Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 64/13
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die klagende Arbeitnehmerin verlangt Entschädigung und Schadensersatz wegen Diskriminierung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Mobbing.
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Die 1964 geborene ledige Klägerin ist seit Juli 1990 bei der Beklagten als Groß- und Außenhandelskauffrau beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war lediglich in der Zeit von Oktober 1993 bis April 1994 kurzzeitig unterbrochen. Das Bruttojahresgehalt beträgt 42.900,00 Euro. Bei der Beklagten ist die Klägerin der Abteilung (Division) Print Inform & Global Notes zugeordnet und wird dort im Rahmen der Auftragsabwicklung eingesetzt. Entsprechend dem weit verzweigten Kundennetz der Beklagten hat sie hierbei mit Kunden in fast allen Zeitzonen der Welt Kontakt zu halten.
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Der klägerische Posten ist bei der Beklagten sozusagen doppelt besetzt, um für die Kunden in den verschiedenen Zeitzonen möglichst umfassend ansprechbar zu bleiben. Die Klägerin war bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Vollzeit beschäftigt. Seit 1994 erbringt die Klägerin ihre Arbeitsleistung lediglich an vier Tagen der Woche (Montag bis Donnerstag) und arbeitet an diesen Tagen dementsprechend mehr.
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Im Zeitraum vom 15. Oktober 2007 bis zum 16. November 2007 erkrankte die Klägerin erstmals an einem Hörsturz, wobei sie während der Arbeitszeit zusammenbrach. Seit dem leidet die Klägerin dauerhaft an einem Tinnitus. Am 20. Mai 2008 erlitt die Klägerin erneut einen Hörsturz, durch den sie bis zum 29. Mai 2008 erkrankt war. Wegen des Tinnitus, möglicherweise auch noch wegen anderer Leiden, gehört die Klägerin auf ihren Antrag hin inzwischen zum Kreis der behinderten Menschen. Der Zeitpunkt, zu dem sie diesen Status erlangt hat, ist vom Gericht nicht weiter aufgeklärt worden. Einen Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen hat die Klägerin nicht gestellt.
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Die Beklagte hat ihren Firmen- und Betriebssitz im Jahr 2008 von C-Stadt (Schleswig-Holstein) nach H. (Mecklenburg-Vorpommern) verlegt. Die Klägerin gehört zu den Beschäftigten, die ihr Arbeitsverhältnis am neuen Betriebssitz in H. fortgesetzt haben. Sie hat die Arbeit dort am 1. Oktober 2008 aufgenommen. In Zusammenhang mit der Sitzverlegung ist es zu Irritationen im Arbeitsverhältnis gekommen, die die Klägerin als belastend einstuft.
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In Zusammenhang mit der Verlegung des Betriebssitzes sind die Arbeitsverhältnisse einiger Beschäftigter einvernehmlich beendet worden; teilweise wurden dabei Abfindungen gezahlt. Auch mit der Klägerin wurden Gespräche über die Zukunft des Arbeitsverhältnisses geführt. Am 10. März 2008 hat Herr P. für die Beklagte ein Gespräch mit der Klägerin geführt, bei dem es um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dessen Fortsetzung am neuen Betriebssitz gegangen war. Herr P. hatte für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverbindlich die Möglichkeit einer Abfindungszahlung, über deren Höhe man sich noch einigen müsse, in den Raum gestellt.
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Unter dem 29. April 2008 teilte die Klägerin daraufhin Herrn P. per Mail mit, dass sie sich für eine betriebsbedingte Kündigung durch die Beklagte entschieden habe. Unter dem 13. Mai 2008 antwortete Herr P., dass er die Annahme des Angebotes an den Vorstand weitergeben werde. Unter dem 14. Mai 2008 teilte Herr P. der Klägerin dann allerdings mit, dass laut Vorstand keine weitere betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungszahlung ausgesprochen würde. Die Klägerin könne entweder selbst kündigen oder der Änderungskündigung widersprechen; eine Abfindungszahlung wurde nicht mehr angeboten. Den Ausspruch einer eigenen Kündigung hat die Klägerin abgelehnt.
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Unter dem 8. Juli 2008 sprach die Beklagte daher der Klägerin eine Änderungskündigung mit dem Ziel aus, das Arbeitsverhältnis am neuen Betriebssitz in H. fortzusetzen. In der Folge nahm die Klägerin das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und reichte Kündigungsschutzklage in Schleswig-Holstein ein. Im Laufe dieses Rechtsstreits wurde der Klägerin durch die Beklagte unter anderem angeboten, einen Aufwendungsausgleich von 600,00 Euro brutto monatlich bei einer 5-Tage-Woche zu zahlen. Unter dem 28. Januar 2009 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit ab und schrieben die 4-Tage-Regelung für die Klägerin dabei fest. In der Folge nahm die Klägerin die Änderungskündigungsschutzklage zurück.
