Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 K 1497/16


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Im Streit befinden sich die infolge einer beim Kläger durchgeführten Steuerfahndungsprüfung getroffenen Feststellungen, die in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 1997 bis 2006 sowie in den Gewerbesteuermessbetragsbescheiden 1997 bis 1999 berücksichtigt worden sind.

2

Der Kläger wurde in den Jahren 1997 bis 1999 mit seiner früheren Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuererstbescheid 1999 vom 17.06.2002 wurde dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau einzeln bekannt gegeben. Im Jahr 2000 wurde der Kläger einzeln veranlagt. Am xx.01.2001 heiratete der Kläger Frau A. K. und wurde ab dem Jahr 2001 bis 2006 mit ihr zusammen veranlagt.

3

Bis Ende 2000 erzielte der Kläger als Handelsvertreter der Fa. H Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers wurde am 27.11.2000 betriebsbedingt gekündigt. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 10.01.2001 verpflichtete sich die Fa. H im Wege des Vergleichs, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 100.000,- DM zu zahlen (Einkommensteuerakte – EStA – „Änderungsbescheide“, Bl.173). Er vertrieb für seinen Arbeitgeber medizinische Hilfsmittel. Trotz eines Wettbewerbsverbots seines Arbeitgebers betrieb die Ehefrau des Klägers von 1997 bis 1999 ein Einzelunternehmen, das ebenfalls medizinische Hilfsmittel vertrieb. Nach den Feststellungen des Beklagten betrieb der Kläger faktisch das Einzelunternehmen. Den Gewinn ermittelte das Einzelunternehmen durch Einnahmen-Überschussrechnung.

4

Im April 1999 wandelte der Kläger das Einzelunternehmen in die am 29.04.1999 gegründete Fa. R GmbH um, die als Betriebsgesellschaft tätig wurde. Die Betriebsmittel der R GmbH beließ der Kläger in seinem Einzelunternehmen, das seinen Gewinn nunmehr durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. Alleingesellschafter der R GmbH war der Kläger. Geschäftsführerin war seine Ehefrau, Frau A. K. Nach Angaben des Beklagten war der Kläger ihr faktischer Geschäftsführer, der die Geschicke der R GmbH bestimmte und seit der Gründung der GmbH voll verantwortlich agierte. Er hatte Kontenvollmacht, unterzeichnete Verträge und bestimmte die Unternehmenspolitik. Demgegenüber nahm die bestellte Geschäftsführerin nach Angabe des Beklagten keine Führungsaufgaben wahr. Von April 1999 bis zum 29. August 2008 war der Kläger bei der R GmbH formal als Angestellter beschäftigt. Ab dem 29.08.2008 war er ihr Alleingeschäftsführer. Über das Vermögen der R GmbH wurde am 06.02.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.

5

Vom 28.06.2002 bis zum 01.01.2005 war der Kläger zu 66% an der Fa. S GmbH beteiligt. Vom 16.11.2005 bis zum 17.05.2006 war er zu 30% an der Fa. HH GmbH beteiligt.

6

Zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers als Besitzunternehmen und der R GmbH als Betriebsgesellschaft bestand ab dem 01.01.2001 eine Betriebsaufspaltung und umsatzsteuerliche Organschaft.

7

In den Jahren 1997 bis 2006 wurde der Kläger zunächst entsprechend der von ihm abgegebenen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuererklärungen 1997 bis 2006 gaben der Kläger, er und seine frühere Ehefrau sowie er und seine spätere Ehefrau am 18.12.1998 (1997), am 18.10.1999 (1998), am 17.09.2001 (1999), am 19.05.2002 (2000), am 23.09.2003 (2001), am 21.12.2004 (2002), am 17.06.2005 (2003), am 09.12.2005 (2004), am 21.05.2007 (2005) und am 01.10.2007 (2006) ab. Mit Bescheid für 1999 vom 24.09.2002 (1999) über den Gewerbesteuermessbetrag wurde der Kläger erklärungsgemäß zur Gewerbesteuer veranlagt. Für die Jahre 1997 und 1998 waren zunächst keine Gewerbesteuermessbetragsbescheide ergangen.

8

Die Umsatzsteuerfestsetzung 1997 erfolgte auf der Grundlage der vorgelegten Gewinnermittlung und führte zu einer Umsatzsteuererstattung in Höhe von -1.424.- DM (Umsatzsteuerakte Bd. I, Bl.10). In den Jahren 1998 und 1999 sowie 2002 bis 2006 wurde die Umsatzsteuer zunächst entsprechend den vom Kläger abgegebenen Umsatzsteuererklärungen vom 23.09.2003 (1998), vom 17.09.2001 (1999), vom 21.12.2004 (2002), vom 17.06.2005 (2003), vom 09.12.2005 (2004), vom 21.05.2007 (2005) und vom 01.10.2007 (2006) festgesetzt.

9

Im Zuge der bei der R GmbH für die Jahr 2001 bis 2003 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass strafrechtlich relevante Vorgänge vorliegen könnten, indem „fingierte“ Wareneingangsrechnungen als Betriebsausgaben und hierzu die Vorsteuerbeträge erfasst worden seien. Zudem bestand der Verdacht, dass dies auch in den Folgejahren der Fall gewesen sein könnte.

10

Am 29.10.2008 wurde daraufhin wegen der Verdachts der Körperschaft- sowie der Gewerbesteuerhinterziehung 2002 bis 2006 und der Einkommen- und Umsatzsteuerhinterziehung 2001 bis 2006 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren sowohl gegen die R GmbH und ihre handelnden Personen als auch gegen den Kläger eingeleitet.

11

Im Zuge der Prüfung bei der R GmbH wurden verdeckte Gewinnausschüttungen dieser an den Kläger aufgedeckt, die ab 2001 unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens im Rahmen der Betriebsaufspaltung als gewerbliche Einkünfte des Klägers qualifiziert wurden.

12

Die Steuerfahndungsprüfung legte auch möglicherweise steuerstrafrechtlich relevante Handlungen des Klägers in den Jahren 1997 bis 1999 offen. Hierzu wurden umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen, d. h. Durchsuchungen, Bankenermittlungen, Auskunftsersuchen bei den Lieferanten, etc. durchgeführt. Diese hätten - so der Beklagte - dazu geführt, dass erhebliche Beträge als verdeckten Gewinnausschüttungen beim Kläger zu erfassen gewesen seien, ohne dass fiktive Schätzungen oder Zuschätzungen erfolgt seien. Die Werte beruhten auf den Feststellungen, die sich aus den vorhandenen, sichergestellten Unterlagen ergäben.

13

Gutschriften aus Warenverkäufen des Einzelunternehmens, das aufgrund des Wettbewerbsverbots des Klägers bei der Fa. H zum Schein von seiner damaligen Ehefrau geführt worden sei, von 1997 bis 1999 seien auf Privatkonten des Klägers verbucht und seien nicht als Betriebseinnahmen erfasst worden. Diese seien dem Kläger zuzurechnen.

14

Im Veranlagungszeitraum 1997 habe der Prüfer die gesamten Wareneinkäufe des Klägers in Höhe von 40.586,95 DM von der Fa. RT gekürzt. Die Rechnungen seien stets bar bezahlt worden, der Zeuge P habe eingeräumt, dass es sich sämtlich um Gefälligkeitsrechnungen gehandelt habe, die nicht in der Buchhaltung der Fa. RT als Betriebseinnahmen erfasst gewesen seien. Für das Jahr 1998 seien keine fingierten Wareneinkäufe als Betriebsausgaben erfasst worden. Im Jahr 1999 seien solche hingegen wieder aufgedeckt worden.

15

Im Jahr 2005 sei der Anteil des Klägers an der Fa. S GmbH mit einem Veräußerungsverlust in Höhe von -6.500,- € veräußert worden.

