Urteil vom Niedersächsisches Finanzgericht (3. Senat) - 3 K 293/09

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufgabe eines dingliches Wohnungsrechts eine freigebige Zuwendung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) begründet.

2

Der Kläger ist Erbe seines im Jahre 2005 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehört u. a. das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück in A. In dem Haus befinden sich drei Wohnungen mit einer Wohnfläche von jeweils 80 m². Durch Vermächtnis wandte der Erblasser seiner im Jahre 1939 geborenen Lebensgefährtin für eine dieser Wohnungen ein Wohnungsrecht zu.

3

Mit notariellem Vertrag (…) wurde der Vermächtnisnehmerin „an der abgeschlossenen Wohnung im 3. Stock (…) des Hauses in A, (…) die Eintragung eines lebenslänglichen Wohnungsrechts gem. § 1093 BGB“ eingeräumt. Das Wohnungsrecht, dessen Ausübung nach dem Vertrag „keinem Dritten überlassen werden“ darf, wurde im Grundbuch, Abteilung II/5, eingetragen. Nachdem die Berechtigte dem Antrag des Klägers auf Löschung des Wohnungsrechts zugestimmt hatte, wurde dieses im Jahre 2007 im Grundbuch gelöscht. (…)

4

Mit Bescheid des Finanzamts A vom (…) wurde der Grundstückswert für die in Rede stehenden Wohnung zum Besteuerungszeitpunkt (…) gesondert festgestellt. Dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten.

5

Die Lebensgefährtin des Erblassers teilte dem FA mit Anwaltsschreiben (…) mit, das Wohnrecht in der Zeit etwa von Mitte 2005 bis Mitte 2006 wahrgenommen zu haben. Ende August 2006 sei sie aus familiären Gründen nach F gezogen.

6

Mit Bescheid (…) setzte das FA gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer (…) fest. (…)

7

Hiergegen legte der Kläger (…) Einspruch ein. Es habe keine Bereicherungsabsicht vorgelegen, statt dessen habe die Wohnung für die Lebensgefährtin seines verstorbenen Vaters eine Belastung dargestellt. Die Wohnung habe für die Vermächtnisnehmerin keinen Nutzungs- oder Vermögenswert verkörpert. Daher sei das Wohnungsrecht entgegen der Anforderung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht „auf Kosten“ der Zuwendenden aufgegeben worden.

8

Mit Einspruchsentscheidung (…) wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der einseitige Wille des Zuwendenden für das Merkmal der Unentgeltlichkeit ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366). Ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht und ein Wille zur schenkungsweisen Zuwendung seien nicht erforderlich. Auf die Motive des Zuwendenden komme es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 2003 II R 84/00, BFH/NV 2004, 340, unter II. 2. b.).

9

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen klage macht der Kläger ergänzend geltend, er und die Vermächtnisnehmerin seien nicht davon ausgegangen, dass durch den Verzicht auf das Wohnungsrecht eine unentgeltliche Zuwendung begründet werde. Die Lebensgefährtin des Erblassers habe durch die Löschungsbewilligung allein das Ziel verfolgt, sich der mit dem Wohnungsrecht verbundenen Kosten zu entledigen. Im Übrigen erscheine es zweifelhaft, ob das FA das Wohnungsrecht zutreffend bewertet habe. Die Einschränkung der ausschließlichen Selbstnutzung sei nicht berücksichtigt worden.

10

Der Kläger beantragt, den Bescheid über Schenkungsteuer (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung (…) aufzuheben.

11

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung nimmt das FA im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug.

13

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2009 3 V 297/09 hat der Senat den für das Klageverfahren gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt.

14

(…)

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Festsetzung der Schenkungsteuer ist nicht zu beanstanden.

16

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). In objektiver Hinsicht ist hierfür eine Vermögensverschiebung erforderlich, d. h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (vgl. BFH-Urteile vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382; vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 260, BStBl II 2005, 188; in BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258).

17

In subjektiver Hinsicht verlangt eine freigebige Zuwendung, dass der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, die Zuwendung unentgeltlich oder teilunentgeltlich vorzunehmen. Dabei ist ein auf die Bereicherung des Empfängers gerichteter Wille im Sinne einer Bereicherungsabsicht („animus donandi“) nicht erforderlich. Der Wille zur Unentgeltlichkeit liegt vielmehr vor, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein, noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht - FG -, Urteil vom 14. April 2004 3 K 198/02, EFG 2005, 289; Meincke, ErbStG, 15. Aufl., § 7, Rz. 9 ff.).

18

Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers oder in rechtlichem Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472, unter II. 5. und 6.; vom 17. Oktober 2007 II R 53/07, BFHE 218, 409, BStBl II 2008, 256). Dabei kommen als die Unentgeltlichkeit ausschließende und die Entgeltlichkeit begründende rechtliche Abhängigkeit Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht. Freiwillig eingegangene Leistungspflichten schließen die Unentgeltlichkeit nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 409, BStBl II 2008, 256, m. w. N.).

