Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 6 Sa 1431/13
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.10.2013 - AZ: 11 Ca 713/13 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte im Versorgungsfall über den festgestellten Anspruch der Gothaer Versicherung (Stand 01.01.2013: 16.287,-€) sowie dem Anspruch aus der Zusage des BKK Gesundheitsfonds hinaus eine betriebliche Altersversorgung in Höhe des unverfallbaren Anspruchs für die Zeit vom 14.04.1975 bis zum 31.12.1996 gemäß der Pensionsordnung der G. AG zusteht.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin im Hinblick auf Dienstzeiten bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten weitergehende Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zustehen.
3Die am 14.04.1955 geborene Klägerin begann am 01.08.1972 eine Ausbildung bei der G. AG. Zum 01.01.1975 wurde sie als Sachbearbeiterin übernommen. Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. folgende Regelung:
4"7. Altersversorgung/Altersgrenze
5Wir gewähren unseren Mitarbeitern, die zehn Jahre unserem Unternehmen angehören, beim Ausscheiden nach Erreichen der Altersgrenze oder bei vorzeitiger Berufsunfähigkeit eine Altersversorgung nach unserer geltenden Ordnung über die Alters- und Hinterbliebenenfürsorge."
6Die von der G. AG mit ihren Betriebsräten vereinbarte Pensionsordnung in der Fassung vom 07.11.1978 enthielt - soweit hier von Interesse - nachfolgende Bestimmungen:
7"...
8A) Altersversorgung
9...
10§ 3
11Anrechenbare Dienstjahre
121. Es werden diejenigen Dienstjahre und Ausbildungszeiten angerechnet, die der Mitarbeiter nach Vollendung des 20. Lebensjahres ... ununterbrochen im Dienste der G. AG verbracht hat. ...
13D) Höhe der Versorgung
14I. Alters- und Invalidenversorgung
15§ 18
16Grundbetrag und Steigerungsbetrag
17Die Altersversorgung und Invalidenversorgung setzt sich aus einem Grundbetrag und einem nach der Zahl der anrechenbaren Dienstjahre errechneten Steigerungsbetrag zusammen.
18§ 19
19Höhe des Grundbetrages
20Der Grundbetrag beläuft sich auf 50 DM monatlich nach 10 anrechenbaren Dienstjahren (§ 3).
21...
22§ 20
23Errechnung der Steigerungsbeträge
241. Die Steigerungsbeträge werden mit 0,45% des durchschnittlichen Einkommens für jedes nach Vollendung von 10 Dienstjahren zurückgelegte weitere anrechenbare Dienstjahr errechnet...
252. Die Steigerungsbeträge werden aus dem durchschnittlichen Einkommen des Mitarbeiters der letzten 24 Monate vor Eintritt des Versorgungsfalles errechnet.
26..."
27Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage 2 zur Klageschrift Bezug genommen.
28Zum 01.07.1996 wurde die Betriebskrankenkasse, in der die Klägerin tätig war, zunächst ausgegliedert und dann zum 01.01.1997 von der neu gegründeten BKK FPB Holding AG übernommen. Bis zum 31.12.1996 hat die Klägerin laut einer Auskunft der Beklagten eine unverfallbare Anwartschaft in Höhe von 130,90 € erworben. Wäre sie bis zum Rentenbeginn bei der G. AG beschäftigt gewesen, hätte sie - auf der Basis ihres Entgelts in den Jahren 1995 und 1996 - vorbehaltlich der etwaigen Anrechnung anderweitiger Leistungen einen Anspruch in Höhe von 267,15 € erwerben können. Insoweit wird auf eine von der Beklagten als Anlage B 1 überreichte Berechnung der Funk Böhm Consultants GmbH verwiesen.
29Anlässlich ihrer Gründung vereinbarte die FPB Holding AG mit der IG Bergbau, Chemie, Energie einen Versorgungstarifvertrag (Anlage 3 zur Klageschrift). Darin heißt es:
30"§ 3 Dotierungsrahmen und Finanzierung
31Die BKK FPB Holding führt zum 01.01.1997 eine betriebliche Altersversorgung ein. Für die Dotierung dieser Versorgung ist mindestens 4,6%,höchstens jedoch 4,8% der Bruttojahreslohn- und Gehaltssumme der teilhabenden Mitarbeiter des Unternehmens aufzuwenden. ...
