Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 5 Sa 580/14
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07. Mai 2014 – 2 Ca 7272/13 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.313,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft dieser Entscheidung zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger macht eine Bonuszahlung für das Jahr 2011 geltend.
3Der Kläger war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen vom 1. August 1989 bis zum 31. Dezember 2012 als Vertriebsmitarbeiter angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers. Sein Jahresgehalt betrug im Jahr 2011 86.236,32 EUR brutto.
4Der Kläger war zunächst bei der Fa. B S G beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging als Folge mehrerer Betriebsübergänge auf die W -B M G , dann auf die U O G , dann auf die I , dann auf die S R -J M G , dann auf die W G G und zuletzt im Jahr 2009 auf die Beklagte über.
5Der Kläger erhielt im Jahr 2003 für das Jahr 2002 einen Bonus in Höhe von 5.965 EUR. In dem Begleitschreiben der U O G vom 3. April 2003 heißt es wörtlich:
6„Sehr geehrter Herr S ,
7ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie aufgrund Ihres besonderen Einsatzes sowie Ihrer Leistungen im Jahr 2002 einen Jahresbonus erhalten.
8Ihr Bonus beträgt 5.965,-- €
9Die Zahlung erfolgt mit der nächsten Gehaltsabrechnung.
10Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es sich bei dieser Bonuszahlung um eine Leistung der Firma handelt (USF Bonus-System), die vom Erreichen unserer budgetierten Finanzergebnisse abhängt. Sollten wir in diesem und in den kommenden Jahren unser Budget nicht erreichen, kann ein Bonus nicht gezahlt werden. Ein gesetzlicher Anspruch aus einen solchen Bonus besteht nicht.
11Lassen Sie uns gemeinsam sicherstellen, dass wir auch zukünftig unser Budget nicht nur erreichen, sondern vielleicht sogar übertreffen.“
12In dem Schreiben der I an den Kläger vom 14. August 2003 ist ausgeführt:
13„Eine der wichtigsten Fragen ist natürlich der Übergang Ihrer Gehalts-/Bonus-/und Provisionszahlungen von U zu I . Für alle Standorte außerhalb Nordamerikas ist die Frage einfach beantwortet. Sie werden keine Veränderungen sehen.“
14Wegen des Inhalts eines weiteren Schreibens der I an den Kläger vom 17. November 2003 wird auf die Kopie Bl. 20 d.A. Bezug genommen.
15Mit Schreiben vom 10. Juni 2005 teilte die W G G dem Kläger mit, dass er für 2004 keinen Bonus erhalte, weil die Vorgaben aus dem Bonusplan „KeyMIP“ nicht erreicht worden seien.
16Die W G G unterrichtete den Kläger am 20. Februar 2006 darüber, dass „aus dem PSU Plan der Betrag in Höhe von 2.628 EUR brutto“ an ihn ausgezahlt werde.
17Unter dem 27. Juni 2007 teilte der Geschäftsführer der W G G dem Kläger per Email mit:
18„Sehr geehrter Herr S ,
19wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die Ergebnisse 2006 für den Bereich Heavy Duty für einen Bonus qualifizieren.
20Basierend auf folgenden Basis: 100 % BONUS = 10 % Jahres-Gehalt, diese jeweils 50 % Bookings und 50 % für Marge
21Bookings Marge
22Ziele: 2,1 Mio € 314 T€
23Ergebnisse 1,9 Mio € 145 T€
24Erreichungsgrad: 90,5 % 46,2 %
25Min. Erreichungsgrad: 80 % 80 % mit 0 % von da ab linear steigend
26auf 100 %
27Faktor* 80 % 0 % aufgerundet
28BONUS-Anteil 50 % 50 %
29Bonus-Wert 80 %*50 % + 0 %*50 % = 40 %
30Wert: 40 % * 10 % * Jahres-Gehalt = 4 % Jahres-Gehalt
31Diese Zahlung werden Sie mit der Juli-Gehaltszahlung erhalten.
32Für das Jahr 2007 werden wir Ihnen eine auf dieser Basis aufgebaute BONUS-Regelung vorlegen, die maximal eine 20 %-ige Zusatzzahlung möglich macht.
33Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Ihnen.“
34Die W G G zahlte an den Kläger für das Jahr 2006 5.100 EUR brutto als Bonus. Für das Jahr 2007 erhielt er 14.725 EUR brutto. Seither erfolgten keine Bonuszahlungen mehr an den Kläger.
