung der Einfuhrabgaben die Ware. Mit Einspruch vom 15. April 2015 bat A im Namen der Klägerin um die Erstattung des zu viel gezahlten Antidumpingzolls und legte erstmals die Handelsrechnung YY-2 mit einer unterzeichneten Erklärung vor, die derjenigen aus dem ersten Einfuhrvorgang entsprach. Mit Bescheid vom 24. April 2015 (XXX-4) lehnte der Beklagte den Antrag auf Anwendung des ermäßigten Antidumpingzolls ab, wogegen A mit E-Mail vom 22. Mai 2015 Einspruch einlegte. Nachdem auf das Hinweisschreiben des Beklagten vom 26. August 2015 keine Reaktion erfolgt war, wies er den Einspruch mit Entscheidung vom 30. November 2015 (xxx-2) mit der bekannten Begründung zurück. Nach einem Ab-Vermerk wurde die Einspruchsentscheidung am 1. Dezember 2015 zur Post gegeben und an das ... Büro von A versandt.

11

Schließlich meldete A für die Klägerin am 25. März 2015 eine dritte Lieferung keramischer Currywurstschalen zur Überführung in den freien Verkehr an. Dieser dritte Einfuhrvorgang lief ebenso ab wie die zwei Parallelvorgänge. Der Beklagte setzte im Einfuhrabgabenbescheid vom 25.03.2015 (XXX-5) entsprechend den Angaben in der Zollanmeldung Antidumpingzoll i.H.v. ... € fest. Hiergegen legte A am 15. April 2015 Einspruch ein und legte erstmals eine Ausfertigung der Handelsrechnung YY-3 mit einer unterzeichneten Erklärung vor, die den in den Parallelvorgängen vorgelegten Erklärungen entsprach. Den Antrag auf anteilige Erstattung des gezahlten Antidumpingzolls lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2015 (XXX-6) ab, wogegen A am 22. Mai 2015 Einspruch einlegte. Nachdem auf das Hinweisschreiben des Beklagten vom 26. August 2015 keine Reaktion erfolgt war, wies der Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 30. November 2015 (xxx-3) zurück. Nach einem Ab-Vermerk auf der Einspruchsentscheidung wurde der Bescheid am 1. Dezember 2015 zur Post gegeben und an das Büro von A in ... versandt.

12

Die Klägerin hat am 15. Januar 2016 Klage erhoben und ihr Erstattungsbegehren weiterverfolgt. Der Europäische Gerichtshof hat während der Anhängigkeit der Klage im Oktober 2017 entschieden, dass Art. 1 Abs. 3 der DVO Nr. 412/2013 dahingehend auszulegen sei, dass er es gestatte, für die Festsetzung eines endgültigen Antidumpingzolls eine gültige Handelsrechnung erst nach der Zollanmeldung vorzulegen, wenn alle anderen notwendigen Voraussetzungen zur Erlangung eines unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatzes erfüllt seien (EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2017, Tigers, C-156/16). Der Beklagte, der von einer Bestandskraft der die Erstattungen ablehnenden Bescheide ausgeht, hat daraufhin das fortbestehende Begehren der Klägerin als neuen Erstattungsantrag ausgelegt und, nachdem die Klägerin drei Handelsrechnungen vorgelegt hat, die den Namenszug des "Sales Managers" in chinesischen Schriftzeichen aufweisen, unter Zugrundelegung eines unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatzes von 17,9 % mit Einfuhrabgabenbescheid vom 4. April 2018 (XXX-7) Antidumpingzoll in Höhe von ... € erstattet. Die Klägerin hat den Rechtsstreit daraufhin für erledigt erklärt. Der Beklagte hat keine Erledigungserklärung abgegeben, da die Klage verfristet und deshalb bereits unzulässig gewesen sei.