16

Seinen Anteil an der Fa. HH GmbH habe der Kläger am 17.05.2006 veräußert. Der Veräußerungsgewinn in Höhe von 165.500,- € sei auf dem Konto der Mutter des Klägers gutgeschrieben worden. Weder den Verlust (2005) noch den Gewinn (2006) habe der Kläger erklärt. Der Verlust bzw. der Gewinn ergebe sich aus den entsprechenden Kaufverträgen.

17

1997 und 1998 seien auf den privaten Bankkonten des Klägers Gutschriften in Höhe von 27.312,50 DM (1997) und von 13.430,- DM (1998) aus Hallenmieten des ruhenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, den der Kläger von seinem Vater geerbt habe, erfasst worden. Diese habe der Kläger nicht erklärt. Im Jahr 2001 sei dem Konto des Klägers eine Gehaltszahlung der H in Höhe von 59.816,13 DM gutgeschrieben worden, die er nicht als Einnahme bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärt habe.

18

Bei den „Scheinrechnungen“ seien zunächst die aufgegriffen worden, die sich – obwohl von verschiedenen Firmen ausgestellt – ihrem Erscheinungsbild in Form, Schrift und Größe nach geglichen hätten. Sodann seien die Verantwortlichen dieser Firmen vernommen worden, die zu Ungunsten des Klägers ausgesagt hätten. Sodann seien alle betroffenen Firmen angeschrieben worden und die Debitorenkonten bzw. die vorgelegten Verkaufsrechnungen der Firmen seien mit den Einkaufsrechnungen der R GmbH abgeglichen worden. Die Lieferanten bestritten teils jegliche Geschäftsbeziehung mit der R GmbH, teils auch die Ausstellung einiger Rechnungen. Auch sei die Barabwicklung der Geschäfte mit der R GmbH bestritten worden. Zu beachten sei, dass alle angezweifelten Zahlungen der R GmbH immer bar erfolgt seien. Es sei festgestellt worden, dass falsche Rechnungs- bzw. Warennummern verwendet worden seien. Auffallend sei auch, dass sich sowohl die Falschrechnungen als auch die entsprechenden Barabhebungen – im Gegensatz zu korrekten Rechnungen – augenscheinlich oft auf gerade Beträge (sei es netto oder brutto) belaufen hätten. Offene (Waren-)Verbindlichkeiten seien über mehrere Jahre bilanziert worden, ohne dass die betroffenen Firmen die ausstehenden Zahlungen moniert hätten. Es seien bei insgesamt 16 Lieferanten diese Unregelmäßigkeit festgestellt worden. Einem Benennungsverlangen gemäß § 160 AO sei die R GmbH bzw. der Kläger nicht nachgekommen.

19

Bei einer Vielzahl der Scheinrechnungen sei der Rechnungsbetrag vom betrieblichen Bankkonto der R GmbH bar abgehoben bzw. aus der Kasse der R GmbH bar verwendet worden. Diese Beträge seien als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt worden.

20

In dem den Kläger betreffenden Bericht über die Steuerfahndungsprüfung vom 31.05.2010 setzte der Steuerfahndungsprüfer die im Zuge der Fahndungsprüfung vom 29.10.2008 bis 25.03.2010 getroffenen Feststellungen für die Streitjahre 1997 bis 2006 um und ging unter Tz. 1.1 im Jahr 1997 von gewerblichen Einkünften des Klägers in Höhe von 217.809,- DM, im Jahr 1998 von 332.511,- DM und im Jahr 1999 von 153.903,- DM aus (Steufa-Akte, Bd.I, Bl.159 ff.).

21

Unter Tz. 1.4 setzte er die gewerblichen Einkünfte des Klägers des Besitzunternehmens im Rahmen der Betriebsaufspaltung in Höhe von 259.515,- DM (2001), von 172.510,- € (2002), von 110.677,- € (2003), von 60.550,00 € (2004), von 29.504,00 € (2005) und von 85.120,00 € (2006) an. Im Rahmen der Prüfung bei der R GmbH seien verdeckte Gewinnausschüttungen der R GmbH an den Kläger festgestellt worden, die bei ihm 1999 und 2000 Einkünfte aus Kapitalvermögen und ab 2001 im Rahmen der Betriebsaufspaltung mit der R GmbH Einkünfte aus Gewerbebetrieb dargestellt hätten. Ab 2001 sei auf die verdeckten Gewinnausschüttungen der R GmbH das Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG anzuwenden gewesen.

22

Die verdeckten Gewinnausschüttungen der R GmbH an dem Kläger hätten 482.703,- DM (2001), 326.878,- € (2002), 202.097,- € (2003), 103.128,- € (2004), 54.421,- € (2005) und 155.328,- € (2006) betragen.

23

Unter Tz. 1.5 hielt der Prüfer den die Veräußerung der Anteile des Klägers an Fa. S GmbH betreffenden Veräußerungsverlust des Jahres 2005 in Höhe von -3.250,- € (= -6.500,- € x ½) und den die Veräußerung der Anteile an der HH GmbH betreffenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 82.750,- € (= 165.500,- € x ½) des Jahres 2006 fest, wobei er das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigte.

24

Unter Tz. 1.6 setzte er Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft in Höhe von 27.312,- DM (1997) und in Höhe von 13.430,- € (1998) an.

25

Unter Tz. 1.7 erhöhte er die nichtselbständigen Einkünfte des Klägers um den von ihm angesetzten Bruttoarbeitslohn des Klägers bei der Fa. H im Jahr 2001 um 71.012,- DM.

26

Unter Tz. 1.8 setzte er aus den verdeckten Gewinnausschüttungen der R GmbH Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 126.408,- DM (1999) und von 296.268,- DM (2000) an.

27

Unter Tz. 2.1 ging der Prüfer von einem Gewerbeertrag des Klägers aus dem Handel mit medizinischem Zubehör in Höhe von 217.809,- DM (1997), von 332.511,- DM (1998) und von 153.903,- DM (1999) aus.

28

Unter Tz. 3.1 erhöhte der Prüfer die (Brutto)-Umsatzerlöse aus dem Handel mit medizinischem Zubehör im Jahr 1998 um 163.764,- DM (Steuersatz 15%), im Jahr 1998 um 17.426,- DM (Steuersatz 15%) und um 186.589,- DM (Steuersatz 16%) und im Jahr 1999 um 25.900,- DM (Steuersatz 16%). Hieraus ergaben sich Umsatzsteuererhöhungen von 24.564,60 DM (1997), von 2.613,90 DM und 29.854,24 DM (1998) und von 4.144,- DM (1999).

29

Unter Tz. 3.2 kürzte er die Vorsteuern aus den Wareneinkaufsrechnungen der Fa. RT in den Jahren 1997 und 1998 vollständig um 5.293,95 DM (1997) und um 10.003,90 DM (1998), so dass 1997 Vorsteuerabzüge von 42,60 DM und 1998 von 2.183,73 DM verblieben.

30

Unter Tz. 3.3 hielt der Prüfer fest, dass ab dem Jahr 2002 zwischen Besitzunternehmen (Verpachtung von Grundstücken) des Klägers und der R GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden habe, so dass die Umsätze der R GmbH ab 2002 im Rahmen der Umsatzsteuererklärung des Besitzunternehmens zu erfassen seien.

31

Unter Tz. 3.4 erhöhte er die Umsatzerlöse der R GmbH im Rahmen der Organschaft um 23.444,- DM (2002), um 23.309,- DM (2003) und um 108.625,- DM (2006) und erhöhte die Umsatzsteuer um 3.751,04 DM (2002), um 3.569,44 DM (2003) und um 17.380,- DM (2006). Den Erhöhungen lagen bisher nicht erfasste Gutschriften auf diversen Konten des Klägers bzw. seiner Mutter und bisher nicht erfasste Warenverkäufe an die Fa. S GmbH zugrunde.