35Der Auftragseingang betrug im O -Bereich „B “ im Jahr 2011 3.811.200 EUR.
36Mit Schreiben vom 2. Mai 2003 verlangte der Kläger durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten eine Bonuszahlung für das Jahr 2011. Die Beklagte lehnte in dem Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 29. Mai 2013 den Anspruch ab und führte aus:
37„In der Zeit seiner Anstellung unterlag Herr S mehreren Bonusplänen und zuletzt dem Bonusplan, der ihm mit Email vom 27.06.2007 durch Herrn C F mitgeteilt wurde. Da Sie sich auch auf diesen Bonusplan berufen, ist dieser zwischen den Parteien vereinbart.“
38Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für das Jahr 2011 einen Bonusanspruch in Höhe von 20 % seines Jahresgehaltes habe. Dies ergebe sich aus der Email vom 27. Juni 2007. Hierzu hat er behauptet, ihm sei im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung im Herbst 2010 als Ziel für den O -Bereich B ein Auftragseingang von 800.000 EUR als alleiniges Ziel gesetzt worden. Über einen Bonus sei – unstreitig – nicht gesprochen worden.
39Der Kläger hat beantragt,
40die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.252,66 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2013 zu zahlen.
41Die Beklagte hat beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger keine Bonuszahlung. Dem Kläger sei keine Zielvorgabe gemacht worden. Bereits bei der W G G , der Rechtsvorgängerin der Beklagten, sei das Bonussystem nicht mehr Bestandteil des Arbeitsverhältnisses des Klägers gewesen. Mögliche Ansprüche des Klägers seien zudem verwirkt. Er habe für die Jahre ab 2008 unstreitig keinen Bonus geltend gemacht. Einen Bonus für 2011 habe er erstmals Mitte Mai 2012 verlangt. Diesen Anspruch habe sie am 3. Dezember 2012 abgelehnt. Der Kläger habe den Anspruch erst im Mai 2013 wieder geltend gemacht.
44Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 7. Mai 2014 abgewiesen. Gegen das ihm am 10. Juni 2014 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger am 2. Juli 2014 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 10. September 2014 begründet.
45Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, ihm stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu. Er beruft sich auf zwei Emails vom 2. und 7. Mai 2012, wegen deren Inhalt auf die zu den Akten gereichten Ausdrucke Bezug genommen wird. Sein Bonusanspruch hänge zu gleichen Teilen vom Auftragseingang und der Gewinnmarge ab. Wenn ihm kein Erfüllungsanspruch zustehe, könne er jedenfalls Schadenersatz verlangen.
46Der Kläger beantragt,
47das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.05.2014, 2 Ca 727/13, abzuändern und die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an ihn 17.252,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2013 zu zahlen.
48Die Beklagte beantragt,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Für das Begehren des Klägers bestehe keine Anspruchsgrundlage. Der Kläger habe keine detaillierte Bonus-Rahmenvereinbarung angeführt. In den vom Kläger vorgelegten Schreiben sei von unterschiedlichen Plänen die Rede. Es gebe keinen Plan, der Grundlage für weitere Jahre gewesen sei. Die Email vom 27. Juni 2007 beziehe sich nur auf die Jahre 2006 und 2007. Sie habe sich nicht pflichtwidrig verhalten; jedenfalls habe sie eine mögliche Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Es sei für sie weiterhin nicht nachvollziehbar, warum der Kläger nicht spätestens 2009 bei ihr hinsichtlich eines Bonusanspruches vorgesprochen habe.
51Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
52E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
53I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
54II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Bonuszahlung für das Jahr 2011 in Höhe von 4.313,16 EUR brutto aus § 611 Abs. 1 BGB. Dieser Betrag ist ab Rechtskraft der Entscheidung zu verzinsen. Der darüber hinausgehend geltend gemachte Anspruch besteht nicht.
55Dem Kläger stand dem Grunde nach ein Anspruch auf eine jährliche Bonuszahlung in Höhe von maximal 10 % seines Bruttojahresgehalts zu. Die jeweiligen Ziele hatte die Beklagte nach billigem Ermessen festzusetzen. Da sie dies für das Jahr 2011 unterlassen hat, war die Bestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu treffen. Es entspricht der Billigkeit, dass sich die Ziele für den Kläger auf die Bereiche Auftragseingang und Marge bezogen haben. Mit einem Auftragseingang von 3.811.200 EUR netto hat er die ihm Vergleich mit dem Jahr 2007 (2,1 Mio EUR) billigerweise zu setzenden Ziele erfüllt. Für den Bereich „Marge“ war ihm keine Zahlung zuzusprechen, weil er insoweit keine Darlegungen vorgenommen hat. Der Anspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt. Zinsen kann der Kläger erst ab Rechtskraft des Urteils verlangen.
