Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 K 1345/13
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Streitig ist die Bindungswirkung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 Außensteuergesetz (AStG).
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Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft … . Durch Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom xx.xx.1997 hatte sie sämtliche Anteile an der Y GmbH mit Sitz im Inland erworben.
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Die Y GmbH war im Streitzeitraum zu 99,9999 % unmittelbar und zu 0,0001 % mittelbar (über die B1 und die B2, beide mit Sitz in Belgien) an der in Belgien ansässigen Fa. B beteiligt. Die B war ein steuerlich privilegiertes sog. Koordinierungszentrum im Sinne der belgischen königlichen Verordnung Nr. 187 vom 30. Dezember 1982. Gegenstand ihres Unternehmens war die Entwicklung, die Koordination und die Zentralisierung folgender Aktivitäten zum Vorteil eines Teils oder aller Gesellschaften der Unternehmensgruppe: Öffentlichkeitsarbeit, Informationsbeschaffung und -verteilung, wissenschaftliche Untersuchungen, Beziehungen mit nationalen und internationalen Behörden, Tätigkeiten auf dem Gebiet der Buchhaltung, Verwaltung und Informatik, Finanzdienstleistungen, Deckung von Wechselkursrisiken sowie alle Tätigkeiten, die einen vorbereitenden oder unterstützenden Charakter für die Gesellschaften der Gruppe haben.
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Mit Verschmelzungsvertrag vom xx.xx.2000 übertrug die Y GmbH als übertragende Rechtsträgerin mit Wirkung zum 1. Januar 2000 ihr Vermögen als Ganzes auf die Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin. Die Verschmelzung wurde mit Eintragung im Handelsregister am yy.yy.2000 wirksam. Die Klägerin ist demnach Rechtsnachfolgerin der Y GmbH.
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Im März 2000 erließ der Beklagte aufgrund einer entsprechenden Feststellungserklärung der Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997/98 (Feststellungsjahr 1998), in welchem er – erklärungsgemäß – auf die Y GmbH entfallende Einkünfte der B aus passivem Erwerb in Höhe von 1xxx DM, davon Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in Höhe von 2xxx DM, sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) in Höhe von … DM feststellte. Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen wurden der Körperschaftsteuerfestsetzung für 1998 zugrunde gelegt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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In der Zeit von Juli 2000 bis März 2003 (mit Unterbrechungen) wurde bei der Y GmbH eine Außenprüfung durchgeführt. Gemäß Tz. 1.04 und 1.05 des Prüfungsberichts vom 1. Juli 2003 ergaben sich für das Jahr 1998 ein geänderter Hinzurechnungsbetrag sowie geänderte anrechenbare Auslandssteuern (Bl. 8 d. Bp.-Berichtakten).
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Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ unter dem 16. Oktober 2003 einen geänderten Feststellungsbescheid nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997 (Feststellungsjahr 1998), in welchem er nunmehr auf die Y GmbH entfallende Einkünfte der B aus passivem Erwerb in Höhe von 3xxx DM, davon Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter in Höhe von 4xxx DM, sowie entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) in Höhe von 5xx DM feststellte (vgl. Bl. 182 ff. d. PA). Zudem erließ er unter dem 31. Oktober 2003 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1998, in welchem er der Besteuerung einen Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 2 AStG in Höhe von 4xxx DM sowie nach § 12 AStG anzurechnende ausländische Steuern in Höhe von 5xx DM zugrunde legte (Bl. 62 ff. d. KSt-Akten, Bd. I; vgl. zum Antrag der Klägerin nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG: Bl. 6 d. Akten „AStG“). Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er jeweils auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide verwiesen.
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Die Klägerin legte gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1998 vom 31. Oktober 2003, nicht jedoch gegen den geänderten Feststellungsbescheid nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997 (Feststellungsjahr 1998) vom 16. Oktober 2003 form- und fristgerecht Einspruch ein. Der geänderte Feststellungsbescheid wurde infolgedessen bestandskräftig.
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Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1998 vom 31. Oktober 2003 trug die Klägerin im Dezember 2008 erstmalig sinngemäß vor, die Einbeziehung der Gewinne einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen beherrschenden Gesellschaft verletze nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. September 2006 in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ (C-196/04, Slg 2006, I-7995-8054) ihre Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). In Anbetracht dessen sei das Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 8. Januar 2007 (BStBl I 2007, 99) erlassen worden, woraus sich Einschränkungen für die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG ergäben. Soweit für die Y GmbH ein Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 4xxx DM berücksichtigt worden sei, habe dies folglich nicht geschehen dürfen.
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Nach einem Hinweis des Beklagten auf die Bestandskraft des geänderten Feststellungsbescheids nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 und dessen Bindungswirkung für die Körperschaftsteuerveranlagung trug die Klägerin im Wesentlichen weiter vor, die EU-Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Grundlagenbescheids müsse aus europarechtlichen Gründen in dem Einspruchsverfahren gegen den Folgebescheid berücksichtigt werden. Da die Rechtssache „Cadbury Schweppes“ beim EuGH erst rechtshängig geworden sei, als der Grundlagenbescheid bereits bestandskräftig gewesen sei, könne ihr nicht vorgehalten werden, dass sie die Bestandskraft durch Einlegung eines Einspruchs hätte verhindern können. Soweit sich der Folgebescheid faktisch als Umsetzung oder Sanktionierung des Grundlagenbescheids darstelle, habe der EuGH in einem Urteil vom 29. April 1999 in der Rechtssache „Ciola“ (C-224/97, Slg 1999, I-2517-2541) bereits entschieden, dass eine auf einem bestandskräftigen Verwaltungsakt basierende Sanktion nicht von den nationalen Behörden durchgeführt werden dürfe, wenn der bestandskräftige Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Sanktionierung europarechtswidrig sei. Bestätigt werde dies durch das BMF-Schreiben vom 8. Januar 2007, wonach die vorstehenden Grundsätze auf alle Fälle anzuwenden seien, in denen die Einkommen- oder Körperschaftsteuer nicht bestandskräftig festgesetzt seien. Das BMF stelle damit ausdrücklich auf die Bestandskraft der Einkommen-/Körperschaftsteuerveranlagung ab, nicht aber auf die Bestandskraft des Grundlagenbescheids nach § 18 AStG.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass es sich bei dem Feststellungsbescheid nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997 (Feststellungsjahr 1998) vom 16. Oktober 2003 um einen wirksamen Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 AO handele, dem gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bzw. § 182 Abs. 1 AO Bindungswirkung für eine nachfolgende Steuerfestsetzung zukomme. Die Berücksichtigung der im Feststellungsbescheid mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen im Körperschaftsteuerbescheid für 1998 sei daher zwingend erforderlich gewesen. Die nachträglich erkannte Rechtswidrigkeit des Grundlagenbescheids könne aufgrund des unbedingten Anpassungsgebotes bei der Änderung des Körperschaftsteuerbescheides für 1998 nicht gewürdigt werden. Würde dem Begehren der Klägerin Folge geleistet und von der Auswertung des Grundlagenbescheids abgesehen, stünde der Folgebescheid zum Grundlagenbescheid im Regelungswiderspruch und wäre somit selbst rechtsfehlerhaft.
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Die Nichtberücksichtigung der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Körperschaftsteuerbescheid für 1998 könne nicht im Hinblick auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ gefordert werden. Maßgeblich sei, ob nach dem nationalen Verfahrensrecht noch eine Änderungsmöglichkeit bestehe. Das Gemeinschaftsrecht verlange grundsätzlich nicht, dass eine Verwaltungsbehörde eine Entscheidung zurücknehmen oder gar außer Acht lassen müsse, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden sei. Soweit die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem Urteil des EuGH vom 19. September 2006 (C-392/04 und C-422/04, Slg. 2006, I – 8559) verpflichtet sein könne, ihre Entscheidung zu überprüfen und eventuell zurückzunehmen, erfülle die Klägerin die vom EuGH hierfür dargestellten Voraussetzungen im Streitfall nicht, da sie den Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 nicht angefochten und damit nicht sämtliche ihr auf nationaler Ebene zur Verfügung stehende Rechtsbehelfe ausgeschöpft habe. Der Einwand, dass die Rechtssache „Cadbury Schweppes“ beim EuGH erst rechtshängig geworden sei, als der Grundlagenbescheid bereits bestandskräftig gewesen sei, führe nicht dazu, dass diese Grundsätze verworfen würden. Denn es sei der Klägerin nicht verwehrt gewesen, den Rechtsweg gegen den Grundlagenbescheid zu bestreiten und selbst ein Musterverfahren anzustrengen. Die Bestandskraft eines Grundlagenbescheides könne nicht durch Anfechtung des auf diesem Grundlagenbescheid beruhenden Folgebescheides umgangen werden. Denn die absolute Anpassungsverpflichtung führe dazu, dass die Europarechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids nicht im Körperschaftsteuerbescheid berücksichtigt werden dürfe. Eine andere Sichtweise wäre mit dem Zweck des Feststellungsverfahrens nicht vereinbar und würde das Prinzip der Bestandskraft, das auch der EuGH bereits in seinem Urteil vom 16. Dezember 1976 (C-33/76, Slg. 1976, 1989) als Instrument der Rechtssicherheit grundsätzlich anerkannt habe, unterlaufen. Die Zweistufigkeit des nationalen Feststellungsverfahrens kollidiere nicht, wie von der Klägerin behauptet, mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Zwar hätten nationale Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liege, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, dass mit dem vom Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimme. Das Verfahren zur Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben unterliege jedoch nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten allein dem nationalen Recht. Soweit diese Verfahrensmodalitäten für Sachverhalte, die das Gemeinschaftsrecht berührten, nicht ungünstiger sein dürften als für Sachverhalte, die ausschließlich nationalen Normen unterlägen (Äquivalenzgrundsatz), und sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürften (Effektivitätsgrundsatz), seien diese Voraussetzungen hier erfüllt. Denn gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlagen würden allgemein und unabhängig davon, ob ihnen innerstaatliche oder grenzübergreifende Sachverhalte zugrunde lägen, durch das zweistufige Verfahren mit Grundlagen- und Folgebescheid der Besteuerung unterworfen. Die Verletzung von Rechten könne in beiden Fällen durch Anfechtung des Grundlagenbescheides innerhalb der Einspruchsfrist geltend gemacht werden. Eine Schlechterstellung von gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen, welchen grenzüberschreitende Sachverhalte zugrunde lägen, sei in diesem Verfahren nicht möglich. Es dürfe auch nicht außer Acht gelassen werden, dass – wenn man dem Einwand der Klägerin folge – im Ergebnis entgegen dem Äquivalenzgrundsatz die Bindungswirkung von Besteuerungsgrundlagen aus Grundlagenbescheiden, die grenzüberschreitende Sachverhalte feststellten, außer Kraft gesetzt würde, während aufgrund von innerstaatlichen Sachverhalten festgestellte Besteuerungsgrundlagen weiterhin nur durch fristgemäße Anfechtung der Grundlagenbescheide angreifbar blieben. Ein Steuerbescheid oder ein gleichgestellter Bescheid sei deshalb auch bei einem nachträglich erkannten Verstoß gegen das Unionsrecht nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar. Auch das von der Klägerin unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 29. April 1999 geforderte Verbot, den Grundlagenbescheid im Folgebescheid zu berücksichtigen, sei nicht nachvollziehbar. Denn der Kläger in diesem Verfahren habe keine Möglichkeit gehabt, den gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft anzufechten, während es der Klägerin nicht verwehrt gewesen sei, sich gegen den Feststellungsbescheid zu wenden, sich auf die Verletzung von Gemeinschaftsrecht zu berufen und gegebenenfalls selbst ein Musterverfahren anzustrengen. Das angeführte Urteil sei deshalb nicht auf den Streitfall übertragbar.
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Mit Schreiben vom 19. März 2013 beantragte die Klägerin den Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO zu dem Feststellungsbescheid nach § 18 AStG, mit der Feststellung, dass die B im Wirtschaftsjahr 1997 die Tatbestandsvoraussetzung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Betätigung in ihrem Sitzstaat Belgien im Sinne des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ erfüllt habe. Diesen Antrag lehnte der Beklagte unter dem 3. April 2013 ab, da es sich bei der Frage, ob die B im Wirtschaftsjahr 1997 einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen sei, nicht um eine notwendige Feststellung im Sinne des § 179 Abs. 3 AO handele.
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Ihren hiergegen am 2. Mai 2013 eingelegten Einspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, zwischen ihr und dem Finanzamt sei unstreitig, dass die B tatsächlich in Belgien angesiedelt gewesen und wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgegangen sei. Folglich stehe nach der Rechtsprechung des EuGH das Unionsrecht einer Hinzurechnung der von der B erwirtschafteten Gewinne bei der Y GmbH materiell-rechtlich entgegen. Sofern das Finanzamt die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids für 1998 wegen der eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheids ablehne, sei die Feststellung der unstreitigen Tatsache, dass die B in ihrem Sitzstaat Belgien tatsächlich angesiedelt gewesen und dort einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen sei, in einem Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO nachzuholen. Hierbei handele es sich um Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG, die gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG gesondert festzustellen seien. Besteuerungsgrundlagen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG, §§ 179 ff. AO seien die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer von Bedeutung seien. Das Finanzamt hätte folglich schon beim Erlass des Bescheides über die gesonderte Feststellung nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997 (Feststellungsjahr 1998) vom 16. Oktober 2003 darüber entscheiden müssen, ob die B in ihrem Aufnahmemitgliedstaat Belgien angesiedelt gewesen und dort einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des „Cadbury Schweppes“-Urteils nachgegangen sei. Denn bei diesen Fragen handele es sich um tatsächliche Verhältnisse, die für die Steuerpflicht von Bedeutung seien, da gegebenenfalls von einer Hinzurechnung abzusehen sei bzw. die Zwischeneinkünfte des ausländischen Körperschaftsteuersubjekts im Inland nicht steuerpflichtig seien.
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Auch der Sinn und Zweck der gesonderten Feststellung spreche klar für die Feststellung des Vorliegens der Ausnahmetatbestände des „Cadbury Schweppes“-Urteils. Denn sofern die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft bei einem inländischen Beteiligten zum Betriebsvermögen eines stehenden Gewerbebetriebs gehöre, sei die Feststellung für mehrere Steuerfestsetzungen bei demselben unbeschränkt Steuerpflichtigen von Bedeutung, namentlich die Festsetzung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags. Bei mehreren unbeschränkt steuerpflichtigen Beteiligten sei die Feststellung auch für mehrere Steuerfestsetzungen bei verschiedenen Steuerpflichtigen von Bedeutung, so dass es die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung und die Erleichterung des Besteuerungsverfahrens geböten, das Vorliegen der Ausnahmetatbestände von dem zuständigen Finanzamt gesondert und einheitlich feststellen zu lassen. Dem Erlass eines Ergänzungsbescheids stehe die materielle Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 16. Oktober 2003 nicht entgegen. Denn die vom EuGH im „Cadbury Schweppes“-Urteil formulierten Ausnahmetatbestände seien nicht Bestandteil der in dem Bescheid getroffenen Feststellungen und nähmen folglich an der materiellen Bindungswirkung dieses Bescheids nicht teil. Die Frage, ob die ausländische Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich angesiedelt und wirklich wirtschaftlich tätig sei, habe insbesondere mit der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG vorlägen, nichts zu tun. Gerade das „Cadbury Schweppes“-Urteil zeige, dass in einem Fall, in dem – wenn er nach deutschem Außensteuerrecht zu beurteilen wäre – steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 7 Abs. 1 AStG vorlägen, trotzdem keine Hinzurechnung erfolgen dürfe, wenn die vom EuGH formulierten Ausnahmetatbestände erfüllt seien. Die diesbezüglichen Feststellungen könnten deshalb widerspruchsfrei neben die Feststellung von steuerpflichtigen Einkünften nach § 7 Abs. 1 AStG treten.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 regele inhaltlich eindeutig und klar alles, was notwendiger Inhalt der gesonderten Feststellung im Sinne von §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 2 AO i.V.m. § 18 AStG a.F. sei. Bei der von der Klägerin begehrten gesonderten Feststellung des Vorliegens einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der B handele es sich – nach der Gesetzes- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 – um keine Besteuerungsgrundlage, für die eine gesonderte Feststellung vorgesehen gewesen sei; denn der Tatbestand der Ausübung einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit sei zu diesem Zeitpunkt unbeachtlich gewesen. Auch die mit dem Jahressteuergesetz 2008 geänderten Hinzurechnungsvorschriften erweiterten die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nicht um diesen Tatbestand. Vielmehr sehe § 18 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz AStG n.F. vor, dass bei erbrachtem Gegenbeweis im Sinne von § 8 Abs. 2 AStG verfahrensrechtlich die Feststellung durch Erlass eines negativen Feststellungsbescheids abzulehnen sei. In diesem würde lediglich festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nach § 18 AStG nicht vorlägen, nicht hingegen die einzelnen Besteuerungsmerkmale, die zu diesem Ergebnis führten. Das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit diene lediglich der Beurteilung, dass gerade keine Zwischengesellschaft im Sinne von § 8 Abs. 1 AStG vorliege. Der Erlass eines positiven Feststellungsbescheids, in dem neben den bisher festgestellten Besteuerungsgrundlagen auch die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der B treten würde, sei weder vom Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2008 vorgesehen worden noch aus dem BMF-Schreiben vom 8. Januar 2007 abzuleiten.
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Dem Einwand der Klägerin, dass der Grundsatz der Niederlassungsfreiheit bereits in den Gründungsvertrag der EG vom 25. März 1957 aufgenommen worden sei und daher schon in dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 der Tatbestand der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit hätte festgestellt werden müssen, sei entgegenzuhalten, dass die EU-Rechtswidrigkeit der §§ 7 – 14 AStG erst durch das „Cadbury Schweppes“-Urteil allgemein bekannt bzw. konkretisiert worden sei. Soweit bereits vor Ergehen des Urteils Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der Hinzurechnungsvorschriften bestanden hätten, stelle sich die Frage, weshalb die Klägerin von der ihr als EU-Bürgerin jederzeit zustehenden Möglichkeit der Berufung auf die Grundfreiheiten des EGV vor den Verwaltungsbehörden und den Gerichten nach den nationalen Verfahrensbestimmungen nicht bereits im Veranlagungs- bzw. Rechtsbehelfsverfahren, sondern erst nach Ergehen des EuGH-Urteils Gebrauch gemacht habe. Es sei ihr weder unmöglich noch unzumutbar gewesen, den Rechtsweg gegen den Feststellungsbescheid nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 zu bestreiten und selbst ein Musterverfahren anzustrengen. Da der EuGH erstmals im Jahr 2006 entschieden habe, dass die Hinzurechnungsvorschriften europarechtswidrig seien, habe der Verwaltungsakt nur die im Zeitpunkt seines Ergehens im Jahr 2003 vorhandene Gesetzes- und Rechtslage widerspiegeln können. § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. i.V.m. den höchstrichterlich konkretisierten festzustellenden Besteuerungsgrundlagen habe eine gesonderte Feststellung der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft nicht vorgesehen. Wie die Hinzurechnungsvorschriften nach der Entscheidung in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ dennoch weiterhin in europarechtskonformer Form angewendet werden könnten, habe der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers oblegen. Dieser habe sich mit dem ab 1. Januar 2008 geänderten § 8 Abs. 2 AStG dafür entschieden, dass es sich bei vorliegender wirklicher wirtschaftlicher Tätigkeit weder um eine feststellungspflichtige Besteuerungsgrundlage noch um eine nachrichtlich mitzuteilende Besteuerungsgrundlage handeln solle. Der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG sei mit dem Inhalt, dass es sich bei der B um eine Zwischengesellschaft handele und steuerpflichtige Einkünfte nach § 7 AStG vorlägen, in Bestandskraft erwachsen. Somit sei auch zugleich festgestellt worden, dass nur steuerpflichtige Einkünfte entstanden seien und nicht zugleich Ausnahmetatbestände vorlägen, die zu einer Steuerfreiheit der Einkünfte führten. Würde der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG in dieser Weise ausgelegt werden, würde er als materiell unrichtig beurteilt werden müssen, was ebenfalls den Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO ausschließe.
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Gegen die Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2013 hat die Klägerin am 19. März 2013 (Az. 1 K 1345/13), gegen die Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2013 hat sie am 19. August 2013 Klage erhoben (Az. 1 K 2010/13). Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, wie das britische Recht der Hinzurechnungsbesteuerung, über dass der EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ zu befinden gehabt habe, habe auch das im Streitjahr 1998 geltende deutsche Recht der §§ 7 bis 14 AStG gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen, weil es die Hinzurechnung bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Zwischengesellschaft auch dann angeordnet habe, wenn die Voraussetzungen der tatsächlichen Ansiedlung der Zwischengesellschaft in ihrem Aufnahmemitgliedstaat und der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat erfüllt gewesen seien. Der deutsche Gesetzgeber wäre deswegen gehalten gewesen, die Unionsrechtswidrigkeit des nationalen Außensteuergesetzes durch einen Rechtsakt gleicher Qualität, d.h. ein Gesetz, zu beseitigen. Die Änderung des § 8 Abs. 2 AStG durch das Jahressteuergesetz 2008 sei jedoch erst mit Wirkung für die Zukunft herbeigeführt worden, weshalb die Gesetzeslage vor dem Inkrafttreten der Änderung unionsrechtswidrig sei.
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Soweit das BMF geregelt habe, dass sein Anwendungsschreiben vom 8. Januar 2007 auf alle Fälle anzuwenden sei, in denen die Einkommen- oder Körperschaftsteuer nicht bestandskräftig festgesetzt sei, habe es klar zum Ausdruck gebracht, dass die Anwendung der „Cadbury Schweppes“-Grundsätze von der Bestandskraft des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheids abhängen solle. Die Verfügung der OFD, wonach die Einkommen- oder Körperschaftsteuer in den Fällen der gesonderten Feststellung nach § 18 AStG nur änderbar sei, wenn auch die gesonderte Feststellung noch geändert werden könne, habe keinen sinnvoll erklärbaren Anwendungsbereich. Denn eine gesonderte Feststellung im Sinne von § 18 AStG finde in Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung immer statt und im Falle der Änderbarkeit des Feststellungsbescheids sei wegen dessen Grundlagenwirkung der Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid auch stets änderbar. Bei buchstabengetreuer Anwendung der OFD-Verfügung wäre daher die Bestimmung in Tz. 5 des BMF-Schreibens vollkommen überflüssig, was man nicht unterstellen könne. Grundsätzlich sei jedoch angemerkt, dass sie sich nicht in erster Linie auf das BMF-Schreiben, sondern auf die unmittelbare Geltung der Niederlassungsfreiheit nach dem EGV stütze.
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Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Pflicht des Beklagten, die Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte der B im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung zu unterlassen, lägen vor. Da der Gesetzgeber beim Erlass des Jahressteuergesetzes 2008 die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung zumindest für die Vergangenheit in einem unionrechtswidrigen Zustand belassen habe, sei das nationale Recht in der Weise unionsrechtskonform auszulegen, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen der Niederlassungsfreiheit in die Vorschriften der §§ 7 bis 14 AStG hineinzulesen seien. Die B sei in ihrem Aufnahmemitgliedstaat Belgien tatsächlich angesiedelt und wirklich wirtschaftlich tätig gewesen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei hierfür Voraussetzung, dass die ausländische Zwischengesellschaft in ihrem Sitzstaat aktiv, ständig und nachhaltig im Rahmen ihres Unternehmenszwecks am Wirtschaftsleben teilnehme, über entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Geschäftsräume und damit über genügend wirtschaftliche “Substanz“ verfüge und ihre Einkünfte aus eigener Tätigkeit erziele. Die B habe im hier maßgeblichen Zeitraum des Kalenderjahres 1997 den typischen Gesellschaftszweck eines belgischen Koordinierungszentrums verfolgt. Sie habe mit knapp über 30 Mitarbeitern, davon ca. 10 im Bereich der Finanzdienstleistungen, über genügend Personal verfügt, um diesen Gesellschaftszweck erfüllen zu können. Das Personal habe durchgehend entweder einen Universitätsabschluss oder einen Abschluss einer höheren Schule gehabt und sei damit zur Ausübung der Tätigkeiten des Gesellschaftszwecks auch hinreichend qualifiziert gewesen. Überdies habe die sachliche Ausstattung der B den Substanzanforderungen des „Cadbury Schweppes“-Urteils genügt. Darüber hinaus sei die Y GmbH als Gesellschafterin auch befugt, sich auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen; denn sie sei eine nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Deutschland gegründete Gesellschaft gewesen, die ihren satzungsmäßigen Sitz innerhalb der Gemeinschaft gehabt habe.
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Die Bestandskraft des gemäß § 18 AStG erlassenen Feststellungsbescheids für das Wirtschaftsjahr 1997 (Feststellungsjahr 1998) vom 16. Oktober 2003 stehe einer Unterlassung der Hinzurechnung im Körperschaftsteuerbescheid für 1998 nicht entgegen. Es sei rechtlich nicht geboten, dass in einem Feststellungsbescheid nach § 18 AStG eine Feststellung mit Bindungswirkung für den Folgebescheid darüber getroffen werde, dass bei den inländischen Gesellschaftern eine Hinzurechnung erfolge, unabhängig davon, ob in ihrer Person Tatbestandsmerkmale verwirklicht seien, die der Hinzurechnung entgegenstünden. In der Rechtsprechung des BFH sei anerkannt, dass über die Hinzurechnung im Feststellungsbescheid nach § 18 AStG nicht abschließend entschieden werden könne, wenn die Rechtsfolge der §§ 7 bis 14 AStG von materiellen Voraussetzungen abhänge, die außerhalb der Beteiligung des Steuerinländers an der einzelnen Zwischengesellschaft lägen (unter Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 15. März 1995 I R 14/94, BStBl II 1995, 502, unter II. 2.). Als Beispiele für Besteuerungsfolgen der §§ 7 bis 14 AStG, über die im Feststellungsbescheid nicht letztverbindlich entschieden werde, nenne der BFH etwa das Eingreifen der persönlichen Freigrenze bei gemischten Einkünften nach § 9 AStG, das im Ergebnis auch dazu führen könne, dass bei einem Gesellschafter gerade keine Hinzurechnung stattfinde; des Weiteren die Zugehörigkeit des Hinzurechnungsbetrages zu einer bestimmten Einkunftsart des Gesellschafters nach § 10 Abs. 2 AStG und die Behandlung von Schachteldividenden nach § 13 AStG a.F. (Fassung vor dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000, BGBl. I 2000, 1433) aufgrund von Tatbestandsmerkmalen, die in der Person des inländischen Gesellschafters der ausländischen Zwischengesellschaft begründet seien. Die abschließende Entscheidung über die Hinzurechnung bleibe in diesen Fällen dem Veranlagungsverfahren für den einzelnen Steuerinländer vorbehalten. Entsprechend habe der BFH im Urteil vom 9. November 1983 (I R 120/79, BStBl II 1984, 468) entschieden, dass nach § 11 Abs. 1 AStG a.F. (Fassung vor dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000) eine Gewinnausschüttung der ausländischen Zwischengesellschaft an ihren inländischen Gesellschafter zwar indirekt dazu führe, dass sich der Höchstbetrag für die Anrechnung ausländischer Steuern nach § 12 AStG mindere. Denn die Gewinnausschüttung mindere gemäß § 11 Abs. 1 AStG a.F. den Hinzurechnungsbetrag, wodurch sich auch die auf diesen entfallende deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer mindere, bis zu deren Höhe gemäß § 12 Abs. 1 AStG die Anrechnung der ausländischen Steuern nur möglich sei. Die Anrechnung der ausländischen Steuern falle daher im Ergebnis aufgrund der Gewinnausschüttung geringer aus, wenn die anzurechnenden ausländischen Steuern höher seien als die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer, die auf den (um den Betrag der Gewinnausschüttung) geminderten Hinzurechnungsbetrag entfalle. Ob diese Minderung Platz greife, sei jedoch nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens nach § 18 AStG. Dies sei konsequent, denn die Frage, in welcher Höhe deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf den Hinzurechnungsbetrag entfalle, betreffe nur die Sphäre des inländischen Gesellschafters, nicht die Sphäre der ausländischen Zwischengesellschaft. Sie könne deswegen nicht Gegenstand der gesonderten Feststellung nach § 18 AStG sein. Nichts anderes sei bezüglich der Frage anzunehmen, ob die Hinzurechnung bei einem bestimmten Gesellschafter unterbleibe, weil sie – wie im Streitfall – gegen seine Niederlassungsfreiheit nach dem EGV verstoße. Soweit der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit von Tatbestandsvoraussetzungen abhänge, die in der ausländischen Zwischengesellschaft begründet seien (z.B. tatsächliche Ansiedlung, wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat), möge man vertreten, dass diese Fragen im Feststellungsbescheid nach § 18 AStG zu entscheiden seien. Die persönliche Berechtigung des inländischen Gesellschafters, sich auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen, liege aber außerhalb der Sphäre der Gesellschaft und sei deswegen in seinem Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid zu entscheiden und nicht im Feststellungsbescheid nach § 18 AStG. Dies stehe im Einklang mit dem Sinn und Zweck der gesonderten Feststellung nach § 18 AStG, nämlich der einheitlichen Rechtsanwendung im Besteuerungsverfahren und der Vereinfachung desselben. Eine einheitliche Rechtsanwendung komme bei der Beurteilung der Frage, ob der inländische Gesellschafter sich persönlich auf die Niederlassungsfreiheit berufen könne, nicht in Betracht, da diese Besteuerungsgrundlage naturgemäß für jeden Gesellschafter individuell zu prüfen sei. Auch wäre die Beurteilung der Berechtigung zur Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit im Feststellungsverfahren nach § 18 AStG eine unnötige Erschwerung des Besteuerungsverfahrens. Denn die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliege, bedeute nicht, dass er auch die EU-Grundfreiheiten für sich in Anspruch nehmen könne. Dies hänge nämlich davon ab, ob er Staatsbürger eines EU-Mitgliedstaats sei bzw. – im Falle einer an der Zwischengesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft – ob diese nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats gegründet worden sei und ihren Sitz in der EU habe. Den Finanzämtern, die für die Veranlagung der jeweiligen unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer zuständig seien, seien diese Daten ohnehin bekannt.
