Beschluss vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 3 Ta 5/19
Tenor
I.Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 21.12.2018 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 11.12.2018 aufgehoben und das einstweilige Verfügungsverfahren zur mündlichen Verhandlung und erneuten Entscheidung - einschließlich der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Arbeitsgericht Oberhausen zurückverwiesen.
II.Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
III.Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.250,- € festgesetzt.
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G r ü n d e:
2I.
3Die Verfügungsklägerin erstrebt mit ihrer am 30.11.2018 bei dem Arbeitsgericht Oberhausen eingereichten Antragsschrift den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Beschäftigung als Auszubildende im Betrieb der Verfügungsbeklagten.
4Die Verfügungsklägerin ist bei der Verfügungsbeklagten seit dem 22.08.2018 auf der Grundlage eines Ausbildungsvertrages vom 27.08.2018 als Auszubildende für den Beruf der Altenpflegerin gegen eine Ausbildungsvergütung von 1.250,- € brutto monatlich beschäftigt. Eine Probezeit ist nicht vereinbart. Nachdem die Verfügungsklägerin ihre Ausbildung am 01.04.2016 bei einem anderen Ausbilder begonnen hatte, wurde sie von der Verfügungsbeklagten mit dem vorstehend zitierten Ausbildungsvertrag als Auszubildende im dritten Ausbildungsjahr eingestellt und die Ausbildung bei ihr fortgesetzt. Das voraussichtliche Ende der Ausbildung ist im Vertrag mit dem 31.03.2019 angegeben. In den Monaten Januar bis März 2019 sind die praktische, schriftliche und abschließende mündliche Prüfung vorgesehen.
5Mit Schreiben vom 16.10.2018, der Verfügungsklägerin am 19.10.2018 zugegangen, kündigte die Verfügungsbeklagte das Ausbildungsverhältnis fristlos. In dem Kündigungsschreiben, wegen dessen Wortlauts im Übrigen auf Blatt 18 der Akte Bezug genommen wird, werden folgende Kündigungsgründe genannt:
6?"Sie haben sich nicht fristgerecht krank gemeldet. Sie waren am 11. und 12.10. krank geschrieben, hier erfolgte die Krankmeldung nicht fristgerecht vor Schulbeginn. Hierfür spreche ich Ihnen eine Abmahnung aus."
7?"Die Folgekrankmeldung erfolgte ebenfalls nicht fristgerecht, sondern erst am 16.10. in der Mittagszeit, so dass hiermit eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist."
8?"Ihr Auftreten mir gegenüber ist respektlos und unerzogen. Sie haben mir 2mal die AU wortlos auf den Schreibtisch geworfen und sind wieder gegangen. Ein solches Verhalten lässt eine weitere Zusammenarbeit nicht zu. Zu dem muss man daraus schlussfolgern, das Ihr Verhalten unseren Patienten gegenüber, genau so sein wird."
9?Ihre Fehlzeiten sind so hoch, das eine Zulassung zur Prüfung voraussichtlich sowieso abgelehnt wird, somit ist Ihre Ausbildung hinfällig."
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11Gegen diese Kündigung hat die Klägerin mit Klageschrift vom 05.11.2018 vor dem Arbeitsgericht Oberhausen Kündigungsschutzklage zu dem Aktenzeichen 3 Ca 1425/18 erhoben. Mit Antragsschrift vom 30.11.2018 hat sie zudem das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet.
12Sie beantragt,
13die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, sie ab sofort im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Ausbildungsverhältnisses vom 22.08.2018 in ihrem Betrieb zu beschäftigen bis zur Entscheidung im Verfahren zu dem Aktenzeichen 3 Ca 1425/18 des Arbeitsgerichts Oberhausen, längstens bis zum Fristablauf.
14Die - anwaltlich nicht vertretene - Verfügungsbeklagte hat sich im Verfahren bislang nicht geäußert.
15Das Arbeitsgericht Oberhausen hat den Antrag mit Beschluss vom 11.12.2018 ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein zurückgewiesen und dies damit begründet, dass kein Verfügungsanspruch bestehe. Bis zu einem erstinstanzlich der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil überwiege das Interesse der Verfügungsbeklagten an einer Nichtbeschäftigung der Verfügungsklägerin. Das sei auch nicht ausnahmsweise deshalb anders zu beurteilen, weil die Kündigung offensichtlich unwirksam wäre, denn gerade das sei nicht der Fall.