561. Dem Kläger stand dem Grunde nach ein Anspruch auf eine jährliche Bonuszahlung in Höhe von maximal 10 % seines Bruttojahresgehalts zu.
57a) Nach der Rechtsprechung des BAG ist bei Bonusregelungen zwischen Abreden über den Abschluss von Zielvereinbarungen und Rahmenvereinbarungen über vom Arbeitgeber einseitig zu treffende Zielvorgaben zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist für die gerichtliche Kontrolle und die Frage von Bedeutung, wer die Initiative zur Festlegung von Zielen zu ergreifen hat (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147 = juris Rn. 15).
58Eine Zielvorgabe, mit der ein Arbeitgeber einseitig die Ziele in Ausübung seines Direktionsrechts bestimmt, unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Ist vereinbart, dass die Zahlung des Bonus durch die Erreichung von Zielen innerhalb einer Zielperiode aufschiebend bedingt ist (§ 158 Abs. 1 BGB), und sind nach der vertraglichen Regelung die Ziele von den Arbeitsvertragsparteien gemeinsam festzulegen, unterliegt diese Vereinbarung als Entgeltregelung grundsätzlich keiner allgemeinen Billigkeits- oder Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Es finden die Grundsätze über die freie Entgeltvereinbarung uneingeschränkt Anwendung (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147 = juris Rn. 16).
59Die Unterscheidung zwischen einer Zielvorgabe und einer Zielvereinbarung ist auch von Bedeutung, wenn entgegen einer arbeitsvertraglichen Abrede für eine bestimmte Periode keine Ziele festgelegt worden sind. Hat allein der Arbeitgeber vor Beginn einer Zielperiode Ziele aufzustellen, bedarf es anders als bei einer arbeitsvertraglichen Abrede über Zielvereinbarungen keiner Mitwirkung des Arbeitnehmers. Gibt der Arbeitgeber keine Ziele vor, verletzt der Arbeitnehmer bei einer Rahmenvereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über Zielvorgaben keine eigenen Pflichten, wenn er den Arbeitgeber nicht auffordert, ihm Ziele vorzugeben. Die Initiativlast trägt allein der Arbeitgeber. Ist für die Festlegung von Zielen eine Zeit nach dem Kalender bestimmt und gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Ziele vor, bedarf es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB für den Verzug des Arbeitgebers auch keiner Mahnung des Arbeitnehmers (BAG 12. Dezember 2007 – 10 AZR 97/07 – BAGE 125, 147 = juris Rn. 17).
60Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (BAG 22. Juli 2014 – 9 AZR 1066/12 – NZA 2014, 1330).
61Ist eine Erfolgsbeteiligung ursprünglich mit einem früheren Arbeitgeber vereinbart und auf eine Beteiligung an dessen wirtschaftlichem Erfolg orientiert, so ändert sich daran auch durch einen Betriebsübergang und den damit verbundenen Übergang des Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 1 BGB nichts. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien wird durch den Wechsel des Arbeitgebers insoweit nicht berührt (BAG 12. Oktober 2005 – 10 AZR 410/04 – EzA § 611 BGB 2002 Tantieme Nr. 1).
62b) Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger jährlich die Zahlung eines Bonusses aufgrund von der jeweiligen Arbeitgeberin einseitig zu treffenden Zielvorgaben verlangen. Der Anspruch war der Höhe nach auf 10 % und nicht wie der Kläger meint auf 20 % eines Jahresgehaltes beschränkt.
63aa) Die Auslegung der Erklärungen der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten ergibt, dass diese dem Kläger das vertragliche Angebot unterbreitet haben, in den jeweils bestehenden Bonusplan aufgenommen zu werden. Dieses Angebot hat der Kläger ohne ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Vertragspartner angenommen (§ 151 BGB). In diese vertragliche Pflicht ist die Beklagte aufgrund des Betriebsübergangs eingetreten (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Aufhebung dieser Vereinbarung ist nicht erfolgt.
