Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamburg (6. Kammer) - 6 Sa 2/16

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2015 – Az. 5 Ca 231/15 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und die Beklagte die Klägerin weiterbeschäftigen muss.

2

Die Klägerin war seit dem 20. Oktober 1986 bei der Firma L. GmbH mit Sitz in N. (im folgenden L.) bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Die L. war auf Verfahren und Prozesse zur systematischen Analyse von Daten in elektronischer Form im Bereich der Abrechnungen im Luftverkehr spezialisiert. Hierzu bot sie Produkte und Lösungen im Bereich Revenue Accounting an und vermarktete diese. In der Vergangenheit waren bei der L. mehr als 400 Mitarbeiter beschäftigt. Hauptauftraggeberin der L. war deren Muttergesellschaft, die L1 AG.

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Die Beklagte ist aus einer Unternehmensspaltung der L. hervorgegangen ist. Sie beschäftigt derzeit ca. 120 Mitarbeiter und ist als Tochtergesellschaft der L2 GmbH Teil des L1-Konzerns.

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Zumindest bis zum 30. Oktober 2014 war die Klägerin bei der L. dem Team HAM D. zugeordnet und dort als Sachbearbeiterin Interline Match Errors (Jobgruppe Allrounder 2) mit einer monatliche Bruttovergütung in Höhe von 3.300,00 € tätig. Die zuletzt von der Klägerin ausgeführten Tätigkeiten ergeben sich aus dem Zwischenzeugnis der L. vom 28. Januar 2014, hinsichtlich dessen Inhalts auf die Anlage K 2, Bl. 32 ff. d.A. verwiesen wird.

5

Die L1 AG beschloss zur Restrukturierung und Kostensenkung das konzernweite Programm „S.“. Teil dieses Restrukturierungsprogramms ist auch das Projekt „G.“. Inhalt dieses Projekts ist u.a. die Neuverteilung der bislang von der L. ausgeführten Aufträge. Zunächst war geplant, die L. im Zusammenhang mit „G.“ komplett zu schließen. Im Zuge der Verhandlungen mit dem Betriebsrat des Betriebs N. kam der Vorschlag einer umwandlungsrechtlichen Spaltung der L. auf. Schließlich wurde die Spaltung der L. und deren Aufteilung auf zwei Gesellschaften, der „L. neu“ (jetzt: L3 N. GmbH –L3 -) sowie der „L2 Hamburg“ (jetzt: die Beklagte) beschlossen. Ein Teil der bislang von der L. ausgeführten Aufträge sollte an konzernangehörige und konzernfremde Gesellschaften im Ausland vergeben werden, ein anderer Teil sollte durch die L2 Hamburg erledigt werden. Parallel dazu beschloss die Geschäftsführung der L., den Betrieb der L. in N. entsprechend dem Spaltungsplan aufzuteilen.

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Eine Zuweisung der bislang von der L. erledigten Aufgaben auf die zwei neuen Einheiten sollte danach vorgenommen werden, welche Aufgaben in Deutschland verbleiben oder ins Ausland migriert werden sollten. Hierbei sollten auf die neue Einheit in Hamburg („L2 Hamburg“) diejenigen Aufgaben und Prozesse übertragen werden, die weiterhin in Deutschland ausgeführt werden sollten (genannte „Onshore-Tätigkeiten“). Die Prozesse, die an konzernangehörige Unternehmen im Ausland oder an Dritte vergeben werden sollten, also mittelfristig wegfielen (so genannte „Nearshore- bzw. Offshore-Tätigkeiten) sollten der „L. neu“ zugeordnet werden.

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Die Betriebsparteien der L. schlossen in Umsetzung des Restrukturierungsprogramms zunächst einen Interessenausgleich mit Namensliste unter dem 8. Oktober 2013. Dem Interessenausgleich war eine Anlage B 1 (Bl. 117 ff. d. A.) beigefügt, in der alle bei der L. vorhandenen Tätigkeiten aufgelistet sind und diejenigen als „Onshore“ gekennzeichnet sind, die in Deutschland verbleiben sollten. Die L. informierte die Klägerin sodann mit Schreiben vom 21. Oktober 2013 (Anlage K 4, Bl. 50 d.A.) von der bevorstehenden Betriebsänderung und teilte ihr mit, dass sie der „L. neu‘“ zugeordnet worden sei.

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Unter dem 6. März 2014 schlossen die Betriebsparteien der L. einen weiteren gegenüber dem Interessenausgleich vom 8. Oktober 2013 weitgehend inhaltsgleichen Interessenausgleich mit fest verbundener Namensliste (Anlage K 3, Bl. 34 ff. d.A.), der nur für die Mitarbeiter der eigenen IT abweichende Regelungen enthielt. Dessen Inhalt lautet auszugsweise wie folgt:

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B. Gegenstand der Betriebsänderung

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(1) Im Zuge der Aufspaltung des Unternehmens L. wird auch der Betrieb N. gespalten und die dort beschäftigten Mitarbeiter auf die „L. neu“ und „L2 Hamburg“ aufgeteilt. Die Spaltung des Betriebes wird mit Wirkung zum 01.01.2015 durchgeführt.

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(2) Die „L2 Hamburg“ wird ihren Betrieb in Hamburg, voraussichtlich auf der L1 Basis Hamburg, aufnehmen und dort die sich aus der Anlage 1 ergebenden Bereiche bis zum 31.12.2018 fortführen.

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(3) Die „L. neu“ wird am Standort N. ihren Betrieb aufnehmen. Dieser Betrieb wird bis zum 31.12.2019 aufrechterhalten. Zum 31.12.2019 wird der Betrieb vollständig

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geschlossen, es sei denn, es befinden sich zu einem früheren Zeitpunkt keine Mitarbeiter mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der „L. neu“.

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C. Durchführung

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(1) Beginnend spätestens mit dem 01.01.2014 werden bis längstens 31.12.2014 die bisher von der L. durchgeführten Arbeiten entsprechend dem Shoring-Konzept verlagert. Ein zwischen den Betriebsparteien abgestimmter Zeitplan ist als Anlage 2 beigefügt. …

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(2) …

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(3) Mit rechtlicher Wirkung zum 01.01.2015 wird in Folge eines Spaltungsvertrages und eines Spaltungsplanes die L. GmbH aufgespalten. Die Spaltung der L. GmbH wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2014 beschlossen und 2015 eingetragen, und damit ggf. rückwirkend zum 01.01.2015 wirksam. In Zusammenhang mit dieser Unternehmensaufspaltung wird auch der bisherige einheitliche Betrieb der L. GmbH in N. gespalten. Die Spaltung des Betriebes wird mit Wirkung zum 01.01.2015 ggf. im Vorgriff auf die gesellschaftsrechtliche Spaltung, die erst mit Eintragung ins Handelsregister formell wirksam ist, durchgeführt. Die Mitarbeiter werden analog der von ihnen bisher ausgeführten Aufgaben auf die beiden Gesellschaften, die „L. neu“ einerseits und die „L2 Hamburg“ andererseits aufgeteilt und zugeordnet. Soweit die Gesellschaften zum Zeitpunkt der Betriebsspaltung noch nicht Rechtsnachfolger geworden sind, werden zwei selbstständige betriebliche Einheiten gebildet, die sodann mit Wirksamwerden der Aufspaltung auf die beiden Gesellschaften übertragen werden.