16Gegen den ihr über ihre Prozessbevollmächtigten am 11.12.2018 zugestellten Beschluss hat die Verfügungsklägerin mit am 21.12.2018 bei dem Arbeitsgericht Oberhausen eingereichtem anwaltlichem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Dieser hat das Arbeitsgericht durch Entscheidung des Vorsitzenden vom 28.12.2018 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht vorgelegt.
17II.
181. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne von §§ 78 Satz 1 ArbGG, 567, 569 ZPO eingelegt worden.
192. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet und führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 572 Abs. 3 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens zur mündlichen Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht Oberhausen.
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21a. Die Aufhebung und Zurückverweisung ist im vorliegenden Fall wegen eines schweren Verfahrensfehlers, nämlich der erstinstanzlichen Entscheidung durch den hierfür unzweifelhaft nicht zuständigen Vorsitzenden statt der Kammer und damit wegen Entscheidung unter Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlich.
22In arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gilt § 62 Abs. 2 ArbGG. Nach dessen Satz 1 finden die entsprechenden Vorschriften der ZPO Anwendung. Satz 2 bestimmt allerdings spezialgesetzlich und abweichend von § 937 Abs. 2 ZPO, dass die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in dringenden Fällen, "auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist", ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Nur dann ist zudem gemäß § 53 Abs. 1 ArbGG die Alleinentscheidungskompetenz des Vorsitzenden - ohne die bei mündlichen Verhandlungen obligatorische Zuziehung der ehrenamtlichen Richter - gegeben. Dementsprechend hat die Entscheidung darüber, ob mit oder ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, unmittelbar Einfluss auf die Bestimmung des gesetzlichen Richters.
23Enger als § 937 Abs. 2 ZPO, wo eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sowohl bei besonderer Dringlichkeit als auch im Falle der Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung erfolgen kann, schreibt § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG für das arbeitsgerichtliche Verfahren vor, dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nur in dringenden Fällen möglich ist. Durch die Wendung "auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist" wird hier in Abweichung von § 937 Abs. 2 ZPO keine unabhängig von der Dringlichkeit bestehende Alternative beschrieben, sondern klargestellt, dass bei dringlichen Fällen "auch dann" ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, wenn eine zurückweisende Entscheidung - mithin aus anderen Gründen als der Dringlichkeit - erfolgt. Die Grundvoraussetzung der besonderen Dringlichkeit muss aber auch dann erfüllt sein, anderenfalls ist aufgrund mündlicher Verhandlung und damit unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden (allg. M., vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 26.05.2011 - 1 Ta 76c/11, juris, Rz. 24; LAG Sachsen vom 08.04.1997 - 1 Ta 89/97, MDR 1997, 855 f.; GMP/Germelmann, ArbGG, 8. Auflage, § 62 Rn. 85; Walker in Schwab/Weth, ArbGG, 5. Auflage, § 62 Rn. 115 m.w.N.).
24Da es sich um eine für die Bestimmung des gesetzlich zuständigen Richters entscheidende Frage handelt, ob und warum ein dringender Fall nach § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG vorliegt (LAG Schleswig-Holstein vom 26.05.2011 - 1 Ta 76c/11, juris, Rz. 25) und darüber hinaus mit dieser Verfahrensentscheidung der - weitere verfassungsrechtlich gewährleistete - Anspruch auf rechtliches Gehör
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26unmittelbar betroffen ist, muss eine Entscheidung, die entgegen dem gesetzlichen Leitprinzip der Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung ausnahmsweise ohne diese und damit in anderer Besetzung des Spruchkörpers ergeht, eine zumindest kurze Begründung zu den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG enthalten (so ebenfalls LAG Schleswig-Holstein vom 26.05.2011 - 1 Ta 76c/11, juris, Rz. 27 m.w.N.). Denn grundsätzlich ist zwar der Einfluss, den ein Vorsitzender durch seine Befugnis zur Terminierung auf die Zusammensetzung der Richterbank gewinnen kann, mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, da die Anberaumung von Gerichtsterminen nicht ohne Rücksicht auf den Sach- und Streitstand erfolgen kann (BVerfG vom 20.03.2007 - 2 BvR 2470/06, juris, Rz. 25). Die Terminierung ist, um den von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erstrebten Zweck zu erreichen, aber jedenfalls einer Willkürkontrolle zu unterziehen (BVerfG a.a.O.) und wird diesem Maßstab nicht gerecht, wenn sie weder die Beachtung der insoweit relevanten gesetzlichen Grundlage erkennen lässt noch überhaupt eine Begründung für das richterliche Vorgehen der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und damit in anderer Spruchkörperzusammensetzung enthält.
27Der angefochtene Beschluss enthält keinerlei Begründung für die Entscheidung durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung. Ihm ist nicht zu entnehmen, ob die gesetzliche Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gesehen und geprüft worden ist.
28Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen des dringenden Falles hier auch erkennbar nicht vor. Ein dringender Fall im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG liegt vor, wenn im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes die Warnung des Gegners oder die Zeitdauer, die mit einer mündlichen Verhandlung verbunden ist, vermieden werden muss und die zeitliche Dringlichkeit nicht auf ein zögerliches Verhalten des Antragstellers zurückzuführen ist (Walker in Schwab/Weth, ArbGG, 5. Auflage, § 62 Rn. 115 m.w.N.). Der dringende Fall geht somit in den Anforderungen noch deutlich über die des ohnehin stets erforderlichen Verfügungsgrundes hinaus. Sein Anwendungsbereich ist eng zu fassen, da mit ihm eine Ausnahme zu dem Grundsatz der mündlichen Verhandlung als Regelfall auch bei der einstweiligen Verfügung ermöglicht wird, damit zugleich der gesetzliche Richter (Kammer unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter oder Alleinentscheidung des Vorsitzenden) bestimmt und der Umfang des rechtlichen Gehörs geschmälert wird.
29In Anwendung dieser Grundsätze liegt der Ausnahmefall einer besonderen Dringlichkeit hier nicht vor. Unabhängig davon, dass schon die Antragstellerin seit Zugang der fristlosen Kündigung nahezu 1 ½ Monate bis zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung hat verstreichen lassen, hat das Arbeitsgericht vor seiner Entscheidung noch mit einer Stellungnahmefrist von einer Woche beide
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31Parteien zu der beabsichtigten Entscheidung angehört. Allein diese Zeit hätte bereits problemlos ausgereicht, die Sache zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu terminieren und dann zu entscheiden. Indem hier jedoch ohne jede Begründung in einem offensichtlich nicht dringenden Fall gleichwohl im Wege der Alleinentscheidung ohne mündliche Verhandlung entschieden worden ist, liegt der Entscheidung ein schwerwiegender Verfahrensfehler zugrunde, denn sie ist nicht durch den gesetzlichen Richter getroffen worden. Das wäre aufgrund notwendiger mündlicher Verhandlung die Kammer gewesen.
32b. Dieser schwerwiegende Verfahrensfehler führt hier ausnahmsweise zur Aufhebung und Zurückverweisung.