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Ab dem 1. Oktober 2008 befand sich der Arbeitsplatz der Klägerin in H.. Ihren Wohnsitz in Schleswig-Holstein hat die Klägerin beibehalten. Sie pendelt seit dem zwischen dem Wohnort und dem Betriebssitz an ihren Arbeitstagen. Sie war dort in einem Büro mit fünf weiteren Mitarbeitern untergebracht. In C-Stadt hatte sie ihr Büro nur mit einer weiteren Mitarbeiterin teilen müssen.
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Aus der Sicht der Klägerin wurde das Arbeitsverhältnis dann noch durch weitere Ereignisse im Jahre 2010 schwer belastet.
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Zunächst ging es Ende Februar 2010 um die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit eines Arztbesuches zustehe, der von der Beklagten nicht anerkannt wurde. Eigentlich hatte die Klägerin am 26. Februar 2010 (Freitag) arbeitsfrei. Sie legte daher auf diesen Tag einen Zahnarzttermin am frühen Morgen. Wenige Tage vor dem 26. Februar wurde der Klägerin mitgeteilt, sie müsse an dem Freitag arbeiten, da ihre Kollegin arbeitsunfähig erkrankt sei. Die Klägerin hat darauf zunächst den Zahnarzttermin wahrgenommen und hat sich dann sofort zur Arbeit nach H. begeben. Für die ausgefallene Arbeitszeit hat sie eine Gutschrift auf dem Zeitkonto verlangt, was ihr von der Beklagten verwehrt wurde.
- 12
Am 26. April 2010 erlitt die Klägerin ihren dritten Hörsturz und war bis zum 12. Mai 2010 arbeitsunfähig erkrankt. Während ihrer Abwesenheit hat die Beklagte im Mai 2010 für ihre Kunden eine Werbe-Urkunde für eine Veranstaltung hergestellt und verteilt, auf die unter anderem die persönliche Unterschrift der Klägerin mittels PC-Technik hineinkopiert wurde. Eine Einwilligung der Klägerin hierzu lag nicht vor. Die weiteren Unterschriften auf dieser Urkunde gehörten zu Frau T. und zu einem weiteren Mitarbeiter. Nachdem die Klägerin und Frau T. sich bei dem direkten Vorgesetzten, Herrn M., über die nicht genehmigte Verwendung ihrer Unterschriften beschwert hatten, entschuldigte sich die Beklagte bei ihnen mündlich.
- 13
Im September 2010 teilte Herrn L. im Namen der Beklagten der Klägerin in einem Einzelgespräch schließlich mit, dass die für 24 Monate gewährte Aufwandspauschale von 600,00 Euro ab Oktober 2010 nicht weitergezahlt werden könne, da die Zahlen so schlecht seien. Entsprechende Kürzungen kündigte die Beklagte auch bei anderen Mitarbeitern an, die bereits früher am alten Betriebssitz für die Beklagte tätig waren; das hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ergeben. Die ehemaligen Mitarbeiter aus C-Stadt hätten genug Zeit gehabt, sich zu entscheiden, ob sie nach H. ziehen wollten. Man könne diese Zahlung gegenüber den anderen Mitarbeitern aus H. nicht weiter rechtfertigen.
- 14
Für die Auftragsabwicklung wurden von 2008 bis 2010 zwei neue Mitarbeiter eingestellt und eingearbeitet, die wesentlich jünger als die Klägerin sind und die aus dem Raum H. kommen. Die Klägerin ist danach die älteste Mitarbeiterin in der Auftragsabwicklung der Division Print Inform & Global Notes.
- 15
Am 30. September 2010 wurden die Mitarbeiter der Auftragsabwicklung der Beklagten angewiesen, in der ersten Hälfte des Monats Oktober in Kurzarbeit zu gehen. Seit dem 4. Oktober 2010 ist die Klägerin durchgängig zumindest bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien arbeitsunfähig erkrankt gewesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin von „Angst- und Panikattacken“ berichtet. Unter dem 18. Oktober 2010 wurde die Klägerin von ihrer Krankenkasse nach entsprechender Aufforderung durch die Beklagte zum Medizinischen Dienst in D-Stadt bestellt. Die Beklagte hatte befürchtet, dass die Krankmeldung durch die angeordnete Kurzarbeit motiviert sei. Die Beklagte wurde über die Feststellung des MDK informiert, dass die Krankmeldung gerechtfertigt sei.
- 16
Unter dem 1. November 2010 erhielt die Klägerin während der Arbeitsunfähigkeit dann per Einschreiben die Anweisung der Beklagten, ab 5. November 2010 an fünf Tagen pro Woche zu je acht Stunden in H. anwesend zu sein. Unter dem 20. Dezember 2010 erinnerte die Klägerin die Beklagte schriftlich an die Vereinbarung der Parteien zur 4-Tage-Woche. Die Beklagte hat in ihrem Antwortschreiben vom 22. Dezember 2010 darauf verwiesen, dass es sich bei der Vereinbarung lediglich um ein temporäres Zugeständnis der Beklagten gehandelt habe.