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(4) Diesem Interessenausgleich ist als Anlage 3 eine Mitarbeiterliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG beigefügt, die die Namen der Mitarbeiter enthält, die auf die „L2 Hamburg“ übergehen. Die Aufgaben dieser Mitarbeiter werden entsprechend dem Shoring-Konzept auf die „L2 Hamburg“ übertragen. Die betroffenen Mitarbeiter sind im Rahmen dieses Interessenausgleichs wie auch im Spaltungsvertrag daher der „L2 Hamburg“ zugeordnet worden und gehen auf diese über.

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(5) Diesem Interessenausgleich ist als Anlage 4 eine Mitarbeiterliste gemäß § 323 Abs. 2 UmwG beigefügt, die die Namen der Mitarbeiter enthält, die auf die „L. neu“ übergehen. Die Aufgaben dieser Mitarbeiter werden entsprechend dem Shoring-Konzept fremd vergeben und entfallen damit oder werden im weiteren Zeitverlauf nicht mehr benötigt und entfallen deshalb. Die betroffenen Mitarbeiter sind im Rahmen dieses Interessenausgleichs, wie auch im Spaltungsvertrag daher der „L. neu“ zugeordnet worden und gehen auf diese über.

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(6) …

21

(7) …

22

(8) Der Betrieb der „L. neu“ wird am Standort N. bis 31.12.2019 verbleiben und die Arbeitsverhältnisse der auf der Anlage 4 verzeichneten Mitarbeiter gemäß §§ 126 ff., 324 UmwG fortsetzen, es sei denn, es befinden sich zu einem früheren Zeitpunkt keine Mitarbeiter mehr in einem Beschäftigungsverhältnis mit der „L. neu“, Betrieb N..

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Neben der punktuellen Abarbeitung einzelner Aufgaben werden die betreffenden Mitarbeiter im Rahmen eines Weiterbildungs- und Schulungskonzeptes für den internen, wie externen Arbeitsmarkt weitergebildet. …

(9) ...

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Der Arbeitgeber plant, allen Mitarbeitern der „L. neu“ die bis 31.12.2018 keinen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen haben, kein neues Arbeitsverhältnis im Rahmen des Clearingverfahrens eingegangen sind und auch keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben, unter Beachtung der tariflichen Bestimmungen die ordentliche oder außerordentliche Kündigung ihres Anstellungsverhältnisses aus betrieblichen Gründen mit Wirkung zum 31.12.2019 auszusprechen. …

25

Insgesamt 189 Mitarbeiter, die der „L. neu“ zugeordnet wurden, sind in der Anlage 4 des Interessenausgleichs namentlich genannt. Unter dem 18. Juli 2014 wurde die Namensliste noch einmal ergänzt. Die Klägerin wird unter der Nr. ... der Namensliste vom 18. Juli 2014 (Bl. 43 ff. d.A.) aufgeführt.

26

Diejenigen Arbeitnehmer, deren Prozesse der heutigen Beklagten zugeordnet wurden, arbeiten seit November 2014 in dem Betrieb in Hamburg. Aus dem Team D., dem auch die Klägerin angehörte, wurden 30 Mitarbeiter der „L. neu“/ L3 und zwei Mitarbeiter der L2 Hamburg, jetzt also der Beklagten zugeordnet. Aus dem Prozess Match Errors sind von insgesamt 26 Mitarbeitern zwei der Beklagten und 24 der L3 zugewiesen worden.

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Mit einer E-Mail vom 5. Januar 2015 informierte die Geschäftsführung der L. Kunden und Mitarbeiter über den „Übergang der Revenue Accounting Operations von L. (L.) zu L2 (L2)“ und bestätigte die „Überführung der unveränderten Verträge von L. auf L2“. Für die Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage K 8, Bl. 70 d. A. verwiesen.

28

Die Klägerin wurde von der L. mit Schreiben vom 16. April 2015 (Anlage K 5, Bl. 51 ff. d.A.) von dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB auf die L3 informiert. Hinsichtlich der Gründe für die Übertragung wird in dem Schreiben folgendes erläutert:

29

1. Auf die L2 Hamburg zu übertragende Prozesse

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Die L. betreibt zur Zeit einen Betriebsteil in Hamburg, in dem verschiedene Revenue Accounting Prozesse insbesondere:

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bearbeitet werden,

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2. Auf die L3 zu übertragende Prozesse

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Weiterhin betreibt die L. einen Betriebsteil in N., in welchem alle Overhead Prozesse und Tätigkeiten erledigt und die Mitarbeiter der ehemaligen Revenue Accounting Prozesse

zusammengefasst zum Betriebsteil N. beschäftigt sind.

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3. Aufspaltung

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… Da mit dem vollständigen Wegfall der Aufgaben für die L. eine betriebswirtschaftlich vertretbare Weiterführung des Betriebes N., wie auch des Unternehmens L. ausgeschlossen ist, wurde beschlossen, die L. aufzuspalten und zwar auf drei Gesellschaften, die L3, die L2 Hamburg und die LCH B1. Entsprechend wurde auch beschlossen, den Betrieb N. aufzuspalten und aufzuteilen. Der Teil des Geschäfts, der von der L2 Hamburg weitergeführt wird, verbleibt bei dieser Gesellschaft am Standort Hamburg, die übrigen Teile werden durch die L. ins Ausland übertragen und in Deutschland abgewickelt. Darüber hinaus wird die L3 die bei ihr noch beschäftigten Mitarbeiter weiterqualifizieren und für sie nach Neubeschäftigungen suchen. Im Zuge der Aufspaltung werden diejenigen Betriebsmittel, die den auf die L2 Hamburg zugehörigen Prozessen dienen auf die L2 Hamburg übertragen. Dies sind im Wesentlichen:

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4. Der L2 Hamburg zugeordneten Betriebsmittel
...

37

5. Der L3 zugeordnete Betriebsmittel

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Die den übrigen Prozessen und dem Overhead zugehörigen Betriebsmittel werden auf die L3 übertragen. Dies sind im Wesentlichen:

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IV. Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer

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Mit der Aufspaltung ist ein Betriebsteilübergang des Betriebsteils N. einerseits und des Betriebsteils „Hamburg“ andererseits nach § 613a Abs. 1 BGB verbunden, infolgedessen sämtliche Mitarbeiter der in dem Betriebsteil „N.“ auf die L3 N. GmbH und alle in dem Betriebsteil „Hamburg“ beschäftigten Mitarbeiter auf die L2 Hamburg GmbH kraft Gesetzes übergehen.