32§ 4 Einrichtung und Ablösung
33Die Einrichtung geschieht im Rahmen eines privatwirtschaftlich organisierten betrieblichen Altersversorgungswerkes. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass dieses Versorgungswerk alle bestehenden, übernommenen oder zukünftig zu übernehmenden Versorgungsregelungen ablöst bzw. ersetzt.
34§ 5 Leistungsarten und Organisation
35Das Versorgungswerk wird in der Rechtsform der rückgedeckten Gruppenunterstützungskasse organisiert. ..."
36Diese betriebliche Altersversorgung wurde über die Gothaer Pensionsfond Unterstützungskasse für die betriebliche Altersversorgung e.V. durchgeführt. Laut deren Auskunft stünde der Klägerin hieraus nach dem Stand "01.01.2013" zum frühesten Ablauftermin 01.01.2015 eine Leistung in Höhe von 16.287,- € vor. Als Versicherungsbeginn wird der 01.01.1997 genannt.
37Zum 01.01.2000 ging die BKK FPB Holding AG in der BKK Zollern ALB auf. Am 01.01.2004 entstand aus dem Zusammenschluss der BKK Zollern ALB und der BKK für steuerberatende und juristische Berufe die BKK Gesundheit. Mit Wirkung zum 01.02.2006 schloss diese mit verschiedenen Gewerkschaften einen "Überleitungstarifvertrag", der vorsah, dass die zwischen der BKK Tarifgemeinschaft und den am Tarifvertrag beteiligten Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge mit einigen im Überleitungstarifvertrag geregelten Abweichungen gelten sollten. U.a. war in § 7 eine Sonderregelung bezüglich der Altersversorgung vorgesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 7 zur Klageschrift verwiesen. Hierauf aufbauend schloss die BKK Gesundheit unter dem 09.06.2006 eine Dienstvereinbarung mit ihrem Personalrat (Anlage 6 zur Klageschrift), der u.a. Folgendes beinhaltete:
38"2. Neuordnung
39a) Arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung
40Die bisher von den Rechtsvorgängern der BKK Gesundheit erteilten arbeitgeberfinanzierten Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Altzusagen) werden zum 31.01.2006 wie folgt abgelöst:
41...
42Altzusagen in versicherungsförmigen Durchführungswegen sowie Zusagen im Durchführungsweg der rückgedeckten Unterstützungskasse ... werden zum 31.01.2006 beitragsfrei gestellt.
43Für Altzusagen im Durchführungsweg der ... Direktzusage ... erfolgt die Ablösung in der Form, dass die bisher erdienten Versorgungsleistungen aus den jeweiligen Betriebsvereinbarungen zum 31.01.2006 festgestellt werden (Besitzstand). ... Im Übrigen gelten die jeweiligen Regelungen der Altzusagen im Hinblick auf den zum 31.01.2006 ermittelten Besitzstand fort.
44Die künftig erdienbaren Versorgungsleistungen ab dem 01.02.2006 richten sich nach den Leistungsplänen - arbeitgeberfinanzierte Leistungen - A bis D, welche Bestandteil dieser Dienstvereinbarung sind. Die Finanzierung der Versorgungsleistungen erfolgt über eine firmeneigene rückgedeckte Unterstützungskasse, den BKK Fonds für Zukunftssicherung e.V. (BKKFZ e.V.).
45..."
46Seit dem 01.01.2012 besteht das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, die aus einem Zusammenschluss der BKK Gesundheit mit der Deutschen-Angestellten-Krankenkasse und der BKK Axel-Springer hervorging.
47Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Besitzstand aus dem G. Pensionsfond stehe ihr sowohl neben den Ansprüchen gegenüber der Gothaer Versicherung als auch neben den Ansprüchen aus dem BKK Fonds für Zukunftssicherung zu. Zumindest aber müsse sie insgesamt die Altersrente in der Höhe von monatlich 267,15 € erhalten, die sie nach der G. Pensionsordnung hätte erwerben können.
48Sie hat beantragt,
49festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr im Versorgungsfall eine betriebliche Altersversorgung zu zahlen, bei der die Zeit vom 01.08.1972 bis zum 31.12.1996 weder im festgestellten Anspruch gegen die Gothaer Versicherung (01.01.2013: 16.287,- €) noch im Anspruch aus der Zusage des BKK Gesundheits Fonds enthalten ist und zu einem zusätzlichen Versorgungsanspruch in Höhe des unverfallbaren Anspruchs für die Zeit vom 01.08.1972 bis zum 01.07.1996 führt;
50hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie im Versorgungsfall mindestens eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 267,15 € abzüglich der Anrechnung sonstigen Einkommens nach § 21 der G. Pensionsordnung zu zahlen.
51Die Beklagte hat beantragt,
52die Klage abzuweisen.
53Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Pensionsordnung der G. AG sei durch den Versorgungstarifvertrag für die Beschäftigten der BKK FPB Holding AG abgelöst worden. Hierzu hat sie vorgetragen, die Klägerin sei - was von ihr nicht bestritten wird - tarifgebunden gewesen. Das bei der Gothaer Versicherung erworbene Kapital von 17.218,- € entspreche umgerechnet einer monatlichen Rente von 71,74 €. Zuzüglich des Anspruchs der Klägerin aus der Zusage der BKK Fonds für Zukunftssicherung in Höhe von voraussichtlich 88,75 € ergebe sich ein höherer Anspruch als der Besitzstand aus der G. Pensionsordnung. Auf einen weitergehenden Anspruch habe die Klägerin nicht vertrauen können.
54Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.10.2013 - AZ: 11 Ca 713/11 - abgewiesen und sich zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.07.2001 - AZ: 3 AZR 660/00 - gestützt. Danach werde gemäß § 613a Abs.1 S.3 BGB eine in einer Betriebsvereinbarung beim Betriebsveräußerer geregelte Versorgungsordnung durch eine beim Erwerber bestehende Betriebsvereinbarung bzw. einen Tarifvertrag abgelöst. Der bis zum Ablösungszeitpunkt bestehende Besitzstand sei zwar aufrecht zu erhalten; dies bedeute aber nicht, dass der bis zum Betriebsübergang erdiente Versorgungsbesitzstand zusätzlich zu der beim Betriebserwerber erdienten Altersversorgung geschuldet werde. Das schützenswerte Vertrauen eines Arbeitnehmers werde schon dann nicht enttäuscht, wenn er den am Stichtag erdienten Versorgungsbesitzstand im Versorgungsfall wirklich beanspruchen könne. Nach diesen Grundsätzen sei der Besitzstand der Klägerin gewahrt, denn ihre Ansprüche aus dem Garantiewert bei der Gothaer Versicherung und der Zusage des BKK Gesundheits Fonds überstiegen ihre bei der G. AG erdiente Altersversorgung.
55Gegen dieses Urteil, welches der Klägerin am 04.11.2013 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 03.12.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 30.12.2013 begründet.
56Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht verkenne die Anforderungen an eine Besitzstandswahrung. Es berücksichtige nicht, dass es sich bei den erworbenen Ansprüchen um Zahlungen handle, die zum Ausgleich für vom Arbeitnehmer zuvor geleistete Arbeit und Betriebstreue handle. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts würde dazu führen, dass die Gegenleistung für ca. die Hälfte ihrer Lebensarbeitsleistung ersatzlos entfalle. Zumindest aber müsse dem Hilfsantrag stattgegeben werden. Ein Arbeitnehmer dürfe nämlich durch einen Betriebsübergang nicht schlechter gestellt werden als er stünde, wenn sein Arbeitsverhältnis mit dem ursprünglichen Arbeitgeber fortbestünde.
57Die Klägerin beantragt,
58das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.10.2013 - AZ: 11 Ca 713/13 - abzuändern und
591. | festzustellen, dass der Klägerin gegen die Beklagte im Versorgungsfall über den festgestellten Anspruch der Gothaer Versicherung (Stand 01.01.2013: 16.287,00 €) sowie dem Anspruch aus der Zusage des BKK Gesundheitsfonds hinaus eine betriebliche Altersversorgung in Höhe des unverfallbaren Anspruchs für die Zeit vom 14.04.1975 bis zum 31.12.1996 gemäß der Pensionsordnung der G. AG zusteht; |
2. | hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin im Versorgungsfall mindestens eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 267,15 € abzüglich der Anrechnung sonstigen Einkommens nach § 21 der G. Pensionsordnung zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
61die Berufung zurückzuweisen.
62Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvorbringens.
63Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die Sitzungsprotokolle erster und zweiter Instanz sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
64E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
65A.
66Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
67I. Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken. Sie ist statthaft (§ 64 Abs.1, 2 lit. b) ArbGG) und nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
68II. Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
691. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.
70a)Der Feststellungsantrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs.1 ZPO gerichtet. Zwar können bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr, wie vorliegend, auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. etwa BAG v. 15.05.2012 - 3 AZR 11/10 - Rn.19, zitiert nach juris; BAG v. 10.02.2009 - 3 AZR 653/07 - Rn.12, EzA Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung). So liegt der Fall hier, denn durch den Antrag soll die Frage geklärt werden, ob der Klägerin im Versorgungsfall zusätzlich zu den unstreitigen Ansprüchen aus der bei der Gothaer Pensionsfonds Unterstützungskasse für die betriebliche Altersversorgung e.V. abgeschlossenen Versicherung sowie der Zusage des BKK Fonds für Zukunftssicherung (im Antrag bezeichnet als BKK Gesundheits Fond) auch noch die Ansprüche zustehen, die sie bei der G. AG erworben hat.
71b)Es besteht das nach § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
72Durch die vorliegende Klage kann der zwischen den Parteien bestehende Streit über den Umfang der Altersversorgungsansprüche geklärt werden. Unerheblich ist, dass der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG v. 12.11.2013 - 3 AZR 510/12 - Rn.35, juris). Der Vorrang der Leistungsklage greift vorliegend schon deshalb nicht ein, weil etwaige Leistungen aus der G. Pensionsordnung noch nicht fällig sind.
732. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist die Klage hinsichtlich des Hauptantrags begründet. Der Klägerin stehen über die Ansprüche aus der Gothaer Versicherung und dem BKK Fonds für Zukunftssicherung hinaus Altersversorgungsansprüche aus der G. Pensionsordnung zu, die sie in der Zeit vom 14.04.1975 bis zum 31.12.1996 erworben hat.
74a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Arbeitsgerichts, wonach die in Form einer Betriebsvereinbarung geschlossene Pensionsordnung der G. AG mit Wirkung zum 01.01.1997 durch den zeitgleich mit dem Betriebsübergang in Kraft getretenen Versorgungstarifvertrag abgelöst worden ist.
75Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB werden Rechte und Pflichten aus der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechtsbeziehung zwischen Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer, soweit sie "durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt” sind, zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer. Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt dies nicht, wenn die betreffenden Rechte und Pflichten beim Betriebserwerber "durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt” werden. § 613a Abs.1 Satz 3 BGB findet auch auf Betriebsvereinbarungen bzw. Tarifverträge Anwendung, die Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung regeln (vgl. BAG v. 24.07.2001 - 3 AZR 660/00 - AP Nr.18 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung). Die im Schrifttum früher vertretene gegenteilige Auffassung (vgl. etwa Kemper BB 1990, 785, 789f.) ist mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht vereinbar.
