Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 17 Sa 1458/14
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 11.09.2014 – 2 Ca 2436/13 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Höhe einer besonderen tariflichen Vergütung.
3Der Kläger ist seit dem 15.08.1978 als Musiker im Städtischen Sinfonieorchester beim Theater der Beklagten, einem Eigenbetrieb, beschäftigt. Er erzielte im Dezember 2013 eine Grundvergütung von 3.581,86 € (Bl. 154 d.A).
4Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 08.08.1978 (Bl. 8 d.A.) zugrunde. Gemäß § 4 des Vertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 01.07.1971 in der jeweils geltenden Fassung und den in ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrags ist der Kläger zum Spielen des Instrumentes Basstuba und des Nebeninstruments Kontrabasstuba verpflichtet.
5Im September 2013 und Oktober 2013 hat der Kläger bei Proben und Aufführungen die Instrumente Cimbasso und Euphonium gespielt.
6§ 6 TVK vom 31.10.2009 enthält folgende Regelung:
7(2) Der Musiker ist im Rahmen seines Leistungsvermögens ferner verpflichtet,
8….
9d) zum Spielen eines ungewöhnliches Instruments, auch wenn es nicht im Arbeitsvertrag genannt ist.
10In der Protokollnotiz Nr. 2 zu Absatz 2 ist die Cimbasso-Posaune beispielhaft als ungewöhnliches Instrument benannt.
11In § 21 Absatz 1 TVK haben die Tarifvertragsparteien folgende Regelung getroffen:
12Für Leistungen nach § 6 Abs. 2 Buchst. b) bis d) ist dem Musiker eine angemessene besondere Vergütung zu zahlen. Für das Spielen eines ungewöhnlichen Instruments gilt dies nicht, wenn der Musiker hierfür nach § 20 eine Tätigkeitszulage erhält.
13Der Kläger bezieht keine Tätigkeitszulage im Sinne des § 20 TVK.
14Am 09.03.1990 traf die Beklagte mit dem Orchestervorstand eine Vereinbarung über die Zahlung besonderer Vergütungen gemäß des damals gültigen § 27 TVK. Gemäß § 1 Nr. 1.2 betrug die besondere Vergütung für das Spielen der Cimbasso-Posaune je Aufführung 4 % der Endgrundvergütung der Vergütungsgruppe B TVK. Die Probenabgeltung betrug 50 % dieser Vergütung. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegte Kopie (Bl. 21, 22 d.A.) Bezug genommen.
15Nach § 1 der Vereinbarung über die Zahlung besonderer Vergütungen gemäß § 21 TVK vom 21.10.2008, geschlossen von der Betriebsleitung des Theaters und dem Orchestervorstand am 24.04.2012 (Bl. 19, 20 d.A.), betrug die besondere Vergütung für das Spielen der Cimbasso-Posaune ab 01.09.2012 je Aufführung 3,5 % der Stufe 3 der Vergütungsordnung – West Vergütungsgruppe B TVK, je Probe 50 % dieser Vergütung.
16Am 16.07.2013 vereinbarten die Betriebsleitung und der Orchestervorstand eine neue Regelung zur Zahlung der besonderen Vergütung nach § 21 TVK (Bl. 17, 18 d.A.). Gemäß § 1 der Vereinbarung beträgt die Vergütung für das Spielen ungewöhnlicher Instrumente (auch Cimbasso) ab dem 01.09.2013 je Aufführung 1,5 % der Vergütungsstufe 3 der Vergütungsordnung-West Vergütungsgruppe B TVK, für Proben 50 % dieser Vergütung.
17Der Kläger war in der Spielzeit 2012/2013 für 247 Dienste und in der Spielzeit 2013/2014 für 216 Dienste vorgesehen (Bl. 135 d.A.).
18Im September 2013 probte er mehrfach für die Aufführung einer Oper unter Einsatz des Cimbassos und im September 2013 zusätzlich unter Einsatz des Instrumentes Euphonium für das Münsterlandfestival. Wegen der Proben und Aufführungen im Einzelnen wird auf die Klageschrift vom 20.12.2013 (Bl. 5 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte zahlte für die Proben eine besondere Vergütung von 25,00 €, für die Aufführung von 45,00 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift (Bl. 5 d.A.) und auf die Abrechnungen vom 10.10.2013 (Bl. 31, 32 d.A.) und vom 07.11.2013 (Bl. 33 d.A.) verwiesen.
19Nach vorgerichtlichem Schriftverkehr (Bl. 123 bis 130 d.A.) begehrt der Kläger mit seiner am 27.12.2013 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangenen Klage, der Beklagten am 02.01.2014 zugestellt, deren Verurteilung zur Zahlung von 465,00 €.
20Er hat die Auffassung vertreten, die mit der Vereinbarung vom 16.07.2013 festgesetzte besondere Vergütung sei nicht mehr angemessen. Allenfalls die in der Vereinbarung von 2012 festgesetzte Vergütung könne Grundlage für seine Vergütung nach § 21 Abs. 1 TVK sein.
21Er hat vorgetragen:
22Die Vereinbarung vom 16.07.2013 habe die Vereinbarung vom 24.04.2012 schon deshalb nicht aufgehoben, weil nur ein Mitglied des dreiköpfigen Orchestervorstandes unterzeichnet habe.
23In der Abwägung der beiderseitigen Interessen seien nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen der Beklagten zu berücksichtigen, wie sie sie mit Schreiben vom 04.11.2013 (Bl. 28, 29 d.A.) dargestellt habe, sondern auch sein Aufwand für das Erlernen und Perfektionieren des Spielens von ungewöhnlichen Instrumenten. Gerade das Cimbasso erfordere einen erheblichen Probeaufwand, da es sich um ein zylindrisches Instrument und nicht -wie die Tuba- um ein konisches Instrument handle.
24Zu berücksichtigen sei auch, dass die besondere Vergütung seit 1990 in erheblichem Umfang reduziert worden sei.
25Die Beklagte schulde ihm für das Spielen des Cimbassos unter Zugrundlegung der Vereinbarung 2012 345,00 € und für das Spielen des Euphoniums 120,00 €.
26Der Kläger hat beantragt,
27die Beklagte zu verurteilen, an ihn 465,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten Zinsen seit dem 02.01.2014 zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie hat die festgesetzte Vergütung als angemessen im Sinne des § 21 Abs. 1 TVK verteidigt und ausgeführt, die Reduzierung auf 1,5 % sei zur Haushaltskonsolidierung erforderlich. Ohne dazu verpflichtet zu sein, habe sie die besondere Vergütung mit dem Orchestervorstand verhandelt und vereinbart, um Transparenz zu schaffen und die Musiker gleich zu behandeln.
31Mit Urteil vom 11.09.2014 hat das Arbeitsgericht Münster die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
32Es hat ausgeführt:
33Die Kammer könne nicht erkennen, dass die Zusatzvergütung nach der Vereinbarung vom 16.07.2013 unangemessen sei. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen die nunmehr gezahlte Vergütung gegen § 21 Abs. 1 TVK verstoße. Die Kürzung allein führe nicht zu einer Unangemessenheit. Die Tarifvorschrift gewähre dem Arbeitgeber einen Spielraum zur Ausgestaltung der Vergütung. Dabei habe sich die Beklagte nicht an den vorhergehenden Vereinbarungen orientieren müssen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 80 bis 84 der Akte verwiesen.
35Gegen das ihm am 19.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.10.2014 bei dem Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
36Er rügt das erstinstanzliche Urteil als fehlerhaft und trägt vor:
37Auf der Grundlage der Vereinbarung von 1990 habe er für das Spielen ungewöhnliche Instrumente in Aufführungen 150,00 € und in Proben 75,00 € erhalten. Aufgrund der Vereinbarung aus dem Jahre 2012 habe sich die Vergütung auf 100,00 € pro Aufführung und 50,00 € pro Probe reduziert. Aufgrund der neuerlichen Reduzierung in 2013 erhalte er nur noch „geradezu alberne“ 45,00 € pro Aufführung und 25,00 € pro Probe. Zu berücksichtigen sei, dass damit eine intensive Probenarbeit und die Mitwirkung an einem möglicherweise viele Stunden langen Opernabend vergütet werde. Die Kürzung betrage gegenüber der langjährigen Übung 70 %.
38Die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Gerichtes sei unzureichend. Die Ausführung des Arbeitsgerichts, der Arbeitgeber sei nach Auffassung der Kammer nicht verpflichtet, die früheren Dienstvereinbarungen als angemessen anzusehen, halte einer Prüfung nicht stand.
39Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stelle die Sondervergütung eine Leistungs- oder Erschwerniszulage dar, die in einem angemessenen Verhältnis zu seiner normalen Vergütung stehen müsse.
40Zu berücksichtigen sei hier, dass externe Musiker für das Spielen eines ungewöhnlichen Instruments im Bereich des Bühnenvereins Mitte unstreitig 165,00 € pro Aufführung zusätzlich 25 % und für Proben 112,00 € zuzüglich 25 % erhielten. Weiterhin seien Fahrgelder und Spesen zu zahlen. Der Einsatz eigener Kräfte führe demnach zu erheblichen Einsparungen.
41In Hagen werde für das Spielen eines ungewöhnlichen Instrumentes ein Betrag von 130,00 € für die Aufführung und 65,00 € für die Probe bezahlt. In Bielefeld liege die Tagesgage zwischen 150,00 € und 170,00 € inclusive Proben. Das Orchester Krefeld vergüte eine Aufführung mit 100,00 € und eine Probe mit 50,00 €. Die niedrigsten Sätze gebe es in Bochum und Recklinghausen. Selbst von diesen Sätzen zahle die Beklagte letztlich nur rund die Hälfte.
42Selbst wenn diese angehalten sei, im Kulturbereich 700.000,00 € einzusparen, so sei der Einspareffekt der Senkung der besonderen Vergütung lediglich mit 5.000,00 € zu beziffern. Statt die Vergütung zu kürzen, hätten Einsparungen auch durch eine intelligente Gestaltung der Spielpläne mit weniger Stücken erreicht werden können. Im Übrigen gehöre die Beklagte zu den finanzstarken Kommunen.
43Bei der Prüfung der Angemessenheit der Vergütung sei zu berücksichtigen, dass er in 2004/2005 begonnen habe, das Instrument Cimbasso zu erlernen, und auch heute noch vor einer Aufführung umfangreich proben müsse. Soweit die Beklagte auf seine Diensteinteilung verwiesen habe, sei darauf hinzuweisen, dass diese lediglich von dem Instrumenteneinsatz abhänge.
44Der Kläger beantragt,
45unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Münster vom 11.09.2014 (Az.: 2 Ca 3436/13) der Klage stattzugeben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 465,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
46Die Beklagte beantragt,
47die Berufung zurückzuweisen.
48Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt aus:
49Von dem Eigenbetrieb Theater sei im Rahmen der Finanzkonsolidierung eine Sparvorgabe von 700.000,00 € in vier Spielzeiten zu erwirtschaften. Der Eigenbetrieb habe die Ausgestaltung der Einsparungen selbst gestalten können. In den verschiedenen Sparten des Theaters seien Vorschläge entwickelt und sei eine Maßnahmeplanung erstellt worden. Dazu gehörten Stelleneinsparungen, aber auch Sparmaßnahmen wie hier im Rahmen der besonderen Vergütung. Diese Einsparung beruhe auf einer Initiative aus dem Orchestervorstand.
50Die in 2013 festgesetzte besondere Vergütung entspreche billigem Ermessen. Das habe auch die Interessenvertretung der Musiker – der Orchestervorstand – so gesehen.
51Zu berücksichtigen sei, dass ein Aushilfsmusiker für das Spielen eines ungewöhnlichen Instruments unstreitig einen Zuschlag von 25 % erhalte. Bei einer Probe erziele er demnach eine besondere Vergütung von 28,13 € und bei einer Aufführung von 41,25 €. Wegen der Vergütungssätze von Aushilfsmusikern im Einzelnen verweise sie auf die Orchesteraushilfen – Regelung ab 01.08.2004 (Bl. 133, 134 d.A.). Diese auch im Lande Nordrhein-Westfalen geltende Regelung sei nach wie vor in Kraft.
52Da der Kläger die ungewöhnlichen Instrumente während seiner Arbeitszeit spiele, seien auch nur die Aushilfsmusikerzulagen mit seiner besonderen Vergütung vergleichbar.
53Er sei nicht überbelastet. Ein vollzeitbeschäftigter Musiker habe in den zwei Spielzeiten eines Jahres bis zu 366 Dienste zu leisten, während der Kläger deutlich weniger Dienste erbracht habe.
54Sie räume ein, dass sie für das Spielen ungewöhnlicher Instrumente deutlich weniger als der Durchschnitt der Orchester zahle. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Musiker des B-Orchesters Bergische Symphoniker GmbH je Dienst nur 46,00 € erhielten, das B-Orchester des Theaters Dessau pro Aufführung 46,00 € und pro Probe 25,00 € zahle. Die Musiker des B-Orchesters Loh-Orchester Sondershausen erhielten lediglich eine einmalige Probenpauschale von 35,00 € und einen weiteren Betrag von 35,00 € pro Aufführung.
55Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
56Entscheidungsgründe
57A.
58Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 a, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 11.09.2014 ist unbegründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die zulässige Klage abgewiesen.
59Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung weiterer 465,00 € nebst Zinsen zu. Die nach § 21 Abs. 1 TVK geschuldete besondere Vergütung ist angemessen festgesetzt worden.
60I.
61Der TVK vom 31.10.2009 ist gemäß § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 08.08.1978 auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
62II.
63Der Kläger hat die Ausschlussfrist gemäß § 61 TVK von sechs Monaten nach Fälligkeit des Anspruchs durch schriftliche Geltendmachung gewahrt.
64Gemäß § 22 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 TVK ist die Vergütung am 15. des laufenden Monats fällig. Ob vorliegend der Fälligkeitstag für die Sondervergütung im Sinne des § 22 Abs. 1 Unterabsatz 2 TVK auf einen späteren Termin verschoben wurde, ist nach den Abrechnungsdaten für die besondere Vergütung am 10.10.2013 und 07.11.2013 zu vermuten, aber nicht vorgetragen. Die Frage kann offenbleiben, da die am 27.12.2013 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangene Klage, der Beklagten am 02.01.2014 zugestellt, die sechsmonatige Ausschlussfrist in jedem Fall wahrt.
65III.
66Gemäß § 21 Abs. 1 TVK besteht ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen besonderen Vergütung für Leistungen nach § 6 Abs. 2 b bis d TVK, es sei denn der Musiker erhält eine Tätigkeitszulage nach § 20 TVK.
671. Der Kläger erhält unstreitig keine Tätigkeitszulage.
682. Er hat in dem streitgegenständlichen Zeitraum September und Oktober 2013 mit den Instrumenten Cimbasso und Euphonium in seinem Arbeitsvertrag nicht genannte ungewöhnliche Instrumente im Sinne des § 6 Abs. 2 d TVK i.V.m. der Protokollnotiz zu § 6 Abs. 2 TVK gespielt. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit.
693. Mit einer zwischen der Betriebsleitung des Eigenbetriebs Theater Münster und dem Orchestervorstand am 16.07.2013 geschlossenen Vereinbarung ist die besondere Vergütung nach § 21 Abs. 1 TVK mit Wirkung zum 01.09.2013 auf 1,5 % der Vergütungsstufe 3 der Vergütungsordnung West Vergütungsgruppe B TVK und für Proben auf 50 % dieses Betrags festgesetzt worden. Die sich danach ergebenden Beträge von unstreitig 45,00 € pro Aufführung und 25,00 € pro Probe hat die Beklagte geleistet. Auch insoweit besteht kein Streit.
704. Streitig ist allein, ob die besondere Vergütung zum 01.09.2013 wirksam festgesetzt und angemessen ist.
71Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 TVK schuldet der Arbeitgeber die besondere Vergütung. Er hat sie in angemessener Höhe festzusetzen. Die Tarifvorschrift eröffnet ihm unter den in § 21 Abs. 1 TVK genannten Voraussetzungen einen Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite.
72a. Gegen die Wirksamkeit der Tarifvorschrift bestehen keine Bedenken.
73Die Tarifautonomie erlaubt es den Tarifvertragsparteien, die Rechtsetzungsbefugnis zu delegieren, indem einer Partei des Arbeitsvertrags ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird. Die Tarifvertragsparteien sind dabei nicht grundsätzlich gehindert, dem Arbeitgeber sogar ein freies, nicht an billiges Ermessen gebundenes Gestaltungsrecht einzuräumen (BAG 31.07.2014 – 6 AZR 822/12 - Rdnr. 12, EBE/BAG 2014, 193).
74Hier haben die Tarifvertragsparteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber eine Leistungsbestimmung treffen muss und dass sich diese am Maßstab der Billigkeit ausrichten muss, da sie die Angemessenheit der festzusetzenden besonderen Vergütung fordern (BAG 07.12.1994 – 10 AZR 41/94 - Rdnr. 49, NZA 1995, 955).
75b. Die Festsetzung der besonderen Vergütung durch Vereinbarung zwischen Orchestervorstand und der Beklagten entspricht nicht schon deshalb billigem Ermessen, weil der Orchestervorstand beteiligt wurde und mit der Regelung einverstanden war.
76Eine Beteiligung des Orchestervorstands ist weder in § 21 Abs. 1 TVK vorgesehen noch ergibt sie sich aus den Aufgaben des Orchestervorstands nach § 57 Abs. 1 a bis d TVK. Gemäß § 57 Abs. 1 e TVK ist der Orchestervorstand darüber hinaus in allen sonstigen Fällen zu beteiligen, in denen ihm durch Gesetz oder durch den Tarifvertrag Aufgaben zugewiesen sind. § 21 Abs. 1 TVK sieht die Beteiligung nicht vor.
77c. Die von dem Orchestervorstand gebilligte Leistungsbestimmung entspricht entgegen der Auffassung des Klägers (noch) billigem Ermessen, § 315 Abs. 1 BGB. Einer Bestimmung durch das Gericht gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bedarf es nicht.
78Billiges Ermessen ist dann gewahrt, wenn die Leistungsbestimmung unter Abwägung der wesentlichen Umstände des Falls getroffen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (BAG 31.07.2014 a.a.O. Rdnr. 19). Zu den wesentlichen Umständen gehören die Besonderheiten des Vertragsverhältnisses und die besonderen Umstände, die für seine Abwicklung von Bedeutung sind (BAG 22.10.1962 – 5 AZR 208/61 - Rdnr. 19, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Musiker).
79Hier besteht die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer gemäß § 6 Abs. 2 d TVK auch dann im Rahmen seines Leistungsvermögens verpflichtet ist, ein ungewöhnliches Instrument zu spielen, wenn dieses nicht in dem Arbeitsvertrag genannt ist. Es geht demnach nicht um die zusätzliche Vergütung für eine freiwillige Leistung des Arbeitnehmers, sondern die Erfüllung einer zusätzlichen Leistungspflicht soll honoriert werden, weil mit ihr ein besonderer Einarbeitungsaufwand verbunden ist. Der Kläger verweist insoweit auf einen zusätzlichen Übungs- und Probebedarf.
80Der Art nach handelt es sich deshalb um eine Leistungs- oder Erschwerniszulage, die neben dem normalen Arbeitsentgelt geleistet wird. Mit diesem wird der Dienst an sich abgegolten (BAG 07.12.1994 a.a.O. Rdnr. 51; 22.10.1962 a.a.O. Rdnr. 20). Daraus folgt, sie in einem angemessenen Verhältnis zu der normalen Vergütung stehen muss, nicht höher als diese selbst sein kann, deshalb üblicherweise einen Bruchteil derselben beträgt (BAG 07.12.1994 a.a.O. Rdnr. 51; 22.10.1962 - Rdnr. 20).
81aa. In seiner Entscheidung vom 22.10.1962 hat das Bundesarbeitsgericht geprüft, in welchem Verhältnis die besondere Vergütung zu dem Entgelt steht, das der Musiker für die täglich zu erbringende Dienstleistung bezieht, sei es durch Teilnahme an Orchesterproben, sei es durch Mitwirkung an Aufführungen. Es hat weiterhin geprüft, welchen Zeitraum der Einsatz des ungewöhnlichen Instruments innerhalb einer Aufführung beansprucht. Abzustellen ist auch auf den Zeitraum des erforderlichen Ein-übens des Instruments und der Proben mit dem Orchester.
82Hier hat der Kläger nicht näher beschrieben, in welchem Umfang er außerdienstliche Übungszeit für die Instrumente Cimbasso und Euphonium aufwenden muss. Das Instrument Cimbasso spielt er seit 2004/2005 und hat damals nach seinem Vortrag erheblichen Aufwand betreiben müssen, um die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Dieser übergroße Aufwand wird jedoch Ende 2013 nicht mehr erforderlich gewesen sein. Nähere Angaben hat der Kläger nicht gemacht. Auch der Aufwand bei Proben und Aufführungen ist nicht erkennbar.
83Nach seiner eigenen Aufstellung hat er für die Aufführung bei dem Münsterlandfestival drei Proben, für die Aufführung der Oper „Der Troubadour“ soweit ersichtlich sieben Probetage aufgewendet. Der Umfang der Beteiligung seiner Instrumente an den Aufführungen ist nicht ersichtlich.
84Das Gericht kann deshalb bei der Billigkeitsprüfung nur davon ausgehen, dass der Aufwand dem üblichen bei dem Spielen eines ungewöhnlichen Instruments entspricht.
85bb. Unter Zugrundelegung eines monatlichen Entgelts von 3.581,86 € bezieht der Kläger ohne Sonderzuwendungen ein Jahreseinkommen von 42.982,32 €. Bei durchschnittlich 231,5 Diensten pro Spielzeit in dem Zeitraum 2012 bis 2014 hat er pro Dienst 185,66 € verdient. Die besondere Vergütung für eine Aufführung mit einem ungewöhnlichen Instrument beträgt demnach 24,4 % der Normalvergütung, für eine Probe 13,46 %.
86cc. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass diese Vergütung gegenüber den sich aus den Vereinbarungen vom 09.03.1990 und 24.04.2012 ergebenden besonderen Vergütungen deutlich gesunken ist. Gleichwohl ist diese nicht nur dann angemessen, wenn sie z.B. entsprechend der tariflichen Entgeltentwicklung stetig steigt.
87Bei der Billigkeitskontrolle sind auch die Interessen des Arbeitgebers angemessen zu berücksichtigen. Es hat eine Abwägung zu erfolgen. Hier hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass das Theater als Eigenbetrieb in vier Spielzeiten eine Sparvorgabe von 700.000,00 € zu erfüllen hat, die nach Diskussionen in den verschiedenen Theatersparten nicht nur durch Stelleneinsparungen, sondern auch durch Entgeltkürzungen erwirtschaftet werden soll. Es steht dem Gericht nicht zu, dem Theater vorzuschreiben, ob die Einsparungen nicht auch durch eine andere Programmgestaltung erzielt werden könnten, wie sie der Kläger vorschlägt. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die nach Artikel 5 Abs. 3 GG geschützte künstlerische Freiheit.
88Ob die Sparvorgaben angesichts der Finanzkraft der Beklagten erforderlich und angemessen sind, unterliegt der Entscheidung des Rates, nicht des Gerichts.
89Im Hinblick auf diese finanziellen Vorgaben führt allein die Tatsache, dass die besondere Vergütung erheblich gesenkt wurde, noch nicht zu ihrer Unangemessenheit.
90dd. Die Festsetzung hält auch dem Vergleich mit der an Musiker anderer Orchester gezahlten Vergütung stand.
91Zutreffend verweist der Kläger darauf, dass die besondere Vergütung in den Städten Hagen, Bielefeld, Krefeld, Bochum und Recklinghausen unabhängig von der Wirtschaftskraft der jeweiligen Kommune teilweise erheblich über der von der Beklagten festgesetzten Vergütung liegt. Auch in den B-Orchester Bergische Symphoniker GmbH wird pro Dienst ein höherer Betrag gezahlt. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass beim Theater Dessau eine vergleichbare, im Lo-Orchester Sondershausen eine deutlich geringere besondere Vergütung gezahlt wird. Eine branchenübliche Vergütung ist danach nicht feststellbar, so dass der Hinweis des Klägers auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Lohnwucher nicht zielführend ist.
92Nach Auffassung der Kammer ist angesichts der Bandbreite der in Deutschland von den jeweiligen Orchesterträgern nach § 21 TVK festgesetzten Vergütung der Blick auf die Bezahlung von Aushilfskräften besonders aussagekräftig. Abzustellen ist nicht auf ihre Gesamtvergütung, sondern auf den Anteil der Vergütung, der für das Spielen ungewöhnlicher Instrumente gezahlt wird. Aushilfsmusiker erhalten eine Zulage von 25 %, mithin 41,25 € für eine Aufführung, 28,13 € für eine Probe. Im Vergleich erhält der Kläger für eine Aufführung eine höhere, für eine Probe eine etwas niedrigere besondere Vergütung. Die Unterschiede sind insgesamt wenig erheblich.
93Soweit der Kläger darauf hinweist, die 2004 festgesetzte Vergütung für Aushilfsmusiker spiele zumindest in den stark nachgefragten Instrumentengruppen keine wesentliche Rolle, ist der Vortrag für das Gericht mangels näherer Angaben zu der marktgerechten Vergütung gerade bei den Instrumenten Cimbasso und Euphonium nicht überprüfbar.
94In der Gesamtbetrachtung der die Angemessenheit bestimmenden Faktoren ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die Festsetzung noch der Billigkeit entspricht. Diese Auffassung teilt anscheinend auch der Orchestervorstand, der die Festsetzung mitgetragen hat, wobei es auf sein Einverständnis nicht entscheidend ankommt.
95B.
96Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
97Gründe im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
98Es war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblich, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
99Voraussetzung der Revisionszulassung nach dieser Vorschrift ist, ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich, sie klärungsfähig und –bedürftig ist und ob die Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkung die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (BAG 13.06.2006 – 9 AZN 226/06 - Rdnr. 7, NZA 2006, 1004).
100Eine Rechtsfrage ist eine Frage, welche die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit, den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (BAG 23.01.2007 – 9 AZN 792/06 - Rdnr. 5, BAGE 121, 52). Hier ist schon fraglich, ob eine Rechtsfrage entscheidungserheblich war. Die Wirksamkeit der Tarifnorm und die Anwendbarkeit des § 315 BGB sowie sein Inhalt stehen außer Zweifel. Im Streit steht die Subsumtion des Sachverhalts unter den Begriff der Billigkeit. Das ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit, die die Zulässigkeit der Revision allein nicht begründen kann.
101Die Anwendbarkeit der Grundsätze des § 315 BGB im Rahmen des § 21 TVK ist im Übrigen höchstrichterlich geklärt, wie das Gericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu den inhaltsgleichen Vorgängernormen des § 18 Satz 1 TOK und des § 27 Abs. 1 TVK dargestellt hat.
102Es fehlt auch an einer allgemeinen Bedeutung der Beantwortung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Diese ist gegeben, wenn die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangt, so dass sie der Wahrung der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung dient. Es reicht nicht aus, wenn nur das Rechtsverhältnis der Parteien oder auch nur wenige gleichgelagerte Rechtsverhältnisse betroffen sind (BAG 09.09.1981 – 4 AZN 241/81 - Rdnr. 5, BAGE 36, 85). Allein schwere persönliche und wirtschaftliche Folgen, die sich aus dem Prozess für die Partei ergeben, rechtfertigen keine Revisionszulassung (Schwab, ArbGG, 3. Aufl., § 72 ArbGG Rdnr. 27).
103Eine allgemeine Bedeutung kann gegeben sein, wenn es sich um einen sogenannten Musterprozess handelt. Bei diesem wird zwar nur ein einziger Rechtsstreit bis zum Bundesarbeitsgericht durchgeführt. Die Entscheidung wird gleichwohl für eine Vielzahl bereits anhängiger oder zu erwartender gleichgelagerter Prozesse ausschlaggebend, so dass die Rechtsfrage allgemeine Bedeutung hat (BAG 17.10.2001 – 4 AZN 326/01 - Rdnr. 8, EzBAT §§ 22, 23 BAT B 1 VergGr. II a Nr. 11 a; 26.05.1955 – 2 AZR 66, 53 - Rdnr. 18, BAGE 2, 26; Schwab a.a.O. § 72 ArbGG Rdnr. 28).
104Hier sind dem Gericht weitere bereits anhängige, gleichgelagerte Rechtstreitigkeiten nicht bekannt geworden. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger (BAG 17.10.2001 a.a.O. Rdnr. 8) hat nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang Musiker des Theaters Münster für das Spielen eines ungewöhnlichen Instruments eine höhere Vergütung entsprechend seinem Begehren für sich beanspruchen.
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Referenzen
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