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Im Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 sei auch tatsächlich keine Feststellung getroffen worden, deren Bindungswirkung es nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO ausschließen würde, im Körperschaftsteuerbescheid für 1998 von der Hinzurechnung abzusehen. Der streitgegenständliche Feststellungsbescheid enthalte in seinem mit „Feststellungen“ überschriebenen Regelungsteil A Feststellungen zur Höhe der Beteiligung der unbeschränkt steuerpflichtigen Y GmbH an der B (Unterabschnitt I), zu den nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünften, d.h. Einkünften, die niedrig besteuert im Sinne von § 8 Abs. 3 AStG seien und nicht aus aktiver Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 AStG stammten (Unterabschnitte II und IV), zum Hinzurechnungszeitpunkt (Unterabschnitt IV), zu den nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbaren Steuern (Unterabschnitt IV) und den nach § 12 Abs. 1 AStG anrechenbaren Steuern (Unterabschnitt VI). In keiner dieser Feststellungen sei explizit ausgesprochen, dass bei der Y GmbH zwingend eine Hinzurechnung stattfinde. Es lasse sich auch nicht argumentieren, dass diese Erwägung den tenorierten Feststellungen implizit zugrunde liege. Denn die Feststellung, dass bei einem Gesellschafter der ausländischen Zwischengesellschaft eine Hinzurechnung stattfinde, sei eine mögliche Rechtsfolge der tatsächlich im Bescheid vom 16. Oktober 2003 getroffenen Feststellungen, aber keine ihnen zugrunde liegende Erwägung. Darüber hinaus sei in der Rechtsprechung des BFH zumindest für einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO anerkannt, dass selbst explizit in diesem Feststellungsbescheid tenorierte Feststellungen aufgrund von Tatbestandsmerkmalen, die außerhalb der gemeinschaftlichen Einkünfteerzielung von einem Feststellungsbeteiligten individuell verwirklicht würden, „umqualifiziert“ werden könnten. Es gebe keinen Grund, dies für einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG anders zu entscheiden. Auch hier gebiete es der Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens, die Tatbestandsmerkmale, die mit der ausländischen Zwischengesellschaft und der Beteiligung der inländischen Steuerpflichtigen an ihr nichts zu tun hätten, im Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid der Gesellschafter – und nicht im Feststellungsbescheid – zu berücksichtigen. Zu diesen Tatbestandsmerkmalen rechne die Berechtigung der Gesellschafter, sich auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen. Sie sei deshalb selbst dann noch in ihrem Körperschaftsteuerbescheid zu berücksichtigen und verhindere die Hinzurechnung, wenn der Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 – entgegen ihrer Auffassung – die Feststellung enthalten sollte, dass die Einkünfte der B bei ihr hinzuzurechnen seien.
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Sollte es nach der Rechtsauffassung des Finanzgerichts erforderlich sein, die tatsächliche Ansiedlung der B in ihrem Aufnahmemitgliedstaat und ihre wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Staat nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG gesondert festzustellen, so sei der Beklagte zu verpflichten, einen Ergänzungsbescheid zu dem Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 zu erlassen. Es sei vertretbar, die tatsächliche Ansiedlung und die wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit der B in ihrem Aufnahmemitgliedstaat Belgien im Sinne des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ im Wege einer weiten Auslegung des § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG als „Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG“ anzusehen. Für eine solche Auslegung könne der Sinn und Zweck der gesonderten Feststellung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG sprechen, da die Ansiedlung und die Tätigkeit der Gesellschaft in ihrem Aufnahmemitgliedstaat nur von Tatbestandsmerkmalen abhingen, die von der Gesellschaft selbst verwirklicht würden und nicht von ihren inländischen Gesellschaftern. Die Tatsache, dass der Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 formell bestandskräftig sei, hindere den Erlass des Ergänzungsbescheids nicht, da Ergänzungsbescheide unabhängig von der formellen Bestandskraft der Feststellungsbescheide, die sie ergänzten, ergingen. Auch die materielle Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 16. Oktober 2003 hindere den Erlass des Ergänzungsbescheids nicht, denn die Feststellungen zur tatsächlichen Ansiedlung und wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der B stünden nicht im Widerspruch zu den im Feststellungsbescheid bereits getroffenen Feststellungen und machten sie auch nicht überflüssig, weil es durchaus inländische Gesellschafter geben könne, die sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen könnten.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 1998 über Körperschaftsteuer vom 31. Oktober 2003 unter Aufhebung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19. Februar 2013 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der festgesetzten Körperschaftsteuer kein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 2 AStG in Höhe von 4xxx DM und keine anzurechnenden ausländischen Steuern nach § 12 AStG in Höhe von 5xx DM berücksichtigt werden,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 3. April 2013 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2013 zu verpflichten, einen Ergänzungsbescheid zum Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 18 AStG für das Wirtschaftsjahr 1997, Feststellungsjahr 1998, vom 16. Oktober 2003 mit den Feststellungen zu erlassen, dass die B im Wirtschaftsjahr 1997 tatsächlich in ihrem Aufnahmemitgliedstaat Belgien angesiedelt war und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des EuGH-Urteils „Cadbury-Schweppes“ (C-196/04) vom 12. September 2006 nachging,
weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
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Er verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend im Wesentlichen vor, der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG habe der im Zeitpunkt seines Erlasses geltenden Rechtslage entsprochen und vollständig alle notwendigen Besteuerungsgrundlagen enthalten. Die Tatsache einer nachgewiesenen wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft habe im Streitjahr nicht zu seinem Regelungsinhalt gehört. Ob eine diesbezügliche Feststellung nach Ergehen des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ im Jahr 2006 für alle Feststellungsbescheide in der ab dem Jahr 2008 gültigen Fassung des AStG als notwendig erachtet werde, könne dahingestellt bleiben, da der zugrunde liegende Feststellungsbescheid unstreitig in formelle Bestandskraft erwachsen sei und darüber hinaus keine verfahrensrechtlichen Aufhebungs- bzw. Änderungsmöglichkeiten bestünden. Durch die Forderung der Klägerin nach einer nachträglichen Aufnahme des Vorliegens einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft als notwendige Besteuerungsgrundlage im Feststellungsbescheid würden im Ergebnis die bisherige, die Feststellung nach dem AStG auslösende, Annahme einer passiven Tätigkeit dieser Firma sowie die Feststellung von Einkünften aus passivem Erwerb aufgehoben werden. Aufgrund des „Cadbury Schweppes“-Urteils erweise sich der bestandskräftige Feststellungsbescheid ex post betrachtet zwar als inhaltlich unrichtig, da unionsrechtswidrig, aber nicht lückenhaft und daher nicht ergänzungsfähig.
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Ein Steuer- und Feststellungsbescheid sei auch bei einem erst nachträglich erkannten Verstoß gegen unionsrechtliche Bestimmungen nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regele die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend. Dieser gesetzgeberischen Entscheidung würde bei Stattgabe der Klage zuwider gehandelt. Auch das BMF-Schreiben vom 8. Januar 2007 könne nicht dergestalt ausgelegt werden, dass die Finanzverwaltung eine klare Durchbrechung der Bestandskraft beabsichtige. Selbst wenn der Gesetzgeber nach der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 2008 die Anwendung für vorangegangene Veranlagungszeiträume geregelt hätte, könnten verfahrensrechtlich Folgerungen nur in sog. offenen Fällen gezogen werden, in denen die formelle bzw. materielle Bestandskraft noch nicht eingetreten sei. Die vom EuGH entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze habe auch der BFH in diversen Entscheidungen, zuletzt im Urteil vom 14. Februar 2012 (VII R 27/10, BFH/NV 2012, 1257), uneingeschränkt angewandt. Anderenfalls könnte jede nach Bestandskraft einer Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretene Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigt werden.
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Der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 beinhalte konkludent die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen mit dem Inhalt, dass bei den Feststellungsbeteiligten dem Grunde nach eine positive Hinzurechnung nach dem AStG im Folgebescheid vorzunehmen sei. Tatsächlich habe die Klägerin den Inhalt des Grundlagenbescheids auch in diesem Sinne verstanden, denn sie habe den in ihrer Feststellungserklärung erklärten Betrag in die nachfolgend beim Finanzamt eingereichte Körperschaftsteuererklärung für 2008 übernommen und in den Vordrucken Anlage AE und KSt 1A entsprechende Eintragungen vorgenommen. Dass im Feststellungsbescheid explizit nicht zum Ausdruck gebracht werde, dass eine Hinzurechnung tatsächlich vorzunehmen sei und in welcher Höhe diese erfolgen solle, sei der Tatsache geschuldet, dass mit Erlass eines Feststellungsbescheids bereits dem Grunde nach das Vorliegen der Hinzurechnungsvoraussetzungen im Folgebescheid bejaht werde, jedoch gewisse abschließende Entscheidungen dem Veranlagungsverfahren für den einzelnen Steuerinländer vorbehalten blieben, soweit sie persönliche Merkmale des Hinzurechnungsbeteiligten beträfen (z.B. Einordnung des Hinzurechnungsbetrags in gewerbliche Einkünfte oder Einkünfte aus Kapitalvermögen, Antrag auf Anrechnung der als abziehbar festgestellten Steuern). Die tatsächliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft betreffe jedoch nicht den persönlichen Bereich der Feststellungsbeteiligten und sei daher ausschließlich im Rahmen des Feststellungsverfahrens nachzuweisen bzw. zu prüfen.
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Hierauf erwidert die Klägerin im Wesentlichen noch, ein Ergänzungsbescheid sei zulässig, wenn relevante Feststellungen in dem ursprünglichen Feststellungsbescheid nicht enthalten seien bzw. dieser insoweit lückenhaft sei. Im Zuge der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG seien im Streitfall keine Feststellungen zu der tatsächlichen Ansiedelung und der wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit der B in ihrem Aufnahmestaat Belgien getroffen worden. Der Beklagte habe bezüglich dieser Feststellungen bislang keine – auch keine negative – Entscheidung getroffen. Unterstelle man, dass es sich bei den gesellschaftsbezogenen Substanzanforderungen nach Maßgabe der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ um feststellungsfähige Tatsachen handele, sei der in Rede stehende Feststellungsbescheid in diesem Punkt unvollständig. Die Rechtsansicht des Beklagten, wonach der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG der im Zeitpunkt seines Erlasses geltenden Rechtslage entsprochen und vollständig alle notwendigen Besteuerungsgrundlagen enthalten habe, sei unzutreffend. Vielmehr hätten aufgrund der primärrechtlich gewährleisteten Niederlassungsfreiheit im vorliegenden Fall Feststellungen bezüglich der Unternehmenssubstanz der B getroffen werden müssen.
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Der Hinweis des Beklagten auf den Schutz der Bestandskraft als Ausdruck des im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebots der Rechtssicherheit verkenne, dass sie – die Klägerin – vorliegend gerade keine Korrektur eines Bescheides wegen Unrichtigkeit begehre. Sie sei vielmehr der Auffassung, dass die Rechtsprechung des EuGH im Urteil „Cadbury Schweppes“ trotz der Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 16. Oktober 2003 noch im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid für 1998 berücksichtigt werden bzw. – erforderlichenfalls – die Ergänzung des Feststellungsbescheids vom 16. Oktober 2003 nach § 179 Abs. 3 AO erfolgen könne. Sie müsse sich auch nicht entgegenhalten lassen, dass sie gegen den Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 hätte vorgehen müssen, um einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit geltend zu machen. Denn der Feststellungsbescheid sei nicht materiell unrichtig, sondern nur lückenhaft; statthafter Rechtsbehelf sei insoweit ein Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheides.
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Dem Beklagten könne auch nicht darin gefolgt werden, dass der Feststellungsbescheid nach § 18 AStG vom 16. Oktober 2003 konkludent die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen mit dem Inhalt beinhalte, dass bei den Feststellungsbeteiligten dem Grunde nach eine positive Hinzurechnung nach dem AStG im Folgebescheid vorzunehmen sei. Der Feststellungsbescheid sei nach ihrem maßgeblichen „objektiven Verständnishorizont“ nicht im Sinne einer solchen Feststellung einer positiven Hinzurechnung zu verstehen. Dem objektiven Sinngehalt des mit „Feststellungen“ überschriebenen Regelungsteils sei nicht zu entnehmen, dass bei ihr eine Hinzurechnung stattfinde. Da schon bei Erlass dieses Bescheides im Jahr 2003 in der Rechtsprechung des BFH anerkannt gewesen sei, dass es Fälle gebe, in denen im Feststellungsbescheid nach § 18 AStG nicht abschließend über die Hinzurechnung entschieden werde, und zudem die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden nur die in einem Verfügungssatz tenorierten Feststellungen umfasse, habe die Klägerin den Feststellungsbescheid so verstehen können, dass darin keine abschließende Entscheidung über die Hinzurechnung getroffen worden sei.
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Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und die hierzu eingereichten Unterlagen verwiesen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
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Die Verfahren Az. 1 K 1345/13 und 1 K 2010/13 wurden durch Beschluss vom 16. März 2016 gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. 1 K 1345/13 miteinander verbunden.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid für 1998 vom 31. Oktober 2003 und der Ablehnungsbescheid vom 3. April 2013 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, § 101 Satz 1 FGO).
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Die Klägerin geht zwar zu Recht davon aus, dass die Hinzurechnung von Einkünften der B im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid gegen die Niederlassungsfreiheit der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Y GmbH gemäß Art. 43, 48 EGV verstößt (vgl. nachfolgend 1.). Die Bindungswirkung des bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 AStG vom 16. Oktober 2003 steht jedoch einer Änderung des Körperschaftsteuerbescheids entgegen (2.). Da in dem Feststellungsbescheid (implizit) auch darüber entschieden wurde, dass die Hinzurechnung nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, kommt der Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO mit dem von der Klägerin begehrten Inhalt nicht in Betracht (3.). Der Senat hat auch keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gesehen (4.).
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Im Einzelnen:
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1. a) Gemäß § 7 Abs. 1 AStG i. d. im Streitjahr geltenden Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 sind, wenn unbeschränkt Steuerpflichtige an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Geltungsbereich des Außensteuergesetzes hat und die nicht gemäß § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist (ausländische Gesellschaft), zu mehr als der Hälfte beteiligt sind, die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist (sog. Zwischeneinkünfte oder passive Einkünfte oder Einkünfte aus passivem Erwerb), bei jedem von ihnen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG gelten diese Voraussetzungen nur eingeschränkt, vgl. § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG). Eine ausländische Gesellschaft ist gemäß § 8 Abs. 1 AStG Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und nicht dem Katalog der sog. aktiven Einkünfte in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 AStG unterfallen.
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Die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte sind bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag anzusetzen, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind (Hinzurechnungsbetrag; § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG). Alternativ kann der Steuerpflichtige beantragen, dass die nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbaren Steuern auf seine Einkommen- oder Körperschaftsteuer, die auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt, angerechnet werden. In diesem Fall ist der Hinzurechnungsbetrag um diese Steuern zu erhöhen (§ 12 Abs. 1 AStG).
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b) Da die Einkünfte der B im Streitzeitraum in Belgien einer niedrigen Besteuerung unterlegen haben und soweit die B keine aktiven Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 AStG erzielt hat, waren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG für eine Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte der B bei der an ihr zu 100% beteiligten Y GmbH – unstreitig – erfüllt. Ob der Beklagte zu Recht nur 60 v.H. der insgesamt festgestellten passiven Einkünfte der B der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags zugrunde gelegt hat, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Prüfung.
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Allerdings hat der EuGH mit Urteil vom 12. September 2006 in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ (aaO) zur britischen Hinzurechnungsbesteuerung entschieden, dass es den Art. 43, 48 EGV (Niederlassungsfreiheit) grundsätzlich zuwider laufe, wenn in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen würden, sofern diese Gewinne dort einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterlägen. Etwas anderes gelte ausnahmsweise dann, wenn eine solche Einbeziehung nur rein künstliche Gestaltungen betreffe, die dazu bestimmt seien, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme sei folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweise, dass die beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt sei und dort wirklichen geschäftlichen Tätigkeiten nachgehe.
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Diese Grundsätze lassen sich nach inzwischen wohl einhelliger Auffassung auf die §§ 7 ff. AStG übertragen. Die dort vorausgesetzte Typisierung eines gestaltungsmissbräuchlichen Verhaltens widerspricht den Anforderungen der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 43 i.V.m. Art. 48 EGV), weil sie dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Einzelfall vorenthält (vgl. BFH, Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 114/08, BFHE 227, 64, BStBl II 2010, 774). Der nationale Gesetzgeber hat dementsprechend auf die Rechtsprechung des EuGH reagiert und mit § 8 Abs. 2 AStG i.d. Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 eine Regelung eingefügt, wonach ungeachtet des Absatzes 1 eine Gesellschaft, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens hat, nicht Zwischengesellschaft für Einkünfte ist, für die unbeschränkt Steuerpflichtige, die im Sinne des § 7 Absatz 2 (seit 1. Januar 2013: im Sinne des § 7 Absatz 2 oder Absatz 6) an der Gesellschaft beteiligt sind, nachweisen, dass die Gesellschaft insoweit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat nachgeht. Die Neuregelung ist für Zwischeneinkünfte anzuwenden, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft oder der Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31. Dezember 2007 beginnt.
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c) Für bis zum 31. Dezember 2007 beginnenden Wirtschaftsjahre und damit auch für das Streitjahr gilt demnach – worauf die Klägerin grundsätzlich zu Recht hinweist – weiterhin die gemeinschaftsrechtswidrige Gesetzeslage. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist eine gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsnorm allerdings – soweit möglich – gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Der Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung ihrer Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt. Dem nationalen Gericht wird dadurch ermöglicht, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet. Begrenzt wird die Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (nur) durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot; auch darf sie nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 C-555/07 „Kücükdeveci“, Slg 2010, I-365-416; EuGH, Urteil vom 04. Juli 2006 C-212/04 “Adeneler”, Slg 2006, I-6057-6136).
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Zu den Folgen des Urteils des EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG (vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 2 AStG n.F.) hat der BFH bereits entschieden, dass sich der gemeinschaftsrechtliche Anwendungsvorrang nicht dergestalt auswirke, dass von der Hinzurechnungsbesteuerung gänzlich abzusehen sei. Vielmehr seien die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in die betreffenden Normen hineinzulesen. Die §§ 7 ff. AStG a.F. seien deshalb gemeinschaftsrechtskonform und in Einklang mit den regelungsimmanenten Wertungen dahin zu interpretieren, dass dem Steuerpflichtigen der gemeinschaftsrechtlich gebotene “Motivtest“ über seine tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivitäten im Einzelfall zu gewähren sei. Als ausreichend für das Bestehen dieses „Motivtests“ hat der BFH erachtet, dass die ausländische Gesellschaft aktiv, ständig und nachhaltig im Rahmen ihres Unternehmenszwecks am Wirtschaftsleben in ihrem Ansässigkeitsstaat teilnimmt, über entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Geschäftsräume und damit über genügend wirtschaftliche „Substanz“ verfügt und ihre Einkünfte aus eigener Tätigkeit erzielt. Soweit das BMF in seinem Schreiben vom 8. Januar 2007 (BStBl I 2007, 99) einschränkende Erfordernisse aufgestellt habe, würden diese den Vorgaben des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ nicht gerecht (BFH, Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 114/08, BFHE 227, 64, BStBl II 2010, 774).
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d) Für den Streitfall folgt hieraus, dass der Klägerin im Wege gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung der §§ 7 ff. AStG die Möglichkeit des Nachweises vorbehalten bleiben muss, dass die B tatsächlich in Belgien angesiedelt war und dort wirklichen geschäftlichen Tätigkeiten nachgegangen ist. Die Klägerin hat hierzu – durch den Beklagten unwidersprochen – vorgetragen und durch Unterlagen belegt, dass die B im Streitzeitraum in Belgien aktiv, ständig und nachhaltig im Rahmen ihres Unternehmenszwecks am Wirtschaftsleben teilgenommen, über entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Geschäftsräume verfügt und ihre Einkünfte aus eigener Tätigkeit erzielt habe. Die materiellen Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG liegen demnach nicht vor.
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2. Einer Änderung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids für 1998 steht jedoch die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 AStG vom 16. Oktober 2003 entgegen.
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a) Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO sind Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für Folgebescheide (u.a. Steuerbescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids beinhaltet, dass das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO verpflichtet ist, die Folgerungen aus dem Feststellungsbescheid zu ziehen (BFH, Urteil vom 29. August 2007 XI R 5/07, BFH/NV 2008, 12). Sie schließt es aus, dass über einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders entschieden wird, und beschränkt sich demnach nicht auf eine bloße mechanische Übernahme seines Inhalts in den Folgebescheid, sondern steht vielmehr jedem Ansatz der gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlage im Folgebescheid entgegen, der dem Inhalt des Feststellungsbescheids widersprechen würde (BFH, Urteil vom 22. Juni 2006 IV R 31/05, IV R 32/05, BFHE 214, 239, BStBl II 2007, 687).