32

Unter Tz. 3.5 minderte der Prüfer im Rahmen der Organschaft die Vorsteuern der R GmbH um 35.764,47 DM auf 54.069,60 DM (2002), um 25.251,13 DM auf 28.422,61 DM (2003), um 29.038,15 DM auf 50.176,79 DM (2004), um 18.134,41 DM auf 24.290,13 DM (2005) und um 15.770,- DM auf -15.770,- DM (2006). Die Vorsteuerminderungen ergaben sich aus den Scheinrechnungen.

33

Mit gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden 1997 bis 2006 vom 07.12.2010 (1997, 1998 und 2000), vom 10.12.2010 (1999), vom 25.11.2010 (2001 bis 2004) und vom 10.11.2010 (2005 und 2006) setzte der Beklagte die vom Steuerfahndungsprüfer getroffenen Feststellungen um und setzte dementsprechend die Einkommensteuern der Jahre 1997 bis 2006 fest. Mit Bescheiden für 1997 und 1998 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 12.11.2010 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag auf 3.113,77 € (1997) und auf 6.046,03 € (1998) fest (Gewerbesteuerakte, Bd. II, Bl.10 und 11). Mit gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid für 1999 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 25.11.2010 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag auf 1.480,19 € fest (Gewerbesteuerakte, Bd. II, Bl.12). In den Bescheiden für 2000 bis 2006 vom 25.11.2010 (2000), vom 15.11.2010 (2001 bis 2004) und vom 09.11.2010 (2005 und 2006) setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag mit jeweils 0,00 € fest (Gewerbesteuerakte Bd. II, Bl.14-20).

34

Mit gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (1997 bis 1999) und gemäß § 164 Abs. 2 AO (2002 bis 2006) geänderten Umsatzsteuerbescheiden berücksichtigte der Beklagte die Feststellung der Steuerfahndungsprüfung entsprechend des Berichts vom 31.05.2010 und setzte Umsatzsteuer in Höhe von 14.538,07 € (1997), von 16.015,71 € (1998), von 13.744,55 € (1999), von 10.816,38 € (1999), von 65.492,- € (2002), von 78.129,71 € (2003), von 43.823,53 € (2004), von 45.083,63 € (2005) und von 48.617,71 € (2006) fest. Der Nachprüfungsvorbehalt wurde in den Jahren 2002 bis 2006 aufgehoben (USt-Akte, Bd. II, Bl.58 ff. und Bl.66 ff.).

35

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und begründete ihn im Wesentlichen damit, dass keine Scheinrechnungen vorlägen. Sämtlichen Eingangsrechnungen hätten tatsächlich Warenbezüge und Zahlungen zugrunde gelegen. Die von der Steuerfahndungsprüfung zugrunde gelegten verdeckten Gewinnausschüttungen könnten nicht annäherungsweise plausibilisiert werden und seien nicht schlüssig. Die Steuerfahndungsprüfung gehe von Schwankungen des zu versteuernden Einkommens von 180 T€ im Jahr 1999, von 724 T€ im Jahr 2000 und von 464 T€ im Jahr 2001 aus. Dies entspreche nicht der Realität eines Unternehmens, dass keine Großprojekte durchführe, sondern vielmehr mit einer Vielzahl von Artikeln und mit einem weitgehend gleichbleibenden Kundenstamm arbeite. Überdies habe sich die Steuerfahndung nicht damit befasst, wo die erheblichen Mittel verblieben sein sollen. Sein Lebensstandard spiegele solche Gewinne jedenfalls nicht wider.

36

In der Folgezeit ergingen in den Streitjahren 1999 bis 2006 noch gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO Einkommensteueränderungsbescheide, die in den geänderten Einkommensteuerbescheiden 1999 vom 03.01.2012, 2000 vom 09.12.2011, 2001 vom 17.04.2012, 2002 bis 2004 vom 09.12.2011, 2005 vom 13.01.2012 und 2006 vom 17.04.2012 mündeten (GA, Bl.49, 47, 45, 42, 39, 36, 33, 30, 27 und 24).

37

Mit gemäß § 172 Abs. S. 1 Nr. 2 AO geändertem Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 28.07.2011 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer auf den Einspruch des Klägers auf 10.816,38 € herab (USt-Akte, Bd. II, Bl.64 f.).

38

Mit gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid für 1999 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 08.08.2011 setzte der Beklagte einen Gewerbesteuermessbetrag von 618,15 € fest (Gewerbesteuerakte „Änderungsbescheid“, Bl.2).

39

Mit Einspruchsentscheidungen vom 02.10.2012 wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück (GA, Bl.70 ff.; 88 ff. und Bl.97 ff. [ESt 1999]). Auf die Einspruchsentscheidungen wird verwiesen.

40

Mit seiner bei Gericht am 24.10.2012 eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, dass die streitgegenständlichen Bescheide rechtswidrig seien und ihn in seinen Rechten verletzten, soweit der Beklagte die Betriebsausgaben der Jahre 1997 bis 1999 gemindert habe. Die verdeckten Gewinnausschüttungen resultierten aus den Auszahlungen der R GmbH. Insoweit sei bereits eine Klage der R GmbH anhängig. Bei ihrer Änderung seien gemäß § 32a KStG auch die Bescheide gegenüber dem Gesellschafter zu ändern, dem die verdeckten Gewinnausschüttungen zugerechnet worden seien.

41

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1.    

die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 vom 07.12.2010, 1999 vom 03.01.2012, 2000 vom 09.12.2011, 2001 vom 17.04.2012, 2002 bis 2004 vom 09.12.2011, 2005 vom 13.01.2012 und 2006 vom 17.04.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.10.2012 dahingehend zu ändern, dass

-       

im Jahr 1997 die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte um 27.312,- DM und die gewerblichen Einkünfte um 218.916,- DM,

-       

im Jahr 1998 die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte um 13.430,- DM und die gewerblichen Einkünfte um 333.031,- DM,

-       

im Jahr 1999 die gewerblichen Einkünfte um 151.572,- DM und die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 126.408,- DM,

-       

im Jahr 2000 die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 296.268,- DM,

-       

im Jahr 2001 die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 71.012, DM und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 241.351,- DM,

-       

im Jahr 2002 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 163.439,- €,

-       

im Jahr 2003 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 101.048,- €,

-       

im Jahr 2004 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 51.564,- €

-       

im Jahr 2005 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 27.210,- € und der Veräußerungsverlust auf 0,00 €

-       

und im Jahr 2006 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 77.664,- € und den Veräußerungsgewinn um 82.250,- € gemindert werden,

2.    

die Bescheide für 1997 und 1998 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 12.11.2010 und den geänderten Bescheid für 1999 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 08.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.10.2012 für die Jahre 1997 und 1998 aufzuheben und hinsichtlich des Jahres 1999 den Gewerbesteuermessbetrag auf 0,00 € festzusetzen,

3.    

die geänderten Bescheide für 1997 bis 1999 und 2002 bis 2006 über Umsatzsteuer vom 29.11.2010 (1997 und 1998), vom 28.07.2011 (1999), vom 15.11.2010 (2002 bis 2004) und vom 9.11.2010 (2005 und 2006) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.10.2010 dahingehend zu ändern, dass Umsatzsteuer in Höhe von -1.424, € (1997), von -1.144,- € (1998), von 3.495,- € (1999), von 25.976,49 € (2002), von 49.594.84 € (2003), von 14.785,38 € (2004), von 26.949,22 € (2005) und von 8.422,99 € (2006) festgesetzt wird.

42

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

43

Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Auf seine Stellungnahme vom 30.11.2012 wird verwiesen (GA, Bl.106).

44

Das vorliegende Verfahren hat bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren 1 K 1168/16 geruht (GA, Bl.107). Nach Abschluss des Verfahrens 1 K 1168/16 (altes Aktenzeichen1 K 1177/12) ist das Klageverfahren 6 K 2472/12 unter dem Aktenzeichen 6 K 1497/16 mit Beschluss vom 26.04.2016 wiederaufgenommen worden (GA, Bl.127). In dem Verfahren 1 K 1168/16 hat die R GmbH u.a. gegen die geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006 geklagt.