76Der Wirksamkeit der Ablösung steht nicht entgegen, dass die Altersversorgung für die Mitarbeiter der BKK FPB Holding AG nicht - wie bei der Rechtsvorgängerin - in einer Betriebsvereinbarung, sondern in einem Tarifvertrag geregelt worden ist. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht eine sog. Überkreuz-Ablösung für die Fälle abgelehnt, in denen tarifvertragliche Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung beim Betriebserwerber abgeändert werden sollen (vgl. BAG v. 13.11.2007 - 3 AZR 191/06 - Rn.31, AP Nr. 336 zu § 613a BGB; BAG v. 06.11.2007 - 1 AZR 862/06 - Rn.32, AP Nr. 337 zu § 613a BGB). Umgekehrt gilt dies jedoch nicht (vgl. nur APS-Steffan, 4. Auflage 2012, BGB § 613a Rn. 140). Mit Inkrafttreten einer tarifvertraglichen Regelung wird eine vorher existierende Betriebsvereinbarung abgelöst (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 23.03.2011 - 13 Sa 155/10 - Rn.39, juris). Insoweit greift dann die Sperrwirkung des § 87 Abs.1 Eingangssatz BetrVG (vgl. BAG v. 13.03.2012 - 1 AZR 659/10 - AP Nr. 27 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; vgl. zur vergleichbaren Problematik bei § 77 Abs. 3 BetrVG: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Auflage 2014, § 77 BetrVG Rn. 279 mwN).
77b) Das Arbeitsgericht hat ebenfalls zutreffend erkannt, dass der von der Klägerin bis zum 31.12.1996 erworbene Besitzstand aufrecht zu erhalten ist.
78Über die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Besitzstandes besteht in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend Einigkeit (vgl. nur BAG v. 24.07.2001 - 3 AZR 660/00 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt, Teil 14B Rn. 502; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt, ART Rn. 1262; Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Auflage 2010, Anh § 1 Rn. 322). Gilt im aufnehmenden Betrieb bereits eine Betriebsvereinbarung (oder wie hier ein Tarifvertrag) über eine betriebliche Altersversorgung, so behandelt § 613a Abs.1 Satz 3 BGB den aufnehmenden Arbeitgeber so als hätte er eine wirksame ablösende Betriebsvereinbarung geschlossen. Da im letztgenannten Fall Besitzstände nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu wahren sind (vgl. BAG v. 15.01.2013 - 3 AZR 705/10 - ), kann für den Fall der Ablösung einer Betriebsvereinbarung im Wege eines Betriebsübergangs nichts anderes gelten.
79c) Dem Arbeitsgericht ist aber nicht darin zu folgen, dass im Streitfall der Besitzstand deshalb gewahrt worden sei, weil die Klägerin im Laufe des weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses Anwartschaften aufgrund bei der Beklagten bestehender Versorgungszusagen erworben hat bzw. erwerben wird, die insgesamt voraussichtlich den Wert der Anwartschaft aus der Pensionsordnung der G. Pensionsordnung AG übersteigen.
80aa) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.07.2001 - 3 AZR 660/00 - ausgeführt, das Gebot der Besitzstandswahrung aus der ursprünglichen Versorgungsordnung bedeute nicht, dass der bis zum Betriebsübergang erdiente Versorgungsbesitzstand vom Betriebserwerber zusätzlich zu der bei ihm erworbenen Altersversorgung geschuldet wäre. Das Gebot der Besitzstandswahrung gehe jedenfalls im Bereich der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurück. Habe ein Arbeitnehmer unter der Geltung einer betrieblichen Versorgungsordnung eine bestimmte Zeit im Arbeitsverhältnis zurückgelegt, könne er darauf vertrauen, dass er die dieser Betriebstreue entsprechende anteilige Versorgungsleistung bei Erreichen der Altersgrenze erhalten werde. Habe er die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen zurückgelegt, werde dieses Vertrauen sogar dann geschützt, wenn er den Betrieb vorzeitig verlasse und so die vom Arbeitgeber aufgestellte Voraussetzung für den Versorgungsanspruch an sich nicht erfülle. Dieses schützenswerte Vertrauen werde aber schon dann nicht enttäuscht, wenn der Arbeitnehmer den am Stichtag erdienten Versorgungsbesitzstand im Versorgungsfall auch wirklich beanspruchen könne. Besitzstandswahrung bedeute nicht, dass das auf der Grundlage der ursprünglichen Regelung einmal Erdiente erhalten bleibe und in der Folgezeit ein zusätzlicher Besitzstand auf der neuen Rechtsgrundlage erdient werden müsse (BAG v. 24.07.2001 - 3 AZR 660/00 - unter Ziffer II. 5. b der Entscheidungsgründe, AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; zustimmend: Lindemann/Simon, BB 2003, 2516; Goldbach/Obenberger, Die betriebliche Altersversorgung nach dem Betriebsrentengesetz, 3. Auflage 2013, Rn. 602; Matthießen EWiR 2003, 663, 664).