64Die Einräumung eines vertraglichen Anspruches gegenüber dem Kläger ergibt sich bereits aus dem Schreiben der U O G vom 3. April 2003. In dem Schreiben hat sie ausdrücklich auf ein „U Bonus-System“ verwiesen, an dem der Kläger teilhaben sollte. Ihr Hinweis, dass ein Bonus nicht gezahlt werden kann, wenn „wir in diesem und in den kommenden Jahres unser Budget“ nicht erreichen, ist dahingehend zu verstehen, dass der Kläger eine Bonuszahlung verlangen können sollte, wenn das Budget erreicht werden würde. Die weitere Mitteilung, dass ein gesetzlicher Anspruch auf einen solchen Bonus nicht bestehe, deutet ebenfalls darauf hin, dass die U O G von dem Bestehen eines vertraglichen Anspruches ausgegangen ist.
65In die gleiche Richtung weisen die Schreiben vom 14. August 2003, 10. Juni 2005 und 20. Februar 2006. In dem Schreiben vom 14. August 2003 ist ausdrücklich ausgeführt, dass die „Gehalts-/Bonus-/und Provisionszahlungen von U zu I “ übergehen. Der Umstand, dass auf unterschiedliche Bonuspläne („KeyMIP“, „PSU Plan“) Bezug genommen wird, steht einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Er verdeutlicht nur, dass die jeweilige Arbeitgeberin die Ziele nicht vertraglich mit dem Kläger festlegen, sondern diese einseitig festlegen wollte.
66Hinzuweisen ist darüber hinaus auf das Schreiben vom 27. Juni 2007. Dort ist ausgeführt, dass die „Ergebnisse 2006 für den Bereich Heavy Duty für einen Bonus qualifizieren“. Auch diese Formulierung zeigt, dass die Arbeitgeberin des Klägers einen von ihr selbst erstellten Bonusplan hatte, der beinhaltete, dass der Kläger bei Erreichung der einseitig festgelegten Ziele einen Bonus beanspruchen konnte.
67Hiervon ist die Beklagte im Übrigen selbst ausgegangen. Auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 29. April 2014 (= Bl. 86 d.A.) hat sie ausgeführt, dass das Bonussystem bereits bei der W G G , der Rechtsvorgängerin der Beklagten, nicht mehr Bestandteil des Arbeitsverhältnisses des Klägers gewesen sei. Dies impliziert, dass das Bonussystem zu einem früheren Zeitpunkt Bestandteil des Arbeitsverhältnisses des Klägers war. Auch außergerichtlich ist die Beklagte von einem vertraglichen Anspruch des Klägers ausgegangen. In dem Schreiben der Beklagtenvertreter vom 29. Mai 2013 an den Klägervertreter ist ausgeführt, dass der Bonusplan, der mit Email vom 27. Juni 2007 mitgeteilt worden sei, „zwischen den Parteien vereinbart“ sei.
68Eine Aufhebung der vertraglichen Abrede, auf die sich die Beklagte offensichtlich berufen will, ist nicht erfolgt. Sie ergibt sich nicht daraus, dass die Arbeitgeberin des Klägers in den Jahren 2008 bis 2010 keine Zielvorgaben gesetzt hat, ohne dass dies vom Kläger beanstandet worden wäre. Dem Schweigen des Klägers kommt kein Erklärungswert in dem Sinne zu, dass er seinen vertraglich begründeten Anspruch aufgeben wollte.
69bb) Der Anspruch ist der Höhe nach auf 10 % und nicht wie der Kläger meint auf 20 % eines Jahresgehaltes beschränkt.
70Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen lassen nicht mit der für eine Überzeugungsbildung des Gerichts notwendigen Klarheit erkennen, dass sich der jeweilige Arbeitgeber zu einer möglichen Zahlung von mehr als 10 % eines Jahresgehaltes verpflichten wollte.
71Von der Möglichkeit, „eine 20%ige Zusatzzahlung“ zu erreichen, ist nur in der Email vom 27. Juni 2007, allerdings konkret bezogen auf das Jahr 2007, die Rede. Der Kläger hat auch nur für dieses Jahr die Zahlung eines Bonusses erhalten, der die Grenze von 10 % überstieg. Dagegen war der Bonus nach der Email für 2006 auf maximal 10 % eines Jahresgehaltes beschränkt. Dies ergibt sich für die Zeit davor auch aus dem Schreiben vom 17. November 2003, auf dass sich der Kläger berufen hat.