41

Die Aufspaltung der L. wurde am 27. Mai 2015 im Handelsregister eingetragen und am 28. Mai 2015 bekannt gemacht. Geschäftszweck der L3 ist ausweislich des Handelsregisterauszuges vom 28. Mai 2015 (Anlage B 5, Bl. 142 ff. d.A.) die Qualifizierung und Vermittlung von Arbeitskräften innerhalb und außerhalb des L1-Konzerns.

42

Bei der Beklagten werden 108, also ca. ein Viertel der ursprünglich über 400 Arbeitnehmer der L. beschäftigt. Die Beklagte hat den Hauptauftrag der L. von der L1 AG übernommen. Sie übt die Tätigkeiten aus, die den im Spaltungsvertrag und im Interessenausgleich genannten Prozessen entsprechen. Die übrigen, in der Vergangenheit von der L. ausgeführten Tätigkeiten werden im Ausland bei Dienstleistern ausgeführt und von der Beklagten eingekauft. Im Wesentlichen führt die Beklagte die Aufgaben der Qualitätssicherung fort und überwacht die Prozesse, die im Ausland bearbeitet werden.

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Die Prozesse, an denen die Klägerin früher gearbeitet hat, sind bereits im Oktober 2014 vollständig ins Ausland verlagert worden. Den Arbeitnehmern, die wie die Klägerin der L3 zugeordnet sind, werden dort Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen angeboten, um sie für den konzerninternen und den externen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Einzelheiten sind in der Betriebsvereinbarung „C.@ L.“ vom 5. Februar 2014 sowie einer Ergänzungsvereinbarung der Betriebsparteien vom 13. Oktober 2014 geregelt. Für die Inhalte der Betriebsvereinbarungen wird auf die Anlagen K 13, Bl. 181 ff. d.A. und K 14, Bl. 185 ff. d.A. verwiesen.

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Die L. unterhielt ursprünglich einen weiteren Betrieb in B1, der zum 31. Dezember 2014 stillgelegt werden sollte. Die L. schloss am 9. November 2012 einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine flankierende Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat in B1. Aus dem aktuellen Organigramm der L3 ergibt sich, dass Arbeitnehmer vom Standort B1 der L3 zugeordnet und dort als Gruppe B. geführt werden (Anlage K 16, Bl. 270 d.A.).

45

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr Arbeitsverhältnis mit der L. sei im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen. Die Zuordnung der Arbeitnehmer im Interessenausgleich allein nach Prozessen und die Verlagerung dieser Prozesse ins Ausland bzw. auf die heutige Beklagte sei grob fehlerhaft iSd. § 323 Abs. 2 UmwG und verstoße gegen § 613a BGB. Bei der L. seien keine Teilbetriebe vorhanden gewesen, die getrennt auf die L3 bzw. die Beklagte hätten übergehen können. Eine prozessbezogene Aufspaltung der L. sei daher nicht möglich gewesen. Die Beklagte könne auch nicht darauf verweisen, dass die Betriebsstätten in Hamburg und N. übergangsfähige Teilbetriebe gewesen seien. Diese Einheiten seien allein zur Vorbereitung der Aufspaltung geschaffen worden und müssten sich daher auch an den Grundsätzen des § 613a BGB orientieren. Da es sich bei den Prozessen und Aufgaben der L. jedoch nicht um übergangsfähige Betriebsteile handele, sei der gesamte Betrieb der L. - mithin auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin - auf die Beklagte übertragen worden. Demgegenüber könne das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht auf die L3 übergegangen sein, weil diese keine Tätigkeiten aus dem Bereich des Revenue Accountings mehr ausführe. Eine solche Trennung von Arbeitnehmer und seiner Tätigkeit soll durch § 613a BGB gerade verhindert werden. Die Beklagte habe demgegenüber sämtliche Dienstleistungs- und Lieferantenverträge im Zusammenhang mit dem Revenue Accounting übernommen.

46

Die Klägerin hat daher die Ansicht vertreten, dass ein Teil der L. stillgelegt worden und der restliche Betrieb auf die Beklagte übergegangen sei. Sofern die Beklagte in diesem Fall nicht über genügend Arbeitsplätze verfüge, hätte im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen eine Sozialauswahl getroffen werden müssen, die zu Gunsten der Klägerin ausgefallen wäre. Durch die gewählte Aufteilung der Prozesse auf die L3 und die Beklagte und die damit verbundene Spaltung der L. würde demgegenüber in unzulässiger Weise der tarifliche und gesetzliche Kündigungsschutz der Klägerin umgangen. Die Kündigungsschutzvorschriften müssten - auch wenn unstreitig noch keine Kündigung ausgesprochen worden sei - dennoch beachtet werden. Hierbei sei zu Lasten der Beklagten auch zu berücksichtigen, dass die L3 nicht auf Dauer angelegt und seit November 2014 keine Beschäftigung mehr für die Klägerin vorhanden sei.

47

Die Umsetzung der Restrukturierung der L. sei auch deswegen unwirksam, weil die Klägerin unzulässiger Weise versetzt worden sei. Eine Versetzung liege deswegen vor, weil die Klägerin seit November 2014 keine Aufgaben mehr habe und die L3 nunmehr eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft sei, deren Auflösung bevorstehe. Die Klägerin werde durch die Versetzung verpflichtet, an der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mitzuwirken. Dies sei, wie sich aus dem Hinweisbeschluss des BAG vom 25. Februar 2015 zum Az. 10 AZR 913/13 (Anlage K 15, Bl. 195 ff. d.A.) ergebe, unwirksam. Die L. sei einseitig nicht befugt gewesen, der Klägerin ihre Aufgaben zu entziehen und sie zu verpflichten, sich eine neue Tätigkeit zu suchen.

48

Die Klägerin hat folgende Anträge gestellt:

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1. Es wird festgestellt, dass seit dem 27. Mai 2015 zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht, zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, das bis zum 26. Mai 2015 zwischen der Klägerin und der L. GmbH bestanden hat.

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2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den zuletzt zwischen der Klägerin und der L. GmbH geltenden Arbeitsvertragsbedingungen als Allrounder 2 weiterzubeschäftigen.

51

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

53

Die Beklagte hat behauptet, sie habe nicht den gesamten Betrieb der L. übernommen, sondern lediglich diejenigen Aufgaben und Prozesse, die in dem Interessenausgleich namentlich aufgeführt würden sowie die dazugehörigen Arbeitnehmer und Betriebsmittel. Die Klägerin sei nicht Teil einer Einheit gewesen, welche auf die Beklagte übergegangen sei. Die Beklagte habe ferner nicht die gesamten Aufträge der L. übernommen. Der Hauptauftrag der L1 AG sei vielmehr entsprechend der ihr zugeordneten Prozesse anpasst worden. Die entsprechende Einschränkung des Leistungsbereichs dieser Hauptvereinbarung sei bereits vor der Spaltung im Dezember 2014 mit der L1 AG vereinbart worden. Entsprechendes gelte für die Kundenverträge mit anderen Airlines, die nicht auch isoliert ausgeführt werden könnten, sondern mit dem Hauptauftrag inhaltlich gekoppelt seien. Wenn die Geschäftsführung in der als Anlage K8 eingereichten E-Mail vom 5. Januar 2015 von einer unveränderten Übertragung der entsprechenden Verträge ausgehe, liege dem zu Grunde, dass die entsprechenden Anpassungen bereits im Dezember 2014 vorgenommen und vereinbart worden seien.