45

Aus der vom Senat beigezogenen Klageakte 1 K 1168/16 ergibt sich Folgendes: Über das Vermögen der R GmbH ist mit Beschluss des Amtsgerichts am 06.02.2012 das Insolvenzverfahren unter dem Aktenzeichen 3 e IN …6/11 Sp eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter ist Herr Rechtsanwalt B bestellt worden (GA 1 K 1168/16, Bl.14). Dieser genehmigte am 28.03.2012 die Klageerhebung durch den Bevollmächtigten des Gemeinschuldners. Die vom Finanzamt zur Tabelle angemeldeten Forderungen bestritt der Insolvenzverwalter zunächst.

46

Mit Schreiben vom 25.11.2015 nahm der Insolvenzverwalter sein Bestreiten zurück. Infolgedessen wurden die Forderungen in voller Höhe von 966.486,70 € festgestellt (GA 1 K 1168/16, Bl.235). Die R GmbH widersprach der Feststellung der Forderungen des Finanzamtes nicht (siehe Aktenvermerk GA, Bl.157). Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in dem Verfahren 1 K 1168/16 infolgedessen in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten haben, hat der 1. Senat gemäß § 138 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens mit Beschluss vom 02.03.2016 gegeneinander aufgehoben (GA 1 K 1168/16, Bl.255).

47

Gegenstand des Klageverfahrens 1 K 1168/16 waren - wie dargelegt - u. a. die Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006. In diesen wurden folgende Körperschaftsteuern, Gewinne/Verluste sowie verdeckte Gewinnausschüttungen der R GmbH festgesetzt bzw. angesetzt (in €):

48

Jahr   

Festgesetzte Körperschaftsteuer

Gewinn/Verlust

Verdeckte Gewinnausschüttungen

1999   

28.500,94

-5.145,-

126.408,-

2000   

126.387,77

100.977,-

296.268,-

2001   

59.322,64

-187.083,-

482.703,-

2002   

70.060,-

0,-     

70.060,-

2003   

61.679,-

-102.416,-

202.097,-

2004   

46.520,-

33.876,-

103.127,-

2005   

32.370,-

38.418,-

54.421,-

2006   

12.902,-

-118.284,-

155.328,-

49

Die vom Finanzamt festgesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen resultierten aus den umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahndung. Hiernach lagen der Gewinnermittlung der R GmbH die Verbuchung von Ausgaben (Barabhebungen) bzw. als Verbindlichkeiten gebuchte Minderungen des Betriebsvermögens zugrunde, die auf Schein-/Falschrechnungen von einer Vielzahl verschiedener „Lieferanten“ basierten. Dass es sich um Scheinrechnungen handelte, ergab sich nach den Feststellungen der Steuerfahndung zum einen aus dem Erscheinungsbild der „Rechnungen“ und zum anderen aus den Bestätigungen der betroffenen Firmen (Lieferanten), dass diese Rechnungen nicht durch sie erstellt worden waren. Hieraus ergaben sich folgende Konsequenzen:

50

1. Bei den bilanzierten Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen sei eine Minderung in Höhe der Scheinrechnungsbeträge erfolgt, da die R GmbH dem Verlangen der Benennung der tatsächlichen Gläubiger gemäß § 160 AO nicht nachgekommen sei. Dies habe sich wie folgt ausgewirkt (in DM bis 2001 und ab 2002 in €):

51

Jahr   

Betrag

1999   

142.350,23

2000   

533.232,80

2001   

41.659,80

2002   

12.408,62

2003   

29.296,43

2004   

110.988,60

2005   

96.171,38

2006   

139.493,92

52

2. Die vorgeblich zur Zahlung von Scheinrechnungen vom Bankkonto der R GmbH abgehobenen bzw. aus ihrer Kasse bar verwendeten Geldbeträge seien durch die Steuerfahndung in den Jahren 1999 bis 2006 als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt worden (in DM bis 2001 und in € ab 2002):

53

Jahr   

Betrag

1999   

94.000,-

2000   

287.268,97

2001   

466.669,80

2002   

259.292,40

2003   

176.218,-

2004   

103.127,99

2005   

45.789,74

2006   

29.324,80

54

3. Zudem seien nicht gebuchte Betriebseinnahmen aufgrund von Gutschriften auf diverse Konten des Gesellschafters bzw. seiner Mutter, Schadensersatzleistungen von Versicherungen aus gemeldeten Einbruchsdiebstählen und einem Unfall, sowie aus Warenverkäufen an die Fa. S (welche bei dieser Fa. als Einkäufe verbucht worden seien) von der Betriebsprüfung ebenfalls als verdeckte Gewinnausschüttungen qualifiziert worden (in DM bis 2001 und in € ab 2002):

55

Jahr   

Betrag

1999   

32.408,-

2000   

9.000,-

2001   

16.034,-

2002   

67.586,-

2003   

25.879,-

2004   

0,00

2005   

8.632,-

2006   

126.004,-

56

Mit dem Kläger am 23.10.2019 bekanntgegebener Verfügung vom 21.10.2019 ist der seinerzeit nicht vertretene Kläger zur mündlichen Verhandlung am 28.11.2019 geladen worden.

57

Mit Schreiben vom 11.11.2019 hat Rechtsanwalt H die Vertretung des Klägers angezeigt, um Akteneinsicht gebeten und Terminsverlegung beantragt. Nach telefonischer Rücksprache mit Rechtsanwalt H wegen der beantragten Akteneinsicht sowie des anzuberaumenden Termins ist der Termin vom Senatsvorsitzenden auf Donnerstag, den 23.01.2020 11.15 Uhr verlegt worden. Am 15.01.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers in die Gerichtsakte sowie die dem Gericht vorgelegten Akten Einsicht genommen (GA, Bl.158).

58

Am 22.01.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers per Fax als Anlage ein ärztliches Attest für den Kläger übersandt. Das Attest trägt das Datum „X-Stadt, den 21.01.20“. Es ist am 21.01.2020 vom Faxanschluss der Fa. K UG & Co. KG & H Rechts- und Steuerberatung mit Sitz in der …str. Hausnummer in G an den Faxanschluss der Rechtsanwaltskanzlei des Bevollmächtigten des Klägers in W gefaxt worden. Das Attest hat folgenden Inhalt:

59

„Ärztliches Attest

Betreff: A. K. (der Kläger), geb. ….49 wohnh.: D-PLZ R

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr K. steht wegen einer malignen Erkrankung bei mir in dauernder Behandlung und kann derzeit und zurzeit unabsehbar nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. med. K. H

(Unterschrift)“

60

Der Bevollmächtigte des Klägers hat in seinem Schreiben vom 22.01.2020 weiter ausgeführt, dass sich aus dem Attest ergebe, dass der Kläger aufgrund einer sehr schweren Erkrankung nicht in der Lage sei, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Aus seiner Sicht sei die Anwesenheit des Klägers jedoch erforderlich. Er sei der Einzige, der den Sachverhalt kenne. Der Unterzeichner verfüge nur über rudimentäre (gemeint ist wohl: rudimentäre) Kenntnisse. Es werde deshalb beantragt, den Termin vom 23.01.2020, 12.15 Uhr, noch einmal zu verlegen, damit auch der Kläger an dem Termin teilnehmen könne.

Entscheidungsgründe

61

Die Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2006, die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1997 bis 1999 und die Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 1999 und 2002 bis 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen sind allesamt nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

62

I. Der erneute Terminsverlegungsantrag des Bevollmächtigten des Klägers vom 22.01.2020 ist abzulehnen.

63

1. Gemäß § 155 FGO i. V. m. § 227 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind einerseits solche, die (aus Sicht des Gerichts) eine weitere Vorbereitung der Entscheidung sachlich gebieten, und zum anderen auch solche, die eine Terminsänderung wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör erforderlich machen. Ob das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtstreits durch die Verlegung des Termins verzögert wird, ist für die Entscheidung unerheblich (Herbert in: Gräber, FGO-Kommentar, 9. Aufl., § 91, Rn.3 mit Rechtsprechungsnachweisen).