722. Der Kläger kann für das Jahr 2011 insgesamt einen Bonus in Höhe von 4.313,16 EUR verlangen.
73a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 19. März 2014 – 10 AZR 622/13 – NZA 2014, 595; 11. Dezember 2013 – 10 AZR 364/13 – ZIP 2014, 1093).
74Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Ist dies nicht der Fall, ist die Leistungsbestimmung durch Urteil vorzunehmen (BAG 19. März 2014 – 10 AZR 622/13 – NZA 2014, 595; 11. Dezember 2013 – 10 AZR 364/13 – ZIP 2014, 1093).
75b) Danach war die Leistungsbestimmung durch Urteil vorzunehmen, weil die Beklagte selbst eine Leistungsbestimmung nicht vorgenommen hat.
76Dabei war der Anspruch nicht wegen Mitverschuldens des Klägers zu kürzen. Ein solches fällt dem Kläger nicht zu Last. Nach den oben dargestellten Grundsätzen hat der Kläger keine eigenen Pflichten verletzt, indem er die Beklagte nicht aufgefordert hat, ihm Ziele vorzugeben. Die Initiativlast hat allein die Beklagte getragen.
77Bei der Vornahme der Leistungsbestimmung hat sich das Gericht an der zuletzt vorgenommenen Leistungsbestimmung vom 27. Juni 2007 orientiert. Danach sollte es gleichrangig auf den Eintragseingang und die Marge ankommen. Für 2007 war dem Kläger ein Ziel von „2,1 Mio Bookings“ gesetzt worden. Da 2011 unstreitig fast eine Verdoppelung des Auftragseingangs gegenüber 2007 (3.811.200 EUR) erfolgt ist, entspricht es der Billigkeit, dem Kläger für das Jahr 2011 den insoweit maximal erreichbaren Betrag zuzuerkennen. Dieser beläuft sich auf 5 % eines Jahresgehaltes, mithin auf 4.313,16 EUR. Auf die Frage, ob dem Kläger ein Auftragseingang von 800.000 EUR als Ziel genannt wurde, kommt es nicht an.
78Ein weiterer Anspruch war dem Kläger nicht zuzuerkennen, weil jegliche Angaben der Parteien zur Höhe der Marge im Jahr 2011 fehlen. Ohne eine konkrete Behauptung des Klägers, dass die Beklagte 2011 Gewinn gemacht hat, hat sich die Kammer außerstande gesehen, dem Kläger insoweit einen Betrag zuzusprechen. Dabei hat sie beachtet, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, zu tragen hatte. Dies hat den Kläger nicht davon entbunden, zu diesem Punkt insoweit vorzutragen, als ihm dies möglich war.
793. Der Anspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.
80a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes (§ 242 BGB) und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG 17. Oktober 2013 – 8 AZR 974/12 – NZA 2014, 774).
81b) Danach hat der Kläger sein Recht, einen Bonusanspruch für das Jahr 2011 geltend zu machen, nicht verwirkt.
82Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, der Kläger werde seinen berechtigten Anspruch nicht geltend machen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte nicht schutzwürdig ist, weil sie und nicht der Kläger die Initiativlast hinsichtlich der Vorgaben von Zielen hatte. Hinzu kommt, dass die Beklagte das Schweigen in den Jahren 2008 bis 2010 nicht dahingehend verstehen durfte, dass der Kläger in den späteren Jahren auf seinen vertraglich begründeten Anspruch verzichten würde. Dem Schweigen in den Jahren zuvor kommt für das Jahr 2011 kein Erklärungswert zu.
83Verwirkung ist auch nicht etwa deswegen eingetreten, weil der Kläger auf die Ablehnung der Ansprüche durch die Beklagte im Dezember 2012 erst im Mai 2013 reagiert hat. Insoweit ist bereits das Zeitmoment nicht erfüllt. Gleiches gilt für das Umstandsmoment. Der Kläger hat in diesem Zeitraum keine Handlungen vorgenommen, die der Beklagten Anlass gegeben hätten, darauf zu vertrauen, dass er seinen vertraglichen Anspruch nicht weiterverfolgen werde.
844. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Zinsen kann der Kläger allerdings erst ab Rechtskraft dieses Urteils verlangen. Dies folgt daraus, dass Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig werden (BAG 10. Dezember 2013 – 3 AZR 595/12 – BetrAV 2014, 201).
85III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
86IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.
87RECHTSMITTELBELEHRUNG:
88Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
89Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 72a ArbGG verwiesen.
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