13

Die Klägerin, die vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat, geht von einer Einhaltung der Klagefrist aus. Nach der eidesstattlichen Erklärung des Mitarbeiters von A Herrn D seien alle Einspruchsentscheidungen am 16. Dezember 2015 zugestellt worden: "An diesem Tag wurde die Einspruchsentscheidung mit unserem Eingangsstempel abgestempelt. Informationen darüber, wann diese Einspruchsentscheidungen zur Post gegeben wurden, lagen uns nicht vor und wurden uns auch nicht erteilt." Herr D habe die Bescheide am 16. Dezember 2015 als zuständiger Sachbearbeiter erhalten und zur Kenntnis genommen. Es werde bestritten, dass die Einspruchsentscheidungen, wie es der Beklagte behaupte, am 26. November 2015 bzw. am 1. Dezember 2015 zur Post gegeben worden seien. Dies könne der Beklagte nicht durch objektive Beweismittel belegen. Er habe kein Empfangsbekenntnis des Postdienstleisters vorgelegt und auch den genauen Ablauf nicht erläutert. Es sei ungeklärt, ob ein Mitarbeiter die Schreiben dem Postdienstleister persönlich übergeben habe. Dem Postausgangsstempel des Beklagten einen höheren Beweiswert beizumessen als dem Posteingangsstempel von A, sei widersprüchlich. Sofern sich der Beklagte eines Postdienstleisters bedient habe, könne die Übergabe an einen selbstständigen Kurier, der als selbstständiger Unternehmer bei unterschiedlichen Behörden Briefe abhole und dann zu einem unbekannten Zeitpunkt die Briefe bei der Versandstelle abliefere, nicht mit der "Übergabe an die Post" gleichgestellt werden. Vorliegend müsse der Beklagte den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide beweisen, ohne dass ihm insoweit eine Beweiserleichterung zugutekomme. Dieser Nachweis sei dem Anscheinsbeweis nicht zugänglich. Auch unter normalen Postverhältnissen komme es immer wieder vor, dass abgesandte Sendungen den Empfänger nicht oder verspätet erreichen. Es sei lediglich eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit für den Zugang der Sendungen gegeben. Schließlich verkenne der Beklagte den Briefeinlauf bei einem großen Unternehmen. Da er den Brief mit einfacher Post versandt habe, sei er in der Posteingangsstelle von A eingegangen, mit einem Eingangsstempel versehen und dann intern verteilt worden. Es sei wirklichkeitsfremd, bei einem massenhaften Posteingang mit teilautomatischer Brieföffnung zu verlangen, dass der Mitarbeiter im Posteingang die Postlaufzeit kontrolliere und zu diesem Zweck den Briefumschlag aufbewahre. Schließlich seien die Einspruchsentscheidungen auch anders als die Zollbescheide nicht an das Hamburger Büro von A, sondern an die unselbständige Niederlassung in ... versandt worden. Es sei zudem zweifelhaft, ob die Zustellung an den Vertreter die Klagefrist auslöse, wenn dieser in direkter Stellvertretung aufgetreten sei.

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Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