64

2. a) Unter Abwägung der im Streitfall zu beachtenden Gründe ist der Terminsverlegungsantrag abzulehnen. Es liegen keine erheblichen Gründe vor, die eine weitere Vorbereitung der Entscheidung sachlich gebieten bzw. die wegen des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör eine Terminsverlegung erforderlich machen.

65

Der Kläger, dessen persönliches Erscheinen im Übrigen nie angeordnet worden ist, hat weder erhebliche Gründe dargelegt noch hat er solche glaubhaft gemacht. So hat er schon nicht belegt, dass er in einer Weise erkrankt ist, die ihn daran gehindert hätte, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, weil er verhandlungs- und/oder reiseunfähig erkrankt gewesen ist. Zwar ist dem ärztlichen Attest zu entnehmen, dass sich der Kläger wegen einer malignen Erkrankung bei dem behandelnden Arzt in dauernder Behandlung befinde und dass er derzeit und zurzeit unabsehbar nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könne. Jedoch sind in keinster Weise erhebliche Gründe dafür dargetan worden, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung tatsächlich verhandlungs- und/oder reiseunfähig ist. Solche erheblichen Gründe, die seine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit belegen, sind durch das vorgelegte Attest auch nicht glaubhaft gemacht worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss ein ärztliches Attest indes so substantiiert sein, dass es dem Gericht die Beurteilung ermöglicht, ob die Erkrankung des Beteiligten seine Verhandlungs- oder Reisefähigkeit tatsächlich ausschließt (vgl. BFH-Beschlüsse V B 217/06, BFH/NV 2007, 1695 und III B 118/08, BFH/NV 2010, 665).

66

Aufgrund des infolge des vorgelegten ärztlichen Attests erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung erneut gestellten Terminsverlegungsantrags und der sich hieraus für das Gericht ergebenden Unmöglichkeit, die Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit des Klägers durch ein amtsärztliches Attest überprüfen zu lassen, kommt die Terminsverlegung vorliegend insbesondere deshalb nicht in Betracht, weil die Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit des Klägers durch das vorgelegte ärztliche Attest vom 21.01.20 - wie bereits dargelegt - nicht substantiiert dargelegt und schon gar nicht glaubhaft gemacht worden ist.

67

b) Im Übrigen hat der – fachlich vertretene – Kläger keine erheblichen Gründe dargelegt, warum seine persönliche Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung erforderlich ist. Der Senat hat sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet. Dem Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör wird dadurch entsprochen, dass sich der von ihm bestellte Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung äußern kann (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2012 I B 22/12, BFH/NV 2013, 389; BFH, Beschluss vom 13. September 2013  IX B 63/13, BFH/NV 2014, 53). Vor diesem Hintergrund ist die Erkrankung des Beteiligten selbst, der einen Bevollmächtigten bestellt hat, nur dann erheblich, wenn die Anwesenheit des Beteiligten im Termin erforderlich ist (vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 91 FGO Rn. 11 m.w.N. zur BFH-Rspr.). Solche Gründe für die Erforderlichkeit der persönlichen Anwesenheit des Klägers sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen; die pauschale Behauptung des Klägers, er sei „der Einzige, der den Sachverhalt kennt“, ist nicht nachvollziehbar.

68

c) Eine Terminsverlegung kam auch nicht in Betracht unter Berücksichtigung des Vortrages, der Bevollmächtigte sei noch nicht eingearbeitet und habe nur „rudimentäre Kenntnisse“. Dieser Einwand ist nicht erheblich, wenn – wie vorliegend – seit der Ladung bis zum Termin ausreichend Zeit zur Vorbereitung verblieb (vgl. nur BFH, Urteil vom 13.8.2007 III B 159/06, BFH/NV 2007, 2284).

69

Der Bevollmächtigte des Klägers hat seit dem 15.11.2019 Gelegenheit gehabt, sich in den zweifelsohne umfangreichen Prozessstoff einzuarbeiten und hat gemeinsam mit Herrn Diplom-Finanzwirt D von der Fa. K UG & Co. KG & H Rechts- und Steuerberatung am 15.01.2020 in die Gerichtsakten 6 K 1497/16, 6 K 1499/16, 6 K 1522/16 und die beigezogene Akte 1 K 1168/16 nebst der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten Einsicht genommen. Aufgrund dessen geht das Gericht davon aus, dass der Bevollmächtigte die im Streitfall zu klärenden Streitpunkte in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kennt und nicht nur über rudimentäre Kenntnisse verfügt. Eingedenk dessen ist die Anwesenheit des Klägers - entgegen dem Vortrag seines Bevollmächtigten - nicht zwingend erforderlich gewesen, weil nur er den Sachverhalt kennt. Der Kläger hat Rechtsanwalt H im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren ausweislich der vorgelegten Vollmacht vom 08.11.2019 mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, damit er für ihn ggf. auch in seiner Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung auftritt und ihn vertritt.

70

d) Schließlich ist der nach der bereits am 28.11.2019 gewährten Terminsverlegung erneute Terminsverlegungsantrag vom 22.01.2020 als prozessverschleppend abzulehnen, weil die Erkrankung des Klägers bereits seit geraumer Zeit bestehen muss.

71

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hätte die seit geraumer Zeit bestehende Erkrankung des Klägers ihn und seinen Bevollmächtigten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Termin am 23.01.2020 wahrgenommen werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 27.08.2008, II B 74/07, BFH/NV 2008, 1871).

72

Im konkreten Fall hätten der Kläger und sein Bevollmächtigter bereits im Zuge der Bevollmächtigung im November 2019 auf die langwierige Erkrankung des Klägers hinweisen müssen, um so zu gewährleisten, dass zumindest der verlegte Termin wahrgenommen werden kann. Bei zeitnaher Vorlage des ärztlichen Attests hätte das Gericht ggf. sodann durch einen beauftragten Amtsarzt klären lassen können, ob der Kläger tatsächlich reise- und/oder verhandlungsunfähig bzw. möglicherweise nur eingeschränkt verhandlungsfähig ist. Unter Beachtung dieser prozessualen Fürsorgepflicht der Aktivpartei erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung auf die maligne Erkrankung unter Vorlage eines zudem weder die Reiseunfähigkeit noch die Verhandlungsunfähigkeit belegenden ärztlichen Attestes hinzuweisen, und erneut die Verlegung des Termins zu beantragen, stellt zur Überzeugung des Senats einen Antrag dar, der als prozessverschleppend einzustufen ist.

73

II. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Festsetzungsfrist für die streitigen Veranlagungsjahre und selbst für das Jahr 1997 nicht abgelaufen gewesen.

74

1. a) Die Festsetzungsfrist für das Jahr 1997 begann mit der Abgabe der Einkommensteuerklärung 1997 am 18.12.1998 gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO zu laufen.

75

b) Die Festsetzungsfrist für den Gewerbesteuermessbetrag begann infolge der nicht abgegebenen Gewerbesteuererklärung 1997 mit Ablauf des 31.12.2000 gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO zu laufen.

76

c) Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer des Jahres 1997, die der Beklagte ohne Abgabe einer Erklärung des Klägers auf der Grundlage der von ihm vorgelegten Gewinnermittlung mit Bescheid vom 14.09.2001 festsetzte, begann am 31.12.2000 zu laufen. Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer des Jahres 1998 und 1999 begann für 1998 am 31.12. 2003 (Erklärungsabgabe am 23.09.2003) und für 1999 am 31.12.2001 (Erklärungsabgabe am 17.09.2001) zu laufen.

77

2. Gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 AO betrug die Festsetzungsverjährungsfrist im Streitfall sowohl hinsichtlich der Einkommensteuer- 1997 bis 2006 als auch der Gewerbesteuermessbetrags- 1997 bis 1999 als auch der Umsatzsteuerfestsetzungen 1997 bis 1999 und 2002 bis 2006 nicht 4, sondern 10 Jahre.