54

Aufgrund des Vertrags mit der L1 AG sei die Beklagte auch gar nicht berechtigt, Tätigkeiten auszuführen, die ins Ausland verlagert worden seien. Die Zuordnung der Klägerin zur L3 sei entsprechend der von ihr bearbeiteten Prozesse im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Namensliste erfolgt und dementsprechend nicht grob fehlerhaft i.S.d. § 323 Abs. 2 UmwG. Eine Umgehung oder ein Verstoß gegen § 613a BGB sei nicht gegeben.

55

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. November 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen. Ein vollständiger Betriebsübergangs scheide schon deswegen aus, weil die Beklagte nicht den gesamten Betrieb der L. übernommen habe. Die L1 AG habe nur einzelne Teile des alten Hauptdienstleistungsauftrages an die Beklagte vergeben. Auch aus dem Sachvortrag der Klägerin ergebe sich, dass die Beklagte nur die in Deutschland verbleibenden Prozesse übernommen habe.

56

Auch habe die Klägerin nicht dargelegt, dass sie einer abtrennbaren selbstständigen organisatorischen Einheit bei der L. angehört habe, die auf die Beklagte übergegangen sei. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die L. zur Umsetzung des Restrukturierungskonzeptes G. zunächst einen Betriebsteil in N. und einen Betriebsteil in Hamburg gebildet habe. Anschließend seien die bisher von der L. durchgeführten Arbeiten bis zum 31. Dezember 2014 auf die Betriebsteile N. und Hamburg verteilt worden. Nach der Aufspaltung des Unternehmens sei der Betriebsteil in N. auf die L3 und der Betriebsteil in Hamburg auf die heutige Beklagte übertragen worden. Ob es sich bei der Bildung der Betriebsteile Hamburg und N. um eine Aufspaltung auf der Rechtsträgerebene i.S. des §§ 123 ff. UmwG oder lediglich um eine Aufspaltung des bisher von der L. unterhaltenen einheitlichen Betriebes in zwei neue selbstständige Betriebe bzw. Betriebsteile, also um eine unternehmensinterne Betriebsaufspaltung durch Änderung der Organisationsstrukturen gehandelt habe, habe die Kammer nicht entscheiden müssen. Voraussetzung eines Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte wäre in jedem Fall, dass die Klägerin dem Betriebsteil Hamburg zugehörig gewesen wäre. Dies sei jedoch unstreitig nicht der Fall gewesen. Die Klägerin sei vielmehr dem Betriebsteil N. zugeordnet worden, der auf die L3 übertragen worden sei.

57

Es könne offenbleiben, ob die Zuordnung der Klägerin zu dem Betriebsteil in N. an den Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 UmwG zu messen sei oder ob sie lediglich dem Direktionsrecht der L. unterlegen habe. In beiden Fällen bestünden keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zuordnung.

58

Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass die L3 einen anderen Betriebszweck als die L. verfolge und meine, deshalb scheide ein Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die L3 aus, sei darauf hinzuweisen, dass auch dann, wenn kein Betriebsübergang zur L3 stattgefunden habe, hieraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden könne, dass in diesem Fall zwangsläufig ein Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgt sei. Unerheblich sei auch, ob der Umstand, dass die die Klägerin seit November 2014 bei der L3 beschäftigungslos sei, eine Versetzung darstelle. Auch wenn eine Versetzung vorliege, lasse dies nicht die Schlussfolgerung zu, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen sei.

59

Für die weitere Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

60

Die Klägerin hat das ihr am 9. Dezember 2015 zugestellte Urteil mit ihrer am 8. Januar 2016 bei Gericht eingegangen und am 8. Februar 2016 begründeten Berufung angegriffen.

61

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor, das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass kein Betriebsübergang auf die Beklagte stattgefunden habe, auf den sich die Klägerin berufen könne. Die streitgegenständliche Rechtsfrage sei, ob und inwieweit die Rechtsfolgen des § 613a BGB durch eine umwandlungsrechtliche Aufspaltung beeinflusst werden könnten.

62

Die Klägerin ist der Auffassung, dass durch die Aufspaltung der L. auf die Beklagte und die L3 eine nach § 324 UmwG unzulässige Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB sowie kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften erfolgt sei.

63

Es liege ein Betriebsübergang auf die Beklagte vor. Die Betriebsmittel der L. seien die zur Erbringung der Dienstleistungen des Revenue Accountings erforderlichen Vereinbarungen gewesen. Diese Vereinbarungen seien sämtlich durch die Beklagte von der L. übernommen worden. Die Klägerin gehe davon aus, dass nunmehr die Beklagte anstelle der vormaligen L. Schuldnerin gegenüber allen Vertragspartnern geworden sei. Allein der Ort der Auftragsbearbeitungen sei teilweise modifiziert worden. Die Beklagte lasse jetzt einen Teil der Dienstleistungen durch andere Konzerngesellschaften im Ausland erbringen. Es dürfe jedoch nicht auf die einzelnen Tätigkeiten abgestellt werden. Entscheidend sei, dass alle Faktoren der wertschöpfenden Tätigkeit von der L. auf die Beklagte übertragen worden seien. Die Beklagte habe das gesamte Know-how übernommen.

64

Unerheblich sei, dass nur ein Teil der Arbeitnehmer übernommen worden sei. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Zuordnung der Arbeitnehmer nicht betriebs- oder betriebsteilbezogen, sondern ausschließlich anhand der zuletzt ausgeführten Tätigkeiten erfolgt sei. Da der gesamte Betrieb in Form der gesamten Wertschöpfung auf die Beklagte übergegangen sei, habe der Betriebsübergang die Klägerin selbstverständlich miterfasst. Es komme nicht darauf an, wo die zuletzt von der Klägerin ausgeführten Tätigkeiten zukünftig verrichtet werden sollen.

65

Die Bildung der Betriebsteile in N. und Hamburg vor der Aufspaltung des Unternehmens sei ausschließlich zur Vorbereitung der Aufspaltung erfolgt und damit Teil der Gesamtmaßnahme. In der Separierung der Arbeitnehmer liege gerade die Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften. Ohne die Aufspaltung hätte die zu hohe Personalkapazität nach der Auslagerung von Arbeitsaufgaben zwar durch Kündigung korrigiert werden können. Hierbei wären aber soziale Aspekte zwingend zu berücksichtigen gewesen. Durch den Umweg über die Aufspaltung auf eine werbende Gesellschaft und eine reine Qualifizierungsgesellschaft sei es demgegenüber auf soziale Aspekte nicht angekommen.