- 17
Unter dem 15. Juni 2011 hat die Klägerin ein Aufforderungsschreiben und eine Beschwerde wegen Diskriminierung an die Beklagte übersandt. Unter dem 20. Juli 2011 hat die Beklagte hierauf geantwortet und den Vorwurf, es lägen Diskriminierungen vor, zurückgewiesen.
- 18
Seit dem 15. November 2011 geht die Klägerin einer Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber nach und hält am vorliegenden Arbeitsverhältnis nicht mehr fest. Nach ihren eigenen Angaben bezieht sie seit Januar 2012 bis Januar 2014 eine befristete Rente wegen vollständiger Erwerbsminderung (Blatt 959 und 1218R der Akte).
- 19
Unter dem 15. September 2011 hat die Klägerin die streitgegenständliche Klage erhoben und zwar zunächst vor dem Arbeitsgericht Neumünster, welches mit Beschluss vom 13. Februar 2012 diese an das Arbeitsgericht Schwerin verwiesen hat.
- 20
Das Arbeitsgericht Schwerin hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2012 (1 Ca 287/12) als unbegründet abgewiesen.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht wird auf dieses Urteil Bezug genommen.
- 22
Mit der Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren nahezu unverändert weiter. Sie hat lediglich den Klageantrag zu 5, mit dem sie über den Antrag zu 4 hinaus das Ziel verfolgt hatte, auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, fallen gelassen.
- 23
Dem Arbeitsgericht könne nicht gefolgt werden, soweit es eine materielle Prüfung der Ansprüche wegen Eingreifens der Ausschlussfrist aus § 15 AGG für entbehrlich gehalten habe. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf die sich das Arbeitsgericht gestützt habe, sei grob europarechtswidrig. Wegen der Notwendigkeit, das nationale Recht den europarechtlichen Vorgaben entsprechend auszulegen, dürfe vorliegend § 15 Absatz 4 AGG nicht zur Anwendung gebracht werden.
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Stütze man sich nicht auf die Ausschlussfrist, stehe der Klägerin der mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Entschädigungsanspruch zu, denn die Klägerin sei durch das Vorgehen der Beklagten nachhaltig diskriminiert worden und zwar wegen ihres Alters, wegen ihrer Behinderung sowie wegen ihrer ethnischen Herkunft aus einem Bundesland der alten Bundesrepublik. Aus der rechtswidrigen Diskriminierung folge auch der Anspruch der Klägerin, den infolge der andauernden Arbeitsunfähigkeit entstandenen materiellen Schaden ersetzt zu bekommen (Berufungsantrag zu 2).
- 25
Zur Altersdiskriminierung trägt die Klägerin vor:
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Überwiegend seien nach Verlegung des Betriebssitzes jüngere Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern bei der Beklagten eingestellt worden. Diese würden schlechter bezahlt, was zu innerbetrieblichen Spannungen führe. Außerdem sei der Beklagten zuletzt das teure Arbeitsverhältnis mit der Klägerin lästig geworden, worin sich eine mittelbare Altersdiskriminierung ausdrücke.
- 27
Zur Diskriminierung wegen ihrer Behinderung trägt die Klägerin vor:
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Die Beklagte habe durchgängig keine Rücksicht auf ihre Erkrankung genommen. Der Einsatz in einem Büro mit sechs weiteren Mitarbeitern sei für die Klägerin aufgrund ihres Tinnitus eine erhebliche Belastung gewesen. Die Beklagte habe hier keine Abhilfe geschaffen.
- 29
Zur Diskriminierung wegen ihrer Herkunft trägt die Klägerin vor:
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Sie sei wegen ihrer Abstammung aus Westdeutschland diskriminiert worden. Hieraus ergebe sich eine Diskriminierung wegen der Ethnie.
- 31
Die Klägerin geht auch davon aus, dass sie durch Repräsentanten der Beklagten in ihrem Persönlichkeitsrecht durch Mobbinghandlungen verletzt worden sei. Im Tatsächlichen trägt sie dazu ergänzend Folgendes vor:
- 32
Ende September 2010 sei die Klägerin von einem angehenden Neukunden angerufen worden, der sich auf ein Angebot vom 23. Juni 2010 bezogen habe, das er von der Beklagten erhalten hätte. In diesem Angebot sei die Klägerin als Erstellerin ausgewiesen. Dieses Angebot habe sie nie erstellt, zumal der Kunde ihr gänzlich unbekannt sei. Es sei eigentlich die Aufgabe des Vertriebes, die Angebote zu unterbreiten. Es habe sich leider nicht mehr ermitteln lassen, wer das Angebot mit ihr als Ansprechpartnerin erstellt habe. Es sei ihr sehr unangenehm gewesen, dem Kunden zu erklären, dass ihr das Angebot selbst unbekannt und nicht mehr im System aufzufinden sei. Sie habe ihn daher bitten müssen, dieses Angebot noch einmal zuzusenden.
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Ende September 2010 habe der Betriebsleiter, Herr N. K., der Klägerin mitgeteilt, ihr direkter Vorgesetzter, Herr M., habe ihm und dem Vorstand, Herrn L., erzählt, dass sie am 17. September 2010 (Freitag), als eine Kollegin krank geworden sei, darum gebeten habe, nicht arbeiten zu müssen, da sie ein Vorstellungsgespräch hätte. Die Klägerin habe daraufhin Herrn D. M. angesprochen. Der habe daraufhin erklärt, dass er dies nicht geäußert habe. Es sei an diesem Tag so gewesen, dass die Klägerin andere Kolleginnen aus der Auftragsabwicklung gebeten habe, die Schicht zu übernehmen. Da diese in Kurzarbeit gewesen seien, hätten diese gerne übernommen.
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Seit die Beklagte das Interesse an der Fortsetzung des „teuren“ Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin verloren habe, sei sie immer wieder unfair behandelt worden. Die fehlende Berücksichtigung ihres Tinnitus-Leidens, die Verweigerung der Lohnfortzahlung für den 26. Februar 2010, die ungenehmigte Verwendung ihrer Unterschrift zu Werbezwecken (April 2010), das Versenden eines Angebots im Namen der Klägerin (September 2010), das Aufkommen der Gerüchte um anderweitige Bewerbungen der Klägerin (September 2010), die von der Beklagten veranlasste Vorführung beim Medizinischen Dienst (Oktober 2010) sowie die Einstellung der weiteren Zahlung der Aufwendungspauschale (Oktober 2010) und die Aufkündigung der Vereinbarung zur 4-Tage-Woche dürften nicht nur als Einzelfall betrachtet werden. Vielmehr ergebe sich aus der Gesamtschau der Einzelereignisse, dass die Beklagte die Klägerin planvoll aus dem Arbeitsverhältnis drängen wolle.
- 35
Zum Berufungsantrag zu 2 behauptet die Klägerin, sie habe in der Zeit vom 15. November 2010 bis 15. Juni 2011 Krankengeld in Höhe von insgesamt 22.131,00 Euro erhalten. Die Differenz zu der für diesen Zeitraum zu zahlenden Vergütung (35.750,00 Euro) sei durch die Beklagte zu ersetzen.
- 36
Zum Antrag zu 4 trägt die Klägerin vor, § 12a ArbGG, der an sich den Ersatz der außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Arbeitsgerichtsverfahren ausschließe, könne auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden.
- 37
Die Klägerin beantragt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils
- 38
1.
die beklagte Partei zu verurteilen, an die klägerische Partei einen angemessenen Ersatz für den immateriellen Schaden (Entschädigung Schmerzensgeld) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, der 64.350,00 Euro nicht unterschreiten soll,
- 39
2.
die beklagte Partei zu verurteilen, an die klägerische Partei einen weiteren Betrag i.H.v. 35.750,00 Euro brutto abzüglich 22.131,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 40
3.
festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, alle weiteren Gesundheits-, Vermögens- und sonstigen Schäden zu ersetzen, die der klägerischen Partei aufgrund der in der Klage beschriebenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Form von Benachteiligungen, Belästigungen und Diskriminierungen durch die beklagte Partei und ihren Mitarbeitern im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses entstanden sind und die zukünftig entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,
- 41
4.
die beklagte Partei zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 3.593,80 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die klägerische Partei zu zahlen.
- 42
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
- 43
Die Beklagte weist den Vorwurf einer Diskriminierung zurück. Es läge auch keine systematische Schlechterstellung oder gar Mobbing zu Lasten der Klägerin vor.
- 44
Die Unterbringung in einem Büro mit sechs Kollegen sei zunächst nach dem Umzug 2008 erfolgt, um die neuen und die alten Kollegen zusammenzubringen. Es sei nach der Anfangszeit eine Verteilung in kleinere Büros erfolgt. Zumindest im Hinblick auf den ersten Hörsturz (Oktober 2007) bzw. den sich daraus ergebenden Tinnitus sei der Beklagten die Art der fortdauernden Belastung der Klägerin nicht bekannt gewesen.
- 45
Die Verwendung der Unterschrift der Klägerin für den Kunden-Flyer im Mai 2010 sei in der Sache nicht zu beanstanden. Es habe eine allgemeine Zustimmung hierzu gegeben. Darüber hinaus dürfe die Unterschrift auch für eine allgemeine Mitteilung, aus der sich keinerlei Rufschädigung für die Klägerin ergeben würde, ohne deren Einwilligung benutzt werden.
- 46
Die Anordnung zur Änderung der Lage der Arbeitszeit im November 2011 sei erfolgt, um die Erreichbarkeit sicherzustellen. Die Beklagte sei im internationalen Geschäft tätig. Von daher sei es wichtig, dass auch die Klägerin freitags da sei.
- 47
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 48
Die Berufung der Klägerin führt nicht zum Klageerfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Entschädigung und Schmerzensgeld noch auf Ersatz eines materiellen Schadens. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die außergerichtliche und gerichtliche Rechtsverfolgung besteht ebenfalls nicht.
I.
- 49
Der Berufungsantrag zu 1 ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Entschädigung und Schmerzensgeld. Dies hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend festgestellt. Das Berufungsgericht macht sich die dortigen Ausführungen zu Eigen.
1.
- 50
Soweit die Klägerin Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend macht, sind diese bereits gemäß § 15 Absatz 4 AGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift muss der Entschädigungsanspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, wobei die Frist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
- 51
Kenntnis von der Benachteiligung hat der Beschäftigte dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat (BAG 15. März 2012 – 8 AZR 37/11 – BAGE 141, 48 = AP Nr. 11 zu § 15 AGG = DB 2012, 187). Anspruchsbegründend sind hier die von der Klägerin geschilderten Vorkommnisse im Arbeitsverhältnis in Zusammenhang mit der Sitzverlegung im Jahre 2008 und in Zusammenhang mit der zunehmenden Klimaverschlechterung im Arbeitsverhältnis im Laufe des Jahres 2010. Da die Klägerin selbst Beteiligte all dieser Konflikte war, hatte sie stets auch unmittelbar Kenntnis von den Ereignissen. Selbst wenn man auf das jüngste von der Klägerin vorgebrachte Ereignis abstellt (Vorwurf, die Beklagte habe den Medizinischen Dienst der Krankenkassen im Oktober 2010 wider besseres Wissen zur Überprüfung der Krankschreibung eingeschaltet), hätten daraus folgende Entschädigungsansprüche spätestens bis Ende Dezember 2010 schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden müssen. Die schriftliche Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin im Juni 2011 ist daher deutlich verspätet erfolgt. Dies gilt dann erst recht für die vielen weiteren älteren Ereignisse, auf die die Klägerin ihren Anspruch stützt.
- 52
Die Klägerin hat auch im Berufungsrechtszug keine Gesichtspunkte vorgebracht, die es ihr unzumutbar gemacht haben, ihre Ansprüche früher geltend zu machen, obwohl das Arbeitsgericht sein Urteil allein auf das Argument des Eingreifens von Ausschlussfristen aufgebaut hatte.
2.
- 53
Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin zusammengetragenen teilweise beachtlichen Argumente für die Europarechtswidrigkeit von § 15 Absatz 4 AGG im Ergebnis zutreffen. Denn selbst dann, wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, § 15 Absatz 4 AGG finde vorliegend keine Anwendung, verhilft das der Klage nicht zum Erfolg, denn ein Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote aus § 1 AGG kann nicht festgestellt werden.
a)
- 54
Eine rechtswidrige Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Alters vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Klägerin hat dazu lediglich vorgetragen, sie gehe davon aus, dass der Beklagten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien Recht gewesen wäre, da die Klägerin deutlich mehr verdient habe als ihre jüngeren Kollegen, die erst in Zusammenhang mit der Sitzverlegung im Jahre 2008 eingestellt worden seien. Diesem Sachvortrag kann eine Altersdiskriminierung nicht entnommen werden. Wenn man zu Gunsten der Klägerin die Behauptung als wahr unterstellt, das Arbeitsverhältnis sei der Beklagten lästig geworden, weil es so teuer ist, liegt das nicht am Alter der Klägerin, sondern an der Dauer der Zusammenarbeit der Parteien und an dem unterschiedlichen Einkommensniveau in Schleswig-Holstein im Speckgürtel von Hamburg einerseits und in Mecklenburg-Vorpommern andererseits. Hilfstatsachen für eine Verschiebung der Beweislast im Sinne von § 22 AGG hat die Klägerin nicht vorgetragen.
b)
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Eine rechtswidrige Diskriminierung der Klägerin wegen ihrer Rechtsstellung als behinderter Mensch vermag das Gericht nicht zu erkennen. Selbst nach den Schilderungen der Klägerin hat bei keinem der zahlreichen von der Klägerin als belastend empfundenen Ereignisse der Status der Klägerin als behinderter Mensch eine Rolle gespielt. Die Klägerin ist dem Sachvortrag der Beklagten, die Klägerin habe nie darauf hingewiesen, dass sie die Arbeitssituation in dem größeren Büro in H. wegen ihres Dauerleidens Tinnitus als belastend empfunden habe, nicht durch Vortrag von konkreten Tatsachen entgegen getreten. Daher muss das Gericht davon ausgehen, dass selbst in dieser Belastungssituation der Umstand der Behinderung der Klägerin für die Beklagte keine Rolle gespielt hat. Es kann aber auch nicht umgekehrt davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den Behindertenstatus der Klägerin ignoriert habe. Denn die Klägerin hat nicht einmal konkret vorgetragen, wann sie wem auf Seiten der Beklagten auf ihren Status als behinderter Mensch hingewiesen hat.
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Selbst dann, wenn man mit der Klägerin das Diskriminierungsverbot wegen Behinderung aus § 1 AGG weit auslegt und es auch als Diskriminierungsverbot wegen Krankheit ansieht, kann das Gericht hier keine Diskriminierung wegen der Erkrankungen der Klägerin feststellen. Was das Tinnitus-Leiden der Klägerin angeht, kann auf die obigen Ausführungen verweisen werden. Da die Klägerin nicht konkret vorgetragen hat, dass sie die Beklagte darüber aufgeklärt hat, dass ihr Leiden einer Tätigkeit mit mehreren Kollegen in dem größeren Büro hinderlich entgegen stehe, kann man der Beklagten nicht unterstellen, sie habe sich leichtfertig über dieses klägerische Leiden hinweg gesetzt.
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Eine Diskriminierung ergibt sich aber auch nicht daraus, dass die Beklagte bei der Krankenkasse im Oktober 2010 veranlasst hatte, dass sich die Klägerin beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen vorstellen müsse. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über ausreichend Informationen verfügte, um den Krankenstatus der Klägerin realistisch einschätzen zu können. Es ist jedenfalls unstreitig, dass der Beklagten die Angst- und Panikattacken, unter denen die Klägerin seinerzeit gelitten hatte, nicht bekannt waren. Für die Beklagte gab es nur einen deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem ungelösten Konflikt im Verhältnis der Parteien, der durch die Streichung der Aufwendungspauschale in Höhe von 600 Euro monatlich beginnend ab Oktober 2010 entstanden war und dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit ab dem 4. Oktober 2010. Da die Parteien des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Lage waren, offen miteinander zu reden, kann man der Beklagten keinen Vorwurf daraus machen, dass sie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen eingeschaltet hat.
c)
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Letztlich kann das Gericht auch keine rechtswidrige Diskriminierung der Klägerin wegen ihrer ethnischen Herkunft erkennen. Eine Diskriminierung kann insoweit schon deshalb nicht festgestellt werden, da die Klägerin gar nicht vorgetragen hat, welcher ethnischen Herkunft sie ist.
- 59
Aber selbst dann, wenn man mit der Klägerin den Begriff der ethnischen Herkunft mit dem Begriff der einwohnerrechtlichen Meldeadresse gleichsetzen würde, kann das Gericht keine Diskriminierung der Klägerin erkennen, die dem Umstand geschuldet ist, dass sie polizeilich in H.-U. gemeldet ist. Der dahingehende Gedankengang der Klägerin entbehrt der Überzeugungskraft. Sie Klägerin meint zum einen, sie sei als „Wessi“ von der Beklagten 2008 zunächst bevorzugt behandelt worden im Vergleich zu den Kollegen, die 2008 aus dem Raum H. eingestellt wurden. Daraus hätte sich ein innerbetriebliches Spannungsverhältnis ergeben, unter dem die Klägerin gelitten habe. Dazu kann das Gericht aber keine Feststellungen treffen, da die Klägerin mit ihren Andeutungen nicht so konkret geworden ist, dass die Beklagte in der Lage war, sich zu verteidigen.
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In einer anderen Variante wird dann klägerseits vorgetragen, die Beklagte habe später, als man nicht mehr auf die Klägerin angewiesen gewesen sei, untechnisch gesprochen im Arbeitsverhältnis der Parteien schlechte Laune verbreitet, um der Klägerin das Interesse an der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses zu verderben. Abgesehen davon, dass dieser Parteivortrag im Kern allein auf Vermutungen der Klägerin beruht, kann das Gericht selbst dann, wenn man ihn als gegeben unterstellt, keine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft oder auch nur wegen des Wohnsitzes in Schleswig-Holstein erkennen. In dieser Spielart des Arguments beruht die schlechtere Behandlung der Klägerin auf dem Einkommen, das sie aus dem Arbeitsverhältnis erzielt. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass dieses Einkommen auf ihren Wohnsitz in Schleswig-Holstein zurückzuführen ist. Das Einkommen war schlicht das marktübliche Einkommen in Schleswig-Holstein am alten Sitz der Beklagten und es konnte auch von Arbeitnehmern aus anderen Bundesländern – auch aus Mecklenburg-Vorpommern – erzielt werden, wenn sie bereit waren, zum dortigen Firmensitz zu pendeln.
d)
- 61
Die Beklagte ist auch nicht zur Zahlung einer Entschädigung unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Mobbing ihrer Mitarbeiter gegenüber der Klägerin verpflichtet. Die von der Klägerin vorgetragenen Vorfälle sind weder im Einzelnen noch in der Gesamtschau als Persönlichkeitsrechtsverletzung zu bewerten. Insoweit schließt sich das Berufungsgericht ausdrücklich der Bewertung durch das Arbeitsgericht an (S. 14 des Urteilsabdrucks).
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Die Verlagerung des Betriebssitzes (2008) kann nicht als auf die Klägerin zielende Maßnahme gesehen werden. Das ergibt sich schon daraus, dass von dieser Maßnahme alle Beschäftigten der Beklagten betroffen waren. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ausschluss weiterer Abfindungszahlungen in Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen aus Anlass der Sitzverlegung nur die Klägerin betroffen haben könnte. Sie selbst hat dazu keine Hinweise gegeben und aus dem übrigen Sachvortrag ergibt sich, dass mehrere Mitarbeiter der Beklagten zum neuen Betriebssitz nach H. gewechselt haben, woraus sich eher der Schluss ziehen lässt, dass die Ablehnung einer Abfindungszahlung gegenüber der Klägerin kein Einzelfall war.
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Soweit die Klägerin in H. ab Oktober 2008 einem Büro mit fünf weiteren Mitarbeitern eingesetzt wurde, kann das Gericht auch hierin kein Angriff auf das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sehen. Diese Maßnahme mag zwar die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung besonders belastet haben. Dass die Auslösung dieser Sonderbelastung bezweckt war, ist jedoch nicht ersichtlich; es fehlt bereits an dem Vortrag der Klägerin, dass der Beklagten das Tinnitus-Leiden seinerzeit überhaupt bekannt war.
- 64
Die Verwendung der Unterschrift der Klägerin und die einer Kollegin auf einer Urkunde ohne Zustimmung der Klägerin (April 2010) kann angesichts des unverfänglichen Inhalts der Urkunde nicht als Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts gesehen werden. Zwar mag die Beklagte hier rechtswidrig über die Unterschrift verfügt haben, eine Belastung der Ehre der Klägerin ist aber nicht gegeben. Da von diesem Vorgehen der Beklagten auch noch zwei weitere Beschäftigte betroffen waren, liegt es auch fern, darin eine gezielt gegen die Klägerin gerichtete Maßnahme zu sehen.
- 65
Die Differenzen hinsichtlich der Vergütung der Arbeitszeit während eines Arztbesuchs (Februar 2010) sind unterschiedlichen Rechtsansichten der Parteien zu der Frage geschuldet, ob hier auch ohne Arbeit eine Vergütung zu erfolgen hat. Das Gericht kann nicht die Feststellung treffen, dass die Beklagte diesen Konflikt wider besseres Wissen mit dem Ziel vom Zaun gebrochen hat, die Klägerin zu zermürben.
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Das Streuen von Gerüchten, die Klägerin bewerbe sich anderweitig, ist vom Ansatz her durchaus geeignet, die Ehre und das Ansehen der Klägerin im Betrieb zu schädigen. Aus dem gesamten Parteivortrag kann jedoch trotz Erörterung dieses Aspekts im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht geschlossen werden, dass es sich insoweit um eine gezielte Aktion gehandelt hat, um der Klägerin zu schaden. Vielmehr muss das Gericht davon ausgehen, dass hier durch das mehrfache Wiedergeben einer mündlich erhaltenen Nachricht diese im Laufe der Zeit ihren Inhalt geändert hat und so ungewollt und ungesteuert das Gerücht entstanden war, die Klägerin habe sich anderweitig beworben.
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Das Betreiben der Beklagten, die Klägerin vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen untersuchen zu lassen (Oktober 2010), kann zwar als die Bekundung von Misstrauen gegenüber der Klägerin gewertet werden. Oben ist allerdings bereits ausgeführt worden, dass die zeitliche Nähe zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit (4. Oktober 1020) und dem Streichen des monatlichen Aufwendungsersatzes für die Fahrten nach H. ab Oktober 2010 durchaus Anlass zu der Sorge gibt, der Arbeitnehmer flüchte sich in eine Arbeitsunfähigkeit. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien zu diesem Zeitpunkt auch schon so zerrüttet war, dass es auch bei einer Nachfrage der Beklagten wohl nicht zu einem offenen und ehrlichen Austausch über die krankheitsbedingten Ursachen der Ausfallzeit gekommen wäre, kann man der Beklagten aus der Einschaltung des Medizinischen Dienstes keinen Vorwurf machen.
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Auch die Gesamtschau der Vorfälle lässt keine systematische Vorgehensweise zur Herabwürdigung der Klägerin erkennen. Die genannten Abläufe erstreckten sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren. Eine Systematik, die darauf zielt, eine Missachtung der Klägerin kundzutun und sie anzufeinden, ist nicht ersichtlich. Dabei ist auch zu beachten, dass die verschiedenen Ereignisse, die die Klägerin hier ins Feld führt, durch unterschiedliche Personen auf Seiten der Beklagten erfolgten. Dass sich diese Personen in einer unfairen Behandlung der Klägerin untereinander abgesprochen haben, ist nicht ersichtlich.
