Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 10 Sa 730/15
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil desArbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2015– 7 Ca 4108/14 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersfreizeit durch Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Klägerin.
3Die am 1958 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.1998 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten in deren Zentrale in A tätig. Die Klägerin ist derzeitig mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Hierfür erhält sie ein monatliches Bruttoentgelt von 2.850,00 €. Die Klägerin übt das Amt der Vorsitzenden des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates aus.
4Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der S -G G D GmbH, der S -G Se D GmbH & Co. KG und der S -G S N GmbH & Co. KG (MTV) Anwendung.
5In § 3 Ziffer 1 MTV ist die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit ausschließlich der Pausen mit 37,5 Stunden geregelt.
6§ 3 a MTV enthält besondere Regelungen für die Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer, die wie folgt lauten:
7„I. Arbeitnehmer, die das 56-igste Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine Altersfreizeit von einer Stunde je Woche.
8Arbeitnehmer in vollkontinuierlicher Arbeitsweise, die das 56-igste Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre vollkontinuierliche Wechselschichtarbeit geleistet haben, erhalten eine zusätzliche Altersfreizeit von einer Stunde je Woche.
9Arbeitnehmer in dreischichtiger Arbeitsweise, die das 56-igste Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre in dreischichtiger Arbeitsweise gearbeitet haben, erhalten eine zusätzliche Altersfreizeit von einer halben Stunde je Woche.
10Diese Regelungen gelten nicht für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit leisten.“
11Mit Schreiben vom 13.10.2014 machte die Klägerin die Gewährung von Altersfreizeit gemäß § 3 a MTV geltend.
12Dieses Begehren verfolgt die Klägerin mit ihrer Klage vom 04.11.2014, welche am selben Tag beim Arbeitsgericht in Aachen eingegangen ist, hinsichtlich der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um 48 Minuten weiter.
13Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Ablehnung der Gewährung von anteiliger Altersfreizeit durch die Beklagte sei unberechtigt. Der Ausschluss des Altersfreizeitanspruchs für Teilzeitbeschäftigte in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung erstrecke sich hierbei nicht nur auf die Bemessung der geschuldeten Arbeitszeit, sondern habe auch Auswirkung auf die Vergütung, da die den Vollzeitbeschäftigten gewährte Arbeitsreduzierung bei gleichbleibender Vergütung zu einer Erhöhung des Stundenlohns im Verhältnis zu den Teilzeitbeschäftigten führe. Ein substantiierter Vortrag der Beklagten zu den Gründen für eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Der pauschale Hinweis auf die geringere gesundheitliche Belastung von Teilzeitmitarbeitern genüge nicht der Darlegungslast der Arbeitgeberseite. Zudem sei eine Ungleichbehandlung lediglich dann gerechtfertigt, wenn die für den Sachgrund maßgebliche Belastung bei Teilzeitmitarbeitern auch nicht lediglich anteilig vorhanden sei. Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Die bloße diesbezügliche Einschätzung der Arbeitgeberseite reiche hierfür ebenso wenig aus wie die der Tarifparteien.
14Die Klägerin hat beantragt,
15die Beklagte zu verurteilen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 05.08.2014 um 48 Minuten wöchentlich zu reduzieren und die bis zu einer Entscheidung geleistete Arbeit von 48 Minuten wöchentlich dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat erstinstanzlich dem Anspruch der Klägerin entgegengehalten, die Gewährung von Altersfreizeit gemäß § 3 a MTV stelle eine tarifliche Gesundheitsschutzregelung zugunsten der Vollzeitbeschäftigten dar. Die Teilzeitbeschäftigten – wie die Klägerin mit z. B. 30 Wochenstunden – seien mit einer erheblich geringeren Arbeitsbelastung als Vollzeitmitarbeiter tätig, sodass bei ihnen auch lediglich ein geringeres Regenerationsbedürfnis entstehe. Die tarifliche Regelung in § 3 a MTV sei hinsichtlich der abweichenden Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten durch die Entscheidungsprärogative der Tarifparteien gerechtfertigt.
19Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Urteil vom 23.04.2015– 7 Ca 4108/14 – die Lage für unbegründet gehalten, da ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersteilzeit nicht aus § 3 a MTV herzuleiten sei. Vielmehr sei von einem Sachgrund für die Differenzierung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten angesichts des geringeren Erholungsbedürfnisses von Teilzeitbeschäftigten auszugehen.
20Gegen das ihr am 17.06.2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Aachen hat die Klägerin am 10.07.2015 Berufung eingelegt und diese am 14.08.2015 begründet.
21Sie wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, von einem hinreichenden Sachgrund zur Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten bei der Gewährung von Altersfreizeit im Rahmen des § 3 a MTV sei nicht auszugehen. Unzutreffend sei, dass erst oberhalb eines bestimmten Stundensolls ein unabweisbares arbeitsmedizinisches Bedürfnis für die Regeneration der betroffenen Arbeitnehmer entstehe. So werde zum Beispiel in § 3 BUrlG hinsichtlich des Urlaubsanspruchs nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmern unterschieden. Der vom Arbeitsgericht herangezogene Begründungszusammenhang mit § 4 ArbZG – bei der Gewährung von Ruhepausen – sei nicht überzeugend, da in dieser Vorschrift nicht die Wochenarbeitszeit, sondern die tägliche Arbeitszeit betroffen sei. Unzutreffend sei, dass die Belastung der betroffenen Arbeitnehmer mit zunehmender Arbeitszeit exponentiell ansteige; zumindest sei nicht ersichtlich, ab wann dies der Fall sei. Die Ungleichbehandlung erstrecke sich auch auf die im Verhältnis von Arbeitszeit und Vergütung zu errechnende Vergütungshöhe. Eine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sei hierbei nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Nicht plausibel sei, wenn gemäß § 3 a MTV die Ableistung von Wechselschicht bei Vollzeitmitarbeitern zu einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit im Rahmen der Altersfreizeit führe, während Teilzeitbeschäftigte mit Wechselschichttätigkeit gar keine Verkürzung erhalten würden.
22Die Klägerin beantragt,
23das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 05.08.2014 um 48 Minuten wöchentlich zu reduzieren und die bis zu einer Entscheidung geleisteten Arbeit von 48 Minuten wöchentlich dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrags. Sie ist der Auffassung, wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten liege schon keine einheitliche Vergleichsgruppe vor. Die abweichende Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten bei Erreichen des 56. Lebensjahres und der in § 3 a MTV vorgesehenen langjährigen Beschäftigung sei durch den Beurteilungsspielraum der Tarifparteien gerechtfertigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist (vgl. §§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
30II. Die Berufung ist zudem unbegründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Altersfreizeit im Umfang von 48 Minuten wöchentlich gegenüber der Beklagten nicht aus § 3 a MTV herleiten kann.
31Diesem Anspruch steht die Regelung in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV entgegen, wonach ein Altersfreizeitanspruch für Teilzeitbeschäftigte wie die Klägerin nicht gegeben ist. Diese Vorschrift erweist sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als wirksam.
321. Eine unterschiedliche Behandlung der Teilzeitbeschäftigten liegt im Verhältnis zu den vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern im Rahmen des § 3 a MTV vor. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit ist immer dann gegeben, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98 – zitiert nach juris, Randziffer 29 m. w. N.). Vorliegend knüpft der Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung von Altersfreizeit in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV an die Dauer der Arbeitszeit an. Eine unterschiedliche Behandlung ist auch im Bereich der Vergütung festzustellen. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Bei den Vollzeitbeschäftigten wirkt sich die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Beibehaltung der bisherigen Monatsvergütung als Erhöhung ihres Entgelts pro Arbeitsstunde aus. Die teilzeitbeschäftigte Klägerin, der eine solche Arbeitszeitermäßigung nicht gewährt wird, erhält bei gleichbleibender Vergütung damit eine geringere Vergütung pro geleisteter Arbeitsstunde (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98, zitiert nach juris, Randziffer 32).
332. Es ist jedoch von einem sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten Klägerin gegenüber den Vollzeitbeschäftigten rechtfertigt, auszugehen.
34a. Allerdings ist allein das unterschiedliche Arbeitspensum nicht die ausreichende Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften. Hinreichende Sachgründe können auf unterschiedliche Arbeitsbelastung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (so die amtliche Begründung für den Regierungsentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 BT-Drucksache 10/2102, Seite 24). Eine Ungleichbehandlung kann auch aus Gründen des Arbeitsschutzes, insbesondere aus arbeitsmedizinischen Gründen gerechtfertigt sein. Wirkt sie sich im Bereich der Vergütung und damit unmittelbar auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus, kommt eine Ungleichbehandlung nur in Betracht, wenn etwa die besonderen Anforderungen oder Erschwernisse, um deren Ausgleich es geht, bei den vergleichbaren Teilzeitkräften selbst anteilig nicht gegeben sind. Der behauptete Differenzierungsgrund muss objektiv vorhanden sein. Die bloße Einschätzung des Arbeitgebers, bestimmte Belastungen träten nur bei vollbeschäftigten Arbeitnehmern ein, reicht nicht aus, auch dann nicht, wenn diese Einschätzung vertretbar erscheint.
35b. Die Darlegungs- und Beweislast für das objektive Vorliegen eines diesen Anforderungen genügenden Sachgrundes liegt beim Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98 -, zitiert nach juris, Randziffer 35). Angesichts der Schwierigkeiten, in diesem Bereich exakte Erkenntnisse zu gewinnen, dürfen die Beweisanforderungen aber nicht überspannt werden. Von einem Erfahrungssatz, dass die Belastung durch ungünstigere Schichtzeiten mit zunehmender Arbeitszeit nicht linear ansteige, sondern exponentiell, sodass von einem bestimmten Punkt an ein Qualitätssprung einsetzt, kann nicht ausgegangen werden (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZR 518/90 -, zitiert nach juris, Randziffer 57).
36c. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich darin frei sind, in Ausübung ihrer durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen. Dieser ist der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder im Wege der Auslegung der Tarifnorm – anhand von Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregelungen – zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.08.2009 – 10 AZR 634/08 -, zitiert nach juris, Randziffer 32).
37Die durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautomonmie gewährt ihnen einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 736/12 -, zitiert nach juris, Randziffer 14).
38bb. Im vorgenannten Sinne ist von einer Überschreitung des Gestaltungsspielraums der Tarifparteien durch den Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Altersfreizeitgewährungsanspruchs aus § 3 a MTV in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV nicht auszugehen.
39Ausgehend davon, dass die Altersgrenze – Vollendung des 56. Lebensjahres – in § 3 a Ziffer 1 MTV dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienen soll, die wegen ihrer Vollzeitbeschäftigung ein gesteigertes Erholungsbedürfnis aufweisen, ist eine Rechtfertigung für eine anteilige Leistungsgewährung an Teilzeitkräfte nicht gegeben. Der Grund für die vorgesehene Absenkung der Arbeitszeit – die Kompensation für das altersbedingte Absinken des Leistungsvermögens und des hierdurch gesteigerten Erholungsbedürfnisses – trifft auf die Teilzeitbeschäftigten nicht zu (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 30.01.2014 – 8 Sa 942/13 -, zitiert nach juris, Randziffer 15).
40Ob ein sachlich vertretbarer Grund für eine unterschiedliche Behandlung besteht, hängt vom Zweck der Leistung ab. Der Leistungszweck ist aus den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregeln zu ermitteln. Bei tariflichen Leistungen sind die Leistungszwecke maßgeblich, die mit der Tarifregelung verfolgt werden. Dabei kommt es nicht auf die denkbaren Zwecke an, die mit der betreffenden Leistung verfolgt werden können, sondern auf diejenigen, um die es den Tarifvertragsparteien bei der betreffenden Leistung nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen, durch die Tarifautonomie geschützten Willen geht. Dieser Wille ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 – 5 AZR 8/03 -, zitiert nach juris, Randziffer 48).
