Beschluss vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 Ko 1093/15


Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

I. Die von der Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf 102,82 € festgesetzt.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Im vorliegenden Erinnerungsverfahren streiten die Beteiligten darüber, ob das Gericht den Streitwert fehlerhaft festgesetzt und im Anschluss daran die Kosten unzutreffend festgesetzt hat.

2

Mit Klageschrift vom 01. August 2014, bei Gericht eingegangen am 04. August 2014, beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, über seinen Kindergeldantrag vom 13. Januar 2014 zu entscheiden. Nachdem die Beklagte dem Begehren des Klägers entsprochen hatte, wurden ihr mit Beschluss der Berichterstatterin vom 25. November 2014 die Kosten des Verfahrens gem. § 138 Abs. 2 S. 1 FGO auferlegt.

3

Mit weiterem Beschluss vom 26. November 2014 wurde der Verfahrensstreitwert gem. § 63 Abs. 2 i.V.m. § 52 GKG auf 3.017,00 € festgesetzt auf der Grundlage folgender Streitwertermittlung im Verfahren 6 K 1983/14:

4

„Der Kläger beantragt die Gewährung von Kindergeld für das Kind M geb. am 27.08.2007,
die Zeit ab 02/13 – 08/14 (Klageeingang, anstatt EE), = 19 x 158,81 = 3.017,39 €.
Hinweis:
Gemäß BFH-Beschluss vom 19.12.2008 Az: III B 163/07 BFH /NV 2009, 578 bindet die angefochtene Entscheidung nur bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung
Streitiger KG-Zeitraum daher maximal bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
                                                SW: 3.017,- €.

5

Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 beantragte der Kläger eine Kostenerstattung i.H.v. 503,61 €.

6

Mit Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 14. Januar 2015 wurden die von der Beklagten an die Rechtsanwältin gem. § 126 ZPO zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 503,61 € festgesetzt.

7

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Erinnerungsführerin mit am 27. Januar 2015 bei Gericht eingegangenem Schreiben Erinnerung ein mit der Begründung, das Gericht habe den Streitwert fehlerhaft festgesetzt. Er sei daher von Amtswegen gem. § 63 Abs. 3 GKG zu korrigieren. Im Rahmen des Klageverfahrens sei die Verurteilung der Beklagten zu irgendeiner Entscheidung beantragt worden. Eine konkrete Bezifferung des Kindergeldes oder eines Zeitraums sei nicht erfolgt (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 01. Juni 2006 I E 2/06). Der Streitwert einer solchen Untätigkeitsklage sei auf 10 v.H. des streitigen Steuerbetrages zu bemessen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 15. November 1962 IV 70/59 S und BFH-Beschluss vom 11. Juni 1987 III R 92/85). Zu erstatten sei demnach lediglich ein Betrag von 102,82 €. Die Berechnung ergebe sich aus der beigefügten Aufstellung (Bl. 55 der Prozessakte).

8

Der Streitwert bemesse sich nach dem unmittelbaren Interesse des Klägers. Wenn der Kläger lediglich die Entscheidung über einen Antrag begehre, dann sei der Streitwert mit 10 % der möglichen Kindergeldfestsetzung zu bemessen; dem Klagebegehren sei bereits dann entsprochen, wenn irgendeine Entscheidung getroffen werde. Die zwingende Festsetzung von Kindergeld habe mit dem gestellten Antrag nicht erreicht werden können. Wäre es dem Kläger konkret um das Kindergeld gegangen, hätte er zum Einen eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO beantragen oder einen konkret bezifferten Klageantrag stellen können. Er hätte sich dann jedoch in die Gefahr begeben, mit seinem Sachantrag ggfs. teilweise zu unterliegen.

9

Der Erinnerungsgegner tritt der Erinnerung entgegen und führt dazu aus, dass die von der Erinnerungsführerin zitierte Rechtsprechung des BFH auf einen ganz anderen Fall abziele, nämlich den, dass bereits eine Entscheidung der Behörde ergangen sei, hiergegen Einspruch eingelegt worden sei und dann über den Einspruch eine unangemessen lange Zeit nicht entschieden worden sei und daher Untätigkeitsklage erhoben worden sei. Vorliegend habe die Behörde jedoch gar nicht entschieden, so dass lediglich zu beantragen gewesen sei, dass die Behörde nunmehr nach 6 Monaten überhaupt über den Kindergeldantrag entscheide. Eine Bezifferung des Antrages sei daher weder notwendig noch geboten gewesen. Der vom Finanzgericht beschlossene Streitwert i.H.v. 3.017,00 € sei daher zutreffend.

10

Nach Nichtabhilfe ist die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt worden.

11

Auf den Antrag der Erinnerungsführerin hin ist die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Januar 2015 im Verfahren 6 K 1983/14 einstweilen ausgesetzt worden bis zur Entscheidung über die von der Erinnerungsführung eingelegte Erinnerung (Beschluss des Senats vom 03. Februar 2015).

Entscheidungsgründe

12

II. Die Erinnerung ist begründet. Die zu erstattenden Kosten sind – ausgehend von einem unzutreffenden Streitwert – im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Januar 2015 zu Unrecht auf 503,61 € festgesetzt worden.

13

1. Das Gericht wertet die von der Erinnerungsführerin erhobenen Einwände gegen die Kostenfestsetzung zugleich als Anregung, den festgesetzten Streitwert von Amts wegen zu ändern.

14

Die Änderung der mit Beschluss vom 26. November 2014 vorgenommenen Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 GKG i.V.m. § 79 a  Abs. 1 Nr. 4 FGO. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG kann das Gericht die von ihm getroffene Entscheidung über den Streitwert von Amts wegen ändern. Dabei ist die in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG geregelte Frist – deren Einhaltung im vorliegenden Verfahren zweifelsfrei ist – zu beachten.