15

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte hält die Klage für verfristet. Im ersten Fall sei die Einspruchsentscheidung am 26. November 2015 zur Post gegeben worden, was gemäß der Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 108 Abs. 3 AO eine Bekanntgabe am 30. November 2015 zur Folge gehabt habe. Im zweiten und dritten Fall seien die Bescheide am 1. Dezember 2015 zur Post gegeben worden. Die Bekanntgabe sei sodann am 4. Dezember 2015 erfolgt. Die Klagefrist habe mithin am 30. Dezember 2015 bzw. am 4. Januar 2016 geendet. Das Vorbringen der Klägerin wecke hieran keine Zweifel: Die Aufgabe zur Post sei vorliegend am 26. November 2015 bzw. am 1. Dezember 2015 durch Abholung der Briefe durch den Postdienstleister bei der finanzbehördlichen Poststelle (Geschäftsstelle) erfolgt. Die Übergabe der Post sei jeweils mittels Postausgangsstempel mit Datum und einem handschriftlichen Namenszeichen des Mitarbeiters der Geschäftsstelle in den Sachakten dokumentiert. Als weiteres Indiz für den genauen Postausgang könne das zweite handschriftliche Namenszeichen mit Datum dienen, das die Leitung der Rechtsbehelfsstelle im Rücklauf der Akte von der Poststelle zurück zum Sachbearbeiter jeweils oberhalb des Postausgangstempels angebracht habe. Dass die Einspruchsentscheidungen an die Niederlassung von A in ... geschickt worden seien, sei nicht zu beanstanden. Dies sei auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn D geschehen. Erreiche die Postsendung den Adressaten erst nach Ablauf der Dreitagesfrist, so sei er zudem gehalten, den Briefumschlag mit dem Poststempel aufbewahren und Zeugen zu dokumentieren. Es bestehe eine Obliegenheit zur Beweisvorsorge, wenn der Adressat einen atypisch langen Postlauf anhand des Poststempels oder des Bescheiddatums erkennen könne. Sofern entsprechend des Vortrags der Klägerin alle Einspruchsentscheidungen am 16. Dezember 2015 zugegangen wären, dann wäre es A mit den ausgewiesenen Daten der Bescheiderstellung zumutbar gewesen, Rücksprache mit dem Hauptzollamt zu halten, um sich über den Fristlauf zu verständigen. Dies sei vorliegend jedoch unterblieben. Die Klägerin habe auch abgesehen von der eidesstattlichen Versicherung keine substantiierten Tatsachen vorgebracht, die die Behauptung stützen, die Einspruchsentscheidungen erst nach dem Ablauf der Dreitagesfrist erhalten zu haben. Die eidesstattliche Versicherung selbst diene nur einer eingeschränkten Glaubhaftmachung des Sachverhalts. Der Versichernde beziehe sich nicht auf eigene Wahrnehmungen, sondern allein auf einen Posteingangsstempel. Posteingangsstempel reichten für sich genommen aber nicht zur Glaubhaftmachung aus. Schließlich seien die Einspruchsentscheidungen auch an A für die Klägerin zu adressieren gewesen. Es habe eine direkte Vertretung und ein Handeln im Namen und für Rechnung eines anderen gemäß Art. 5 Abs. 2 ZK vorgelegen. In solch einem Fall löse die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an den direkten Vertreter auch den Beginn der Klagefrist für den Einspruchsführer aus.

17

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Beklagte sein Vorbringen mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 teilweise korrigiert: Im November 2015 sei die Ausgangspost der seinerzeit in der X-Straße untergebrachten Rechtsbehelfsstelle des damaligen Hauptzollamtes Hamburg-1 über dessen Geschäftsstelle in der Y-Straße zur Post gegeben worden. Hierzu hätten die Rechtsbehelfssachbearbeiter die von Ihnen gefertigten und zur Absendung vorgesehenen Schriftstücke zusammen mit einem die Geschäftsgangvermerke aufweisenden Entwurf in eine Gittermappe eingelegt und anschließend in eine zur Abholung bereitstehende Postkiste gepackt. Diese Postkiste sei arbeitstäglich (morgens und mittags) von einem Verwaltungsfahrer abgeholt und zur Geschäftsstelle in der Y-Straße gebracht worden. Dort habe ein Mitarbeiter die zur Absendung vorgesehenen Schriftstücke in einen Briefumschlag eingelegt, diesen frankiert, auf dem Entwurf den Ausgangsstempel und seine Paraphe angebracht und den Briefumschlag unverzüglich in eine für die Weiterbeförderung zur Deutschen Post AG bereitstehende Postkiste gepackt. Die von den Mitarbeitern in der Y-Straße fertiggepackten Postkästen seien arbeitstäglich regelmäßig gegen 14:00 Uhr von einem Verwaltungsfahrer abgeholt und von diesem am selben Tag ohne Zwischenschaltung eines anderen Dienstleisters zu einer Filiale der Deutschen Post AG befördert und dort eingeliefert worden. Insoweit sei der in den vorangegangenen Schriftsätzen erfolgte Vortrag, die Post sei durch einen "Postdienstleister" in der Geschäftsstelle Y-Straße abgeholt worden, dahingehend richtigzustellen, dass die Abholung der Post und die anschließende Einlieferung in die Postfiliale im Jahr 2015 tatsächlich noch nicht durch einen Postdienstleister, sondern durch einen beim Hauptzollamt Hamburg-1 als Fahrer beschäftigten Verwaltungsfahrer erfolgt sei. Hinsichtlich des im Ausgangsstempel angegebenen Datums sei von Bedeutung, dass die in der Geschäftsstelle verwendeten Stempel bereits unmittelbar nachdem der Verwaltungsfahrer die Postkisten abgeholt hatte, auf das Datum des folgenden Arbeitstages umgestellt worden seien. Dadurch sei sichergestellt gewesen, dass das Datum des Postausgangstempels unabhängig davon, ob die Bearbeitung durch die Geschäftsstelle vor oder nach der Abholung der Postkästen erfolgt sei, stets dem Datum der tatsächlichen Übergabe an die Deutsche Post AG entsprochen habe.

18

Die Klägerin hat hierauf erwidert, dass der Vortrag des Beklagten widersprüchlich sei. Der Beklagte konkretisiere nicht, wann die Weiterbearbeitung in der Y-Straße stattgefunden habe. Dokumentiert habe der Beklagte diesen wichtigen Vorgang ebenfalls nicht. Nach dem Vortrag aus dem Jahr 2016 solle die Rechtsbehelfsstelle nach dem behördeninternen Rücklauf der Einspruchsentscheidungen ein Datum oberhalb des Postausgangstempels angebracht haben. Davon sei nun keine Rede mehr. Zusammengefasst habe der Beklagte keinerlei Kontrolle über den Postausgang gehabt und sei auch nicht im Besitz einer ordnungsgemäßen Dokumentation. Es beständen daher berechtigte Zweifel, dass die Klägerin die Bescheide innerhalb der Dreitagesvermutung erhalten habe, da der Beklagte bereits nicht in der Lage sei, die Aufgabe zur Post substantiiert darzulegen.

19

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter im schriftlichen Verfahren erklärt (...). ...

Entscheidungsgründe

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I. Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§§ 90 Abs. 2, 79a Abs. 3, Abs. 4 FGO).

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II. Gegenstand des Verfahrens ist nicht mehr die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage auf Erstattung von Antidumpingzoll, sondern eine sog. Erledigungsfeststellungsklage. Mit ihrer einseitigen bzw. einseitig gebliebenen Erledigungserklärung hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, den ursprünglichen Sachantrag nicht mehr weiter zu verfolgen, da dieser Antrag durch ein erledigendes Ereignis, nämlich die Erstattung des ursprünglich streitgegenständlichen Antidumpingzolls gegenstandslos geworden sei. Dieser besondere Fall der Antragsänderung hat zur Folge, dass sich der Rechtsstreit nunmehr auf die Erledigungsfrage beschränkt. An die Stelle des durch den ursprünglichen Antrag bestimmten Streitgegenstands ist der Streit um die Behauptung der Klägerin getreten, ihr ursprüngliches Begehren sei durch das erledigende Ereignis gegenstandslos geworden. Daher hat das Gericht nur noch über diesen Feststellungsantrag zu entscheiden (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 FGO, Rn. 35 ff., Stand August 2019; Hollatz, Anmerkung zu FG Hamburg, Urteil vom 21. April 2008, 4 K 114/08, EFG 2008, 1470).

22

III. Die Erledigungsfeststellungsklage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat angeschlossen hat (FG Hamburg, Urteil vom 5. März 2018, 4 K 38/17, juris, Rn. 15), kann eine Befugnis des Finanzgerichts zur sachlichen Bescheidung des Antrags auf Feststellung der Erledigung nach einseitiger Erledigungserklärung des Klägers nur angenommen werden, wenn die Klage im Übrigen zulässig war. Dem Gericht ist eine Sachentscheidung - und das gilt auch in Bezug auf den Feststellungsantrag nach einseitiger Erledigungserklärung - erst und nur möglich, wenn es auch auf zulässige Weise angerufen worden ist. Jedes Rechtsschutzbegehren muss, um sachlich zum Erfolg zu führen, auch zulässig sein. War die Klage bereits unzulässig erhoben, kann nicht nur kein nachträgliches Ereignis für die Erledigung des Rechtsstreits ursächlich werden, vielmehr konnte die Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache erreichen, weil die Hauptsache überhaupt nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden war. Dieser Umstand verdeutlicht, dass das Gericht bei einer bereits unzulässig erhobenen Klage durchgängig gehindert war und ist, über die Hauptsache selbst zu entscheiden, ohne dass insoweit zwischen den einzelnen Sachurteilsvoraussetzungen zu differenzieren wäre (Brandt in Gosch, AO/FGO, § 138 FGO, Rn. 181 ff., Stand Januar 2007; FG Hamburg, Urteil vom 21. April 2008, 4 K 114/08, juris, Rn. 9, Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 138, Rn. 90 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BFH).