41Leistungszweck hinsichtlich der Gewährung von Altersfreizeit ist ausweislich der Kombination der Bedingungen in § 3 a Abs. 1 MTV – das Vollenden des 56. Lebensjahres und die Leistung von Vollzeitarbeit – ein erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Mitarbeiter. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut unmittelbar, wird aber gestützt aus dem systematischen Zusammenhang und dem Kontext der Regelung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein weiterer Arbeitszeitverkürzungstatbestand für mehrjährig beschäftigte ältere Mitarbeiter in § 3 a Ziffer 1 Abs. 2 und 3 MTV jedenfalls abhängt von Aspekten der Arbeitsbelastung – nämlich der Leistung von vollkontinuierlicher Wechselschichtarbeit bzw. dreischichtiger Arbeitsweise.
42Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie einen Schwellenwert für die Teilhabe an der Gewährung von Altersfreizeit festgelegt (vgl. BAG, Beschluss vom 27.03.1996 – 5 AZR 647/94 -, zitiert nach juris, Randziffer 13). Die Anwendung eines solchen Schwellenwertes als typisierende Regelung ist grundsätzlich zulässig. Hierbei ist wiederum auf die den Tarifparteien zukommende Einschätzungsprärogative zu verweisen. Die Tarifvertragsparteien dürfen generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und typisieren. Besonderheiten, die ihnen bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Normgeber darf sich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelung Rechnung zu tragen. Die von ihm vorgenommenen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Zudem müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihnen nicht widersprechen. Die bei einer Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.2011 – 10 AZR 701/09 -; zitiert nach juris, Randziffer 22 m. w. N.; Urteil vom 22.09.2009 – 1 AZR 316/08-, zitiert nach juris, Randziffer 12).
43Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist es daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung – insbesondere in Ausübung des Gestaltuingsspielraums der Tarifparteien – auch gestattet, als Differenzierungskriterium ein gesteigertes Erholungsbedürfnis – wie etwa aufgrund des Lebensalters und des Umfangs der Arbeitszeit (Vollzeit in Abgrenzung zur Teilzeit) – heranzuziehen (vgl. Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen; BAG, Urteil vom 21.10.2014 – 9 AZR 956/12 -, zitiert nach juris, Randziffer 38).
44III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die unterlegene Klägerin nach § 97 ZPO.
45Die Kammer hat die Revision nach § 72 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits mit Rücksicht auf die Frage der gebotenen Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften bei der Gewährung von Altersfreizeit im Rahmen tariflicher Regelungen zugelassen.
46Rechtsmittelbelehrung
47Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
48R E V I S I O N
49eingelegt werden.
50Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
51Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
52Bundesarbeitsgericht
53Hugo-Preuß-Platz 1
5499084 Erfurt
55Fax: 0361-2636 2000
56eingelegt werden.
57Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
58Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
59- 60
1. Rechtsanwälte,
- 61
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 62
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
64Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
65Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
66* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Referenzen
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- ZPO § 520 Berufungsbegründung 1x
- § 3 a MTV 11x (nicht zugeordnet)
- 9 AZR 956/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV 4x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 1x
- Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 8 Sa 942/13 1x
- 10 AZR 701/09 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 8/03 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 7 Ca 4108/14 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 a Abs. 1 MTV 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 18/98 3x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 518/90 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 BUrlG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- ArbZG § 4 Ruhepausen 1x
- 10 AZR 634/08 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- 5 AZR 647/94 1x (nicht zugeordnet)
- 1 AZR 316/08 1x (nicht zugeordnet)
- 10 AZR 736/12 1x (nicht zugeordnet)