19

a) Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, handelt es sich bei der Aufgabe des Wohnungsrechts durch die Vermächtnisnehmerin um eine freigebige Zuwendung zu Gunsten des Klägers. Auf der Seite der Zuwendenden ist eine Vermögensminderung eingetreten, weil die Lebensgefährtin des Erblassers durch die Aufgabeerklärung und die Löschung im Grundbuch ihres dinglichen Wohnungsrechts verlustig gegangen ist (§ 875 BGB). Ihr Vermögen ist durch Aufgabe dieses Rechts gemindert worden. Dem steht nicht entgegen, dass die Vermächtnisnehmerin als Berechtigte (§ 1093 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) verpflichtet war, für die Erhaltung der Wohnung in ihrem wirtschaftlichen Bestande zu sorgen (§ 1093 Abs. 1 Satz 2, § 1041 BGB). Das Vermögen des Klägers ist dagegen durch die Aufgabe des Wohnungsrechts gemehrt worden. Der Kläger ist nunmehr berechtigt, die Lebensgefährtin seines verstorbenen Vaters von der Nutzung der Wohnung auszuschließen (vgl. § 903 BGB), die Wohnung selbst zu nutzen oder zu vermieten. Überdies hat das Grundstück für den Kläger insoweit eine Wertsteigerung erfahren, als er es ohne die in Abteilung II des Grundbuchs eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit (vgl. Palandt / Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 1093, Rz. 1) veräußern kann.

20

Auch werden die subjektiven Merkmale einer Schenkung im Streitfall erfüllt. Dadurch, dass die Aufgabe des Wohnungsrechts nicht mit einer Gegenleistung (etwa mit der Zahlung eines Entgelts) verbunden war, handelt es sich um eine freigebige Zuwendung. Unschädlich ist, dass die Vermächtnisnehmerin als Zuwendende nach dem Vorbringen des Klägers ohne Bereicherungsabsicht in die Löschung der Dienstbarkeit eingewilligt hat. Ihr war jedoch klar, dass sie weder zu der Aufgabe des Wohnungsrechts rechtlich verpflichtet war noch für den Verzicht eine Gegenleistung erhielt. Das Vorbringen des Klägers, die Lebensgefährtin des Erblassers habe zunächst für die Löschung ein Entgelt verlangt, spricht im Übrigen dafür, dass der Zuwendenden die mit der Löschungsbewilligung einhergehende Vermögensmehrung seitens des Klägers bewusst war.

21

b) Ein anderes ergibt sich nicht aus den vom Kläger vorgetragenen Einwänden, insbesondere nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Dezember 1981 V ZR 247/80 (BGHZ 82, 354, NJW 1982, 820). Nach dieser Entscheidung handelt es sich bei einem schuldrechtlichen Vertrag, der die Verpflichtung zur unentgeltlichen Gebrauchs-überlassung einer Wohnung auf Lebenszeit zum Inhalt hat, um einen Leihvertrag i. S. des § 598 BGB, der nicht der für Schenkungsversprechen nötigen Form (§ 518 BGB) bedarf. Im Streitfall besteht die unentgeltliche Zuwendung an den Kläger nicht in der Einräumung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnungsrechts, sondern in der ein dingliches Wohnungsrecht betreffenden Löschungsbewilligung. Da es also nicht um die Pflicht des Zuwendenden geht, einem anderen den Gebrauch einer Sache unentgeltlich zu gestatten, sind die vom BGH im vorgenannten Urteil aufgestellten Grundsätze nicht auf den Streitfall übertragbar und stehen demzufolge der Qualifizierung der Löschungsbewilligung als freigebige Zuwendung nicht entgegen.

22

2. Anhaltspunkte dafür, dass das FA das Wohnrecht unzutreffend bewertet hat, liegen nicht vor. Nach § 14 Abs. 1 BewG in der im Jahre 2005 geltenden Fassung sind lebenslängliche Nutzungen mit dem aus Anlage 9 des BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswertes anzusetzen.

23

Im Streitfall liegt ein lebenslängliches Nutzungsrecht in Gestalt eines dinglichen Wohnungsrechts vor. In der notariellen Urkunde (…) wurde ausdrücklich auf die Bestimmungen des § 1093 BGB Bezug genommen. Dass die Ausübung des Wohnungsrechts keinem Dritten übertragen werden durfte, entspricht dem in § 1092 BGB normierten gesetzlichen Regelfall. Hiernach ist eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit wie etwa das Wohnungsrecht grundsätzlich nicht übertragbar. Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann dem Notarvertrag indessen kein "ausschließliches Selbstnutzungsrecht" entnommen werden. Vielmehr durften aufgrund des Wohnungsrechts nach § 1093 Abs. 2 BGB auch ohne besondere Gestattung des Grundstückseigentümers etwa Familienangehörige oder Hauspersonal aufgenommen werden (vgl. Palandt / Bassenge, a. a. O., § 1093, Rz. 12).

24

Nach § 16 BewG hat das FA zu Recht den Jahreswert mit Hilfe des Quotienten von 18,6 BewG ermittelt und das Ergebnis mit dem für das Alter der Berechtigten bei Eintritt des Erbfalls geltenden Vervielfältiger (§ 14 BewG in der im Jahre 2005 geltenden Fassung i. V. m. Anlage 9 zum BewG) multipliziert. (…)

 


Abkürzung FundstelleWenn Sie den Link markieren (linke Maustaste gedrückt halten) können Sie den Link mit der rechten Maustaste kopieren und in den Browser oder in Ihre Favoriten als Lesezeichen einfügen.', WIDTH, -300, CENTERMOUSE, true, ABOVE, true );" onmouseout="UnTip()"> Diesen Link können Sie kopieren und verwenden, wenn Sie genau dieses Dokument verlinken möchten:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=STRE201070331&psml=bsndprod.psml&max=true

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen