Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 643/15
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 29.04.2016 – 4 Ca 1733/14 G – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten zuletzt noch über eine Lohnsteuererstattung.
3Die Beklagte ist Arbeitnehmerin der Klägerin. Nachdem die Beklagte einen Kündigungsrechtstreit gewonnen hatte, nahm sie am 11.12.2013 ihre Arbeit bei der Klägerin wieder auf. Es erfolgte seitens der Klägerin eine Abrechnung über das offen stehende Gehalt seit dem Juli 2013 unter Berücksichtigung der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche. Die Klägerin ermittelte zuletzt einen Nachzahlungsbetrag einschließlich Dezember 2013 in Höhe von 16.432,69 € brutto, was laut Lohnjournal Dezember 2013 (Bl. 142 d. A.) einem Nettobetrag von 10.111.62 € entsprach. Sie zahlte an die Beklagte unter dem 14.01.2014 einen Betrag von 6.321,59 € netto und an die Bundesagentur für Arbeit aufgrund Überleitung weitere 2.412,65 €.
4Im Zeitraum September 2014 bis Dezember 2014 hielt die Klägerin vom Gehalt der Beklagten sukzessive einen Gesamtbetrag von 2.010,44 € mit der Begründung ein, für die nachberechneten Bezüge Juli bis Dezember 2013 sei nach dem Zuflussprinzip eine höhere Steuerbelastung eingetreten, wodurch eine Gehaltsüberzahlung erfolgt sei.
5Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.04.2015 (Bl. 79 ff. d. A.) auf die Widerklage der Beklagten die Klägerin verurteilt, an die Beklagte den einbehaltenen Betrag von 2.010,44 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Feststellungsklage der Klägerin, wonach festgestellt werden sollte, dass die Forderung der Klägerin in Höhe des genannten Betrags berechtigt gewesen sei, hat das Arbeitsgericht als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Abrechnungen der Klägerin seien undurchschaubar und ein Rückzahlungsanspruch wegen zu viel abgeführter Lohnsteuer bestehe nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
6Gegen das ihr am 17.06.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.06.2015 Berufung eingelegt und diese am 21.07.2015 begründet.
7Nachdem die Klägerin den ausgeurteilten Betrag am 10.08.2015 im Rahmen der Zwangsvollstreckung aber mit der ergänzenden prozessualen Bemerkung, dass sie in Erfüllung der Forderung geleistet habe, an die Beklagte gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.
8Die Klägerin führt aus, es habe nach dem Zuflussprinzip abgerechnet werden müssen, wodurch eine höhere Lohnsteuerlast und damit ein Lohnsteuersoll entstanden sei. Die Lohnsteuerbeträge seien pflichtgemäß an das Finanzamt abgeführt worden. So habe die Klägerin im Dezember 2013 einen Lohnsteuerbetrag von 2.414,52 € abgeführt. Die Abweichung zum eingeklagten Betrag beruhe auf einer rechnerischen Korrektur, der eingeklagte Betrag sei in dem abgeführten Betrag enthalten. Zum Nachweis der Abführung verweist die Klägerin auf das Lohnsteuerjournal Dezember 2013, die Abbuchungsmitteilung des Finanzamtes vom 16.01.2014 und einen Auszug aus dem Geschäftskonto (Bl. 142 ff. d.A.).
9Die Klägerin beantragt zuletzt,
10unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 29.04.2015 - 4 Ca 1733/14 G - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.010,44 € zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Berufung zurückzuweisen.
13Die Beklagte bestreitet eine steuerliche Mehrbelastung aufgrund des Zuflussprinzips, da dieses zum Jahreswechsel 2013/2014 nicht in Ansatz gebracht worden sei. Im Übrigen sei die behauptete Mehrbelastung nicht nachvollziehbar vorgetragen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 21.07.2015, 23.09.2015, 06.10.2015, 16.11.2015, 15.01.2016, 03.02.2016, 11.02.2016 und 22.02.2016, die Sitzungsniederschriften vom 06.01.2016 und 31.08.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
17II. Die Berufung ist unbegründet, denn ihr steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 2.010,44 € gegen die Beklagte zu.
181. Zwar ist es im Grundsatz zutreffend, dass der Arbeitgeber gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG die Erstattung nachentrichteter Lohnsteuern vom Arbeitnehmer verlangen kann, wenn er zu wenig Lohnsteuern einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch nicht befugt, die Abzüge der Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge einer materiell-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Der Arbeitgeber erfüllt beim Lohnsteuerabzug öffentlich-rechtliche Aufgaben, die allein ihm obliegen. Legt der Arbeitgeber nachvollziehbar dar, dass er bestimmte Abzüge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt hat, kann der Arbeitnehmer im Arbeitsgerichtsprozess nicht mit Erfolg einwenden, die Abzüge seien unberechtigt. Er ist vielmehr auf die steuer- und sozialrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt. Nur wenn für den Arbeitgeber auf Grund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen ist, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand, kommt eine Schadensersatzhaftung gemäß den §§ 280, 276 BGB in Betracht. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Arbeitgeber bei unklarer Rechtslageverpflichtet ist, eine Anrufungsauskunft beim Betriebsstättenfinanzamt nach § 42e EStG einzuholen (vgl.: BAG, Urt. v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07 - m.w.N.).
192. Im Streitfall soll sich der geforderte Betrag aus dem Lohnsteuerbetrag von 2.414,52 € ergeben, der nach Darlegung der Klägerin im Januar 2014 auf der Basis der Berechnungen des Lohnsteuerjournals Dezember 2013 abgeführt wurde. Wenn dem so ist, dann hat bereits ein Einbehalt der Lohnsteuer in der eingeklagten Höhe vom Bruttoverdienst der Klägerin Dezember 2013 stattgefunden. Aus welchem Grund dieser Betrag nochmals einbehalten werden soll, ist nicht ersichtlich. Selbst wenn man entgegen der Darlegung der Klägerin annehmen wollte, der abgeführte Betrag von 2.412,52 € sei zu niedrig angesetzt worden, so dass eine weitere steuerliche Mehrbelastung in der eingeklagten Höhe entstanden sein sollte, so hat die Klägerin jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass sie diesen - im Übrigen in der Höhe nicht nachvollziehbaren - Lohnsteuermehrbetrag auch tatsächlich zusätzlich zu den bereits abgeführten 2.414,52 € das Finanzamt abgeführt hat.
20III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Aus den dargelegten Erwägungen folgt zugleich, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Widerklage zu tragen hat, denn die Widerklage war zulässig und begründet, da die Klägerin war mangels Erstattungsforderung nicht zum Gehaltseinbehalt berechtigt.
21IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
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Referenzen
- EStG § 42e Anrufungsauskunft 1x
- 5 AZR 725/07 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- EStG § 42d Haftung des Arbeitgebers und Haftung bei Arbeitnehmerüberlassung 1x
- BGB § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- 4 Ca 1733/14 2x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- BGB § 426 Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang 1x