Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 597/15
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.04.2015 – 1 Ca 8245/14 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten zuletzt noch über die Vergütung von Mehrarbeit für die Zeit vom 16.05.2011 bis 06.06.2013.
3Der Kläger war in der Zeit vom 12.05.2011 bis zum 31.12.2015 bei der nicht aufgrund Mitgliedschaft tarifgebundenen Beklagten, die ein Autohaus betreibt, als Gebrauchtwagen-Verkaufsberater angestellt. Nach § 1 des Anstellungsvertrages vom 12.05.2011 finden auf das Arbeitsverhältnis die für die Beklagte geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Eine Arbeitszeitregelung enthält der Arbeitsvertrag nicht. Der Kläger erhält gemäß § 9 des Anstellungsvertrages für seine Tätigkeit ein Fixum in Höhe von monatlich 1.000,-- € sowie Provisionen nach internen Regelungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 12.05.2011 wird auf Bl. 32 ff. d. A. verwiesen. Hinsichtlich der ab 01.10.2012 gültigen Provisionsregelung wird auf Bl. 37 d. A. Bezug genommen. Unter dem 08.10.2012 (Bl. 36 d. A.) vereinbarten die Parteien eine Erhöhung des monatlichen Fixums ab dem 01.10.2012 auf 1.650,-- €.
4Im Jahre 2012 erzielte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn, einschließlich Sachbezüge, in Höhe von 82.094,61 €.
5Ab dem 07.06.2013 war der Kläger fortdauernd arbeitsunfähig.
6Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.04.2015 (Bl. 161 ff. d. A.) die Beklagte zur Zahlung einer einbehaltenen Arbeitsvergütung in Höhe von 600,-- € verurteilt. Die Zahlungsklage auf Mehrarbeitsvergütung hat es abgewiesen, der Kläger habe die Voraussetzungen für die Vergütung von 1.223 Überstunden nicht hinreichend dargetan. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbingens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
7Gegen das ihm am 15.05.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.06.2016 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.08.2015 begründet.
8Der Kläger meint, er sei als Autoverkäufer angestellt, so dass selbst die rein körperliche Anwesenheit in den Verkaufsräumen die vertraglich geschuldete Tätigkeit darstelle, so dass er nicht darlegen müsse, welche konkreten Tätigkeiten er wann genau verrichtet habe. Die Leistung der Überstunden könnten von den Arbeitskollegen, mit denen er zeitgleich und gemeinsam gearbeitet habe, bekundet werden und sei von der Geschäftsführung der Beklagten geduldet worden. Die branchen- und regionalübliche Arbeitszeit liege unter Berücksichtigung der Arbeitszeitregelung des MTV Kfz-Handwerk NRW bei 36,5 Stunden die Woche.
9Der Kläger beantragt,
10teilweise abändernd die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 52.132,63 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.07.2013 zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 17.08.2015 und vom 01.09.2015, die Sitzungsniederschrift vom 27.01.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
17II. Die Berufung ist ohne Erfolg, das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung abgewiesen.
181. Die Klage auf Vergütung von 1.223 Überstunden in dem Zeitraum vom 16.05.2011 bis 06.06.2013 ist bereits unzulässig.
19a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten.
20Der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er worüber begehrt. Dazu hat er den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat. Der Kläger muss die begehrte Rechtsfolge aus einem konkreten Lebensvorgang ableiten. Vorzutragen sind die Tatsachen, die den Streit unverwechselbar festlegen. Der zugrunde liegende Sachverhalt darf nicht beliebig sein. Richtet sich eine Leistungsklage auf die Zahlung zeitabhängiger Vergütung, gehört zur erforderlichen Bezeichnung des Streitgegenstands regelmäßig die Angabe, für welche konkrete Zeitabschnitte Vergütung in welcher bestimmten Höhe verlangt wird. Nur durch diese Angaben zum Lebenssachverhalt (Klagegrund) kann sichergestellt werden, dass das Gericht entsprechend § 308 Abs. 1 ZPO der klagenden Partei nicht etwas anderes zuspricht als von ihr beantragt wird (BAG, Urt. v. 07.07.2015 -10 AZR 416/14 – m.w.N.; vgl. auch: BAG Urt. v. 11.11.1997 – 9 AZR 598/96 -).
21b) Der Zahlungsantrag ist zwar hinreichend bestimmt, weil er auf eine konkrete Summe an Geld lautet. Jedoch ist der zugrundeliegende Sachverhalt für die Überstundenvergütung nicht hinreichend bestimmbar. Der Kläger hat schematisch für die einzelnen Arbeitstage Beginn und Ende der Arbeitszeit „abzgl. 0,5 h Pause“ zugrunde gelegt. Nach seinem Vorbringen bleibt offen, welche der Stunden arbeitsvertraglich geschuldete Normalarbeitszeit darstellen und für welche konkreten Stunden er Mehrarbeit reklamiert bzw. in welchen Zeiten er eine Arbeitspause eingelegt hat. Es bleibt unklar, welche konkreten Zeitabschnitte der rechtlichen Beurteilung als Überstunden zu unterwerfen sind.
222. Ungeachtet dessen hat das Arbeitsgericht auch in der Sache mit zutreffender Begründung, der sich Berufungskammer anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Vergütungsklage abgewiesen. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung rechtfertigen kein abweichendes Ergebnis.
23a) Es kann dahinstehen, ob Überstunden im Falle eines Gebrauchtwagen-Verkäufers, der wie der Kläger ca. 70 % seiner Vergütung durch Provisionen erzielt, nach § 612 Abs. 1 BGB zu vergüten sind. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt (BAG, Urt. v. 23.09.2015 – 5 AZR 626/13 – m.w.N.).
24b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, sofern die geschuldete Arbeitszeit von angeblich 36,5 Stunden die Woche überschritten wird, hat der Kläger nicht hinreichend konkret dargetan, welche Arbeiten er in welchen Stunden verrichtet hat, so dass nicht feststellbar ist, dass die Überstunden zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb begründet keine Vermutung für die Notwendigkeit von Überstunden (BAG, Urt. v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 – m.w.N.). Dies gilt auch für einen Gebrauchtwagen-Verkäufer, von dem nicht nur körperliche Anwesenheit im Betrieb, sondern regelmäßig Verkaufsbemühungen einschließlich der organisatorischen Vorbereitungs-, Auftrags- und Abwicklungsarbeiten kaufmännischer Art erwartet werden. Soweit der Kläger sich auf eine Duldung „der“ Überstunden beruft, ist sein Vorbringen weder hinreichend klar noch hat er Beweis angetreten. Er behauptet in allgemeiner Form „an den in der Klageschrift dargelegten Arbeitstagen“ sei „mindestens“ ein Mitglied der zweiköpfigen Geschäftsführung im Autohaus anwesend gewesen und habe Kenntnis „von den dargelegten Überstunden“ gehabt. Wer von der Geschäftsführung an welchem Tag überhaupt von wann bis wann anwesend war und deshalb Arbeitsbeginn und Arbeitsende des Klägers zur Kenntnis genommen hat, bleibt offen. Es kann daher auch nicht, wie der Kläger meint, unterstellt werden, die Beklagte als Arbeitgeber wisse, wann und wie lange ein Arbeitnehmer in ihrem Betrieb tätig sei. Vielmehr hätte es nicht nur eines konkreten Tatsachenvortrags zur Kenntnis, sondern auch eines entsprechend geeigneten Beweisangebots bedurft.
25III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
26IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
27Rechtsmittelbelehrung
28Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
29Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 72a ArbGG verwiesen.
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Referenzen
- ZPO § 253 Klageschrift 1x
- 10 AZR 416/14 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72a Nichtzulassungsbeschwerde 1x
- 5 AZR 626/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 308 Bindung an die Parteianträge 2x
- BGB § 612 Vergütung 1x
- 1 Ca 8245/14 1x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 122/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 322 Materielle Rechtskraft 1x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- 9 AZR 598/96 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x