15

Trotz der Formulierung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG als „Kann-Bestimmung“ handelt es sich nicht um eine Ermessensvorschrift. Angesichts der Obliegenheit des Gerichts, ohne dahingehende Anregung der Beteiligten oder deren förmlichen (Änderungs-) Antrag von Amts wegen tätig zu werden, begründet die Vorschrift die Pflicht des Gerichts, den Streitwertbeschluss zu ändern, wenn er mit der Rechtslage nicht übereinstimmt; das Verbot der Schlechterstellung gilt hier nicht [OLG Köln, Beschluss vom 13. März 1992 – 13 W 14/92 – VersR 1992, S. 1028; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. März 1990 – 1 S 81/90 – DÖV 1990, S. 937 (938); OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Juni 1987 – 14 W 429/87 – AnwBl. 1988, S. 294 (295)]. Gegenstand der „Kann-Regelung“ ist insoweit allein die Bestimmung der Zuständigkeit für die vorzunehmende Änderung [ Hartmann , Kostengesetze, 39. Auflage, München 2009, § 63 GKG RdNr. 38]. Entscheidendes Kriterium für die Frage, ob und ggf. in welcher Hinsicht die Festsetzung des Streitwertes zu ändern ist, ist mithin allein die Übereinstimmung des Streitwertes mit der Prozessrechtslage. Die Unrichtigkeit einer Wertfestsetzung berechtigt das Prozessgericht deshalb unter anderem auch dann zur Änderung, wenn sie darauf beruht, dass das Gericht bei der Festsetzung wesentliche Gesichtspunkte übersehen hat oder nach erfolgter Festsetzung neue Gesichtspunkte zutage treten (Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05. August 2009 4 K 503/08, EFG 2010, 74).

16

Der Streitwert beträgt im vorliegenden Klageverfahren nicht 3.017 €, sondern lediglich 10 v.H. dieses Betrages (301,70 €). Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2 .V.m. § 52 GKG. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG deren Höhe maßgebend.

17

2.a. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelung ist der Streitwert im Falle einer Untätigkeitsklage mit 10 v.H. des streitigen Steuerbetrages – hier also 10 v.H. des gemäß § 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes als Steuervergütung gezahlten Kindergeldes – anzunehmen, wenn die Klage (abweichend vom Inhalt des § 46 Abs. 1 FGO) nur auf das Tätigwerden der beklagten Behörde gerichtet ist (BFH-Urteil vom 15. November 1962 IV 70/59 S, BStBl. III 1963, 270, und Beschluss vom 30. August 1967 VI B 63/67, BFHE 90, S. 95 = BStBl. III 1967, S. 786). Die Verminderung des Streitwertes auf 10 v.H. des letztlich streitigen Betrages rechtfertigt sich in dieser Fallgestaltung daraus, dass das Gericht nicht mit der Prüfung der materiellen Rechtsfragen befasst wird, sondern lediglich dazu angerufen wird, um die Behörde zum Tätigwerden anzuhalten.

18

Ist die Untätigkeitsklage demgegenüber entsprechend der Ausgestaltung des § 46 Abs. 1 FGO darauf gerichtet, dass das angerufene Finanzgericht selbst in der Sache entscheidet, ist der streitige Steuerbetrag bzw. Kindergeldbetrag in voller Höhe als Streitwert in Ansatz zu bringen (BFH-Beschluss vom 11. Juni 1987 III R 92/85, juris, Beschluss vom 26. April 1972 VII B 38/70, BFHE 105, 334 = BStBl. II 1972, 574, Beschluss vom 19. Februar 1969 I B 41, 42, 43/68, BFHE 95, 27 = BStBl. II 1969, 319 sowie Beschluss vom 25. Januar 1967 I B 11/66, BFHE 88, 19 = BStBl. III 1967, 253).

19

Die zum Streitwert der Untätigkeitsklage von der Erinnerungsführerin angeführte, mittlerweile über 30 Jahre alte Rechtsprechung hat der BFH – soweit erkennbar – bislang weder aufgegeben noch geändert (vgl. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05. August 2009 4 K 503/08, EFG 2010, 74).

20

2.b. Die Erinnerungsgegnerin wendet gegen die Übernahme dieser Grundsätze im Streitfall zu Unrecht ein, dass der Sachverhalt vorliegend ein anderer sei, da vorliegend noch gar keine Grundentscheidung (Verwaltungsakt) ergangen und daher eine „Bezifferung des Antrages … weder notwendig noch geboten gewesen“ sei. Dieser tatsächlich gegebene Sachverhaltsunterschied führt bei der Streitwertbestimmung zu keinem anderen Ergebnis, da im einen wie im anderen Fall das Klagebegehren ausschließlich darauf gerichtet ist, die Untätigkeit der Behörde zu beenden. Der fachlich vertretene Kläger hat seine Klage im Betreff gekennzeichnet als solche „wegen Untätigkeit“; dementsprechend hat er auch keinen bezifferten Klageantrag gestellt und auch in der Begründung keinen bezifferten Anspruch geltend gemacht. Dies hat der Erinnerungsgegner in seiner Erinnerungserwiderung im Übrigen nochmals ausdrücklich bestätigt. Die vorgenannte BFH-Rechtsprechung ist damit uneingeschränkt anwendbar.

21

3. Ausgehend von dem zutreffenden Streitwert sind die zu erstattenden Kosten auf 102,82 € festzusetzen. Auf die Berechnung der Erinnerungsführerin, der der Erinnerungsgegner im Übrigen insoweit nicht widersprochen hat, wird Bezug genommen.

22

Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei, da das GKG einen Gebührentatbestand für das Erinnerungsverfahren nicht vorsieht.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen