Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 K 2201/15


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Strittig ist, ob passive Rechnungsabgrenzungsposten zu den abzugsfähigen Schulden im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG 2013 gehören.

2

Am Vermögen der Firma F Werbung GmbH mit Sitz in X (nachfolgend FW GmbH genannt) war der am xx.yy.2013 verstorbene Erblasser E mit 100 % beteiligt (Blatt 1 Rücks. gesonderte F-A Bd. I).

3

Die FW GmbH wiederum ist seit dem 2. Dezember 2004 alleinige Gesellschafterin der Klägerin (Blatt 6 Vertragsakten), ebenfalls eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 € (Blatt 3 Vertragsakten), deren Geschäftsgegenstand die Herstellung und Vermarktung von Werbeträgern ist (Blatt 2 Vertragsakten).

4

Auf Aufforderung des Beklagten (Blatt 1 gesonderte F-Akte) reichte die Klägerin am 12. September 2014 ihre Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes für nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften ein (Blatt 3 ff gesonderte F-Akte). Ausgehend von Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen in Gesamthöhe von … € (Einzelaufstellung siehe Blatt 16 gesonderte F-Akte) und Verbindlichkeiten in Gesamthöhe von … € (Einzelaufstellung siehe Blatt 15 gesonderte F-Akte) errechnete die Klägerin den Wert des Verwaltungsvermögens zum Bewertungsstichtag xx.yy.2013 (Tod des Erblassers) mit einem Betrag in Höhe 0 € (Blatt 17 gesonderte F-Akte). Dabei ging sie davon aus, dass passive Rechnungsabgrenzungsposten in Gesamthöhe von … € als Schulden abzugsfähig seien (Blatt 15 und 20 gesonderte F-A).

5

Abweichend von den Erklärungsangaben ließ der Beklagte die passiven Rechnungs-abgrenzungsposten nicht zum Abzug zu und stellte den gemeinen Wert des Verwaltungsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den xx.yy.2013 im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Bescheid vom 4. Mai 2015 auf einen Betrag in Höhe von … € gesondert fest (Blatt 22-29, 23 gesonderte F-Akte). In den Erläuterungen begründete er dies damit, dass zu den abzugsfähigen Schulden nach dem gleichlautenden Ländererlass vom 10. Oktober 2013 (BStBl I 2013, 1272) alle Schulden zählen würden, die bei der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehörten, nicht dagegen sonstige Abzüge (Blatt 25 gesonderte F-Akte).

6

Mit ihrem am 19. Mai 2015 erhobenen Einspruch wandte die Klägerin im Wesentlichen ein, dass passive Rechnungsabgrenzungsposten „Schulden und sonstige Abzüge“ im Sinne des § 103 Abs. 1 BewG seien und somit nach § 95 BewG zum Betriebsvermögen gehören würden (mit Hinweis auf Gürsching/Stenger, BewG, § 103 TZ 242). Von diesem Grundsatz mache die Finanzverwaltung eine unzutreffende Ausnahme, wenn sie passive Rechnungsabgrenzungsposten nicht als Schuld im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a S. 1 ErbStG qualifiziere (Blatt 1-3 nach „Einspruch“ gesonderte F-Akte).

7

Durch Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2015 wies der Beklagte den Einspruch unter Berufung auf TZ 2.2.1 des Erlasses des Ministeriums der Finanzen Rheinland Pfalz vom 10. Oktober 2013 zurück. Ergänzend führte er aus: Der Gesetzgeber habe in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG die Formulierung „Schulden“ verwendet und nicht „Schulden und sonstige Abzüge“. Ein ausdrücklicher Bezug auf § 103 BewG fehle. § 103 BewG zähle „Schulden“ und „sonstige Abzüge“ als getrennte Formen auf. Für die Ermittlung der Finanzmittel komme es auf die Vermögenssubstanz an, nicht jedoch auf die ertragsteuerliche Ermittlung des richtigen Gewinns in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen (mit Hinweis auf Geck in Kapp/Ebling, ErbStG, § 13b TZ 140). Ein Abzug von passiven Rechnungsabgrenzungsposten würde Gestaltungsspielräume eröffnen, was dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde (mit Hinweis auf Milatz/Herbst, GmbHR 1/2014, 18-23). Die passiven Rechnungsabgrenzungsposten seien daher keine berücksichtigungsfähigen Schulden im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG.

8

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Kern Folgendes vorgetragen:
Habe eine Vertragspartei ihre Schuld getilgt, die andere dagegen nicht und ziehe sich das Geschehen über einen längeren Zeitraum hin, dann müsse zur zutreffenden periodengerechten Gewinnermittlung nach § 250 HGB und § 5 Abs. 5 EStG ein Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden. Sobald die Voraussetzungen des § 250 HGB gegeben seien, bestünde eine Pflicht zur Erstellung eines Rechnungsabgrenzungs-postens in der Bilanz; gleiches gelte gemäß § 5 Abs. 5 EStG für die Bilanzierung nach dem Einkommensteuerrecht. Diese transitorischen Posten seien als „sonstige Forderungen“ oder „sonstige Verbindlichkeiten“ zu erfassen und würden Vermögensgegenstände bzw. Schulden im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG darstellen. Mit den Rechnungsabgrenzungsposten vergleichbar seien die Anzahlungen auf nicht oder noch nicht ausgeführte Leistungen; der Unterschied liege allein im fehlenden Zeitraumbezug. Bei den Anzahlungen handele es sich um zu bilanzierende Forderungen (§ 266 Abs. 2 HGB) oder Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 HGB). Über den Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz gelte dies auch für die Steuerbilanz; diese Verbindlichkeiten seien zweifellos als Schulden im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG zu qualifizieren. Unter den Begriff der Schulden fielen nach jetzt einhelliger Meinung auch die Rückstellungen (mit Hinweis auf den gleichlautenden Länder Erlass vom 10. Oktober 2013 BStBl I 2013, 1272). Sie deckten Schulden ab, die wirtschaftlich in der laufenden Periode verursacht worden seien, rechtlich jedoch erst in der Zukunft fällig würden.

9

Die vorstehende Darstellung verdeutliche, dass die hier nach dem Vertrag zwischen Werbesuchendem und Werbevermittelndem (Klägerin) geleistete Zahlung des Gesamtentgelts in der Bilanz als passive Rechnungsabgrenzungsposten habe erfasst werden müssen. Zwischen der Klägerin und ihren Kunden sei ein als Auftrag bezeichneter Vertrag geschlossen worden. Danach habe sich die Klägerin als Werbeunternehmen gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, dessen Werbung für 5 Jahre zu präsentieren. Dies geschähe durch Überlassung eines mit bis zu 40 Werbeträgern übersäten Kfz an bestimmte Institutionen oder Einrichtungen, die dieses Kfz im alltäglichen Verkehr einsetzten. So sei die von der Klägerin geschuldete Werbeleistung zu erbringen. Der Werbevertrag zwischen der Klägerin und dem Werbesuchenden beginne zu einem bestimmten Zeitpunkt. Hierfür zahle der Auftraggeber alsbald das für die gesamte Vertragslaufzeit geschuldete Entgelt. Die Klägerin als Werbeunternehmen erhalte also den Gesamtbetrag für eine noch nicht erbrachte Leistung. Sie sei allerdings verpflichtet, diese Leistung in den nächsten Jahren bis zum Vertragsende zu erbringen. Sobald das Entgelt durch den Auftraggeber in voller Höhe an die Klägerin bezahlt worden sei, müsse diese Vermögensmehrung im Rechnungswesen dargestellt werden. Dies geschehe einerseits durch einen Zugang auf den Geldkonten und andererseits durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten. Mit dieser Buchung werde gewährleistet, dass im Rahmen der Gewinnermittlung der Gewinn periodengerecht erfasst würde.

10

Ganz anders sei es bei der Bewertung nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG. Der Beklagte und die Klägerin seien sich mit der Literatur einig, dass bei der erbschaftsteuerlichen Bewertung allein die Vermögenssubstanz zum Todeszeitpunkt zu erfassen sei. Anders als im Ertragssteuerrecht komme es hier nach § 9 BewG auf die Substanz, d.h. auf die gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter an. Unter der hier relevanten Bewertung der Schulden seien grundsätzlich nur Geldschulden zu verstehen, die mit dem Nennwert zu bewerten seien. Vorliegend handle es sich um Sachleistungsverpflichtungen, die nach § 9 BewG mit dem gemeinen Wert zu erfassen seien. Hinter der Bilanzposition passiver Rechnungsabgrenzungsposten verberge sich in Wahrheit eine Sachleistungsverpflichtung im Werte der Gegenleistung, die sich mit Durchführung der Werbeaktivitäten fortlaufend reduziere, bis sie nach fünf Jahren bei null sei. Dafür sprächen die antizipativen als „sonstige Verbindlichkeiten“ auszuweisenden Posten, die nach § 266 HGB zu passivierenden Anzahlungen und die Rückstellungen, die alle ohne Ausnahme als Schulden im Sinne des ErbStG zu qualifizieren seien. Lege man den gesetzlichen Begriff der „Schulden“ in Anlehnung an Art. 3 GG so aus, dass Gleiches nicht ungleich behandelt werden dürfe, sei der Klage stattzugeben.

11

Nachdem bei der Klägerin in der Zeit vom 9. Dezember 2014 bis 30. Januar 2017 eine Außenprüfung stattgefunden hatte (siehe dazu den Bericht der Außenprüfung vom 3. Mai 2017, Blatt 33-69 PA), erließ der Beklagte im Verlauf des Klageverfahrens unter dem Datum vom 3. Juli 2017 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Feststellungsbescheid und minderte darin den Wert des Verwaltungsvermögens – im Hinblick auf die von der Außenprüfung vorgenommene Erhöhung des Werts des Betriebsvermögens und der sich dadurch ergebenden Erhöhung des Sockelbetrags – auf einen Betrag in Höhe von 14.197.249 € (Blatt 78-85,79 PA).

12

Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid über die gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes des Verwaltungsvermögens vom 4. Mai 2015 in der Fassung vom 3. Juli 2017 zu ändern und den gemeinen Wert des Verwaltungsvermögens auf 0,00 Euro festzusetzen,
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

13

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung,
die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

14

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

15

1. Da die Klägerin vom Beklagten zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert wurde, ist sie deshalb nach § 154 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 153 Abs. 2 Satz 1 und 2 BewG in der Fassung des Streitjahres 2013 am Feststellungsverfahren beteiligt und in dieser Eigenschaft befugt, gegen den für die FW GmbH bekannt gegebenen Feststellungsbescheid nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG zu klagen (§ 155 Satz 1 BewG).

16

2. Zu Recht hat der Beklagte die passiven Rechnungsabgrenzungsposten in Gesamthöhe von 20.431.906,68 € bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens nicht als Schulden zum Abzug zugelassen.

17

Zum Verwaltungsvermögen gehören bei Erwerben, für die die Steuer – wie hier – nach dem 6. Juni 2013 entsteht (Abs. 8 des § 37 ErbStG in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG – vom 26. Juni 2013, BGBl. I 2013, 1809) auch der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 Prozent des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt (Satz 1 des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG in der Fassung des AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013).

18

a) Der Begriff der Schulden ist im ErbStG nicht näher definiert. Nach vorherrschender Literaturmeinung gilt deshalb der bewertungsrechtliche Schuldenbegriff im Sinne des § 103 Abs. 1 BewG (so z. B.: Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, Loseblattsammlung Stand Juni 2017, § 13b TZ 147; Wachter in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, Loseblatt-sammlung Stand März 2017, § 13b TZ 570; Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13b Tz 335; Weinmann in: Moench/Weinmann, ErbStG, Loseblattsammlung Stand November 2014, § 13b TZ 202; Esskandari in: Gürsching/Stenger, ErbStG, § 13b TZ 139; Milatz/Herbst, GmbHR 2014, 18 ff, 18/19; Eisele, NWB 2013, 2292 ff, 2296; Erkis/Mannek/van Lishaut, FR 2013, 245 ff, 247; Pfeifer/Hinkers, DStZ 2013, 729 ff, 731). Die Gegenansicht vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Begriff der Schulden nicht mit Verbindlichkeiten gleichzusetzen ist, sondern das gesamte Fremdkapital des Betriebs (Hannes, DStR 2013, 1417 ff, 1418) bzw. sämtliche sonstige fremd-kapitalähnliche Passiva (Klöpping/Weichhaus, BB 2013, 2396 ff, 2397) erfasst.

19

Der erkennende Senat schließt sich der vorherrschenden Literaturmeinung an, denn nur diese Ansicht entspricht dem sich aus der Historie des Gesetzgebungsverfahrens ergebenden Willen des Gesetzgebers und der Systematik des Gesetzes.

20

aa) Bis zur Änderung des ErbStG durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013 gehörten zum Verwaltungsvermögen von bestimmten Ausnahmen abgesehen Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG), im Grundsatz Anteile an Kapital-gesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 % oder weniger beträgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG), Beteiligungen an Gesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und an entsprechenden Gesellschaften im Ausland sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG fallen, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG) sowie – von Ausnahmen für Kreditinstitute, bestimmte Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungsunternehmen abgesehen – Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG). Nicht zu den Wertpapieren und vergleichbaren Forderungen zählten hingegen Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen und Festgeldkonten bei Kreditinstituten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Forderungen an verbundene Unternehmen sowie Bargeld und Geschäftsguthaben (BFH-Beschluss vom 27. September 2012 II R 9/11, BStBl II 2012, 899). Damit konnten bis zum Wirksamwerden der Neuregelung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG zum 7. Juni 2013 Gelder zu "gewillkürtem" Betriebsvermögen erklärt und in eine Kapitalgesellschaft oder gewerblich geprägte Personengesellschaft eingelegt werden, um so an sich nicht begünstigtes privates Geldvermögen in steuerbegünstigtes Betriebsvermögen umzuwandeln. Hierin sah der 2. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 27. September 2012 (II R 9/11, a. a. O.) einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Im Hinblick auf diesen Vorlagebeschluss des BFH wurde – nach mehreren gesetzgeberischen Anläufen – mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013 zum Zwecke der Vermeidung von Gestaltungsmissbrauch in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG die Nr. 4a neu eingefügt, demzufolge „Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geld-forderungen und andere Forderungen“ (sogen. Finanzmittel) künftig zum begünstigungsschädlichen Verwaltungsvermögen zählen. Aus der Historie des Gesetzgebungsverfahrens und dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG wird somit deutlich, dass der Gesetzgeber den § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG betont geldbezogen ausgestaltet hat. Von daher sind mit „anderen Forderungen“ sonstige auf Geld gerichtete Forderungen gemeint. In Anbetracht dessen stellt der gleichlautende Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. Oktober 2013 bezüglich der Finanzmittel eine zutreffende Gesetzesauslegung dar, denn nach der dortigen Ziffer 2.1 zählen zu den „anderen Forderungen“ u. a. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonstige auf Geld gerichtete Forderungen aller Art, soweit sie nicht bereits § 13b Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zuzuordnen sind. Nicht einzubeziehen sind demgegenüber, da nicht auf Geld gerichtet, Sachleistungsansprüche und aktive Rechnungsabgrenzungsposten.

21

bb) Hiermit korrespondiert es, wenn man unter den Begriff der „Schulden“ in Anlehnung an § 103 Abs. 1 BewG alle Schulden versteht, die bei der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören.

22

Wegen der Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für das bewertungsrechtliche Betriebsvermögen einerseits und der Handelsbilanz für die Steuerbilanz andererseits entspricht der Schuldenbegriff dabei demjenigen des HGB (vgl. z. B.: Kreutziger in: Kreutziger/Schaffner/Stephany, BewG, 3. A. 2013, § 103 TZ 5; Geck a. a. O., § 13b TZ 147). Demzufolge gehören zu den „Schulden“ im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG alle in § 266 Abs. 3 unter C. 1. bis 8. aufgezählten Verbindlichkeiten sowie die Rückstellungen (§ 249 HGB), da der bilanzrechtliche Schuldbegriff als Oberbegriff für Verbindlichkeiten und Rückstellungen steht (vgl. z. B.: Schubert in: Beck´scher Bilanzkommentar, Handelsbilanz und Steuerbilanz, 9. A., 2014, § 247 TZ 201). Nicht zu den „Schulden“ im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG zählen hingegen passive Rechnungsabgrenzungsposten. Hierbei handelt es sich bloß um Korrekturposten, mit deren Hilfe dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2, Nr. 5 HGB) sowie dem daraus folgenden Gebot periodengerechter Abgrenzung von Aufwendungen und Erträgen Rechnung getragen wird (vgl. dazu z. B.: Kleindiek in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2014, § 250, TZ 5 m. w. N.). Rechnungsabgrenzungsposten stellen handelsrechtlich weder Vermögensgegenstände noch Schulden dar (vgl. z. B.: Crezelius in: Kirchhof, EStG, 16. A. 2017, § 5 EStG TZ 87), wie die gesonderte Erwähnung der Rechnungs-abgrenzungsposten neben den Schulden in § 246 Abs. 1 und § 247 Abs. 1 HGB deutlich macht. Ihr Sinn liegt darin, Einnahmen dem Jahr zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Die Ertragswirkung der Einnahmen soll in die Periode verlagert werden, in der die korrespondierenden Aufwendungen fallen (vgl. z. B.: BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 IV R 26/06, BStBl II 2009, 781; BFH-Urteil vom 9. November 2016 II R 65/14, BStBl II 2017, 371).

23

Insoweit zeigt sich die im Erlass vom 10. Oktober 2013 unter Ziffer 2.2.1 niedergelegte Ansicht, dass unter den Begriff der abzugsfähigen Schulden neben Verbindlichkeiten auch Rückstellungen fallen, selbst wenn für sie ein steuerliches Passivierungsverbot besteht, nicht aber (passive) Rechnungsabgrenzungsposten, als zutreffende Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG (zustimmend ferner z.B.: Weber, ZEV 2013, 369 ff, 369; Steger/Zöller, BB 2013, 3095 ff, 3095; Korezkij, DStR 2013, 1764 ff, 1765; Viskorf/Haag, ZEV 2014, 21 ff, 23; Wolker/Mayer DStZ 2014, 689). Diese Gesetzesauslegung führt zu einem in sich stimmigen Ergebnis, denn bei den Finanzmitteln (Aktivseite) finden die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten und – hiermit korrespondierend – bei den Schulden (Passivseite) die passiven Rechnungsabgrenzungsposten jeweils keine Berücksichtigung.

24

cc) Auch entspricht diese Gesetzesauslegung der Systematik der ErbStG. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer geht es stets um die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) zu einem bestimmten Stichtag (§ 11 ErbStG), also um den Wert der erworbenen Vermögenssubstanz zum einem bestimmten Zeitpunkt, und eben nicht – wie im Ertragssteuerrecht – um die periodengerechte Ermittlung des Gewinns. Das wird von den Vertretern der Gegenmeinung verkannt, soweit sie sich dafür ausgesprochen haben, die passiven Rechnungsabgrenzungsposten, als abzugsfähige „Schulden“ zu behandeln. Passiven Rechnungsabgrenzungsposten sind nämlich handelsrechtlich keine mit einem Substanzwert ausgestattete Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter, sondern stellen lediglich Bilanzierungshilfen zur periodengerechten Gewinnermittlung dar; sie können das Verwaltungsvermögen von daher nicht beeinflussen.

25

3. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, hinter der Bilanzposition passiver Rechnungsabgrenzungsposten verberge sich in Wahrheit eine Sachleistungsverpflichtung im Werte der Gegenleistung und müsse deshalb wie Anzahlungen und Rückstellungen als „Schulden“ angesetzt werden, kann sie hiermit nicht erfolgreich gehört werden.

26

a) Sachleistungsverpflichtungen dürfen nach den voranstehenden Ausführungen nur dann als „Schulden“ im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a Satz 1 ErbStG bei der Ermittlung des Nettoverwaltungsvermögens berücksichtigt werden, wenn sie den Charakter von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen haben. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich bei den aus den Werbeverträgen resultierenden Sachleistungsverpflichtungen der Klägerin um passive Rechnungsabgrenzungsposten.