23

Die ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage war unzulässig. Die Klagefrist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, 2 FGO war nicht eingehalten. Danach beträgt die Frist für die Erhebung der Verpflichtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 15. Januar 2016 war die Monatsfrist bereits abgelaufen. Die Einspruchsentscheidungen sind der Klägerin gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 108 Abs. 3 AO am 30. November 2015 bzw. am 4. Dezember 2015 bekannt gegeben worden. Nach den für die Berechnung der Klagefrist maßgeblichen Normen der §§ 54 Abs. 2 FGO, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB begann die Klagefrist daher am 1. Dezember 2015 bzw. am 5. Dezember 2015 zu laufen und endete mit Ablauf des 30. Dezember 2015 bzw. des 4. Januar 2016 (1.). Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist gemäß § 56 FGO zu gewähren (2.).

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1. Der Bekanntgabezeitpunkt der Einspruchsentscheidungen folgt aus § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Danach gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Solche Zweifel sind vorliegend nicht gegeben, sodass die Bekanntgabevermutung Anwendung findet.

25

Die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO fingiert den Zugang eines mit der Post übermittelten Verwaltungsakts am dritten Tag nach dessen Aufgabe zur Post. Die Vorschrift enthält eine an den Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post anknüpfende Zugangsvermutung und darüber hinaus eine Zugangsfiktion (BFH, Beschluss vom 1. Dezember 2010, VIII B 123/10, juris, Rn. 5). Mit § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO wollte der Gesetzgeber - zugunsten wie zuungunsten des Adressaten - generell einen Streit über den genauen Zeitpunkt des Zugangs eines Bescheids weitgehend ausschließen (BFH, Beschluss vom 26. Januar 2010, X B 147/09, juris, Rn. 5). Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern den Erhalt innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Hierzu muss er Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post ernstlich in Betracht zu ziehen ist. An diese Substantiierung sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, damit die Regelung über die objektive Beweislast, die nach dem Gesetz die Finanzverwaltungsbehörde trifft, nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen umgekehrt wird (BFH, Beschluss vom 20. April 2011, III B 124/10, juris, Rn. 7). Gleichwohl genügt insoweit nicht schon ein einfaches Bestreiten, um die gesetzliche Vermutung über den Zugang des Schriftstücks innerhalb der Dreitagesfrist zu entkräften. Es müssen vielmehr Zweifel berechtigt sein, sei es nach den Umständen des Falls, sei es nach dem schlüssigen oder jedenfalls vernünftig begründeten Vorbringen des Steuerpflichtigen (BFH, Beschluss vom 23. November 2016, IX B 54/16, juris, Rn. 5). Zur Begründung solcher Zweifel reicht ein abweichender Eingangsvermerk allein nicht aus (BFH, Beschlüsse vom 25. Februar 2010, IX B 149/09, juris, Rn. 4 und vom 30. November 2006, XI B 13/06, juris, Rn. 10), auch wenn dieser als private Urkunde zu beurteilen wäre. Ein objektives Beweismittel wäre beispielsweise der betreffende Briefumschlag mit dem sich darauf befindlichen Poststempel (BFH, Beschluss vom 16. Mai 2007, V B 169/06, juris, Rn. 10; BFH, Beschluss vom 25. Februar 2010, IX B 149/09, juris, Rn. 4). Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO generell einen Streit über den genauen Zeitpunkt des Zugangs eines Bescheids weitgehend ausschließen wollte, geht die Rechtsprechung zudem davon aus, dass eine Obliegenheit zur Beweisvorsorge besteht, wenn der Adressat einen atypisch langen Postlauf anhand des Poststempels oder des Bescheiddatums hätte erkennen können. Er hat diesen Umstand umgehend der Finanzbehörde anzuzeigen und sich mit dieser über die zu beachtende Frist zu verständigen (BFH, Beschluss vom 16. Mai 2007, V B 169/06, juris, Rn. 10). Hat der Steuerpflichtige seinen Vortrag im Rahmen des ihm Möglichen substantiiert, dann obliegt es dem Gericht, diesen Vortrag und die festgestellten oder unstreitigen Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO abzuwägen. Auf die Beweislastregel des § 122 Abs. 2 Halbs. 2 AO kann erst dann zurückgegriffen werden, wenn trotz erfolgter Sachaufklärung noch Zweifel am gesetzlich vermuteten Zugang eines Bescheids verbleiben (BFH, Beschluss vom 30. November 2006, XI B 13/06, juris, Rn. 9).