66

Die hier vorgenommene Zuordnung von Arbeitnehmern zur Beklagten einerseits und der L3 andererseits habe nicht dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin i.S. des § 323 Abs. 2 UmwG oblegen. Das Umwandlungsrecht gehe an dieser Stelle ausdrücklich von bestehenden Betrieben und Betriebsteil aus.

67

Selbst wenn man annehme, dass eine Zuordnung durch den Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts erfolgen könnte, wäre jedenfalls § 315 BGB zu beachten. Die Zuordnung der Klägerin zu einem Bereich, in dem zukünftig keinerlei Tätigkeiten ausgeführt werden sollten, entspreche nicht billigem Ermessen, weil sie durch eine solche Zuordnung in ihrem arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch verletzt werde.

68

Im Übrigen werde die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrates für den Interessenausgleich bestritten. Die Umstrukturierung habe das gesamte Unternehmen einschließlich des Betriebs in B1 betroffen, sodass der Gesamtbetriebsrat für die Verhandlung eines Interessenausgleichs zuständig gewesen wäre.

69

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

70

Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19.11.2015, Az. 5Ca 231/15 wird wie folgt abgeändert:

71

1. Es wird festgestellt, dass seit dem 27.05.2015 zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht, zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses, das bis zum 26.05.2015 zwischen der Klägerin und der L. GmbH bestanden hat.

72

2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den zuletzt zwischen der Klägerin und der L. GmbH geltenden Arbeitsvertragsbedingungen als Allrounder 2 weiterzubeschäftigen.

73

Die Beklagte beantragt,

74

die Berufung zurückzuweisen.

75

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie trägt vor, der ursprünglich von der L. als Rechtsvorgängerin der Beklagten geführte Betrieb sei zerschlagen worden. Die Beklagte habe nicht die gesamte Arbeitsorganisation, sondern allenfalls Teilausschnitte hieraus übernommen. Dies liege, wie das LAG Schleswig Holstein in seiner Entscheidung vom 05.11.2015 – Az. 4 Sa 415/14 (Bl. 307 ff. d.A.) in einem Parallelverfahren festgestellt habe, in Fällen wie dem vorliegenden auf der Hand, wenn lediglich ca. ein Viertel der ursprünglich über 400 Arbeitnehmer übernommen würden. Die Zerschlagung des Betriebs ergebe sich auch daraus, dass unstreitig sowohl die Tätigkeiten der Klägerin als auch ein Großteil der übrigen früheren Aufgaben der L. heute im Ausland ausgeführt würden.

76

Die Zuordnung der Klägerin sei ordnungsgemäß entsprechend ihrer früheren Tätigkeit erfolgt. Ziel sei es, ihr zukünftig adäquate und vertragsgemäße Aufgaben zuzuweisen, sofern diese vorhanden sein. Dieses Ziel hindere eine Zuordnungsentscheidung wie die hier vorgenommene nicht.

77

Der Gesamtbetriebsrat sei für den Abschluss des Interessenausgleichs nicht zuständig gewesen. Betriebsändernde Maßnahme sei die Spaltung des Betriebes N. gewesen. Diese Spaltung sei mit dem Betriebsrat zu verhandeln gewesen. Der Betrieb in B1 sei durch die Betriebsspaltung nicht betroffen gewesen.

78

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

79

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2015 – 5 Ca 231/15 – ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 lit. b) und c) ArbGG statthaft. Sie ist, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG), auch im Übrigen zulässig.

II.

80

Die Berufung ist unbegründet.

81

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht sowohl hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1) als auch hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs zu 2) als unbegründet abgewiesen.

82

1. Beide Klaganträge sind zulässig.

83

Für den Klagantrag zu 1) ist ein besonderes Feststellungsinteresse i.S. des § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Die Klägerin will das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses mit der L. feststellen lassen. Hieran hat sie ein rechtliches Interesse, da die Frage, ob das Arbeitsverhältnis von der L. auf die Beklagte gemäß § 613a BGB übergegangen ist, zwischen den Parteien streitig ist.

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2. Die Klaganträge sind jedoch unbegründet.

85

Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der L. ist nicht gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Voraussetzungen für einen Übergang des von der L. in N. unterhaltenen Betriebs auf die Beklagte nach § 613a Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Der Betrieb in N. ist als wirtschaftliche Einheit zerschlagen worden (a.).

86

Von den hierbei entstandenen zwei neuen Betrieben wird zwar einer durch die Beklagte fortgeführt. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte übergegangen ist. Die Entscheidung, das Arbeitsverhältnis der Klägerin der anderen, durch die L3 fortgeführten Einheit zuzuordnen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (b.).

87

a. Der Betrieb der L. in N. ist nicht gemäß § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen.

88

aa) Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang i.S. von § 613a Abs. 1 BGB i.V. mit der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 (ABl. EG L 82 vom 22.03.2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. EuGH 06. 03.2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30f. m.w.N.; BAG 19.03.2015 - 8 AZR 150/14 - Rn. 17 m.w.N.).

89

Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 06. 03.2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30f. mwN; BAG 19.03.2015 - 8 AZR 150/14 – juris Rn. 18 m.w.N).

90

Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (EuGH 20.01.2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34, juris; BAG 19.03.2015 - 8 AZR 150/14 – juris Rn. 19 mwN).

91

Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 06.09.2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49 ff., juris; BAG 19.03.2015 - 8 AZR 150/14 – juris Rn. 20 mwN . Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20.01.2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 39 ff., juris; BAG 19.03.2015 - 8 AZR 150/14 – juris Rn. 20 mwN).

92

bb) Die Voraussetzungen für einen Übergang des von der L. in N. unterhaltenen Betriebs auf die Beklagte liegen bei Anwendung dieser Grundsätze nicht vor.

93

Nach dem Vorbringen beider Parteien machten vor allem die Arbeitnehmer und ihr Zusammenwirken bei der Bearbeitung der Arbeitsprozesse als strukturierte Einheit den Betrieb der L. in N. aus. Diese strukturierte Einheit ist zerschlagen worden, in dem ein Teil der Arbeitsprozesse mit den dazugehörigen Arbeitnehmern in eine neue, inzwischen von der Beklagten geführten betriebliche Einheit nach Hamburg verlagert und andere Arbeitsprozesse auf ausländische Unternehmen als Dienstleister übertragen worden sind. Das gerade nicht die bisherige Betriebsstruktur der L. von der Beklagten übernommen worden ist, ergibt sich anschaulich aus der Anlage B 1 zum Interessenausgleich, die zeigt, dass in den verschiedenen betrieblichen Bereichen jeweils nur ein Teil der Arbeitsprozesse als „onshore“ gekennzeichnet worden und im Ergebnis auf die Beklagte übertragen worden ist. Dass keine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern übernommen worden ist, zeigt sich auch darin, dass nur ca. ein Viertel, nämlich 108 der ehemals mehr als 400 Arbeitnehmer der L. bei der Beklagten beschäftigt werden. Indem die Beklagte die Aufgaben der Qualitätssicherung fortführt und im Übrigen die Prozesse, die im Ausland bearbeitet werden, überwacht, führt sie mit einem kleinen Teil der Mitarbeiter der L. in einer neuen Struktur Aufgaben in geänderter Weise durch. Dies erfüllt die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs von der L. auf die Beklagte nicht.

94

Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Beklagte den Hauptauftrag von der L1 AG übernommen habe und in sämtlichen Vertragsbeziehungen zu den Kunden an die Stelle der L. getreten sei, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen Betriebsübergang von der L. auf die Beklagte zu belegen. Eine Auftragsnachfolge ist, wie oben dargelegt, gerade nicht ausreichend, um die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 BGB auszulösen.

95

b) Die Klägerin kann den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten nicht darauf stützen, dass der Betrieb der L. auf zwei Betriebe aufgespalten worden ist, von denen einer mit Vollzug der Unternehmensspaltung auf die Beklagte übertragen worden ist. Denn das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist in zulässiger Weise dem Betriebsteil zugeordnet worden, der nicht auf die Beklagte, sondern auf die L3 übertragen worden ist.

96

(aa) Die von der L. gewählte Vorgehensweise, durch eine Betriebsspaltung zwei Betriebe zu schaffen, die sodann im Wege der Unternehmensspaltung auf neu geschaffene Rechtsträger übertragen werden, ist rechtlich zulässig.

97

(1) Für eine Unternehmensaufspaltung nach dem Umwandlungsgesetz ist es nicht erforderlich, dass das vorhandene Vermögen nur in Form der Übertragung ganzer Betriebe oder Betriebsteile aufgespalten werden kann. Vielmehr ist es unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch zulässig, vor der eigentlichen Unternehmensaufspaltung einen zuvor einheitlichen Betrieb nach Arbeitsprozessen zu „zerschlagen“ und hierdurch eigenständige Betriebe zu bilden, um hernach diese eigenständigen Betriebe im Wege der Unternehmensaufspaltung auf andere Rechtsträger zu übertragen (so das LAG Schleswig-Holstein 05.11.2015, im Parallelverfahren – 5 Sa 437/14 – juris Rn 83; Fitting 28. Aufl., § 111 BetrVG Rn 59). Unbeschadet von § 324 UmwG i. V. m. § 613a BGB liegt es in der Privatautonomie der beteiligten Rechtsträger, die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen für die Zeit nach der Umwandlung zu regeln, insbesondere bestehende Betriebe organisatorisch zu spalten und die so entstehenden Betriebsteile auf jeweils verschiedene Rechtsträger zu übertragen (LAG Schleswig-Holstein 05.11.2015 – 5 Sa 437/14 – juris Rn 83; HWK/Willemsen, Arbeitsrecht Kommentar, 6. Aufl. 2014, Rn. 23 zu § 324 UmwG).

98

(2) Entsprechend ist im vorliegenden Fall vorgegangen worden: Auf Unternehmensebene ist die L. mit der Registereintragung am 27. Mai 2015 auf zwei Unternehmen – nämlich die L3 und die Beklagte – aufgespalten worden. Auf betrieblicher Ebene ist der Betrieb der L. in N. bereits in der Zeit bis zum 1. Januar 2015 auf zwei neue betriebliche Einheiten aufgespalten worden – nämlich den Betrieb „L2“ in Hamburg, in welchem die „Onshore-Prozesse“ bearbeitet werden und den Betrieb „L. neu“ in N., der ausschließlich der Qualifizierung, Fortbildung und Vermittlung des Personals dienen soll. Mit der Betriebsspaltung ist der „arbeitsorganisatorische Boden“ für die Unternehmensspaltung vorbereitet worden: Es sind zwei arbeitsorganisatorische Einheiten gebildet worden, mit denen die durch die Unternehmensspaltung entstehenden Unternehmen jeweils ihre arbeitstechnischen Zwecke verfolgen sollten. Die so entstandenen Betriebe sind mit Eintragung der Unternehmensspaltung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) entsprechend der im Spaltungsvertrag vorgesehenen Vermögensaufteilung auf die übernehmenden Rechtsträger, nämlich die L3 (Betrieb „L. neu“ in N.) und die Beklagte (Betrieb L2 in Hamburg) übergegangen.

99

bb) Bei der Aufspaltung des Betriebs der L. ist für die Klägerin eine rechtswirksame Zuordnungsentscheidung getroffen worden, mit der sie dem Betrieb „L. neu“ – nunmehr L3 in N. zugeordnet worden ist. Diese Zuordnung hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der L3 und nicht mit der Beklagten fortbesteht.

100

(1) In dem Interessenausgleich mit Namensliste vom 6. März 2014 in der Fassung vom 18. Juli 2014 ist die Klägerin namentlich unter den Arbeitnehmern aufgeführt, die dem von der L3 fortzuführenden Betrieb am Standort N. zugeordnet werden.

101

Zweifel an der formellen Wirksamkeit des Interessenausgleichs mit Namensliste bestehen nicht. Insbesondere war der örtliche Betriebsrat des Betriebs der L. in N. für den Abschluss dieses Interessenausgleichs zuständig. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats war nicht gegeben. Die betriebsändernde Maßnahme betraf weder das Gesamtunternehmen noch mehrere Betriebe des Unternehmens (§ 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), sondern ausschließlich den Betrieb in N. Denn Gegenstand der betriebsändernde Maßnahme war die Spaltung des N.er Betriebs im Hinblick auf die beschlossene Unternehmensspaltung der L. auf die neu gebildeten Betriebsteile „L2 Hamburg“ und „L. neu“ mit Standort N.

102

Der B1er Betrieb der L. war von dieser Betriebsspaltung nicht betroffen. Dass der Betrieb der L. in B1 im Rahmen der Unternehmensaufspaltung auf die L3 übertragen wurde, ändert an der Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats für die betriebsändernde Maßnahme „Spaltung des Betriebs N.“ nichts. Die Unternehmensaufspaltung und damit die unternehmerische Übertragung einzelner Betriebe auf zwei oder mehrere andere Unternehmen ist keine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG (so auch LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.11.2015 zum Parallelverfahren zum Az. 5 Sa 437/14 juris Rn 69 ff.).

103

(2) Die Zuordnung der Klägerin im Interessenausgleich mit Namensliste zu dem Betrieb „L. neu“ – jetzt L3 – ist gemäß § 323 Abs. 2 UmwG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen.

104

Die Zuordnungen der Arbeitnehmer konnten die Betriebsparteien nach § 323 Abs. 2 UmwG durch eine Namensliste im Rahmen des Interessenausgleichs nach § 111 Nr. 3 BetrVG vornehmen. Zwar wird der Vorschrift des § 613a BGB wegen der Regelung unter § 324 UmwG ein Vorrang vor der Zuordnungsentscheidung der Betriebsparteien eingeräumt (vgl. BAG, Urt. v. 06.10.2005 - 2 AZR 316/04 -, Rn 40, 41, juris). Dieser Vorrang kommt im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Tragen. Denn § 324 UmwG stellt nicht lediglich eine Rechtsfolgenverweisung, sondern eine Rechtsgrundverweisung dar (BAG, Urt. v. 25.05.2000 - 8 AZR 416/99 - Rn. 66, juris; ErfK, 15. Auf. 2015, Rn. 181 zu § 613a BGB). Der Vorrang des § 613a BGB i. V. m. § 324 UmwG vor einer Zuordnung gemäß § 323 Abs. 2 UmwG gilt mithin nur dann, wenn mit der Umwandlungsmaßnahme tatsächlich ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Rechtsträger übergeht (LAG Schleswig-Holstein 05.11.2015 – Az. 5 Sa 437/14 – juris Rn 87). Werden demgegenüber die Betriebe, die im Zuge der Unternehmensaufspaltung auf die neuen Rechtsträger übertragen werden sollen, erst durch eine Betriebsspaltung geschaffen, fehlt es an Betrieben oder Betriebsteilen, an die für die Zuordnung der Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 1 BGB angeknüpft werden könnte. In dieser Situation können die Betriebsparteien in einem Interessenausgleich zur Betriebsspaltung die namentliche Zuordnung der Arbeitnehmer zu den neu geschaffenen Betrieben vornehmen (so auch LAG Schleswig-Holstein 05.11.2015 – Az. 5 Sa 437/14 – juris Rn 86).

105

(3) Wie sich aus dem Begriff der „groben Fehlerhaftigkeit“ ergibt, geht das Gesetz in § 323 Abs. 2 UmwG von einem Zuordnungsspielraum aus, in dem sich die Betriebsparteien bei Zuordnungsentscheidungen im Rahmen eines Interessenausgleichs nach § 323 Abs. 2 UmwG bewegen können. Die Betriebsparteien müssen sich von sachlichen Erwägungen leiten lassen, sodass eine willkürliche Zuordnung ausgeschlossen ist. Sind sachliche Gründe für die konkrete Zuordnung erkennbar, scheidet eine „grobe“ Fehlerhaftigkeit aus (Erfurter Kommentar/Oetker, 15. Aufl. § 323 UmwG Rn 10).

106

(4) Hier haben sich die Betriebsparteien bei der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Betrieben „L. neu“/ L3 und „L2 Hamburg“/Beklagte von sachlichen Erwägungen leiten lassen.

107

Dem Betrieb der L3 sind diejenigen Arbeitnehmer zugeordnet worden, deren Tätigkeiten ins Ausland verlagert werden sollten, während dem Betrieb der Beklagten die Arbeitnehmer zugeordnet worden sind, die mit den von der Beklagten übernommenen Arbeitsprozessen beschäftigt waren. Auch in Bezug auf die Klägerin haben die Betriebsparteien ihren sachorientierten Ansatz umgesetzt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Arbeitsprozess, an dem die Klägerin beteiligt war, einschließlich der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten ins Ausland verlagert worden ist und nicht im Betrieb der Beklagten verrichtet wird.

108

(5) Eine Unwirksamkeit der Zuordnung der Klägerin zum Betrieb „L. neu“/ L3 in N. folgt auch nicht daraus, dass der von der L3 fortgeführte Betrieb von vornherein nicht produktiv tätig sein sollte, sondern auf die Qualifizierung, Fortbildung und Vermittlung der ihm zugewiesenen Arbeitnehmer ausgerichtet war. Mit der Zuordnung der Klägerin zu diesem Betrieb ist nicht in sittenwidriger Weise Kündigungsschutz umgangen worden.

109

Eine Zuordnung im Interessenausgleich mit Namensliste, die allein den Zweck verfolgt, Kündigungsschutzvorschriften wie z. B. § 1 Abs. 2 u. 3 KSchG, § 9 MuSchG, § 18 BEEG, § 85 ff. SGB IX zu umgehen, ist gemäß § 323 Abs. 2 UmwG i. V. m. § 138 BGB nichtig. Die Rechtsfolge einer sittenwidrigen Zuordnungsentscheidung ist die Nichtigkeit der gesamten Zuordnungsentscheidung bzw. der beiden Namenslisten. Insoweit unterliegen Betriebsvereinbarungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle (vgl. LAG Schleswig-Holstein 05.11.2015 – Az. 5 Sa 437/14 – juris Rn 101).

110

Die Klägerin meint, dass durch die Zuordnung der Arbeitnehmer zur „L. neu“ / L3, deren Liquidierung von vornherein festgestanden habe, eine auf den ehemaligen Betrieb der L. bezogene Sozialauswahl vermieden worden wäre und sieht hierin eine Umgehung von § 1 Abs. 3 KSchG und damit des Kündigungsschutzes der betroffenen Arbeitnehmer. Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Kammer schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen LAG Schleswig Holstein im Urteil vom 05.11.2015 im Parallelverfahren zum Az. 5 Sa 437/14, juris Rn 103ff. an. Im Einzelnen:

111

Die Klägerin übersieht, dass sie mit ihrer Argumentation die gegen die Beklagte gerichteten Klaganträge nicht begründen kann. Denn auch wenn die Zuordnungsentscheidung zur „L. neu“/ L3 unwirksam wäre, läge keine Zuordnungsentscheidung vor, die die Klägerin dem Betrieb der „L2 Hamburg“ zuordnete.

112

Die Zuordnung ist nicht willkürlich oder gar sittenwidrig erfolgt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien die beiden Namenslisten mit der Zielsetzung aufgestellt haben, den Kündigungsschutz der dem Betrieb „L. neu“ zugeordneten Arbeitnehmer bewusst zu schwächen. Hierzu hat die Klägerin auch nichts vorgetragen. Die von den Betriebspartien vorgenommene Unterscheidung danach, wessen Arbeitsplatz infolge des Auftragsverlustes an die Dienstleister im Ausland wegfällt, knüpft, wie oben dargelegt, an ein sachliches Differenzierungskriterium an.

113

Zudem verkennt die Klägerin, dass der Inhaber eines Betriebs kraft seiner unternehmerischen Freiheit und Organisationsmacht seinen Betrieb unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch ohne Rechtsträgerwechsel spalten kann und darf. Es wäre nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Inhaber eines Betriebs denselben in zwei Betriebe aufspaltet und dem einen Betrieb die Prozesse beziehungsweise Tätigkeiten mit den entsprechenden Arbeitnehmern zuweist, die er noch benötigt, und dem anderen Betrieb die Prozesse und Arbeitnehmer, deren Tätigkeiten er allenfalls nur noch für einen vorübergehenden Zeitraum wegen Auftragsverlusts ausführen kann. Rechtsfolge einer solchen Betriebsaufspaltung ist es, dass zwei selbständige Betriebe entstehen, für die - unter der Voraussetzung jeweils getrennter Leitungsmacht - der Arbeitgeber im Falle beabsichtigter Kündigungen eine gemeinsame Sozialauswahl nicht durchführen müsste. Hätte sich mithin die L. für diese Lösung entschieden, stünden die dem Betrieb „L. neu“ zugeteilten Mitarbeiter kündigungsrechtlich nicht besser als die auf die L3 aufgespaltenen Mitarbeiter. Allein der Umstand, dass durch die Betriebsaufspaltung und nachfolgende Unternehmensaufspaltung der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer kleiner wird, erweist sich nicht als bewusste und damit rechtswidrige Gesetzesumgehung. Dies gilt auch dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Betriebsaufspaltung feststeht, dass der eine aufgespaltene Betrieb in nächster Zeit liquidiert wird.