27

aa) Gemäß § 250 Abs. 2 HGB sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite der Bilanz Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen; dem entspricht wörtlich § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip erst dann – durch Auflösung des Rechnungsabgrenzungsposten – erfolgswirksam wird, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat (vgl. z. B.: BFH-Urteil vom 3. Mai 1983 VIII R 100/81, BStBl II 1983, 572; BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 I R 9/04, BStBl II 2005, 481; BFH-Urteil vom 28. Mai 2015 IV R 3/13). Gewinne dürfen erst berücksichtigt werden, wenn sie am Abschlussstichtag durch Umsatzakte realisiert sind (BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 94/95, BStBl II 1997, 122). Der Sinn dieser Vorschriften liegt also darin, Einnahmen dem Jahr zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören (BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 IV R 26/06, a. a. O.). Der Anwendungsbereich der Rechnungsabgrenzung betrifft in erster Linie typische Vorleistungen eines Vertragspartners im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags im Sinne der §§ 320 ff BGB. Er ist aber nicht auf synallagmatische schuldrechtliche Leistungen beschränkt (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2015, 1577, und in BFHE 209, 248, BStBl II 2005, 481). Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit "nach diesem Zeitpunkt" darstellt, muss jedoch eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen (vgl. z. B.: BFH-Urteil vom 9. November 2016 II R 65/14; a. a. O.; BFH-Urteil vom 15. Februar 2017 VI R 96/13, BStBl II 2017, 884), wobei die Gegenleistung zeitraumbezogen sein muss (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1993 IV R 130/91, BStBl II 1995, 202).

28

bb) Die vorgenannten Voraussetzungen für die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens sind im Streitfall erfüllt.

29

Nach dem Sachvortrag der Klägerin, den der erkennende Senat als wahr unterstellt, verpflichtete sich die Klägerin gegenüber ihren Kunden, deren Werbung für 5 Jahre auf Kfz zu präsentieren; das für die gesamte Vertragslaufzeit geschuldete Entgelt war von den Kunden im Voraus zu zahlen. Damit hat die Klägerin aus einem gegenseitigen Werbevertrag Vorleistungen in Form von Zahlungen auf eine noch ausstehende, zeitraumbezogene Gegenleistung erhalten. Die Klägerin hat nämlich aus dem Werbevertrag der Verpflichtung unterlegen, für eine bestimmte Zeit von maximal 5 Jahren Werbemaßnahmen für den vorauszahlenden Auftraggeber zu erbringen.

30

b) Die Nichtberücksichtigung solcher Sachleistungsverpflichtungen, für die wie hier ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden ist, verletzt – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Gleichheitssatz.

31

aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (st. Rspr; vgl. z. B.: BVerfGE 123, 1 <19>; BVerfGE 138, 136). Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. z. B.: BVerfGE 115, 381, <389>).aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (st. Rspr; vgl. z. B.: BVerfGE 123, 1 <19>; BVerfGE 138, 136). Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. z. B.: BVerfGE 115, 381, <389>).

32

bb) Hieran gemessen liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

33

Indem der Gesetzgeber lediglich „Schulden“ im Sinne des HGB zum Abzug zugelassen hat und damit diejenigen Sachleistungsverpflichtungen bei der Ermittlung des Nettoverwaltungsvermögens außen vorlässt, für die nach den Grundsätzen ordnungs-gemäßer Buchführung ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden ist, hat er dadurch seinen Entscheidungsspielraum nicht in unzulässiger Weise überschritten. Der Rechtfertigungsgrund für die ungleiche Behandlung der Sachleistungsverpflichtungen mit dem Charakter eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens ist in der typisierenden Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers zu sehen, nur geldbezogene Forderungen auf der Aktivseite als Finanzmittel zu berücksichtigen, also keine aktiven Rechnungs-abgrenzungsposten. Deshalb ist es sowohl folgerichtig als auch sachgerecht, auf der Passivseite (passive) Rechnungsabgrenzungsposten ebenfalls unberücksichtigt zu lassen. Hierin ist der einleuchtende Grund für die Differenzierung des Gesetzgebers bei den Sachleistungsverpflichtungen zu sehen. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet also nicht die Nichtberücksichtigung der passiven Rechnungsabgrenzungsposten, sondern gebietet deren Nichtberücksichtigung sogar. Andernfalls würde nämlich eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung entstehen, wenn man auf der Aktivseite bei den Finanzmitteln die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten unberücksichtigt lässt und auf der Passivseite die (passiven) Rechnungsabgrenzungsposten als Schulden verwaltungs-vermögensmindernd ansetzen würde.

II.

34

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

35

2. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

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