3.
- 69
Der Berufungsantrag zu 1 lässt sich auch nicht auf Schadensersatz wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten der Beklagten (§ 280 Absatz 1, § 241 Absatz 2, § 311 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 7 Absatz 3 AGG) stützen. Zutreffend hat insoweit bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Ausschlussfrist aus § 15 Absatz 4 AGG auch diesen Anspruch erfasst (BAG 21. Juni 2012 – 8 AZR 188/11 – BAGE 142, 143 = AP Nr. 12 zu § 15 AGG = DB 2012, 2521).
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Im Übrigen fehlt es an den notwendigen Feststellungen für die Verletzung einer Nebenpflicht der Beklagten und eines daraus resultierenden materiellen oder immateriellen Schadens auf Seiten der Klägerin. Das Gericht sieht sich nicht in der Lage, die Feststellung zu treffen, die Beklagte habe schuldhaft die Gesundheit oder das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.
- 71
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Klägerin durch rechtswidrige Diskriminierung im Sinne von § 1 AGG nach § 7 AGG benachteiligt hat. Dazu kann auf die obigen Ausführungen verweisen werden. Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte andere Schutzpflichten bezüglich der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vernachlässigt hat. Für die Feststellung der Vernachlässigung der Pflichten aus § 618 BGB fehlt es ebenfalls an dem notwenigen konkreten Parteivortrag.
II.
- 72
Der Berufungsantrag zu 2 ist ebenfalls nicht begründet.
- 73
Mit diesem Antrag verfolgt die Klägerin das Ziel, den Einkommensverlust auszugleichen, den sie in der Zeit zwischen dem 15. November 2010 und dem 15. Juni 2011 dadurch erlitten hat, dass sie statt Arbeitseinkommen nur noch Krankengeld bezogen hat.
- 74
Der Klägerin ist es nicht gelungen, eine Anspruchsgrundlage für diesen Anspruch schlüssig aufzuzeigen.
- 75
Der Anspruch könnte dann begründet sein, wenn man der Beklagten nachweisen könnte, dass sie vertragliche oder gesetzliche Schutzpflichten, die zum Schutze der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bestehen, verletzt oder vernachlässigt hat. Dahingehende Feststellungen vermag das Gericht nicht zu treffen, was bereits oben unter I. ausführlich begründet wurde. Darauf wird Bezug genommen.
- 76
Der Anspruch könnte auch dann begründet sein, wenn man der Beklagten nachweisen könnte, dass sie die Klägerin im Sinne von § 7 AGG benachteiligt hat und diese Benachteiligung bei der Klägerin die Fernwirkung der Erkrankung ab Oktober 2010 ausgelöst hat. Feststellungen zur Benachteiligung im Sinne von § 7 AGG vermag das Gericht hier nicht zu treffen, was bereits oben unter I. ausführlich begründet wurde. Darauf wird Bezug genommen.
III.
- 77
Der Berufungsantrag zu 3 ist nicht begründet.
- 78
Mit dem Berufungsantrag zu 3 verfolgt die Klägerin das Ziel der gerichtlichen Feststellung eines umfassenden Anspruchs auf Ersatz von Schäden, soweit diese noch über die konkretisierten Anträge zu 1 und 2 hinausgehen.
- 79
Die gewünschte Feststellung kann nicht getroffen werden. Da die Klägerin vorliegend weder eine Entschädigung noch ein Schadensersatz zusteht (vgl. oben I. und II.) kann das Gericht erst Recht nicht die allumfassende Feststellung treffen, die Beklagte sei auch zum Ersatz weiter Schäden soweit nicht von den Anträgen zu 1 und 2 erfasst, verpflichtet.
IV.
- 80
Auch der Berufungsantrag zu 4 ist nicht begründet. Mit diesem Antrag verlangt die Klägerin von der Beklagen den Ersatz außergerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung. Ein Ersatz solcher Kosten ist nach § 12a ArbGG ausgeschlossen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen erfordert diesbezüglich keine weiteren Ausführungen.
V.
- 81
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).
- 82
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.
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Referenzen
- BGB § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse 1x
- BGB § 618 Pflicht zu Schutzmaßnahmen 1x
- 1 Ca 287/12 1x (nicht zugeordnet)
- 8 AZR 188/11 1x (nicht zugeordnet)
- AGG § 7 Benachteiligungsverbot 4x
- AGG § 15 Entschädigung und Schadensersatz 8x
- AGG § 1 Ziel des Gesetzes 3x
- AGG § 22 Beweislast 1x
- 8 AZR 37/11 1x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 12a Kostentragungspflicht 2x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x