33Diese ist zulässig. Im Beschwerdeverfahren findet § 68 ArbGG keine Anwendung, vielmehr sind über § 78 Satz 1 ArbGG die Vorschriften der § 567 ff ZPO heranzuziehen (LAG Schleswig-Holstein vom 26.05.2011 - 1 Ta 76c/11, juris, Rz. 31-33; LAG Sachsen vom 08.04.1997 - 1 Ta 89/97, MDR 1997, 855; GMP/Müller-Glöge, ArbGG, 8. Auflage, § 78 Rn. 34 f.; Walker in Schwab/Weth, ArbGG, 5. Auflage, § 78 Rn. 55). Nach § 572 Abs. 3 ZPO kommt eine Zurückverweisung an das Ausgangsgericht unter anderem auch dann in Betracht, wenn der angefochtenen Entscheidung ein schwerwiegender Verfahrensfehler zugrunde liegt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Auflage, § 572 Rn. 23; OLG Celle vom 27.09.2002 - 6 W 118/02, juris). Grundsätzlich liegt die Entscheidung über eine Zurückverweisung auch bei schweren Verfahrensfehlern im Ermessen der Beschwerdekammer. Dabei ist insbesondere das besondere Beschleunigungsinteresse im arbeitsgerichtlichen Verfahren und mehr noch im vorliegenden Fall das Beschleunigungsinteresse im einstweiligen Verfügungsverfahren zu berücksichtigen. Andererseits hat aber auch Berücksichtigung zu finden, dass Verfahrensfehler, die durch die erstinstanzliche Entscheidung eines unzuständigen Richters verursacht werden, unmittelbar verfahrensgrundrechtliche Auswirkungen (gesetzlicher Richter, rechtliches Gehör) haben und durch das Beschwerdegericht nicht korrigierbar sind, sondern vielmehr im Falle einer eigenen Sachentscheidung auch dessen Zuständigkeit in Frage stellen können (vgl. OLG Celle vom 27.09.2002 - 6 W 118/02, juris, Rz. 7). Denn bei Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung wäre im vorliegenden Fall das zutreffende Rechtsmittel die Berufung gewesen. Berufungsverfahren (Sa-Verfahren) werden nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts separat und anders auf die Kammern verteilt als Beschwerdesachen (Ta-Verfahren).
34Hier kommt hinzu, dass der aus einer Zurückverweisung resultierende Verzögerungszeitraum geringfügig und vor dem Hintergrund des bereits verstrichenen Zeitraumes seit Ausspruch der Kündigung für beide Parteien hinnehmbar ist. Die sofortige Beschwerde ist beim Landesarbeitsgericht am
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3603.01.2019 eingegangen. Mit der vorliegenden Entscheidung ist ein Zeitverzug von nur 5 Tagen (einschließlich eines Wochenendes) für die Parteien verbunden. Andererseits hätte die Beschwerdekammer im Falle einer Sachentscheidung selbst terminieren und der Beklagten noch gesondert rechtliches Gehör gewähren müssen, denn nach summarischer Prüfung erscheint die Ansicht des Arbeitsgerichts, die fristlose Kündigung sei hier nicht offenkundig unwirksam, kaum haltbar. Eine verspätete Krankmeldung vermag ohne einschlägige vorherige Abmahnung auf den ersten Blick erkennbar keine außerordentliche, fristlose Kündigung zu begründen. Liegt also wie hier - durch eidesstattliche Versicherung der Verfügungsklägerin glaubhaft gemacht - ein Arbeitsverhältnis ohne bisherige Abmahnungen vor und erfolgt dann die erste Abmahnung wegen verspäteter Krankmeldung zeitgleich im Kündigungsschreiben, so dass diese erkennbar keinerlei Steuerungswirkung entfalten konnte, bringt die Ausbilderin zum einen selbst schon zum Ausdruck, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund ohne einschlägige Abmahnung keine Kündigung rechtfertigt und zum anderen liegt eine solche einschlägige Abmahnung offensichtlich nicht vor, da kündigungsrechtlich von Bedeutung immer nur einschlägige Abmahnungen sein können, die der Arbeitnehmer zuvor bereits erhalten hatte. Welchen Sinn sollte eine Abmahnung denn sonst auch haben? Das so bezeichnete "respektlose und unerzogene" Verhalten, das der Verfügungsklägerin vorgeworfen wird, hat gleichfalls auf den ersten Blick erkennbar kein solches Gewicht, dass es ohne vorangegangene Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen könnte - selbst unterstellt, bei entsprechender Substantiierung dieses Vorwurfes wäre die Verfügungsbeklagte noch in der Lage, überhaupt einen konkreten Verstoß der Verfügungsklägerin gegen ihre Pflichten zu begründen. Schließlich sind die unsubstantiiert im Kündigungsschreiben benannten Fehlzeiten offenkundig nicht geeignet eine fristlose Kündigung zu begründen, da sie schon gar kein Fehlverhalten der Verfügungsklägerin beschreiben und die restlichen Annahmen der Verfügungsbeklagten zu daraus resultierenden Auswirkungen auf die Zulassung zur Prüfung rein spekulativ sind. Schon angesichts der Offenkundigkeit der Unwirksamkeit der Kündigung, die auf andere als die nach § 22 Abs. 3 BBiG hier schriftlich genannten Gründe im Prozess nicht mehr gestützt werden kann (BAG vom 12.02.2015 - 6 AZR 845/13, juris, Rz. 91), erst recht aber angesichts des zugunsten der Verfügungsklägerin in die Abwägung einzubeziehenden Umstandes, dass sie sich in der Endphase ihrer Ausbildung befindet und hier besonders triftige Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses in Anbetracht der Auswirkungen auf die Möglichkeit zur erfolgreichen Ablegung der Prüfung und damit der Erzielung des Berufsabschlusses bestehen müssten, wird das Arbeitsgericht eine erneute Prüfung des Beschäftigungsinteresses in Abwägung mit dem Beendigungsinteresse der Verfügungsbeklagten vorzunehmen haben. Sodann wird noch der Verfügungsgrund zu prüfen sein.