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Der Umfang der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids bestimmt sich dabei grundsätzlich nach seinem Verfügungssatz und damit danach, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor des Feststellungsbescheids aufgenommen hat. Der Inhalt des Feststellungsbescheids ist wie der Inhalt eines jeden Bescheids in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs danach zu bestimmen, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung des Finanzamts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Die Gründe des Feststellungsbescheids sind zur Bestimmung seines Tenors nur dann heranzuziehen, wenn der Verfügungssatz selbst Raum zu Zweifeln über seinen Inhalt lässt. Ob der Feststellungsbescheid rechtmäßig ist, ist für seine Bindungswirkung ohne Belang; auch ein rechtswidriger Feststellungsbescheid entfaltet demnach Bindungswirkung (BFH, Urteil vom 16. Juni 2011 IV R 11/08, BFHE 234, 353, BStBl II 2011, 903).
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b) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass es – entgegen der Auffassung der Klägerin – für die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 AStG nicht darauf ankommt, ob eine in ihm enthaltene Feststellung „rechtlich geboten“ war oder dem Steuerfestsetzungsverfahren hätte vorbehalten bleiben müssen. Denn Inhalt und Umfang der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids für den Folgebescheid richten sich nach dem Inhalt der in ihm tatsächlich getroffenen Regelungen. Hat das Feststellungsfinanzamt unter Verletzung der in der Abgrenzung von Grundlagen- und Folgebescheid liegenden Kompetenzverteilung eine weitergehende Regelung getroffen, ist der Feststellungsbescheid zwar insoweit rechtswidrig, entfaltet aber gleichwohl auch hinsichtlich dieser Regelung Bindungswirkung gemäß § 175 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 182 Abs.1 AO (st. BFH-Rspr., vgl. nur Urteil vom 31. Oktober 1991 X R 126/90, BFH/NV 1992, 363).
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c) Der streitgegenständliche Feststellungsbescheid beinhaltet u.a. die Feststellungen, dass die B im Streitzeitraum passive Einkünfte (mit Kapitalanlagecharakter) im Sinne von § 8 Abs. 1 AStG in Höhe von 4xxx DM erzielt hat (vgl. Regelungsteil A, Unterabschnitt IV.) und die Y GmbH im Streitzeitraum zu 100% an der B beteiligt war (Regelungsteil A, Unterabschnitt I.). Da nach § 7 Abs. 1 AStG die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft bei dem inländischen Gesellschafter „mit dem Teil steuerpflichtig (sind), der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt“, wurde damit verbindlich das Vorliegen steuerpflichtiger Einkünfte bei der Y GmbH in der angegebenen Höhe festgestellt (vgl. auch BFH, Urteil vom 05. November 1992 I R 38/92, BFHE 169, 376, BStBl II 1993, 177, wonach Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG u.a. die nach § 7 Abs.1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte sind). Aus Sicht der Klägerin als Empfängerin des Feststellungsbescheids konnte dessen Inhalt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben dementsprechend nur dahingehend verstanden werden, dass hinsichtlich der festgestellten steuerpflichtigen Einkünfte der B bei der Y GmbH ein Hinzurechnungsbetrag anzusetzen ist (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG: „Die nach § 7 Abs. 1 steuerpflichtigen Einkünfte sind bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen … anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag)“).
- 50
Der Ansicht der Klägerin, im Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG sei nicht darüber entschieden worden, ob eine Hinzurechnung bei der Y GmbH unterbleiben müsse, weil sie gegen deren Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV verstoßen würde, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn die Feststellung steuerpflichtiger Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG setzt die (inzidente) Prüfung voraus, ob die Anwendung der der Steuerpflicht zugrunde liegenden Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den Grundfreiheiten des inländischen Gesellschafters nach dem AEUV bzw. dem EGV, vereinbar ist. Die Notwendigkeit einer solchen inzidenten Prüfung ergibt sich daraus, dass der innerstaatliche Rechtsanwender wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht gehalten ist, die Vorschriften des nationalen Rechts so weit wie möglich derart auszulegen, dass sie in einer zur Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts beitragenden Art und Weise angewandt werden können (sog. gemeinschaftsrechtskonforme oder unionsrechtskonforme Auslegung) oder – falls eine solche gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht in Betracht kommt – für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen, indem er erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 C-119/05, Slg. 2007, I-6199-6249).
- 51
Werden in einem Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG daher – wie im Streitfall – Feststellungen zur Steuerpflicht von Einkünften nach § 7 Abs. 1 AStG getroffen, so wird damit zugleich implizit festgestellt, dass die Behandlung dieser Einkünfte als steuerpflichtig mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Denn anderenfalls dürfte das Feststellungsfinanzamt dahingehende Feststellungen nicht treffen. Die Frage der Verletzung des Gemeinschaftsrechts kann daher im Steuerfestsetzungsverfahren nicht noch einmal geprüft werden. Vielmehr ist das Veranlagungsfinanzamt an die nach § 18 Abs. 1 AStG getroffenen Feststellungen gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 182 Abs. 1 AO gebunden, und zwar unabhängig davon, ob sie zu einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts führen.
- 52
d) Ob eine in einem Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG enthaltene Feststellung „rechtlich geboten“ war, ist – wie bereits ausgeführt – nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die Feststellung tatsächlich getroffen wurde. Selbst wenn sie nicht hätte getroffen werden dürfen, kommt ihr deshalb Bindungswirkung nach § 175 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 182 Abs.1 AO zu.
- 53
Der Senat weist deshalb nur vorsorglich darauf hin, dass der tatsächliche Inhalt und Umfang des Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 AStG vom 16. Oktober 2003 und sein „rechtlich gebotener“ Inhalt und Umfang nicht voneinander abweichen:
- 54
aa) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG sind die Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14 und § 3 Nr. 41 EStG gesondert festzustellen. Da die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen vom Gesetz selbst nicht umschrieben werden, geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass deren Umfang anhand des Zwecks der gesonderten Feststellung im Allgemeinen und der gesonderten Feststellung des § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG im Besonderen zu ermitteln ist.
- 55
Unter den Begriff der Besteuerungsgrundlagen im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG fallen hiernach sowohl der Gegenstand, der Zeitpunkt und die Empfängerperson der Hinzurechnung als auch die Hinzurechnung als Rechtsfolge. Festzustellen ist, ob hinzugerechnet wird, was hinzugerechnet wird, wem hinzugerechnet wird und wann hinzugerechnet wird (BFH, Urteil vom 6. Februar 1985 I R 11/83, BFHE 143, 340, BStBl II 1985, 410; vgl. außerdem u.a. BFH, Beschluss vom 4. August 2006 VIII B 239/05, BFH/NV 2006, 2228, m.w.N.; BFH, Urteil vom 05. November 1992 I R 38/92, BFHE 169, 376, BStBl II 1993, 177). Die Ansicht der Klägerin, in einem Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG werde nicht verbindlich darüber entscheiden, dass bei einem inländischen Gesellschafter eine Hinzurechnung erfolge, trifft demnach nicht zu.
- 56
bb) Dem kann nicht mit dem Einwand begegnet werden, die persönliche Berechtigung des inländischen Gesellschafters, sich auf die Grundfreiheiten nach dem AEUV bzw. dem EGV zu berufen, liege außerhalb der Sphäre der ausländischen Gesellschaft und sei deshalb nicht im Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG zu entscheiden, sondern im Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid des inländischen Gesellschafters.
- 57
Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH gewisse abschließende Entscheidungen über die Hinzurechnung nicht im Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG zu treffen sind, sondern dem Veranlagungsverfahren für den einzelnen Steuerinländer vorbehalten bleiben, weil in diesen Fällen die Rechtsfolge der §§ 7 ff. AStG von materiellen Voraussetzungen abhängig ist, die außerhalb der Beteiligung des Steuerinländers an der einzelnen Zwischengesellschaft liegen. Hierzu soll z.B. der Freibetrag des Steuerinländers gemäß § 9 AStG gehören, über den nur sein Wohnsitzfinanzamt entscheiden könne, indem es gegebenenfalls die außer Ansatz zu lassenden Beträge aus Beteiligungen an mehreren ausländischen Zwischengesellschaft addiere; außerdem die Entscheidung, in welche Einkunftsart des Steuerinländers der Hinzurechnungsbetrag eingehe (§ 10 Abs. 2 AStG), sowie dessen Antrag, die gemäß § 10 Abs. 1 AStG abziehbaren Steuern nach § 12 Abs. 1 AStG i.V.m. § 34c Einkommensteuergesetz (EStG) anzurechnen (BFH, Urteil vom 15. März 1995 I R 14/94, BFHE 177, 263, BStBl II 1995, 502; vgl. auch BFH, Urteil vom 9. November 1983 I R 120/79, BFHE 140, 493, BStBl II 1984, 468).
- 58
Der Klägerin ist auch zuzugeben, dass nicht jeder unbeschränkt steuerpflichtige inländische Gesellschafter im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG die EU-Grundfreiheiten für sich in Anspruch nehmen kann, da diese den sog. Unionsbürgern (vgl. Art. 20 AEUV bzw. Art. 17 EGV) vorbehalten sind, im Falle von Gesellschaften also den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben (Art. 54 AEUV bzw. Art. 48 EGV). Insofern würde die Anwendung von § 7 Abs. 1 AStG auf Einkünfte einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen, einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehenden Gesellschaft nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, wenn es sich bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen z.B. um eine nach US-amerikanischem Recht gegründete Gesellschaft handelte.
- 59
Die Klägerin übersieht mit ihrem Einwand jedoch, dass das Feststellungsfinanzamt – wie bereits ausgeführt – die Prüfung, ob es sich bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG um einen Unionsbürger handelt, wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts stets vornehmen muss, da bereits die Feststellungen nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 AStG ansonsten gegebenenfalls gemeinschaftsrechtswidrig wären.