78

Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO machte der Kläger in der Einkommensteuererklärung 1997 vom 18.12.1998 unrichtige Angaben, indem er Betriebseinnahmen seines Einzelunternehmens nicht erfasste bzw. Betriebsausgaben fingierte, die nicht angefallen waren. Damit verwirklichte er den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung. Zugleich handelte er vorsätzlich, da er willentlich und wissentlich sowohl die Betriebseinnahmen als auch die Betriebsausgaben seines Einzelunternehmens in falscher Höhe erklärte. Hinsichtlich der Gewerbesteuererklärung 1997 sowie der Umsatzsteuererklärung 1997 unterließ es der Kläger, die erforderlichen Erklärungen abzugeben und ließ den Beklagten hierdurch pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Hierdurch verwirklichte er ebenfalls den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung, wobei er willentlich und wissentlich, d. h. vorsätzlich handelte.

79

Gleichermaßen ist bei den Einkommensteuerbescheiden 1998 bis 2006, den Gewerbesteuermessbetragsbescheiden 1998 und 1999 und den Umsatzsteuerbescheiden 1998 und 1999 sowie 2002 bis 2006 der Ablauf der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre verlängert gewesen, da der Kläger in allen Jahren im Sinne des § 370 AO in objektiver und subjektiver Hinsicht unrichtige Angaben machte bzw. die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis ließ.

80

3. Gemäß § 171 Abs. 5 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist bei allen im Streit befindlichen Steuerbescheiden bis heute unterbrochen, da die Steuerfahndung am 29.10.2008, d. h. vor Ablauf der Festsetzungsverjährung beim Kläger mit den Ermittlungen begann und über die angegriffenen Bescheide bislang nicht unanfechtbar entschieden worden ist.

81

III. Der Beklagte ist des Weiteren in verfahrensrechtlicher Hinsicht gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Änderung aller angefochtenen Bescheide berechtigt gewesen.

82

1. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

83

Tatsache ist hierbei alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann; es kann sich um Zustände, Beziehungen, Vorgänge und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art handeln. Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie bei der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens bereits vorgelegen hat, aber dem unterzeichnenden Veranlagungsbeamten noch nicht bekannt gewesen ist, sondern ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt wird.

84

2. Im Streitfall sind die in den Streitjahren 1997 bis 2006 zu den höheren Steuern führenden Tatsachen im eben genannten Sinn erst nachträglich, d. h. durch die im Zuge der Betriebsprüfung bei der R GmbH für die Jahre 2001 bis 2003 und der sich anschließenden, auf die Jahre 1997 bis 2006 erweiterten Steuerfahndungsprüfung getroffenen Feststellungen nachträglich bekannt geworden. Erst nachdem die Erstveranlagungen bestandskräftig geworden sind, ist dem/den für den Beklagten handelnden Veranlagungsbeamten bekannt geworden, dass der Kläger Betriebseinnahmen seines Einzelunternehmens nicht erfasste, dass er tatsächlich nicht angefallene Betriebsausgaben ansetzte und dass er verdeckte Gewinnausschüttungen der R GmbH nicht als Kapitaleinkünfte (1999 und 2000) bzw. nicht als Gewerbeeinkünfte erklärte (von 2001 bis 2006). Bei diesen tatsächlichen Gegebenheiten handelte es sich um für die für den Beklagten handelnden Veranlagungsbeamten nachträglich bekannt gewordene Tatsachen, die ihn in den Streitjahren 1997 bis 2006 berechtigt haben, die geänderten Bescheide zu erlassen.

85

IV. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat der Beklagte die geänderten und auf den Einspruch des Klägers in den Jahren 1999, 2000, 2001, 2005 und 2006 nochmals zu seinen Gunsten geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2006 sowie die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1997 bis 1999 frei von Rechtsfehlern erlassen. Die zuletzt ergangenen Änderungsbescheide sind weder rechtswidrig noch verletzen sie den Kläger in seinen Rechten.

86

1. In den Veranlagungsjahren 1997 bis 1999 hat der Beklagte zu Recht Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Gewerbebetrieb angesetzt.

87

a) In Höhe von 27.312,- DM (1997) und von 13.430,- DM (1998) hat der Beklagte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13 EStG angesetzt. Der von Kläger von seinem Vater übernommene land- und forstwirtschaftliche Betrieb ruhte zwar seit dem 01.01.1993. Eine Betriebsaufgabe wurde jedoch nicht erklärt. Seit 1995 erklärte der Kläger keine land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte mehr. Im Rahmen der Fahndungsprüfung stellte der Prüfer fest, dass für die zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörende Halle zwar im Jahr 1997 Mietzinsen auf dem Konto des Klägers in Höhe von 27.312,- DM und im Jahr 1998 in Höhe von 13.430,- DM eingegangen waren, dass er diese aber nicht erklärt hatte. Diese Feststellungen des Prüfers, die der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden übernommen hat, hat der Kläger weder im Einspruchs- noch im Klageverfahren in substantiierter Weise entkräftet.

88

b) Des Weiteren hat der Prüfer anstelle des vom Kläger erklärten Verlustes aus Gewerbebetrieb in Höhe von -11.107,- DM im Jahr 1997 einen Gewinn in Höhe von 228.916,- DM ermittelt. Im Jahr 1998 hat er anstelle eines Verlustes in Höhe von -520,- DM einen Gewinn in Höhe von 333.031,- DM ermittelt. Im Jahr 1999 hat er anstelle eines Gewinns in Höhe von 2.331,- DM einen zusätzlichen Gewinn in Höhe von 151.572,- DM ermittelt. Der Beklagte hat demnach gewerbliche Gewinne in Höhe von 217.809,- DM (1997), von 332.511,-  DM (1998) und von 153.903,- DM angesetzt. Diese ergaben sich aus den folgenden Prüfungsfeststellungen:

89

Die vom Beklagten ermittelten Betriebseinnahmen ergaben sich zum einen aus den vom Kläger nicht erfassten Gutschriften aus dem Verkauf medizinischen Zubehörs auf seinen Konten bzw. seiner Eltern in Höhe von 188.329,08 DM (1997), von 333.030,92 DM (1998) und von 79.044,02 DM. Zum anderen resultierten sie daraus, dass Wareneinkaufsrechnungen der Fa. RT in Höhe von 40.586,95 DM (1997) und von 72.528,- DM (1999) nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden konnten, da es sich um Gefälligkeitsrechnungen handelte, denen kein Leistungsaustausch zugrunde gelegen hatte. Dies bestätigte der Rechnungsaussteller. Zudem waren die Rechnungen nicht als Betriebseinnahmen in der Buchhaltung der Fa. RT erfasst worden.

90

c) Im Jahr 1999 hat der Beklagte zudem noch verdeckte Gewinnausschüttungen der R GmbH an den Kläger in Höhe von 126.408,- DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG erfasst.

91

aa) Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG verlangt die bewusste Zuwendung eines Vermögensvorteils durch die Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung aus gesellschaftlicher Veranlassung und den Zufluss beim Gesellschafter. Entscheidendes Merkmal der verdeckten Gewinnausschüttung ist die gesellschaftliche Veranlassung. Gesellschaftlich veranlasst ist ein Vorteil, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte, also solche Zuflüsse, die einem betrieblichen Fremdvergleich nicht standhalten, also überhöht oder sonst nicht gerechtfertigt sind (vgl. Weber-Grellet in: Schmidt; EStG-Kommentar, 36. Aufl. [2017], § 20 Rn.42). Im Streitfall liegen in diesem Sinne verdeckte Gewinnausschüttungen der R GmbH an ihren Gesellschafter den Kläger vor, die gesellschaftlich veranlasst sind und die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter niemals zugewendet hätte. Weder hätte dieser Betriebseinnahmen, die letztlich dem Kläger gutgeschrieben worden sind, nicht in der Buchführung der Kapitalgesellschaft erfasst noch hätte er Betriebsausgaben in ihrer Buchführung erfasst, die ihren Gewinn gemindert haben, für die sie tatsächlich aber keine Leistungen erhalten hat.