26

Daran gemessen ist es der Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts gelungen, ihr Vorbringen eines atypischen Geschehensablaufs bei der Zustellung der Einspruchsentscheidungen ausreichend zu substantiieren, sodass der Schluss auf einen anderen Geschehensablauf als den typischen nicht in Betracht zu ziehen ist.

27

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte die Einspruchsentscheidungen am 26. November 2015 bzw. am 1. Dezember 2015 der Deutschen Post übergeben hat. Es ist unstreitig, dass der Beklagte die drei Einspruchsentscheidungen an die Deutsche Post übergeben hat, da sie A zugegangen sind. Der Beklagte hat das damals in der Postausgangsstelle in der Y-Straße stattfindende Absendeverfahren nachvollziehbar dargelegt. Seine abstrakten Ausführungen sind stimmig mit den auf den Entwürfen der Einspruchsentscheidungen und sonstigen Schreiben aufgebrachten Stempel, Daten und Namenszeichen. Die Entwurfsfassungen der Einspruchsentscheidungen weisen jeweils einen entsprechenden Stempel und die Paraphe desjenigen Mitarbeiters der Postausgangsstelle auf, der die Einspruchsentscheidungen entsprechend des Vortrags des Beklagten in die Postkiste gelegt hat, die nach dem gewöhnlichen Organisationsablauf des Beklagten anschließend von einem Verwaltungsfahrer an die Deutsche Post übergeben wurde. Oberhalb der Postausgangstempel ist auch jeweils die Kenntnisnahme durch die Leitung der Rechtsbehelfsstelle mit entsprechendem Datum im Rahmen des Rücklaufs vermerkt worden. Danach wurde die Einspruchsentscheidung vom 24. November 2015, die am 26. November 2015 zur Post gegeben wurde, am Folgetag, dem 27. November 2015 vom Vorgesetzten zur Kenntnis genommen. Die beiden Einspruchsentscheidungen vom 30. November 2015 erreichten den Vorgesetzten jeweils am 1. Dezember 2015, dem Tag der Aufgabe zur Post. Zweifel an einer tragfähigen Organisation der Postausgangsstelle und einem zuverlässigen Funktionieren des Absendeverfahrens ergeben sich nicht daraus, dass der Beklagte in seiner ersten Stellungnahme davon gesprochen hat, dass ein "Postdienstleister" eingesetzt worden sei. Diese Angabe hat er später dahingehend korrigiert, dass es sich 2015 noch um einen Verwaltungsfahrer gehandelt habe. Abgesehen von dieser Klarstellung hat der Beklagte seinem ursprünglichen Vortrag nicht widersprochen, sondern diesen konkretisiert. Dass der Beklagte über eine funktionierende Postausgangsstelle verfügt hat, zeigen im Übrigen seine weiteren Schreiben an A, die ebenfalls über die Postausgangsstelle mittels einfachen Briefes abgewickelt wurden und A zeitnah erreicht haben. So wurde das Erinnerungsschreiben vom 25. Juni 2015 laut Vermerk am 30. Juni 2015 zur Post gegeben. Hierauf hat A mit E-Mail vom 3. Juli 2015 reagiert und den Einspruch weiter begründet. Auch die drei Ablehnungsbescheide vom 24. April 2015 haben A unstreitig erreicht, ohne dass ein verspäteter Zugang gerügt worden wäre oder sich aus den Sachakten ergibt. Auffällig ist insoweit, dass der Briefwechsel zwischen dem Beklagten und A reibungslos funktionierte, solange die Briefe an das Hamburger Büro von A adressiert waren. Nachdem der Beklagte seine Schreiben auf Wunsch von A an das ... Büro geschickt hat, wurde auf die Hinweisschreiben vom 26. August 2015 nicht reagiert und im Rahmen des Zugangs der Einspruchsentscheidungen ergaben sich die streitgegenständlichen Probleme.