114

Die Arbeitnehmer sind angesichts einer solchen Situation auch nicht schutzlos der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers ausgesetzt. Vielmehr unterliegt die Spaltung eines bisher organisatorisch einheitlichen Betriebs gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates, sodass der Arbeitgeber nicht in Gänze frei über das „Wie“ der Betriebsspaltung entscheiden kann. Das Mitbestimmungsrecht bzw. die erzwingbaren Interessenausgleichsverhandlungen gemäß § 112 BetrVG haben den Zweck, die Arbeitnehmer bei der Durchführung von Betriebsänderungen zu beteiligen und die ihnen dadurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder jedenfalls abzumildern. So haben auch im vorliegenden Fall die Betriebsparteien zum Schutze der dem Betrieb „L. neu“ zugeordneten Arbeitnehmer vereinbart, dass der Betrieb bis zum 31.12.2019 aufrechterhalten bleibt und dass eine betriebsbedingte Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt grundsätzlich ausgeschlossen ist, Abschnitt B Abs. 3 i. V. m. Abschnitt C Abs. 9 des Interessenausgleichs.

115

(6) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihre Zuordnung sei deshalb grob fehlerhaft, weil ihr durch die Zuordnung zum Betrieb „L. neu“ gleichsam die vertragsgerechte Beschäftigung entzogen wurde.

116

Allerdings hat die L3 tatsächlich ausschließlich die Aufgabe einer Qualifizierungs- und Vermittlungsgesellschaft. Dies ergibt sich auch aus dem im Handelsregister eingetragenen Geschäftszweck. Die betroffenen Mitarbeiter der L3 verlieren also faktisch ihren Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, ohne dass zuvor ihr Arbeitsverhältnis gekündigt wurde beziehungsweise sie sich mittels eines Änderungsvertrages damit einverstanden erklärt hätten.

117

Dennoch erscheint die Zuordnung in den Namenslisten auch vor diesem Hintergrund noch als rechtlich haltbar. Zwar hat der Arbeitnehmer im bestehenden ungekündigten Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Allerdings ist hier zu beachten, dass die L3 mit der Art des Einsatzes der Klägerin darauf reagiert hat, dass die ehemalige Hauptauftragsgeberin der L. der Rechtsnachfolgerin L3 die Aufträge, die der bisherigen Tätigkeit der Klägerin zugrundegelegen haben, nicht erteilt hat. In einer solchen Situation kann den Betriebsparteien bei dem Abschluss des Interessenausgleichs und der Namensliste nicht vorgeworfen werden, sie trügen dazu bei, dass bestimmte Mitarbeiter, die der L3 zugeordnet werden, nicht mehr vertragsgemäß beschäftigt werden können. Die fehlende vertragsgemäße Beschäftigungsmöglichkeit beruht nicht auf einer willkürlichen Entscheidung der Betriebsparteien beziehungsweise der L3, sondern auf dem Umstand, dass die entsprechenden Tätigkeiten nicht mehr abverlangt werden und ins Ausland verlagert wurden. (vgl. hierzu LAG Schleswig-Holstein 05.11.2015 in den Parallelverfahren zu den Az. 5 Sa 437/14, juris Rn 107 und 4 Sa 28/15, juris Rn 121 f.).

118

Insoweit trägt die Argumentation der Klägerin auch nicht unter Hinweis auf die seinerzeit im Steinkohlebergbau durch Tarifvertrag eingerichteten Mitarbeiterentwicklungscenter. In dem Hinweisbeschluss zu dem Revisionsverfahren 10 AZR 913/13 (Anlage K 15) hatte der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts Bedenken, weil es nach dem Wortlaut des Tarifvertrags im freien Belieben der Arbeitgeberin stand, die Arbeitnehmer zu benennen, die in das Mitarbeiterentwicklungszentrum versetzt werden können. Der Senat hatte weiterhin Bedenken, dass der versetzte Arbeitnehmer verpflichtet war, sich auf ihm nachgewiesene Arbeitsplatzangebote zu bewerben, an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen, Praktika zu absolvieren oder bei einem potenziellen neuen Arbeitgeber zur Probe zu arbeiten. Dies könne so zu verstehen sein, dass der Arbeitnehmer – so der 10. Senat – gehalten sei, an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Beendigung seines bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Arbeitgeberin aktiv mitzuwirken, und zwar unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt für ihn noch Beschäftigungsbedarf bestehe. Komme der Arbeitnehmer dem nämlich nicht nach – so der 10. Senat -, ohne dass dafür ein wichtiger Grund bestehe, verletze er nach Nr. 5.3.7 TV Beendigung Deutscher Steinkohlebergbau die ihm obliegenden Vertragspflichten und müsse deshalb nach dem in Nr. 5.3.7 (a) TV Beendigung Deutscher Steinkohlebergbau zum Ausdruck kommenden Verständnis der Tarifvertragsparteien mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung rechnen.

119

Solche Regelungen haben, wie das LAG Schleswig-Holstein zutreffend ausgeführt hat (Urteil vom 05.11.2015 – 4 Sa 28/15 – juris Rn 121), die Betriebsparteien im Interessenausgleich hier jedoch nicht getroffen. Es gibt dort keine Verpflichtungen zu irgendwelchen Maßnahmen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Zwar ist es der Zweck der L3, die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu qualifizieren und auf interne und externe Arbeitsplätze zu vermitteln. Hierdurch erlangen die Mitarbeiter jedoch Vorteile, weshalb von ihnen ein gewisses Maß an Mitwirkung erwartet werden kann. Zudem sieht – und insoweit unterscheidet sich der Interessenausgleich von dem Tarifvertrag im Steinkohlebergbau – der Interessenausgleich weder Sanktionen noch Zwang zur Durchsetzung bestimmter Mitwirkungspflichten vor. Dies gilt auch für die am 13 .Oktober 2014 abgeschlossene Betriebsvereinbarung C. nebst Ergänzungsvereinbarung. Zudem erfolgte die Zuordnung zur „L. neu“ /L3 nicht nach Belieben der Arbeitgeberin L., sondern sachlich nach dem Wegfall der Tätigkeiten.

120

Da wegen der wirksam erfolgten Zuordnung der Klägerin zu dem auf die L3 übertragenen Betrieb kein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht, waren sowohl der Feststellungsantrag als auch der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Leistungsantrag der Klägerin zurückzuweisen.

III.

121

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

122

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der strittigen Rechtsfragen zuzulassen.

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