92

bb) Der Kläger kann die vom Beklagten im Jahr 1999 als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen weder dem Grunde noch der Höhe nach beanstanden. Soweit der Beklagte dem Kläger die verdeckten Gewinnausschüttungen im Jahr 2000 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen und ab dem Jahr 2001 gemäß § 20 Abs. 3 EStG aufgrund der Betriebsaufspaltung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zugerechnet hat, kann der Kläger sie ebenfalls weder dem Grund noch der Höhe nach beanstanden.

93

(1) Ist nach § 166 AO die Steuer dem Steuerpflichtigen - hier der R GmbH - gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Der Kläger ist seit dem 29.08.2008 als alleiniger Geschäftsführer der R GmbH gemäß § 34 AO ihr gesetzlicher Vertreter gewesen.

94

(2) Mit Urteil vom 27.09.2017 hat der BFH in dem Verfahren XI R 9/16 entschieden (BFH-Urteil vom 27.09.2017, XI R 9/16, BStBl II 2018, 515), dass der Geschäftsführer einer GmbH im Verfahren wegen der Haftung für Steuerforderungen der GmbH gemäß § 166 AO mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderung ausgeschlossen ist, wenn er der Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle hätte widersprechen können, die Feststellung zur Insolvenztabelle aber widerspruchslos hingenommen hat.

95

(3) Auf den Streitfall übertragen hat die Entscheidung des BFH vom 27.09.2017 zur Folge, dass der Kläger seit dem 29.08.2008 Alleingeschäftsführer der R GmbH gewesen ist, den vom Insolvenzverwalter festgestellten und zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen nicht widersprochen hat, obwohl er als Alleingeschäftsführer der R GmbH gemäß § 178 InsO die rechtliche Möglichkeit hatte, der Forderungsfeststellung in der Insolvenztabelle in den Streitjahren zu widersprechen.

96

Über das Vermögen der R GmbH ist mit Beschluss des Amtsgerichts X-Stadt vom 06.02.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zwar hatte der Insolvenzverwalter die vom Beklagten angemeldeten Steuerforderungen über insgesamt 966.486,70 €, in den die festgesetzten Körperschaftsteuer 1999 bis 2006 einschließlich der angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen enthalten gewesen sind, zunächst vorläufig bestritten. Am 25.11.2015 stellte er diese aber nachträglich fest, ohne dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der R GmbH gemäß der Mitteilung der zuständigen Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts hiergegen gemäß 178 Abs. 1 S. 2 InsO Widerspruch erhoben hat (vgl. GA, Bl.157).

97

Infolge des unterlassenen Widerspruchs des Klägers als Geschäftsführer der R GmbH u. a. gegen die Feststellung der (Körperschaft)-Steuerforderungen der Jahre 1999 bis 2006 durch den Insolvenzverwalter, in denen die in den unanfechtbaren Körperschaftsteuerbescheiden 1999 bis 2006 enthaltenen verdeckten Gewinnausschüttungen enthalten gewesen sind, muss der Kläger als gesetzlicher Vertreter der R GmbH im Sinne des § 34 AO die unanfechtbare Feststellung der Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006 gegen sich gelten lassen.

98

(4) Zwar sind die finanzgerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen zu § 166 AO bislang zu Haftungsbescheiden ergangen (vgl. BFH-Urteile vom 27.09.2017, XI R 9/16, a.a.O., vom 06.04.2016, I R 19/14, BFH/NV 2016, 1491 und vom 22.04.2015, XI R 43/11, BStBl II 2015, 755; BFH-Beschluss vom 17.05.1994, IV B 54/93, BFH/NV 1005, 86 und Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014, 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166). Jedoch gibt der Wortlaut des § 166 AO vor, dass neben dem Gesamtrechtsnachfolger die Steuerfestsetzung gegen sich gelten zu lassen hat, wer „in der Lage gewesen wäre“, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid anzufechten. Damit ist unbeschadet tatsächlicher Gegebenheiten die rechtliche Befugnis gemeint, die Steuerfestsetzung anzufechten (vgl. Heuermann: in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO-Kommentar, Bd. VI; § 166 Rn.8). Maßgebend ist nur, ob der Dritte – hier der Kläger als Alleingeschäftsführer der R GmbH – den Steuerbescheid in demselben Umfang anfechten konnte, wie der Steuerpflichtige, d. h. hier die R GmbH (vgl. Schwarz – AO und FGO Kommentar, Bd. 2 § 166 Rn.19).

99

Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus dem Wortlaut des § 166 AO und seinem Sinn und Zweck, dass sich im Streitfall, in dem unanfechtbare Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006 vorliegen, denen der Kläger als Geschäftsführer der R GmbH gemäß § 34 AO und § 178 InsO hätte widersprechen können, ihm nicht nur im Hinblick auf mögliche Haftungsbescheide, die - wie Steuerbescheide - eigenständige Bescheide darstellen, sondern auch im Hinblick auf die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2006 die Drittwirkung der unanfechtbaren Steuerfestsetzung der Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006 einschließlich der damit unanfechtbar festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen entgegensteht (vgl. Heuermann: in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO Kommentar, Bd. VI; § 166 Rn.11). Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 S. 1 InsO).

100

Der Kläger wäre im Streitfall in der Lage gewesen, gegen die Feststellungen des Insolvenzverwalters Widerspruch zu erheben. Da er dies unterlassen hat, muss er sich die unanfechtbaren Feststellungen der Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006, die die verdeckten Gewinnausschüttungen umfassen, entgegenhalten lassen, soweit er sich nunmehr gegen die verdeckten Gewinnausschüttungen im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 1999 bis 2006 wendet, die die in den Körperschaftsteuerbescheiden 1999 bis 2006 unanfechtbar angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen unter Beachtung des Halbeinkünfteverfahren ansonsten vollumfänglich übernommen haben.

101

(5) Dies hat zur Folge, dass der Kläger die Rechtmäßigkeit der in den Einkommensteuerbescheiden 1999 bis 2006 entweder als Einkünfte aus Kapitalvermögen (1999 und 2000) oder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (2001 bis 2006) angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen der R GmbH an ihn ab dem Streitjahr 1999 dem Grunde und der Höhe nach nicht mehr überprüfen lassen kann. Dies hätte er gemäß der BFH-Entscheidung vom 27.09.2017 bereits in dem die Körperschaftsteuerbescheide 1999 bis 2006 betreffenden Klageverfahren geltend machen müssen, was er – wie dargelegt – versäumt hat, als er gegen die Feststellung der Körperschaftsteuern 1999 bis 2006 zur Insolvenztabelle keinen Widerspruch erhob.

102

cc) In materiell-rechtlicher Hinsicht hat der Beklagte im Übrigen im Jahr 1999 nur die bilanzierten Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen in Höhe von 94.000,- DM nicht berücksichtigt, bei denen der Kläger trotz des Empfängerbenennungsverlangens des Beklagten gemäß § 160 AO die wahren Empfänger bis heute nicht benannt hat. Zudem hat der Beklagte nicht gebuchte Betriebseinnahmen als verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von 32.408,- DM angesetzt. Insgesamt beliefen sich die im Jahr 1999 angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen auf 126.408,- DM, ohne dass der Kläger durch geeignete Nachweise hat belegen können, dass dieser Ansatz des Beklagten fehlerhaft gewesen ist.