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Das Vorbringen der Klägerin, dass vorliegend von einer ungewöhnlich langen Postlaufzeit auszugehen sei, ist nicht hinreichend substantiiert. Der Posteingangsstempel auf den Einspruchsentscheidungen, wonach ein Eingang in allen drei Fällen am 16. Dezember 2015 stattgefunden haben soll, ist, anders als der Postausgangsvermerk des Beklagten keiner Person zuzuordnen, da er nicht mit einem Namenskürzel versehen ist. Zudem hat die Klägerin zur Organisation der Posteingangsstelle bei A nicht vorgetragen. Jedenfalls stellt der Posteingangsvermerk nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kein objektives Beweismittel dar. Gleiches gilt für die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn D. Dieser zieht in seiner Erklärung lediglich den Schluss vom Datum des Eingangsstempels auf das Zugangsdatum. Eigene Wahrnehmungen über den Zugang der Briefe und den entsprechenden Zeitpunkt hat Herr D hingegen nicht. Er hat die Bescheide am 16. Dezember 2015 als zuständiger Sachbearbeiter erhalten und zur Kenntnis genommen. Aber selbst wenn er über eigene Wahrnehmungen hinsichtlich des Zugangs der Einspruchsentscheidungen verfügen würde, würde seine Versicherung nicht zur Glaubhaftmachung eines ungewöhnlich langen Postlaufs genügen. Denn hierfür hätten objektive Beweismittel zur Verfügung gestanden. Eine eidesstattliche Versicherung ist zur Glaubhaftmachung eines Sachverhalts nur geeignet, wenn zu diesem Zweck keine weiteren Mittel zur Glaubhaftmachung zur Verfügung gestanden haben (BFH, Beschluss vom 25. Februar 2010, IX B 149/09, juris, Rn. 4 m.w.N.). Ein derartiges Mittel wäre im Streitfall die Vorlage der Umschläge der Einspruchsentscheidungen gewesen (vgl. FG München, Urteil vom 1. Juli 2020, 3 K 1239/18, juris, Rn. 44). Eine solche Beweisvorsorge hat die Klägerin - und dies ist für die Würdigung des Gerichts von besonderem Gewicht - nicht getroffen. Die Klägerin, der das Verhalten ihres Vertreters zuzurechnen ist, hat die Briefumschläge nicht aufgehoben, mit denen sich Besonderheiten im Rahmen des Postlaufs anhand der Poststempel ggf. hätten nachweisen lassen können. Soweit die Klägerin vorträgt, dass es realitätsfern sei, bei der Masse an Post, die A täglich erreiche, Briefumschläge aufzuheben, ist dieses Vorbringen aus organisatorischer Sicht gut nachvollziehbar. Gleichwohl sollte sich ein Unternehmen, das für Dritte Einspruchsverfahren führt, rechtlicher Obliegenheiten zur Beweisvorsorge bewusst sein und entsprechende Maßnahmen treffen. Hierzu hätte es jedenfalls gehört, sicherzustellen, dass die mit den Einspruchsverfahren betrauten Mitarbeiter Rücksprache mit dem Hauptzollamt halten, wenn sich aus dem Bescheiddatum und dem Datum des Eingangsstempels ein ungewöhnlich langer Postlauf ergibt. Die Einspruchsentscheidungen datierten vom 24. November 2015 bzw. vom 30. November 2015. Der Eingangsstempel weist als Datum den 16. Dezember auf. Zwischen diesen beiden Daten liegen über zwei bzw. über drei Wochen. In solch einem Fall ist der verspätete Zugang umgehend dem Hauptzollamt anzuzeigen (vgl. BFH, Beschluss vom 16. Mai 2007, V B 169/06, juris zu einem Eingang 14 Tage nach Bescheiddatum). Dies hat Herr D, der versichert hat, die Bescheide am 16. Dezember 2015 zur Kenntnis erhalten zu haben, unterlassen.