- 60
Auch die Überlegung der Klägerin, durch die Beurteilung der Berechtigung zur Inanspruchnahme der EU-Grundfreiheiten im Feststellungsverfahren nach § 18 AStG werde das Besteuerungsverfahren nicht erleichtert, sondern sogar unnötig erschwert, weil dem Feststellungsfinanzamt die erforderlichen Informationen nicht bekannt seien, überzeugt nicht. Denn gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 AStG ist grundsätzlich das Wohnsitzfinanzamt des unbeschränkt Steuerpflichtigen für die gesonderte Feststellung nach § 18 Abs. 1 AStG örtlich zuständig, so dass Feststellungsfinanzamt und Veranlagungsfinanzamt im Regelfall identisch sind. Soweit im Falle der gesonderten und einheitlichen Feststellung gegenüber mehreren Personen ausnahmsweise das Wohnsitzfinanzamt desjenigen Beteiligten mit der höchsten Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft örtlich zuständig ist (§ 18 Abs. 2 Satz 2 AStG), führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Gesetzgeber hat erkennbar in Kauf genommen, dass dieses Finanzamt z.B. auch die persönliche Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht für jeden an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Gesellschafter d.h. auch für diejenigen Gesellschafter, für die es nicht Veranlagungsfinanzamt ist, prüfen muss. Weshalb es eine „unnötige Erschwerung des Verfahrens“ bedeuten soll, hinsichtlich dieser Gesellschafter erforderlichenfalls auch die Unionsbürgereigenschaft zu prüfen, erschließt sich dem Senat nicht. Der Klägerin kann im Übrigen auch darin nicht gefolgt werden, dass die Prüfung im Feststellungsverfahren nach § 18 Abs. 1 AStG, ob sich ein inländischer Gesellschafter auf die EU-Grundfreiheiten berufen könne, nicht der Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung diene. Denn die Klärung dieser Frage bereits im Feststellungsverfahren nach § 18 Abs. 1 AStG kann z.B. dann sinnvoll sein, wenn die gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen für mehrere Steuerfestsetzungen des betreffenden inländischen Gesellschafters maßgeblich sind.
- 61
3. Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, gemäß § 179 Abs. 3 AO in einem Ergänzungsbescheid zum Feststellungsbescheid vom 16. Oktober 2003 festzustellen, dass die B im Streitzeitraum tatsächlich in Belgien angesiedelt war und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des „Cadbury Schweppes“-Urteils des EuGH nachgegangen ist.
- 62
Der Erlass eines solchen Ergänzungsbescheids ist deshalb nicht geboten, weil im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid keine „notwendige Feststellung“ im Sinne von § 179 Abs. 3 AO „unterblieben“ ist. Der Beklagte hat vielmehr sämtliche Feststellungen getroffen, die für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages nach § 10 Abs. 1 AStG durch das Veranlagungsfinanzamt erforderlich waren. Bei der tatsächlichen Ansiedelung und dem Nachgehen wirklicher wirtschaftlicher Tätigkeiten durch die B in Belgien handelt es sich nicht um „Besteuerungsgrundlagen für die Anwendung der §§ 7 bis 14“ im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 AStG, die in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen wären, und zwar unabhängig davon, dass das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ erst nach Erlass des streitgegenständlichen Feststellungsbescheids vom 16. Oktober 2003 ergangen ist.
- 63
Der EuGH hat seinem Urteil in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ geprüft, ob die zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führende britische Hinzurechnungsbesteuerung durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist und – bejahendenfalls – ob die Beschränkung geeignet ist, die Erreichung des fraglichen Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist (vgl. EuGH aaO, Rz. 47 ff.). In diesem Zusammenhang hat er zwar anerkannt, dass sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit mit Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen lässt, sofern es um die Errichtung rein künstlicher, jeder wirtschaftlicher Realität barer Gestaltungen zu dem Zweck der Steuerumgehung geht; die Vorschriften der britischen Hinzurechnungsbesteuerung seien auch geeignet, das mit ihnen verfolgte Ziel zu erreichen (EuGH aaO, Rz. 51, 55, 59). Sie gingen jedoch in solchen Fällen über das hinaus, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sei, in denen die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Realität zusammenhänge, was dann der Fall sei, wenn die Gründung mit einer tatsächlichen Ansiedelung der beherrschten ausländischen Gesellschaft zusammenhänge, deren Zweck darin bestehe, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen (EuGH aaO, Rz. 60, 65 f.). Sind die Voraussetzungen der tatsächlichen Ansiedelung und des Nachgehens wirklicher wirtschaftlicher Tätigkeiten durch die beherrschte ausländische Gesellschaft erfüllt, liegen daher keine – zusätzlich zu den steuerpflichtigen Einkünften nach § 7 Abs. 1 AStG festzustellenden – Besteuerungsgrundlagen vor, sondern vielmehr Umstände, die dazu führen, dass die in der Feststellung von steuerpflichtigen Einkünften der ansässigen Gesellschaft liegende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit als unverhältnismäßig und damit gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin könnte die Feststellung der tatsächlichen Ansiedelung und des Nachgehens wirklicher wirtschaftlicher Tätigkeiten daher gerade nicht widerspruchsfrei neben die Feststellung von steuerpflichtigen Einkünften nach § 7 Abs. 1 AStG treten. Vielmehr schließen sich diese Feststellungen denknotwendig aus. Die Erkenntnis, dass die B die Voraussetzungen der „Cadbury Schweppes“-Entscheidung im Streitzeitraum erfüllt hat, hätte deshalb gegebenenfalls dazu führen müssen, dass von dem Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 AStG abzusehen gewesen wäre. Soweit im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid trotz des Vorliegens dieser Voraussetzungen steuerpflichtige Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG festgestellt wurden, ist der Bescheid nicht unvollständig bzw. lückenhaft, sondern vielmehr rechtswidrig und hätte angefochten werden müssen, um die Bindungswirkung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 182 Abs. 1 AO zu verhindern.
- 64
4. Der Senat hält die Anwendung der Vorschriften über die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden (§§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO) im Streitfall nach Maßgabe des vom EuGH entwickelten Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auch nicht für gemeinschaftsrechtswidrig.
- 65
a) Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ist es mangels einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Regelungen grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, Verfahrensvorschriften zum Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte festzulegen. Um den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen standzuhalten, dürfen diese lediglich nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz; vgl. hierzu zuletzt z.B. EuGH, Urteil vom 18. Februar 2016 C-49/14 „Finanmadrid EFC“, in juris).
- 66
Praktische Bedeutung hat der Grundsatz der Verfahrensautonomie insbesondere im Zusammenhang mit der Frage erlangt, ob eine Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, eine gemeinschaftsrechtswidrige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig geworden ist. Der EuGH verneint dies im Grundsatz, da anderenfalls Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalteten, unbegrenzt in Frage gestellt werden könnten. Eine Verpflichtung der Behörde zur Überprüfung und eventuellen Rücknahme der Verwaltungsentscheidung bestehe nur unter engen Voraussetzungen (vgl. dazu im Einzelnen z.B. EuGH, Urteil vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 „Germany und Arcor“, Slg. 2006, I-8559-8612; Urteil vom 13. Januar 2004 C-453/00, Slg. 2004, I-837 „Kühne & Heitz“).
- 67
Soweit der Beklagte annimmt, diese Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Bestandskraft seien im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil der Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG vom 16. Oktober 2003 nicht infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts, sondern mangels Einspruchseinlegung bestandskräftig geworden sei, trifft dies zwar zu. Die Klägerin begehrt jedoch keine Änderung oder Aufhebung des (bestandskräftigen) Feststellungsbescheids nach § 18 Abs. 1 AStG, sondern eine Änderung des (nicht bestandskräftigen) Körperschaftsteuerbescheids vom 31. Oktober 2003. Entscheidend ist daher, wie die Kollision zwischen der Niederlassungsfreiheit der Klägerin nach Art. 43, 48 EGV und der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids nach den §§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzulösen ist.
- 68
b) Nach Ansicht des Senats sind die unter Ziff. 4. a) dargestellten Grundsätze auch insoweit anzuwenden. Maßgeblich dafür, ob die nationalen Verfahrensvorschriften der §§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen standhalten, ist daher, ob sie für dem Gemeinschaftsrecht unterliegende Sachverhalte ungünstiger sind als für gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte (Äquivalenzgrundsatz) und ob sie die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).
- 69
aa) Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO und die Anpassungsverpflichtung des Veranlagungsfinanzamts an den Feststellungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gelten in gleicher Weise für Feststellungsbescheide nach § 18 Abs. 1 AStG wie für sonstige Feststellungsbescheide, in denen einem unbeschränkt Steuerpflichtigen Einkünfte einer inländischen Gesellschaft zugerechnet werden (z.B. nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO). Ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz liegt daher nicht vor.
- 70
bb) Die Vorschriften der §§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO sind auch mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar. Denn der Steuerpflichtige, dem durch einen Feststellungsbescheid nach § 18 Abs. 1 AStG gemeinschaftsrechtswidrig Einkünfte einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft hinzugerechnet werden, hat die Möglichkeit, den Eintritt der Bindungswirkung nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO und die Anpassungsverpflichtung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu verhindern, indem er gegen den Feststellungsbescheid Einspruch einlegt bzw. Klage erhebt und dessen Änderung/Aufhebung durchsetzt. Soweit die Zweistufigkeit des Feststellungsverfahrens die Gefahr birgt, dass der Steuerpflichtige – wie die Klägerin im Streitfall – den Feststellungsbescheid bestandskräftig werden lässt und nur gegen den Folgebescheid Einspruch einlegt, könnte hierin zwar eine Erschwerung der Rechtsausübung zu sehen sein; nach Einschätzung des Senats wird die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte dadurch aber jedenfalls nicht übermäßig erschwert.
- 71
c) An diesem Ergebnis vermag – entgegen der Auffassung der Klägerin im Einspruchsverfahren – das Urteil des EuGH vom 29. April 1999 in der Rechtssache „Ciola“ (C-224/97, Slg 1999, I-2517-2541) nichts zu ändern.
- 72
aa) Der Entscheidung in der Rechtssache „Ciola“ lag ein Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Beschwerdeverfahren zugrunde. Gegen den Beschwerdeführer war im August 1990 (vor dem Beitritt Österreichs zur EU) durch einen bestandskräftigen Bescheid ein Verbot verfügt worden. Im Juli 1996 (nach dem Beitritt Österreichs zur EU) wurde gegen ihn mit einem weiteren Bescheid sodann eine Geldbuße verhängt, weil er gegen das im August 1990 verfügte Verbot verstoßen habe. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde richtete der Verwaltungsgerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, u.a. mit der Frage, ob ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das vor dem Beitritt eines Mitgliedsstaats zur EU nicht durch eine generell-abstrakte Rechtsvorschrift, sondern durch eine individuell-konkrete, bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung eingeführt worden sei, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe, die nach dem Zeitpunkt des Beitritts wegen der Nichtbeachtung dieses Verbots verhängt worden sei, unangewendet bleiben müsse.