103

2. Gleichermaßen verhält es sich mit den im Jahr 2000 als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von 296.268,- DM. Zum einen kann der Kläger aufgrund der Drittwirkung der unanfechtbaren Körperschaftsteuerbescheide als gesetzlicher Vertreter der R GmbH keine Einwendungen mehr gegen die angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen erheben. Ungeachtet dessen hat der Kläger aber auch keinen einzigen geeigneten Nachweis erbracht, dass die vom Beklagten angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen, die sich aus Zahlungen von Scheinrechnungen in Höhe von 287.269,- DM und aus nicht gebuchten Betriebseinnahmen in Höhe von 9.000,- DM ergeben, zu Unrecht in Ansatz gebracht worden sind.

104

3. a) In den Jahren 2001 bis 2006 hat der Beklagte die verdeckten Gewinnausschüttungen gemäß § 20 Abs. 3 EStG aufgrund der Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der R GmbH zu Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert und in allen Jahren entsprechend dem Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG nur die Hälfte der bei der R GmbH unanfechtbar als verdeckte Gewinnausschüttungen angesetzten Beträge als gewerbliche Einkünfte des Klägers erfasst.

105

Wie in den Streitjahren 1999 und 2000 kann der Kläger aufgrund der Drittwirkung der unanfechtbaren Körperschaftsteuerbescheide als gesetzlicher Vertreter der R GmbH keine Einwendungen mehr gegen die angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen erheben. Ungeachtet dessen hat der Kläger keinen einzigen geeigneten Nachweis dafür erbracht, dass die vom Beklagten angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen (siehe nachfolgende Tabelle), die sich aus Zahlungen für Scheinrechnungen und aus nicht gebuchten Betriebseinnahmen ergeben, zu Unrecht in Ansatz gebracht worden sind (in DM 2001 und in € ab 2002):

106

Jahr   

Scheinrechnungsbeträge vom Konto der R GMBH abgehoben oder bar entnommen

Nicht gebuchte Betriebseinnahmen oder Gutschriften auf diversen Konten

Nach dem Halbeinkünfteverfahren erfasste verdeckte Gewinnausschüttung (Summe aus Spalte 2 und 3 mal 1/2)

2001         

466.669,80

16.034,-

241.351,-

2002         

259.292,40

67.586,-

163.439,-

2003         

176.218,-

25.879,-

101.048,-

2004         

103.127,99

0,00   

51.564,-

2005         

45.789,74

8.632,-

27.210,-

2006         

29.324,80

126.004,-

77.664,-

107

b) Im Streitjahr 2001 hat der Beklagte zudem die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG um 71.012,- DM erhöht. Unter Beachtung des Vergleichs des Arbeitsgerichts X-Stadt vom 10.01.2001, in dem sich die Fa. HNE verpflichtete, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 100.000,- DM zu zahlen, hat der Beklagte den bisher beim Kläger nicht erfassten Bruttolohn in Höhe von 71.012,- € nach Auffassung des Senats zu Recht in moderater Höhe angesetzt, ohne dass der Kläger bislang einen Nachweis dafür erbracht hat, dass der Beklagte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu Unrecht erhöht hat.

108

c) Zugunsten des Klägers berücksichtigte der Beklagte im Jahr 2005 den vom Kläger aus der Veräußerung seiner GmbH-Anteile an der Fa. R GmbH erzielten Veräußerungsverlust gemäß § 17 EStG in Höhe von -3.250,- €. Vom 28.06.2002 bis zum 01.01.2005 war der Kläger zu 66% an ihr beteiligt.

109

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 EStG ist der Kläger im Zeitpunkt des Verkaufs seiner Anteile am 01.01.2005 an der S GmbH ab dem 28.06.2002 mit 66% am Stammkapital der GmbH beteiligt gewesen, wobei der Beklagte frei von Rechtsfehlern einen Veräußerungsverlust in Höhe von -6.500,- € angesetzt hat, den er nach dem Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte mit -3.250,- € berücksichtigt hat.

110

d) Zuungunsten des Klägers hat der Beklagte im Jahr 2006 den vom Kläger aus der Veräußerung seiner GmbH-Anteile an der Fa. HH GmbH erzielten Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG in Höhe von 82.750,- € berücksichtigt.

111

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 EStG ist der Kläger im Zeitpunkt der Verkaufs seiner Anteile am 17.05.2006 an der HH GmbH seit dem 16.11.2005 mit 30% am Stammkapital der GmbH beteiligt gewesen. Den Veräußerungsgewinn in Höhe von 165.500,- € (= Erlös aus der Anteilsveräußerung 173.000,- € abzüglich Anschaffungskosten 7.500,- €) errechnete der Beklagte frei von Rechtsfehlern und berücksichtigte hiervon die Hälfte nach dem Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG in Höhe von 82.250,- € als Veräußerungsgewinn.

112

Um die Veräußerung der Anteile des Klägers an der HH GmbH der Besteuerung zu entziehen, hat der Kläger den Veräußerungserlös auf dem Konto seiner Mutter gutschreiben lassen. Weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren hat der Kläger Nachweise dafür erbracht, dass der Veräußerungsgewinn des Jahres 2006 sowohl dem Grunde als auch der Höhe zu Unrecht erfasst worden ist.

113

4. Soweit der Kläger § 32a KStG angesprochen hat, ergeht der Hinweis, dass § 32a KStG nach dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I, S. 2878) gemäß Art. 4 Nr. 7 und Art. 20 dieses Gesetzes zum 01.01.2006 in Kraft getreten und demgemäß allein im Streitjahr 2006 und nicht in den Jahren 1999 bis 2005 zu beachten gewesen wäre.

114

V. Die angefochtenen, geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1997 bis 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind ebenfalls nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte ist für die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge zutreffend von den im Zuge der Steuerfahndungsprüfung ermittelten Gewinnen des Klägers aus Gewerbebetrieb ausgegangen.

115

VI. Die angefochtenen, geänderten Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 1999 und 2002 bis 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind ebenfalls nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

116

1. In den Streitjahren 1997 bis 1999 hat der Beklagte die Umsätze des Einzelunternehmens des Klägers aus dem Handel mit medizinischem Zubehör im Jahr 1997 um die nicht erklärten Umsätze in Höhe netto von 163.764,- DM zum Steuersatz von 15%, im Jahr 1998 um 17.426,- DM zum Steuersatz von 15% und um 186.589,- DM zum Steuersatz von 16% und im Jahr 1999 um 181.666,- DM zum Steuersatz von 16% erhöht. Die Vorsteuern der Jahre 1997 und 1999 hat er um 5.293,95 DM (1997) und um 10.003,90 DM (1999) aus den Wareneinkaufsrechnungen der Fa. RT, denen keine Lieferungen zugrunde lagen, gekürzt.

117

2. In den Streitjahren 2002 bis 2006 hat der Beklagte die nicht erklärten Umsätze der R GmbH sowie die aufgrund von Scheinrechnungen zu Unrecht erfolgten Vorsteuerabzüge gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Rahmen der Betriebsaufspaltung zwischen dem Besitzunternehmen des Klägers und der R GmbH als Betriebsgesellschaft, die eine umsatzsteuerliche Organschaft darstellt, zutreffend beim Einzelunternehmen des Klägers erfasst.

118

3. Hinsichtlich der erhöhten Umsätze wird auf die Ausführungen zu den Betriebseinnahmen des Klägers (1997 bis 1999) bzw. der R GmbH (2002 bis 2006) verwiesen. Bezüglich der geminderten Vorsteuerbeträge wird auf die nicht berücksichtigten Betriebsausgaben beim Einzelunternehmen des Klägers (1997 und 1999) bzw. bei der R GmbH (2002 bis 2006) verwiesen. Korrespondierend zu den verschleierten Betriebseinnahmen sowohl im Einzelunternehmen des Klägers als auch bei der R GmbH bzw. den bei diesen zu Unrecht angesetzten Betriebsausgaben haben sich die Umsatzerhöhungen bzw. Vorsteuerminderungen in den Streitjahren ergeben, wobei der Senat in den Berechnungen des Beklagten zur Umsatzsteuer und geminderten Vorsteuerbeträgen keine Rechenfehler hat feststellen können.

119

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

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