81Diese Entscheidung ist in Teilen des Schrifttums auf Kritik gestoßen (Höfer, ART Rn. 1262; diesem im Ergebnis folgend: Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, 4. Auflage 2007, Rn. 1654). Die BAG-Entscheidung führe zu einem Gleichbehandlungsproblem, da Arbeitnehmer, die im Wege des Betriebsübergangs übernommen würden, schlechter gestellt würden als solche, die vom Betriebserwerber neu eingestellt würden. Diese könnten nämlich ihre beim Altarbeitgeber erworbenen Ansprüche in vollem Umfang behalten (Höfer, ART Rn. 1262).
82bb) Zumindest für die vorliegende Fallkonstellation kann der oben dargestellten Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt werden.
83Bereits der Ausgangspunkt der Argumentation ist ungenau. Zwar ist die Rechtsprechung zur Besitzstandswahrung aus Vertrauensgesichtspunkten heraus entwickelt worden. Der bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs.1, Abs.5 S.1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag stellt aber "bereits verdientes Arbeitsentgelt" dar (vgl. hierzu BAG v. 07.11.2007 - 5 AZR 1007/06 - Rn.17, AP Nr. 329 zu § 613a BGB; Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Teil 14B, Rn. 501). Einmal verdientes Arbeitsentgelt kann jedoch nicht ohne Weiteres wieder entzogen werden. Dann ist aber auch eine "Verrechnung" bereits erworbener Anwartschaften mit Ansprüchen, die durch weitere Arbeitsleistungen und/oder Betriebstreue erworben werden, nicht zulässig. Genau auf eine solche Verrechnung würde es aber hinauslaufen, wenn die beim Altarbeitgeber erworbenen Anwartschaften nicht zusätzlich zu den beim Betriebserwerber erworbenen Ansprüchen Berücksichtigung fänden.
84Die oben dargestellte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zudem mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar (ebenso Höfer, ART Rn.1262; a.a. Blomeyer/Rolfs/Otto, Anh. § 1 Rn.3). Denn der im Wege eines Betriebsübergangs übergegangene Arbeitnehmer würde ohne nachvollziehbare Gründe schlechter gestellt als ein Arbeitnehmer, der von dem Betriebserwerber neu eingestellt wurde. Letzterer behält die Anwartschaft aus seinem vorherigen Arbeitsverhältnis und erwirbt daneben beim neuen Arbeitgeber - dem Betriebserwerber - kontinuierlich neue Ansprüche. Demgegenüber würde der im Wege des Betriebsübergangs übernommene Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund geringer vergütet. Zwar werden auch ihm scheinbar als Gegenleistung für seine Arbeit und oder/Betriebstreue beim Betriebserwerber Ansprüche auf Altersversorgung zugesagt. In Wirklichkeit werden diese "neuen" Ansprüche aber nicht vom Arbeitgeber erbracht, sondern durch Verrechnung mit den schon vorhandenen Besitzständen aus der Beschäftigungszeit beim Betriebsveräußerer finanziert.