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38Diese Prüfung nun in der Beschwerdeinstanz vorzunehmen und hier Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, würde zugleich bedeuten, die bislang im Verfahren passive Verfügungsbeklagte, die angesichts der erstinstanzlich erteilten Hinweise und Entscheidungen auch keinen Anlass zur Geltendmachung von Einwänden hatte, unmittelbar zu zwingen, im Beschwerdeverfahren nunmehr ihre Rechte mit anwaltlichem Vertreter wahrzunehmen. Denn für die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gilt auch im Beschwerdeverfahren der Vertretungszwang nach § 11 Abs. 4 ArbGG (allg. M.: Schwab in Schwab/Weth, ArbGG, 5. Auflage, § 78 Rn. 32 m.w.N.). Weder ist es zeitlich erforderlich noch vor diesem Hintergrund angemessen, die nun anstehende und aufgrund mündlicher Verhandlung vor der Kammer zu erfolgende Sachentscheidung im Beschwerderechtszug vorzunehmen. Dies wird das Arbeitsgericht Oberhausen vielmehr nach § 572 Abs. 3 ZPO nach Zurückverweisung selbst nachzuholen und dann erneut in der Sache zu entscheiden haben.
39Dabei kommt dem Umstand, dass keine der Parteien sich auf die hier festgestellte Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters berufen und eine Zurückverweisung beantragt hat, kein entscheidendes Gewicht für die nunmehr gleichwohl erfolgende Zurückverweisung zu. Diese muss nicht beantragt werden, sondern steht nach § 572 Abs. 3 ZPO allein im Ermessen des Beschwerdegerichts. Dieses wurde wie vorstehend ersichtlich ausgeübt. Auf das Recht auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch keine der Parteien wirksam verzichten, da seine Beachtung im öffentlichen Interesse liegt (BGH vom 15.10.2013 - II ZR 112/11, juris, Rz. 7). Mithin mussten die Parteien - was auch angesichts des Beschleunigungsgebots im einstweiligen Verfügungsverfahren untunlich gewesen wäre - nicht zuvor noch gesondert angehört und gefragt werden, ob sie mit einer Zurückverweisung einverstanden sind oder den vorliegenden Besetzungsmangel der erstinstanzlichen Entscheidung hinnehmen wollen.
40Für die erneute Entscheidung durch das Arbeitsgericht wird darauf hingewiesen, dass dieses an die vorstehenden Ausführungen zur Erforderlichkeit der mündlichen Verhandlung analog § 563 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich allerdings nicht auf die Einschätzung der Beschwerdekammer zu offensichtlichen Unwirksamkeit der Kündigung der Verfügungsbeklagten, da die diesbezüglichen Erwägungen nicht tragend für die Zurückverweisung sind.
41Das Arbeitsgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung zugleich über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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43III.
44Die Rechtsbeschwerde wird mangels dies nach §§ 78 Satz 2, 72 ArbGG rechtfertigender Gründe nicht zugelassen.
45Die Festsetzung des Gegenstandswertes entspricht einem Bruttoausbildungsverdienst.
46Diese Entscheidung ergeht ihrerseits ohne mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden auf der Grundlage des § 78 Satz 3 ArbGG.
47R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
48Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
49Klein
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