- 73
Der EuGH hat diese Vorlagefrage bejaht und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Rechtsstreit betreffe nicht das rechtliche Schicksal des im August 1990 erlassenen bestandskräftigen Bescheids, sondern die Frage, ob ein solcher Verwaltungsakt im Rahmen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Sanktion, die wegen der Nichtbeachtung einer sich aus ihm ergebenden Verpflichtung verhängt worden sei, deshalb unangewendet bleiben müsse, weil er mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 59 EGV) unvereinbar sei. Da die zwingenden Bestimmungen des Art. 59 EGV mit Ablauf der Übergangszeit unmittelbar und unbedingt anwendbar geworden seien, schließe dieser Artikel die Anwendung jedes entgegenstehenden Rechtsakts des innerstaatlichen Rechts aus. Es wäre durch nichts zu rechtfertigen, wenn dem Einzelnen der Rechtsschutz, der sich für ihn aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergebe und den die innerstaatlichen Gerichte zu gewährleisten hätten, in einem Fall verweigert würde, in dem es um die Gültigkeit eines Verwaltungsakts gehe. Der Rechtsschutz könne nicht von der Art der entgegenstehenden Bestimmung des innerstaatlichen Rechts abhängen.
- 74
bb) Nach einem Urteil des BFH vom 23. November 2006 (V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436) soll die Entscheidung des EuGH ihren Grund „in der Besonderheit der Beitrittssituation“ finden. Bei Erlass des Verwaltungsaktes habe nämlich das europäische Gemeinschaftsrecht in Österreich noch nicht gegolten und der Betroffene habe daher keine Möglichkeit gehabt, den Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft unter Berufung auf Gemeinschaftsrecht anzufechten. Die Ansicht, dass die Bestandskraft eines staatlichen Akts durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich zurückgedrängt werde, stehe überdies im Widerspruch zu der EuGH-Rechtsprechung, wonach die Bestandskraft von Verwaltungsakten prinzipiell auch im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts gelte (ähnlich auch die überwiegende Auffassung in der Literatur, vgl. nur von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, Seite 545 f.: Einzelfallentscheidung, die über die entschiedene besondere Fallkonstellation hinaus nicht zum Tragen kommt; a.A. z.B. Epiney, NVwZ 2000, 36: Gemeinschaftsrechtswidrigkeit führe allgemein zur Unanwendbarkeit eines bestandskräftigen Verwaltungsakts; vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. September 2008 2 BvR 1321/07, DStRE 2009, 60).
- 75
cc) Der Senat hält diese Erwägungen zwar insoweit nicht für überzeugend, als die Rechtsprechung des EuGH zur Bestandskraft von gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsakten – soweit ersichtlich – nur die Frage der Aufhebbarkeit eines solchen Verwaltungsakts betrifft, nicht jedoch die in der Rechtssache „Ciola“ streitrelevante Frage, ob ein solcher Verwaltungsakt dergestalt „unangewendet“ bleiben muss, dass er nicht Grundlage für weiteres gemeinschaftsrechtswidriges Verwaltungshandeln sein darf. Bejaht man diese Frage, wird nicht die Bestandskraft des Verwaltungsakts durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zurückgedrängt, sondern dieser wird vielmehr seiner Bindungswirkung beraubt (so z.B. auch Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Seite 314, 320).
- 76
Gleichwohl ist der Rechtsauffassung des BFH jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Denn es erscheint nur folgerichtig, die vom EuGH entwickelten Grundsätze auch auf Fallgestaltungen zu übertragen, in denen nicht die Aufhebbarkeit eines gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsakts, sondern dessen Verbindlichkeit in Rede steht. Hierfür spricht schon, dass von dem Verwaltungsakt anderenfalls letztlich „nicht viel mehr als die leere äußere Hülle des förmlichen Einzelaktes“ bliebe, so dass dieser „vom praktischen Ergebnis her besehen“ ebenso als nichtig betrachtet werden könnte (Krönke, aaO, Seite 324; ähnlich z.B. Gundel EuR 1999, 781, 786; Potacs EuR 2004, 595; vgl. auch Epiney, aaO: EuGH- Entscheidung in der Rechtssache „Ciola“ impliziere „doch letztlich eine Ausnahme vom Grundsatz der Bestandskraft von Verwaltungsakten“). Außerdem lässt sich der „Ciola“-Entscheidung des EuGH zwar nicht ausdrücklich entnehmen, dass sie maßgeblich durch den erst nach Erlass des Verwaltungsakts erfolgten Beitritt Österreichs zur EU und die dadurch bedingten eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten des dortigen Beschwerdeführers beeinflusst wurde. Mit einer solchen – auf dem Effektivitätsgrundsatz beruhenden – Begründung ließe sich die Entscheidung aber zumindest zwanglos mit der (späteren) EuGH-Rechtsprechung zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten in Einklang bringen.
- 77
d) Das in der mündlichen Verhandlung erörterte Urteil des EuGH in der Rechtssache „Klausner Holz Niedersachsen“ vom 11. November 2015 (C-505/14, DVBl 2016, 42) führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung.
- 78
Gegenstand dieses Verfahrens waren Holzlieferverträge zwischen der Klausner Holz Niedersachsen GmbH und dem Land Nordrhein-Westfalen. Das Landgericht Münster war im Rahmen eines Klageverfahrens wegen u.a. der Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Auffassung, dass die Verträge als mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nichtig seien, sah sich aber durch ein früheres – rechtskräftiges – Urteil und die darin enthaltene Feststellung, dass die Verträge weiterhin fortbestünden, außerstande, die Konsequenzen aus der angenommenen Nichtigkeit zu ziehen. Es legte daher dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob das Europäische Recht, insbesondere die Art. 107 AEUV, 108 AEUV und der Effektivitätsgrundsatz, in einem Zivilrechtsstreit über die Vollziehung eines zivilrechtlichen Vertrages, der eine Beihilfe gewähre, eine Außerachtlassung eines in derselben Sache ergangenen rechtskräftigen zivilrechtlichen Feststellungsurteils, welches das Fortbestehen des zivilrechtlichen Vertrages ohne Auseinandersetzung mit dem Beihilfenrecht bestätige, verlange, wenn nach dem nationalen Recht die Vollziehung des Vertrages nicht anders abgewendet werden könne.
- 79
Der EuGH hat die Vorlagefrage im Wesentlichen mit der Begründung bejaht, die unbedingte Beachtung der Rechtskraft einer Entscheidung eines nationalen Gerichts könne zur Folge haben, dass ihr Wirkungen beigemessen würden, die im betreffenden Fall die Anwendung des Unionsrechts insofern verhinderten, als sie es den nationalen Gerichten unmöglich machten, ihrer Verpflichtung nachzukommen, die Beachtung von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu gewährleisten. Bei einer solchen Auslegung könnten nämlich sowohl die staatlichen Stellen als auch die Begünstigten einer staatlichen Beihilfe das in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV enthaltene Verbot umgehen, indem sie, ohne sich auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über staatliche Beihilfen zu berufen, ein Feststellungsurteil erwirkten, dessen Wirkungen es ihnen letztlich ermögliche, die fragliche Beihilfe mehrere Jahre lang weiterhin durchzuführen. Außerdem könne eine solche Auslegung des nationalen Rechts dazu führen, dass der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission nach Art. 108 AEUV dafür, unter der Kontrolle der Unionsgerichte die Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt zu beurteilen, ihre praktische Wirksamkeit genommen würde (Tz. 42 – 44).
- 80
Den Ausführungen des EuGH liegt damit letztlich die Annahme zugrunde, dass eine nationale Rechtsvorschrift über die Wirkung der Rechtskraft von gerichtlichen Entscheidungen, welche die nationalen Gerichte daran hindere, sämtliche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu ziehen, mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar sei (so ausdrücklich Tz. 45). Einen vergleichbaren Verstoß der §§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gegen den Effektivitätsgrundsatz vermag der Senat nicht festzustellen (vgl. dazu schon Ziff. 4. b) bb)). Insbesondere kommen die vom EuGH in der Rechtssache „Klausner Holz“ herangezogenen Gesichtspunkte (Umgehungsgefahr durch Zusammenwirken der Vertragspartner, Aushöhlung der Zuständigkeit der Kommission für die Beurteilung von Verstößen gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV) im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.
- 81
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
- 82
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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- 1992 I R 38/92 2x (nicht zugeordnet)
- AStG § 13 6x
- §§ 179 ff. AO 1x (nicht zugeordnet)
- 1995 I R 14/94 2x (nicht zugeordnet)
- § 182 Abs. 1 AO 3x (nicht zugeordnet)
- AStG § 7 Steuerpflicht inländischer Gesellschafter 24x
- VII R 27/10 1x (nicht zugeordnet)
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- EStG § 3 1x
- §§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO, 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 10x (nicht zugeordnet)
- 2007 XI R 5/07 1x (nicht zugeordnet)
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- AStG § 9 Freigrenze bei gemischten Einkünften 7x
- § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 I R 114/08 2x (nicht zugeordnet)
- AStG § 18 Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 69x
- FGO § 135 1x
- V R 67/05 1x (nicht zugeordnet)
- I R 120/79 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 73 1x
- 1983 I R 120/79 1x (nicht zugeordnet)
- IV R 32/05 1x (nicht zugeordnet)
- 1 K 2010/13 2x (nicht zugeordnet)
- 2011 IV R 11/08 1x (nicht zugeordnet)
- AStG § 10 Hinzurechnungsbetrag 18x
- AStG § 11 Veräußerungsgewinne 7x
- Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 K 1345/13 3x
- FGO § 115 1x
- 1991 X R 126/90 1x (nicht zugeordnet)
- 2006 VIII B 239/05 1x (nicht zugeordnet)
- AStG § 8 Einkünfte von Zwischengesellschaften 18x
- 1985 I R 11/83 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 101 1x
- § 182 Abs.1 AO 2x (nicht zugeordnet)
- AStG § 12 Steueranrechnung 13x
- IV R 31/05 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 172 ff. AO 1x (nicht zugeordnet)
- AStG § 14 Nachgeschaltete Zwischengesellschaften 5x
- § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 3x (nicht zugeordnet)