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Weitere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend von einem atypischen Geschehensverlauf auszugehen ist, sind nicht gegeben. Zwar gab es nach Recherchen des Gerichts im Jahr 2015 im ... Briefzentrum einen Poststreik. Dieser hat allerdings im Sommer 2015 stattgefunden und nicht am Jahresende. Schließlich stützen auch die Besonderheiten des Einzelfalls den von der Klägerin angenommenen atypischen Verlauf nicht. Zunächst sind keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb es beim Versand der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2015 zu einer besonders langen Verzögerung von über drei Wochen gekommen sein soll. Dennoch sind nach aller Lebenserfahrung einzelne Verzögerungen oder auch sonstige Fehler im Rahmen der Postbeförderung bzw. Zustellung möglich, wobei einer Dauer von drei Wochen wohl schon ein Ausnahmecharakter zukommen dürfte. Dass beim Versand der zwei Einspruchsentscheidungen vom 30. November 2015 nun jeweils erneut ein Problem aufgetreten sein soll, das ebenfalls zu außergewöhnlich langen Verzögerungen von immerhin zwei Wochen geführt haben soll, erscheint im Hinblick auf den bereits oben dargestellten anfänglich reibungslosen Briefkontakt mit A als ein eher fernliegender Zufall. Ähnlich fernliegend erschient auch der weitere Zufall, dass die Einspruchsentscheidungen trotz ihrer unterschiedlichen Fertigungszeitpunkte, Versanddaten und Verzögerungen dennoch gleichzeitig bei A eingegangen sein sollen.

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2. Wiedereinsetzung in die Klagefrist gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist der Klägerin nicht zu gewähren, da sie keine Wiedereinsetzungsgründe vorgetragen hat. Ihr Vortrag ist darauf gerichtet, Zweifel an der Einhaltung der Dreitagesfrist gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu wecken. Auch die sonstigen Beanstandungen der Klägerin hinsichtlich des Versands der Einspruchsentscheidungen stellen keine Wiedereinsetzungsgründe dar. Der Beklagte hat seine Schreiben ab August 2015 an die ... Niederlassung von A versendet, da Herr D mit E-Mail vom 25. August 2015 darum gebeten hatte. Die Zustellung einer Einspruchsentscheidung an den direkten Vertreter gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Anstich 1 ZK führt auch zur Auslösung der Klagefrist für den Vertretenen. Die Klägerin hat A als sog. Full-Service-Logistikanbieter, der auch Zollabwicklungs- und Vermittlungsdienstleistungen erbringt, mit der Durchführung des Einspruchsverfahrens beauftragt und über die eingereichte allgemeine Vertretungsvollmacht vom 15. Januar 2015 hinaus entsprechend bevollmächtigt. Bereits die allgemeine Vertretungsvollmacht umfasst eine Empfangsvollmacht. Dementsprechend findet § 365 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 AO Anwendung, wonach sich die Finanzbehörde an den Bevollmächtigten wenden soll, sofern ein solcher für das Verfahren bestellt ist. Gleiches folgt aus § 122 Abs. 1 Satz 4 AO, wonach ein Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden soll, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche Empfangsvollmacht vorliegt (vgl. hierzu Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO, Rn. 43, Stand April 2017). Der Zollkodex trifft keine hiervon abweichenden Regelungen. Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Anstrich 1 ZK liegt eine direkte Vertretung vor, wenn der Vertreter im Namen und für Rechnung eines anderen handelt. Im Rechtsbehelfsverfahren gehört es zu den selbstverständlichen Grundsätzen, dass der Schriftverkehr mit oder zumindest über den Bevollmächtigten abgewickelt wird und Verhandlungen oder gar Verständigungen mit dem Vertretenen ohne Einschaltung des Vertreters von der Behörde unterlassen werden (Weymüller in Dorsch, Zollkodex, Art. 5 ZK, Rn. 32, Stand September 2011).

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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