85Eine solche Handhabung wäre zudem mit dem Schutzzweck des § 613a BGB nicht in Einklang zu bringen. Die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses, die § 613a BGB sichern soll, würde den betroffenen Beschäftigten zum Nachteil gereichen. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs übergeht, würde nämlich bezüglich der erworbenen Altersversorgungsansprüche schlechter gestellt als er stünde, wenn sein Arbeitsverhältnis beim Veräußerer beendet und er anschließend beim Veräußerer neu eingestellt worden wäre (ähnlich Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker, Teil 14B Rn.501). Hätte z.B. die Klägerin mit der G. AG einen Aufhebungsvertrag zum 31.12.1996 geschlossen und wäre dann von der BKK FPB Holding AG eingestellt worden, stünden ihr zusätzlich zu den bei der G. AG erworbenen Anwartschaften die Pensionsansprüche gegenüber der Beklagten zu. Dann kann aber im Falle einer Übernahme des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB nichts anderes gelten.
86Ob die Rechtslage dann anders zu beurteilen wäre, wenn ein Arbeitnehmer durch die Versorgung beim Betriebserwerber eine höhere Altersversorgung erwirbt als er beim Betriebsveräußerer hätte erwerben können (vgl. den Sachverhalt in der Entscheidung des 24.07.2001 - 3 AZR 660/00 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; vgl. weiter Schlewing/Henssler/Schipp/ Schnitker, Loseblatt, Teil 14 B Rn. 502.1) oder die alleinige Zugrundelegung der beim Erwerber geltenden Versorgungsordnung insgesamt günstiger ist als eine quotale Berechnung (vgl. Richardi, RdA 2003, 109, 110), bedarf keiner Entscheidung. Beides ist vorliegend nicht der Fall.
87cc) Selbst wenn man aber entgegen den obigen Ausführungen davon ausgehen würde, zur Besitzstandswahrung genüge es grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer den am Stichtag erdienten Versorgungsbesitzstand im Versorgungsfall auch wirklich beanspruchen könne, wäre die Klage zumindest teilweise begründet.
88In diesem Fall wären die Ansprüche aus der G. AG Pensionsordnung zwar anteilig in dem Umfang zu reduzieren, in welchem die Klägerin Ansprüche aus dem Gothaer Pensionsfond erworben hat. Zumindest aber die Besitzstände zum Stand 31.01.2006 müssten aber auf jeden Fall erhalten bleiben. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass in der Dienstvereinbarung vom 09.06.2006 eine Wahrung der bis zum 31.01.2006 erworbenen Ansprüche ausdrücklich geregelt worden ist. Nur die "künftig erdienbaren Versorgungsleistungen ab dem 01.02.2006 richten sich nach den Leistungsplänen" (Ziffer 2. a der Dienstvereinbarung), die neu vereinbart worden sind. Wird aber ausdrücklich vereinbart, dass die Besitzstände neben den neu zu erwerbenden Ansprüchen bestehen bleiben, so kann jedenfalls insoweit nicht auf die Grundsätze gemäß der oben zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.07.2001 zurückgegriffen werden. Dann muss auch die Klägerin - ebenso wie alle anderen unter die Dienstvereinbarung fallenden Arbeitnehmer - ab dem 01.02.2006 neue Ansprüche erwerben können, durch welche die bis dahin bestehenden Besitzstände nicht berührt werden.
89B.
90I.Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.
91II.Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 und 2 ArbGG zuzulassen.
92RECHTSMITTELBELEHRUNG
93Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
94R E V I S I O N
95eingelegt werden.
96Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
97Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
98Bundesarbeitsgericht
99Hugo-Preuß-Platz 1
10099084 Erfurt
101Fax: 0361-2636 2000
102eingelegt werden.
103Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
104Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1051.Rechtsanwälte,
1062.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1073.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
108In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
109Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
110Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
111* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
112Barth Koller Bruckhaus
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- BGB § 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang 11x
- BetrVG § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen 3x
- 11 Ca 713/11 1x (nicht zugeordnet)
- 3 AZR 11/10 1x (nicht zugeordnet)
- BetrAVG § 2 Höhe der unverfallbaren Anwartschaft 1x
- ZPO § 256 Feststellungsklage 2x
- 11 Ca 713/13 2x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 659/10 1x (nicht zugeordnet)
- BetrAVG § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung 5x
- 3 AZR 705/10 1x (nicht zugeordnet)